Literatur | Nummer 490 - April 2015

Tane, cone

Neu übersetzte Lyrik aus Lateinamerika

Die Lateinamerika Nachrichten freuen sich, ihren Leser*innen aktuelle Lyrik aus Lateinamerika vorstellen zu dürfen. Dank einer Kooperation mit Timo Berger werden wir in den nächsten Ausgaben neu übersetzte Gedichte zeitgenössischer lateinamerikanischer Lyriker*innen erstveröffentlichen. Die Reihe beginnt mit einem Werk von Luis Chaves aus Costa Rica.

Luis Chaves / Timo Berger

Tane, cone

Tu hermana duerme entre la madera,
del futuro te separa una lámina de cristal,
una ventana finísima de agua
detenida, en estado de congelación.

No sabés hablar todavía,
ni persona ni animal.
¿Pero esos ojos?

Cruje la casa
cuando pienso en estas cosas,
tintinea algo en la parte superior.

No existías antes
y no tengo justificación.
Lo dicen tus señas
de un lesco extraterrestre.

Estas líneas
son para tu hermana
que te alza y te cuida
mientras florea el árbol
y se derrumba la casa

A 150 kilómetros de aquí,
25 años atrás,
se ahoga el sol en el hilo
que separa el cielo del mar.
Camino con una birra semivacía,
la diagonal del viento
cruza la playa
y la boca de la botella
silba.

Aus: Luis Chaves Iglú (Ediciones Germinal, San José, 2014).

 

Hoppel, Ninchen

Deine Schwester schläft zwischen Holz,
von der Zukunft trennt dich eine Glasschicht,
ein sehr feines Fenster aus Wasser,
angehalten in gefrorenem Zustand.

Du kannst noch nicht sprechen,
weder Mensch, noch Tier.
Aber diese Augen?

Das Haus ächzt,
wenn ich sowas denke,
oben klirrt etwas.

Dich gab es vorher nicht
und ich habe keine Entschuldigung dafür.
Das sagen deine Zeichen
in einer außerirdischen Gebärdensprache.

Diese Zeilen
sind für deine Schwester
die dich hochhebt und auf dich aufpasst
während der Baum ausschlägt
und das Haus zusammenfällt

150 Kilometer von hier
vor 25 Jahren
ertrinkt die Sonne im Faden
der den Himmel vom Meer scheidet.
Ich gehe mit einem halbvollen Bier,
die Diagonale des Windes
kreuzt den Strand
und der Flaschenhals
pfeift.

Aus dem Spanischen von Timo Berger

 

Luis Chaves wurde 1969 in San José, Costa Rica, geboren. Er veröffentlichte die Gedichtbände Los animales que imaginamos (1998), Chan Marshall (2005) und Asfalto. Un road poem (2006) sowie den Roman Salvapantallas (2014). Er lebt seit Januar 2015 mit seiner Frau und zwei Töchtern in Friedenau als Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.

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