Kolumbien | Nummer 392 - Februar 2007

Vergiftete Beziehungen

Die Kokabekämpfung mit dem Pestizid Glifosat bringt die Beziehungen zwischen Kolumbien und Ecuador auf einen neuen Tiefpunkt

Kolumbiens Wiederaufnahme der umstrittenen Sprüheinsätze gegen Kokafelder in der Grenzregion zu Ecuador hat zu einem diplomatischen Schlagabtausch geführt. Quito zog im Dezember seinen Botschafter aus Kolumbien ab und drohte dem Nachbarland mit juristischen Klagen. Trotz einer Annäherung beider Länder Mitte Januar bleiben die Beziehungen äußerst angespannt. Dies ist auf wiederholte Zwischenfälle in den letzten Jahren und den politischen Richtungswechsel in Quito zurückzuführen.

Tommy Ramm

Die Sprüheinsätze sind beendet, der diplomatische Konflikt bleibt bestehen: Knapp einen Monat lang besprühten Flugzeuge der kolumbianischen Antidrogenpolizei Kokafelder in unmittelbarer Grenznähe zu Ecuador mit Glifosat-Gift. Glifosat ist ein hochwirksames Pestizid, das bei Menschen zu Reizungen von Haut und Augen, Übelkeit und Atemnot führt.
Das Ergebnis der Besprühung sind 12.000 Hektar zerstörter Kokaanpflanzungen und eine ausgewachsene diplomatische Krise mit Ecuador. Als “unfreundlich und aggressiv” bezeichnete der kürzlich ins Amt eingeführte ecuadorianische Präsident Rafael Correa die wieder aufgenommenen Sprüheinsätze, die für die ecuadorianische Seite einen tiefen Vertrauensbruch darstellten.

Diplomatie auf Eis

Beide Länder handelten noch Ende 2005 die Unterbrechung der Kokabekämpfung mit Glifosat aus, nachdem Ecuador mehrfach auf die Schäden für Landwirtschaft und Menschen hingewiesen hatte. Ungünstige Winde hätten ecuadorianischen Quellen zufolge das Gift aus den Sprühflugzeugen auf ecuadorianisches Territorium getragen und dort schwere Schäden in der Landwirtschaft angerichtet. Zudem seien anhaltende gesundheitliche Probleme der AnwohnerInnen der betroffenen Grenzregion auf die Gifteinsätze zurückzuführen. Augenjucken, Übelkeit und Erbrechen gehören zu den häufigsten Symptomen, die dort nach den Sprüheinsätzen mit dem Gift auftauchten.
Nachdem diese Bedenken zur monatelangen Aussetzung der Einsätze an der mehr als 500 Kilometer langen gemeinsamen Grenze geführt hatten, befahl Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe Vélez in der ersten Dezember-Woche überraschend die Wiederaufnahme der Einsätze. Mit Konsequenzen: Der scheidende ecuadorianische Präsident Alfredo Palacio legte die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern auf Eis und machte die Normalisierung von einer Beendigung der Besprühung abhängig. Da sich Bogotá stur zeigte, blieb die ecuadorianische Vertretung auch im Januar ohne Botschafter.
Rafael Correa setzte außerdem im Dezember ein in Bogotá geplantes Treffen mit Uribe aus. “Wenn die kolumbianische Regierung ihr Auftreten nicht revidiert, ist es mir unmöglich, das Land zu besuchen”, konstatierte Correa, der erst wenige Tage zuvor die Wahlen gewonnen hatte. Rückendeckung erhielt er vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, der den Antidrogenkampf in Lateinamerika als Mittel der US-amerikanischen Einmischung brandmarkte.

Falschmeldungen aus Bogotá

Tatsächlich könnte die neuerliche Aufnahme der Sprüheinsätze auf Druck der USA wegen der Haltung Correas zurückzuführen sein. Dieser kündigte nach seinem Wahlsieg an, den Vertrag der US-Militärbasis im ecuadorianischen Manta nicht verlängern zu wollen. Manta gilt als wichtiger Stützpunkt Washingtons im regionalen Antidrogenkampf. In Bogotá sorgte zudem für Unmut, dass Correa es mehrfach ablehnte, die kolumbianischen Guerillagruppen als TerroristInnen zu bezeichnen.
Die kolumbianische Seite scheint nun bemüht, Ecuador in den Antidrogenkampf einzubinden. Ein Anzeichen dafür sind die Anschuldigungen der kolumbianischen Polizei, die über Weihnachten Fotos veröffentlichte, die beweisen sollten, dass Koka mittlerweile großflächig auf ecuadorianischer Seite angebaut würde. Die ecuadorianischen Behörden stellten diese als “haltlos” hin, nachdem sich die Anpflanzungen als Yucca-Felder entpuppten und die Aussagen der kolumbianischen Polizei sich mehrfach änderten. „Die Anschuldigungen deuten auf einen Versuch hin, Ecuador in den bewaffneten Konflikt Kolumbiens einzubeziehen”, kritisierte der damalige Verteidigungsminister Marcelo Delgado. „Nicht nur durch die Sprüheinsätze werden wir belastet, sondern auch durch eine psychologische Kampagne Kolumbiens auf höchster Ebene”.

