Musik | Nummer 457/458 - Juli/August 2012

„Unsere Lieder sind immer Standpunkte“

Interview mit der kolumbianischen Mestizo-Rockband Dr. Krápula

Dr. Krápula tourt gerade durch Deutschland. Die Lateinamerika Nachrichten sprachen vor dem anstehenden Konzert in Berlin mit den Bandmitgliedern über ihre Musik und die politischen Botschaften, die dahinter stecken.

Interview: Evelyn Schreiber

Wer von euch komponiert und schreibt eure Songs?
Acosta: Das war immer ein kollektiver Prozess. Sodass wir uns entschieden haben, auch das sechste Album zusammen zu schreiben. Vorher haben manchmal auch Mario oder Niko geschrieben oder ich bin mit einem Text gekommen…

Was motiviert euch, Musik zu machen?
Muñoz: Ich glaube, jeder von uns hat seine persönliche Motivation, aber als Band wollen wir Bewusstsein schaffen. Wir kämpfen für den Schutz des Wassers und der Erde, um so in einem besseren Einklang mit unserer Umwelt zu leben, aber auch mit Tieren und anderen Menschen. Aber natürlich machen wir auch Musik, um etwas essen zu können und ein Dach über dem Kopf zu haben.

Wie würdet ihr eure musikalischen Einflüsse beschreiben?
Muñoz: Da ist es genau das Gleiche: Wir sind Individuen, die im Kollektiv arbeiten, jeder hat seinen eigenen Geschmack, aber wir teilen auch einige Vorlieben für alternative lateinamerikanische Rockmusik. Mir gefällt die Musik in spanischer Sprache sehr, auch der Reggae, letztendlich hört man von jedem etwas.
Unsere Musik ist sehr vielfältig, deshalb bezeichnen wir uns als eine Mestizo-Rock-Band, weil wir viele verschiedene Einflüsse und eine große Bandbreite an Stilen in unsere Musik aufnehmen. Das musikalische Ergebnis dieser Mischung ist Dr. Krápula – aus allen unseren Einflüssen ist ein neuer Klang entstanden.

Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten gibt es zwischen dem kolumbianischen und dem deutschen Publikum?
Muñoz: Die Liebe zu unserer Musik ist die gleiche. Die Unterschiede sind eher sozialer Art, unser lateinamerikanisches Rockpublikum setzt sich aus Leuten zusammen, die tagtäglich um ihr Überleben und ihr Dach über dem Kopf kämpfen. Deshalb ist es nicht üblich, bei einem Konzert Fanartikel zu verkaufen, denn es ist nicht dasselbe, so etwas hier oder dort zu verkaufen.
In Kolumbien müsste es sich jemand vom Mund absparen, um ein T-Shirt und eine CD kaufen zu können. Hier in Deutschland ist es leichter, solche Sachen und eine Konzertkarte zu bezahlen. In Kolumbien werden wir fast nie bezahlt, wir treten dort gratis auf, vor tausenden von Leuten, die keinen Eintritt zahlen können.

Welche Ziele hat eure Stiftung Bombea?
Muñoz: Wir dachten, statt ein Unternehmen zu haben, das Dr. Krápula heißt, sollten wir eine Stiftung gründen, die nicht nur für Dr. Krápula arbeitet, sondern auch für andere Gruppen und Künstler. Eine Organisation, die Unterstützung sucht, um jemandem eine CD zu finanzieren oder auch um Netzwerke mit Leuten in Mexiko, Argentinien, Deutschland aufzubauen. Wir versuchen damit, ein bisschen das Gute, was wir im Leben bekommen haben, zurückzugeben.

