Afrika | Lateinamerika | Nummer 337/338 - Juli/August 2002

Verstehen Sie Wolof?

Africando – Salsa für ein vereintes Afrika

Salsa ist längst internationales Kulturgut. Bands auf allen Kontinenten musizieren im Stile der afrokubanischen Rhythmen. Afrika macht da keine Ausnahme, im Gegenteil, hier fühlt sich der Clave-Rhythmus richtig heimisch.

Jürgen Vogt

Während man sich hier zu Lande noch verwundert die Ohren rieb als 1998 Khaleds Erfolgssong Aicha in einer Salsacoverversion aus den Lautsprechern drang, bastelten die Urheber dieses Treibens bereits an ihrem nächsten Coup. Mit dem Album BETECE stürmte die Gruppe Africando im Dezember 2000 von Null auf Eins der europäischen World Music Charts. Mit ihrem Salsasound lag die Band voll im Trend, denn spätestens seit Wim Wenders Film Buena Vista Social Club lauschte und schaute nicht mehr nur die bis dahin überschaubare Fangemeinde der Latino-Rhythmen nach Kuba. Was sie von Africando zu hören bekamen klang zwar kubanisch, kam ihnen aber gar nicht spanisch vor. Wie denn auch. Gesungen wird auf BETECE überwiegend in Wolof, der Sprache des Volkes der Wolof aus dem Senegal. Der Name Africando ist auch keine Wortschöpfung aus dem Spanischen, sondern heißt in der Sprache der Wolof ‘Vereintes Afrika’.

Quer über den Atlantik

Die Idee zu Africando hatten Anfang der 90er Jahre der Musiker Bocana Maïga aus Mali und der senegalesische Produzent Ibrahim Sylla. Doch es dauerte eine Weile bis sich die Wege der beiden kreuzen sollten. Maïga packte 1963 in Mali seine Flöte ein und ging nach Kuba. Zehn Jahre blieb er auf der Insel, entdeckte seine Liebe für die afrokubanische Musik, spielte zusammen mit namhaften Musikern und hatte am Ende mit Las Maravillas de Mali seine eigene Salsaband. 1973 kehrte er mit ihr nach Afrika zurück. Afrokubanische Rhythmen waren zu dieser Zeit sehr populär, nicht zuletzt durch die triumphale Afrika-Tournee der Fania All Stars, jener Salsa-Legende der späten 60er und 70er Jahre aus New York. Mit von der Party war Bocana Maïga.
In den 80ern schwand die Popularität der afrokubanischen Rhythmen. Soul, Funk und Rock dominierten die Szene. Maïga teilte seinen Frust darüber mit Ibrahim Sylla. Sylla, einer der namhaftesten Musikproduzenten aus dem Senegal, bastelte bereits Ende der 70er an einer Fusion aus Salsa und m’balax. M’balax ist der im Senegal beliebteste Tanzstil. Anfang der 90er schütteten sich beide ihr Herz aus und die Idee von Africando nahm Gestalt an. Mit drei wolofsprachigen Sängern aus dem Senegal flogen sie nach New York und gingen mit handverlesenen Musikern aus dem Umfeld der ehemaligen Fania All Stars ins Studio. 1993 erschien mit Trovador das erste Album, 1994 mit Sabador das Zweite. Gesungen wird darauf nicht nur in wolof, auch andere afrikanische Sprachen wie mandingue oder sérère sind zu hören, und: wolofspañol.

Spanisch ein Kauderwelsch?