Knackpunkt Sicherheit

Wiederholt waren in den letzten Jahren Spannungen zwischen beiden Ländern aufgetreten, nachdem kolumbianische Truppen und Kampfflugzeuge die Grenze bei Gefechten mit der Guerilla überschritten hatten. Bogotá warf seinem Nachbarland mehrfach vor, nicht genügend für die Grenzsicherung zu unternehmen. Dies erlaube der kolumbianischen Guerilla, sich unbehelligt auf ecuadorianisches Territorium zurückziehen zu können. Indiz dafür war für Kolumbien die Festnahme des hohen FARC-Kommandanten “Simon Trinidad” im Jahr 2004 in Quito. Nach wie vor sollen sich hohe Chefs der FARC in Ecuador befinden.
Ecuador hält Kolumbien währenddessen vor, den internen Konflikt in sein Staatsgebiet zu tragen. Zehntausende kolumbianische Kriegs-Flüchtlinge hatten in den letzten Jahren in EcuadorSchutz vor den Kämpfen in gesucht, was dort zwar geduldet wird, aber bei jedem Konflikt zwischen beiden Ländern für Aufregung sorgt. Mehrfach drohte Ecuador an, eine Visapflicht für kolumbianische BürgerInnen einführen zu wollen. Dies fand auch diesmal als Druckmittel im aktuellen Konflikt Anwendung. Tausende KolumbianerInnen, die sich illegal in Ecuador befinden, könnten damit gezwungen werden, in ihr Land zurückzukehren.
Für den ehemaligen kolumbianischen Außenminister Rafael Pardo ist es deshalb dringend an der Zeit, nach langfristigen Lösungen zu suchen. “Statt Brandherde zu löschen, müssen beide Länder Mechanismen entwickeln, die langfristig wirkungsvoll sind”, so Pardo. Der warf den PolitikerInnen seines Landes vor, nie einen ernsthaften Dialog mit dem Nachbarland gesucht zu haben. Stattdessen herrsche gemeinhin Gleichgültigkeit gegenüber dem kleinen Nachbarland. Dies habe zu Missverständnissen geführt und bei den letzten Wahlen in Ecuador letztlich PolitikerInnen geholfen, die eine “antikolumbianische Einstellung” hätten.

Zögerliche Annäherung

Zunächst schien es, als würden Correa und Uribe in der zweiten Januar-Woche einen diplomatischen Durchbruch erzielen. In Nicaragua sprachen sich die beiden Präsidenten erstmals aus. Dabei einigten sich beide darauf, dass Kolumbien bei zukünftigen Sprüheinsätzen das Nachbarland und Vertreter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) informieren müsse. Diese sollten während der Einsätze mögliche Grenzüberschreitungen des Giftes untersuchen.
Vielen kamen bei Correas Verhandlungen aber offenbar die ecuadorianischen Interessen zu kurz. Da bei der Einigung von einem definitiven Aussetzen der Sprüheinsätze – wie von Quito zunächst gefordert – keine Rede war, erwartete Correa in Quito ein Sturm der Entrüstung. Zwar soll bis Ende Januar ein binationales Komitee in Zusammenarbeit mit der OAS ins Leben gerufen werden, das zukünftige Besprühungen begleiten und kontrollieren soll. Doch Correa machte klar, dass nur ein Aussetzen der Gifteinsätze zu einer Normalisierung der diplomatischen Beziehungen bei­tragen könne. Zudem wolle Quito internationale Klagen zur Wiedergutmachung durch verursachte Schäden auf eigenem Territorium weiter verfolgen. Mitte Januar legte Ecuador eine formelle Klage bei der OAS ein, die einen sofortiges Stopp der Einsätze fordert. Doch in Bogotá will man davon nichts wissen. Somit werden die Beziehungen zwischen den beiden Ländern wohl bis auf Weiteres vergiftet bleiben.

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