Spiegelt sich in euren Texten die politische Situation Kolumbiens wider?
Acosta: Auf jeden Fall, unsere Musik ist das Ergebnis von dem, was in den Medien gesagt wird. Dr. Krápula gibt den Ereignissen, die im Land passieren, eine Stimme. Bei unseren Reisen lernen wir sehr mutige Leute kennen, aber auch die Prozesse in den Gemeinden. Die Musik bringt uns zu beeindruckenden Orten und, wie Mario sagt, geben wir diese Erfahrung in unseren Texten weiter. Es ist fast so, als ob Kolumbien, Bogotá, die Sierra, die Lieder komponiert hätten. Immer wenn wir schreiben, reflektieren wir diese sozialen Bewegungen beziehungsweise Situationen und ich denke, das ist der wichtigste Wert unserer Musik.

Sind eure politischen und sozialen Botschaften in Kolumbien und Deutschland die gleichen?
Muñoz: Wir sind die gleichen hier und dort und wir singen auch das gleiche. Man denkt, dass eine Bar vielleicht nicht der richtige Ort ist, um ein politisches Gespräch anzufangen, aber manchmal machen wir es trotzdem, denn die Lieder sind immer Standpunkte, auch wenn die Leute feiern.
Wir haben schon mehrmals in der Nähe von französischen Atomkraftwerken gespielt, das hat uns die Augen geöffnet. Überall wird viel zerstört.
Acosta: Unsere Botschaft hört auf, lokal zu sein und wird globaler, weil wir die Welt bereisen und mehr kennenlernen. Wir halten die Augen offen. Lateinamerika hat viele Probleme, aber auch Deutschland hat welche. Und es gibt auch hier Leute, die kämpfen und sich widersetzen. In unserem Land ist es schwieriger, über Atomkraft zu sprechen, weil es dort eine Sache ist, die ganz weit weg zu sein scheint und aus dem Kontext fällt.

Was wünscht ihr euch für eure Zukunft?
Muñoz: Ich träume davon, eines Tages eine Rockband zu haben, mit der ich genug verdiene, um mir ein Haus zu kaufen, in dem ich meinen Lebensabend verbringen kann – ohne Miete zu zahlen. Das ist mein großer Traum.
Acosta: Ich habe den Traum, eines Tages in einem Haus mit meinen Kindern aufzuwachen, denn ich möchte mehr Kinder haben. Sie könnten hingehen, wohin sie wollen. Ich wünschte mir, dass es in meinem Land kein Krieg gäbe, sodass sie in den Regenwald und die Tiefebene könnten, ohne Angst zu haben vor den bewaffneten Leuten.
Cabrera: Mein Traum ist es, meinen Kindern und meiner Frau die Welt zu zeigen, auf meine Art und Weise, mit dem Rock, um ihnen all das zu zeigen, was ich schon kennenlernen durfte.
Jaramillo: Ich wünsche mir, dass unsere Musik und Texte den Leuten nahe gebracht werden, weil wir etwas Wichtiges zu sagen haben.

Kasten:

Dr. Krápula aus Bogotá schaffte es, in den bisherigen 14 Jahren ihres Bestehens immer mehr Fans in Lateinamerika zu begeistern und spielte auch schon vor 100.000 Menschen auf dem legendären Rock al Parque in ihrer Heimatstadt. Nach Deutschland kamen sie das erste Mal im Winter 2010. Sie bezahlten ihre Flugtickets selbst und machten sich auf den Weg, in Europa ein neues Publikum zu gewinnen. Sie sind davon überzeugt, dass ihre Musik und ihre Botschaften auch hier gut ankommen. Aktuell besteht die Band aus David Jaramillo (Bassist), Mario Muñoz (Sänger), Sergio Acosta (Keyboard), Germán Martínez (Gitarrist) und Niko Cabrera (Schlagzeug).

CD „Sagrado Corazón“ unter www.uebersee-records.de erhältlich, die aktuelle CD „ Viva el planeta“ wird Anfang 2013 veröffentlicht.

Dr. Krápula live am 14.7.12 im SO36 (Oranienstr.190) organisiert durch www.terrabeats.de. Karten 12€ /ermäßigt 10€ an VVK und an der AK .
Und am 15.7.12 beim Schaubudensommer in der Scheune in Dresden.

Bandinformation unter www.doctorkrapula.net

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