Chile | Nummer 393 - März 2007

Wasser statt Gold

Ein Goldtagebau bedroht die Wasserversorgung des Huascotals in Nordchile

Landwirtschaft oder Goldbergbau? Vor diese Entscheidung sehen sich die BewohnerInnen des Huascotals gestellt. Sie bauen in einer Flussoase in der Wüste vor allem Trauben an. Ein Goldtagebauprojekt soll ihnen neue Arbeitsplätze bringen. Doch viele haben Angst um das kostbarste Gut des Tals, das Wasser.

Dinah Stratenwerth

Die Trauben sind süß und aromatisch, aber ein bisschen staubig. German Jofré, 78, spült sie in dem kleinen Bewässerungskanal ab, der über sein Grundstück fließt. Das Wasser kommt aus den Gletschern in den nordchilenischen Anden und fließt durch eine der schmalsten Stellen des Landes nach etwa 100 Kilometern ins Meer. Dabei durchquert es die Atacamawüste und macht aus dem Huascotal, in dem German Jofré in dem kleinen Ort Alto del Carmen Obst und Gemüse anbaut, eine Oase. Doch Jofré macht sich Sorgen, dass auf seinem Grundstück bald keine Trauben mehr wachsen und das Wasser vergiftet sein wird. Denn oberhalb des Tals, in dem Jofré lebt, will das transnationale kanadische Bergbauunternehmen Barrick ab 2010 im großen Stil Gold abbauen (siehe LN 390).
„Keine Sorge“, sagt trotz alledem die Direktorin der Umweltbehörde CONAMA, Ana Lya Uriarte. „Barrick ist gesetzlich verpflichtet, kein Wasser zu verschmutzen. Und die CONAMA wird dafür sorgen, dass die Auflagen eingehalten werden.“
Keine Sorge, sagen auch Vertreter von Barrick und der Bergbaulobby. Weil die chilenische Umweltbehörde ihr Okay gegeben hat, könne man sich darauf verlassen, dass strengste Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden. Barrick werde sich an diese Auflagen halten, versichert Unternehmenssprecher Vincent Borg. Es sei auch nicht zu befürchten, dass das Flusswasser verseucht werde, da man jeden Tropfen in einem geschlossenen System wiederverwenden wolle.
Das hält Cristian Andrade, Biologe mit Spezialgebiet Wasser, allerdings für Unsinn. Er hat schon zahlreiche Bergbauunternehmen in Umweltfragen beraten. „Es ist unmöglich, das Wasser im Pascua Lama-Projekt zu recyceln“, meint er. Denn Pascua Lama liege auf 5.000 Meter Höhe und die Flüsse stürzten in nur 100 Kilometern bis auf Meereshöhe. Eine Kraft, die nicht zu kontrollieren sei. „Da müsste man schon die ganzen Anden mit Plastik auskleiden“, so Andrade. Seiner Ansicht nach hat die Umweltbehörde weder die Kapazitäten noch den politischen Willen, die Umweltschäden zu beurteilen.

Verteidigung des Tals

Auch viele BewohnerInnen des Huascotals wollen sich nicht auf den Schutz des Staates verlassen. Unterstützung bekommen sie von UmweltaktivistInnen aus der Hauptstadt Santiago de Chile. Drei Stunden flussaufwärts von German Jofrés kleinem Bewässerungskanal haben sie sich für ein Wochenende in dem Dörfchen Conay getroffen, um Aktionen gegen den Goldtagebau zu planen. Neben ihrem Zeltlager plätschert der Fluss, am Ufer wächst Schilf. Etwa zehn Meter dahinter erheben sich die steinigen Berge. Um zu baden, bauen die AktivistInnen einen kleinen Staudamm. Eine von ihnen ist die 25-jährige Carolina Sandóval. Sie studiert in der Hauptstadt und arbeitet in einer Initiative, die Mikroökonomie im Tal stärken will: Ökotourismus, Tauschhandel, Export von biologisch angebauten Früchten. „Wir wollen den Menschen im Tal Mut machen“, sagt sie. Denn viele BewohnerInnen wüssten noch gar nicht, was die Mine für Konsequenzen haben kann. Oder sie seien Opfer der Propaganda von der Firma Barrick, die Arbeit und Wohlstand verspricht.
Das Umweltcamp in Conay endete mit 48 Festnahmen. Die AktivistInnen hatten eine Straße blockiert. Die Polizei löste das Lager gewaltsam auf und nahm die AnführerInnen der Protestierenden fest. Von drei Uhr nachmittags bis ein Uhr nachts saßen sie im Gefängnis, dann ließ man sie frei.

