Literatur | Nummer 491 - Mai 2015

Tropische Blumen in einem Gewächshaus

Neu übersetzte Lyrik aus Lateinamerika

Die Lateinamerika Nachrichten freuen sich, ihren Leser*innen aktuelle Lyrik aus Lateinamerika vorstellen zu dürfen. Wir setzen unsere Reihe von Erstveröffentlichungen zeitgenössischer lateinamerikanischer Dichter*innen in deutscher Sprache fort mit einem Werk von Ángel Ortuño aus Mexiko.

Ángel Ortuño, Sarah Otter

Flores tropicales en un invernadero

Así pasa a veces en la vida,
caballeros.
Una máquina me destrozó la mano
y perdí
mi trabajo de cajero en una sex-shop.

Lo digo con vergüenza
pero ahí he visto cosas
que no quisiera hacerles.

Sé también que los jóvenes
abarrotan nuestras prisiones y que al lado
de la mugre y hedor de esas celdas
este camión recuerda
el dulce paladar de una princesa rusa
o los párpados de usted
antes de cincuenta años de cosméticos.
Pero no me desvío del asunto.
Yo no quiero pedirles
ni dinero ni ayuda.

Sólo que no desvíen la vista cuando termine de quitarme la venda.

Aus: 1331 (Conaculta, Práctica Mortal, Mexiko-Stadt, 2013)

 

Tropische Blumen in einem Gewächshaus

So ist das manchmal im Leben,
meine Herren.
Eine Maschine hat mir die Hand zerquetscht
und ich verlor
meinen Job als Kassierer in einem Sexshop.

Es ist mir unangenehm, das zu sagen
aber dort bekam ich Dinge zu sehen
die ich Ihnen nicht zumuten will.

Ich weiß auch, dass unsere Gefängnisse
mit jungen Leuten überfüllt sind und dass dieser Bus
neben dem Schmutz und Gestank jener Zellen
an den süßen Gaumen einer russischen Prinzessin erinnert
oder an Ihre Augenlider
vor fünfzig Jahren Kosmetik.

Aber ich lenke nicht vom Thema ab.
Ich möchte von Ihnen
weder Geld noch Hilfe.

Nur, dass Sie nicht wegsehen, wenn ich mir den Verband abnehme.

Aus dem Spanischen von Sarah Otter

 

Ángel Ortuño, geboren 1969 in Guadalajara, Mexiko, hat Literatur an der Universidad de Guadalajara studiert. Von ihm erschienen mehrere Gedichtbände – wie Perlesía (2012) und zuletzt 1331 (2013). Seine Gedichte sind in literarischen Zeitschriften wie Letras Libres, Replicante, Luvina und Revista Salmón erschienen, sowie in Anthologien wie El manantial latente (2002).

Sarah Otter, geboren 1980, studierte Germanistik, Komparatistik sowie Spanische Philologie in Potsdam und Granada und lebt als freie Lektorin und Übersetzerin in Berlin. Sie übersetzt regelmäßig für die Latinale, das mobile lateinamerikanische Poesiefestival.

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