Kolumbien | Nummer 468 - Juni 2013

Spritziger Protest

Elbblockade gegen das Kohlekraftwerk Moorburg und kolumbianische Kohle

Anfang 2014 soll das umstrittene Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg ans Netz gehen. Die Kohle selbst soll vor allem aus Kolumbien geliefert werden, wo der Abbau mit massiven Menschenrechtsverletzungen und ökologischen Schäden einhergeht (siehe LN 466). Zum Auftakt des Hafengeburtstags am 10. Mai hatte die Gruppe gegenstrom.13 daher dazu aufgerufen, die Hafeneinfahrt zu blockieren. Mit dabei: ein Boot von den Lateinamerika Nachrichten (LN) und dem Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile Lateinamerika (FDCL). Ein Protokoll.

Antonia Schaefer

Hafengeburtstag, 14 Uhr. Die U-Bahn ist voll. „Bitte lassen Sie die Menschen erst aussteigen!“, ertönt es an der Station Landungsbrücken aus orange-farbenen Megafonen. Stände säumen die Hafenkante. Ein buntes Treiben. Hier riecht es nach Crêpe – dort nach Fischbrötchen. Überall Menschen. Möwenschreie vermischen sich mit der Musik, die von überall her aus den Boxen dröhnt. Derweil sammeln sich mit Plakaten behängte Boote am Hansahafen. Vom kleinen Motorboot bis zum großen Traditionssegler sind alle Varianten zu sehen. Das hölzerne Floß der Umweltorganisation ROBIN WOOD sorgt für besonders viel Aufmerksamkeit, als es mit rund 20 Menschen beladen in Richtung Hansahafen schippert.
15:00. Für einen Mai-Tag ist es kalt. So breitet sich allgemeine Dankbarkeit aus, als Kaffee aus Thermoskannen ausgeschenkt wird, während die erste Lagebesprechung stattfindet. Hierbei können zum ersten Mal die Plakate bewundert werden. „Vattenfall verfeuert Menschenrechte“ prangt der Länge nach auf einem großen Segelboot, „Nicht Kolumbien plündern, Moorburg verhindern“ ist auf einem kleineren Motorboot zu lesen, „NO CO²AL“ sticht hier und da ins Auge und ein kleines, aber sehr lautes Boot in Form eines Torpedos hat sich mit der Aufschrift „Make Love, Not CO²“ geschmückt.
15:30. Langsam setzt Aufbruchsstimmung ein. Rettungswesten werden angelegt, setzen weitere Farbtupfer neben das Rot-Schwarz der Protestplakate. Dann setzen sich die ersten Boote in Bewegung. Vorweg fährt die passenderweise rote Barkasse von der Partei DIE LINKE, die unentwegt Musik der Toten Hosen spielt. Die Mitfahrer_innen scheinen alle recht textsicher. Das Motorboot von LN und FDCL hält sich im Mittelteil, ROBIN WOOD und das selbstgebaute Floß lassen auf sich warten. Über Walkie-Talkies sucht die KRABBE Kontakt: Das kleinste Boot der Demonstration wird von ihrem Mitveranstalter Volker Gajewski gefahren (siehe Interview LN 466). Man solle sich bereithalten, die Bootsnummern für die Reihenfolge der Formation würden verteilt. Das LN-/FDCL-Boot erhält die Nummer 12.