Wasser von „woanders“

Von einem „Haufen Vorteile gegenüber einigen kleinen Nachteilen“ spricht Javier Cox von der Bergbauvereinigung Chiles, die 17 Bergbaufirmen repräsentiert. Auch er ist aus Santiago. In dem gediegenen Bezirk Las Condes sitzt er im siebten Stock eines silbernen Hochhauses in einem mit schwarzen Ledersofas eingerichteten Konferenzraum und lässt Tee servieren. Die Mehrheit sei für das Bergbauprojekt, davon ist Cox überzeugt. Nur habe das Thema der Gletscher die Aufmerksamkeit von Medien und Öffentlichkeit auf die Minderheit gelenkt, die dagegen ist. Die Gründe dieser Minderheit kann er sich schon denken: Sorge um die Wasserversorgung. „Dabei wird die Mine sogar Wasser produzieren!“, meint er. Denn Barrick habe versprochen, in die Bewässerungssysteme der landwirtschaftlichen Betriebe zu investieren, um sie effizienter zu machen. So werde jeglicher Schaden kompensiert, so Cox. Und falls doch Wasser vergiftet werde, dann nehme man es eben „anderswoher“. Wo dieses anderswoher in einer Wüstenlandschaft, deren einzige Wasserquelle eben jene Flüsse sind, die Barrick bedroht, und in der es seit vier Jahren nicht geregnet hat, liegen soll, kann er auch nicht sagen. Statt dessen betont er, dass die Mine das Tal schließlich in jeder Hinsicht entwickeln und so Arbeitsplätze in Tourismus und Landwirtschaft schaffen werde.
Diese Entwicklung und die Jobs, die das Projekt mit sich bringt, seien unbedingt notwendig, meint auch Juan Santana. Er ist Bürgermeister von Vallenar, etwa eine Stunde flussabwärts von Jofrés Feld. In Vallenar ist der Fluss ein schmales Rinnsal in einem breiten Bett, über das die Autobahnbrücke führt. Die Stadt ist bedeckt vom Staub der sie umgebenden Berge.
Barrick habe sich verpflichtet, durch eine Stiftung soziale Projekte zu finanzieren. Was das Wasser angeht, seien ihm die Hände gebunden, so Santana, denn in Chile sei das Wasser privatisiert. Dabei erwähnt er jedoch nicht, dass die Kommunen gesetzlich dazu verpflichtet – und damit auch befähigt – sind, wirtschaftliche Aktivitäten auf Umweltverträglichkeit hin zu überprüfen. Das ist im Kommunalgesetz festgelegt und bildet auch die Grundlage für die Umweltstandards, die Chile und Kanada in ihrem Freihandelsvertrag festgelegt haben.
Santana sieht vor allem Sachzwänge: „Die Arbeitslosigkeit ist hier mit 18 Prozent viel höher als im Landesdurchschnitt.“, erklärt er, „deswegen sind wir für jede Investition dankbar.“ Die Landwirtschaft im Huascotal bringe zwar Arbeit, jedoch sei sie schlecht bezahlt und unattraktiv. In der Region arbeitet schon jetzt 60 Prozent der Bevölkerung im Bergbau. Mit gutem Grund, findet Santana: „Die Jugendlichen ziehen es vor, für eine Mine zu arbeiten“, ist er sich sicher, „sie wollen ein Auto haben und vielleicht ein Haus am Meer.“
Ein Auto und ein Haus am Meer sind allerdings für Elba Contreras, 16, völlig unattraktiv. Die Schülerin arbeitet in Alto del Carmen in einem der zwei Restaurants, die der Ort zu bieten hat. Sie kennt sich gut aus mit Gletschern und Flüssen. In der Schule habe sie gelernt, woher das Wasser in ihrem Tal kommt. Und Barrick habe sie und ihre MitschülerInnen eingeladen, den Gletscher und den Ort zu besichtigen, wo das Gold abgebaut werden soll. Sie sollten ihren Eltern die Vorteile der Mine erklären. „Außerdem versprachen sie jeder Familie ein Haus außerhalb des Tals, falls das Wasser verseucht würde“, erzählt sie. Doch in ihrer Klasse seien alle gegen das Pascua Lama-Projekt. „Wir Jugendlichen müssen um unsere Zukunft kämpfen“, ist sie überzeugt. „Vielleicht wird das Projekt für ein paar Jahre Arbeitsplätze schaffen, aber die Verschmutzung ist für immer.“

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