Kam damit über den Umweg New York nach Afrika zurück, was zu Kolonialzeiten mit den versklavten Menschen der westafrikanischen Küste in die Karibik verschleppt wurde? Wohl kaum. Der Clave, jener typische 3/2 Rhythmus, der allen wichtigen kubanischen Tanzmusikstilen von traditionellem Son bis heutiger Salsa zu Grunde liegt, ist ein Nachfahre des Trommel- und Schellenrhythmus, der die Maskenparaden in Benin, Togo oder Nigeria seit jeher begleitet. Ähnliches findet sich im Kongo, der Elfenbeinküste, in Mali und auch im Senegal. Als in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts kubanische Matrosen den Clave an die afrikanische Westküste brachten, war darin nichts Fremdes zu sehen. Wendo, der alte Mann der kongolesischen Rumba sagt darüber: „Wir wussten nichts von der kubanischen Geschichte. Viele von uns glaubten, dass es eine afrikanische Musik war und, dass das Spanisch ein Kauderwelsch sei, das wir einfach nicht verstanden.“
Africando steht denn auch auf den Schultern anderer Bands. Mit Pape Seck und Nicholas Menheim kamen zwei der drei senegalesischen Sänger aus der legendären Star Band of Daca. Dagegen kam Medoune Diallo vom Orchestra Baobab.
Das Orchestra Baobab wurde 1970 in Dakar unter Mitwirkung von höchsten Regierungspolitikern gegründet, die sich in einem gleichnamigen Club eine intime Atmosphäre schafften. Der Baobab Club lag nur einen Steinwurf entfernt vom Palast des Präsidenten. Da das Orchester multiethnisch besetzt war, spielten sie querbeet von Blues bis Tango, afrikanische Stile, aber auch Son und Salsa. 1979 schloss das Baobab seine Pforten, die Band zog in ein neues Domizil.
1982 erschien der 23-jährige Youssou N’Dour auf der Bühne und mit ihm feierte der m’balax seinen Siegeszug. M’balax beruht auf dem Sound der traditionellen Sabartrommel und wurde jetzt tanzbar gemacht. Das Orchestra Baobab schwenkte zwar noch auf m’balax ein, aber so richtig wollte es nicht klappen. 1987 löste sich die Band auf. Medoune Diallo ging zu Africando, bei denen er heute noch singt.

Orchestra Baobab

Doch damit ist die Geschichte des Orchestra Baobab noch nicht zu Ende. Sorgte Anfang der 80er Youssou N’Dour mit für das Aus der Band, so bemühte sich eben jener das Orchester im Jahr 2002 wieder zu vereinen und trat als Produzent einer Comeback-CD auf. Nun geht das Orchestra auf Tournee und wird am 2., 3. und 4. August bei den HeimatKlängen 2002 im Berliner Tempodrom auftreten. Treibende Kraft hinter dem Ganzen ist das britische Label World Circuit Records. Die Firma hat bereits große Erfahrung bei der Vermarktung vergangener Zeiten, hat sie doch fast die komplette Altmusikerriege aus Kuba in ihrem Repertoire. Dennoch darf man gespannt auf Baobab sein, zumal es sich hier nicht um eine in die Jahre gekommene Rentnercombo handelt.
Africando ging hingegen ihren Weg. 1996 brachten sie mit Gombo Salsa ihr drittes Album heraus. Nicht mehr dabei war die markante Stimme von Pape Seck, der ein Jahr zuvor gestorben war. Musiker aus Benin, Guinea und Haiti erweiterten jetzt die Gruppe. Die schaffte spätestens mit ihrer vierten CD Baloba auch international den Durchbruch, nicht zuletzt wegen der erwähnten Khaled-Coverversion. Als dann Ende 2000 BETECE erschien hatte sich Africando mit einem All Star-Ensemble Verstärkung geholt, darunter klangvolle Namen wie Salif Keïta, Lukoa Kanza, Ray Martinez oder Chino Nuñez. Und wie heißt es im letzten, vielsprachigen Lied Doni Doni: „…petit à petit l’oiseau fait son nit, après le parti unique, et malgré la corruption et le tribalisme, le multipartisme finira par ouvrir une ère de vrai démocratie!“ („Stück für Stück baut der Vogel sein Nest, nach der Einheitspartei und trotz der Korruption und der Stammesfehden wird das Mehrparteiensystem eine Ära der wahren Demokratie einläuten!“)

www.exilmusik.de
www.madminutemusic.com

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