Argentinien | Nummer 366 - Dezember 2004

Vom Theoretiker zum Aktivisten zum Nobelpreisträger

Der Argentinier Raúl Montenegro erhält den Right Livelihood Award

Am 9. Dezember wird im schwedischen Parlament dem argentinischen Biologen und Umweltaktivisten Raúl Montenegro der alternative Nobelpreis verliehen. Damit ehrt die schwedische Jury 20 Jahre Engagement für die Umwelt und gegen Korruption. In den letzten Jahren arbeitete Montenegro vor allem mit indigenen Gemeinschaften zum Schutz ihrer natürlichen Ressourcen.

Jürgen Vogt

Den Right Livelihood Award teilen sich 2004 die russische Menschenrechtsorganisation Memorialis, die Nicaraguanerin Bianca Jagger und der Argentinier Raúl Montenegro. Die besser unter dem Namen Alternativer Nobelpreis bekannte Auszeichnung wird am 9. Dezember diesen Jahres im schwedischen Parlament den PreisträgerInnen überreicht. Montenegro erhält den Preis wegen “seiner weit reichenden Arbeit mit lokalen Basisgemeinschaften und indigenen Gruppen zum Schutz der Umwelt und zum Erhalt der natürlichen Ressourcen in Lateinamerika,” so die Jury in ihrer Begründung. Der 54-jährige freute sich über die Auszeichnung, da sie ihm ermögliche, seine Arbeit im größeren Stil weiterzuführen.
Raúl Montenegro kann bereits auf ein über 20-jähriges erfolgreiches Engagement zurückblicken. 1971 verlieh ihm die Universität von Buenos Aires einen Forschungspreis. Statt von dem Preisgeld in die USA oder Europa zu reisen, fuhr Montenegro in den verarmten Nordosten Brasiliens.
Die Reise wurde zum Schlüsselerlebnis “Ich fuhr als ökologischer Theoretiker hin und kehrte als ökologischer Aktivist zurück”, erinnert sich der Nobelpreisträger.
Fortan stellte Montenegro sein wissenschaftliches Expertenwissen lokalen Basiskampagnen zur Verfügung und nutzte die Aufmerksamkeit der Medien. Als Professor für Biologie lehrt er seit 1985 an der Nationalen Universität Córdoba. Bereits 1982 war er eine der treibenden Kräfte bei der Gründung der argentinischen Umweltstiftung FUNAM (Fundación para la defensa del ambiente), deren Präsident er seit 1995 ist.
Bekannt wurde Montenegro zunächst als Aktivist der argentinischen Anti-Atomkraftbewegung. 1987 fand die erste Anti-Atomkraftdemonstration in Argentinien statt. Vier Jahre nach dem Ende der Diktatur demonstrierten in Córdoba 500 Menschen für die Schließung der Uranminen “Los Gigantes”, die 1989 tatsächlich geschlossen wurde.
Kampagnen gegen Atommülllager und -transporte folgten ebenso wie die erfolgreiche Kampagne zum Baustopp einer Wiederaufbereitungsanlage.

Mehr als Anti-AKW
Die Liste seiner Betätigungsfelder wurde umfangreicher. Der gelernte Biologe engagiert sich für die Einrichtung von Nationalparks, gegen die Verschmutzung der Umwelt, für sauberes Trinkwasser, gegen den Raubbau von Bergbauunternehmen und gegen die Abholzung der Wälder. Er streitet gegen die Korruption, gegen egoistische in- und ausländische Firmeninteressen, gegen verantwortunglose Staatbedienstete und PolitikerInnen. Meist arbeitet er mit betroffenen Basisorganisationen zusammen. Doch immerhin vier Jahre verbrachte er im Dienst des Staates. Er arbeitete im Umweltsekretariat seiner Heimatstadt Córdoba und brachte zahlreiche Gesetzesvorhaben auf den Weg.
Seit 2003 engagiert sich Raúl Montenegro verstärkt bei indigenen Gemeinschaften und deren Kampf gegen Bergbauunternehmen und Holzfirmen. Durch massiven Druck der FUNAM wurde jüngst in der nördlichen Provinz Misiones die Abholzung eines Waldgebietes vorerst gestoppt, das zum Lebensraum der Mbya Guaraníes gehört. Das Ziel ist die Rückgabe eines rund 7000 Hektar großen Gebietes an die Gemeinschaft der Indígenas. In diesem Zusammenhang betrachtet Montenegro den seit zwei Jahren boomenden Sojaanbau sehr kritisch. Jährlich verliert Argentinien rund 30.000 Hektar Wald. Ein Großteil davon fällt gerade im Norden des Landes weiteren Anbauflächen für Soja zum Opfer.
Weitere Infos: www.funam.org.ar

Der Right Livelihood Award
Der Right Livelihood Award, der so gennante alternative Nobelpreis, wurde von dem Deutsch-Schweden Jakob von Uexküll ins Leben gerufen. Der Briefmarkensammler Uexküll verkaufte einen Teil seiner Sammlung und gründete vom Erlös eine Stiftung, die den Preis seit 1980 verleiht. Im Gegensatz zum traditionellen Nobelpreis, der im wesentlichen Erfolge aus den Industrieländern würdigt, richtet sich der Right Livelihood Award weltweit an Personen, die sich bei sozialen und ökologischen Problemen engagieren.
Mehr Infos: www.rightlivelihood.org

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