16:00. Am Dock 10 ist es ziemlich laut. Am Ufer sieht man bunte Punkte hin- und herwuseln, die Bühne der FC St.Pauli-Fankneipe Jolly-Roger spielt Hard-Rock. Dort finden parallel zur Blockade Protestaktionen statt, unter anderem eine Live-Schaltung nach Bogotá und Gespräche mit Betroffenen und Gewerkschafter_innen aus Kolumbien. Außerdem soll eine kolumbianische Band auftreten. Davon bekommt man auf dem Wasser nichts mit. Die Boote und Schiffe sind angekommen. Über zwanzig sind es geworden. In mehr oder weniger einer Reihe versuchen sie der Strömung und dem Wind standzuhalten und ihre Position in der Blockade zu halten. Das LN-/FDCL-Boot muss immer wieder umdrehen und seine Stellung erneut anpeilen, so stark ist die Strömung. Die KRABBE bahnt sich wendig ihren Weg zwischen den Booten hindurch und verteilt Bojen, die aus drei LKW-Reifen und einer roten Fahne bestehen. Protestslogans gegen kolumbianische Minen und den Energiekonzern Vattenfall, Betreiber des Kohlekraftwerk Moorburg, schmücken diese.
16:30. Die Reihenfolge existiert nicht mehr. Auch die Bojen kommen nur vereinzelt zum Einsatz. Dafür herrscht euphorische Stimmung: Fahnen und Banner werden geschwenkt, durch ein Megafon ertönen Demorufe: „Vattenfall ins Klo – Elbe blockieren sowieso!“, heißt es da. Am Elbufer den Landungsbrücken gegenüber steht eine weitere Gruppe von Demonstrant_innen, hält Plakate in die Höhe und johlt mit.
17:00. Eine Barkasse fährt immerzu vor der Blockade entlang. Da werden Kameras in die Höhe gehalten, zwischendurch ein Blitz: Die Presse ist da, heißt es. Plötzlich der Aufruf über das Walkie-Talkie: Hupkonzert auf Drei. Tief erklingt die Hupe der Traditionssegler, die Barkasse von DIE LINKE hupt einen Takt, der Klang der LN-/FDCL-Hupe ist eher schrill. Am Ufer bei den Landungsbrücken halten die Menschen einen Augenblick inne. Das Hupen scheint die Musik zu übertönen. Auch dort sind nun Plakate zu sehen, an der Jolly-Roger-Bühne steht eine riesige Leinwand, die mit Bewegtbildern zum Protest aufruft. Dieser scheint nun auch beim breiten Publikum angekommen zu sein. Vom ROBIN WOOD-Floß aus starten Kajakfahrer_innen, die zwischen den Booten umherpaddeln. Das Gewusel vom Land findet nun auch auf dem Wasser statt.
17:30. Der Schiffsverkehr sucht seinen Weg die Elbe entlang – und hält erstaunt inne, als die Blockade in Sichtweite gerät. Die Wasserschutzpolizei macht ihre Arbeit, hält die Boote fern. Die ersten Blockade-Boote drehen ab.
18:00. Die Blockade löst sich langsam auf. Viele Schiffe und Boote begleiten die KRABBE flussaufwärts nach Moorburg zur Abschlussverkündung. Das kleine Motorboot von FDCL und LN kehrt um. Wieder an Land nimmt die Crew die ganzen Poster und Plakate wahr, welche die umliegenden Hauswände und U-Bahneingänge zieren. „Elbblockade 16-18 Uhr“, „Menschenrechte statt Milliardengewinne“ ist darauf zu lesen. Hier sind die Menschenmengen noch immer unterwegs. Es wird ein langer Abend auf der viertägigen Hafenveranstaltung, die jedes Jahr aufs Neue über eine Million Menschen an Bierstände, Naschbuden und Bühnen lockt. Dieses Jahr hat der Protest dem Hafengeburtstag ein anderes Gesicht verpasst.
Am nächsten Morgen hat die Blockade Wellen geschlagen. Lokalzeitungen wie die MOPO und das Hamburger Abendblatt berichten und auch der NDR ist mit einem Beitrag dabei. Die innovative Protestmethode, die sowohl Wasser als auch Land abdeckte und als symbolischer Block gegen den Import von Kohle aus Kolumbien wirken sollte, hat ihren Hauptzweck erfüllt: Mehr Aufmerksamkeit hätten sich die Veranstalter_innen kaum wünschen können. Wer Protest so kreativ gestaltet, hat diese auch mehr als verdient.

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