Chile | Nummer 282 - Dezember 1997

Wechsel in der Heeresführung

Pinochets Nachfolger als Oberkommandierender des Heeres steht fest

Am 11. März 1998 soll Generalmajor Ricardo Izurieta, dann im Rang eines Generalleutnants, das Oberkommando übernehmen. Wie es scheint, ist Izurieta ein freundlicher Kommißkopp, ein Berufssoldat ohne weitere Ambitionen, mit dem alle Seiten zufrieden sein können, wenn man denn mit einem General zufrieden sein kann. Bei Pinochet dachte man das allerdings vor 24 Jahren auch.

Urs Müller-Plantenberg

Die Auswahl des Oberkommandierenden des Heeres – nach Ablauf der acht Jahre, die Pinochet für sich selbst durchgesetzt hatte – ist Aufgabe des Staatspräsidenten und eine delikate Angelegenheit. Ihm wird die Möglichkeit eröffnet, einen der fünf ranghöchsten Generäle zu benennen. Wählt er den ersten von ihnen, also in der Regel den bisherigen Stellvertreter, so gibt es weiter keine Probleme. So hatte es Präsident Eduardo Frei auch gehalten, als die Oberkommandos in Marine und Luftwaffe wechselten. Da nun aber Pinochet in den vergangenen Jahren darauf geachtet hatte, daß nur ihm politisch genehme Offiziere im Heer einen schnellen Aufstieg nahmen, war eigentlich immer klar, daß auch der Präsident sehr genau darauf achten würde, daß Pinochets Nachfolger im Amte ein hundertprozentiger Nachfolger im Geiste sein sollte.
Andererseits mußte Pinochet, um seinem Stellvertreter, General Guillermo Garín, der im Dezember aus Altersgründen ausscheiden soll, überhaupt Chancen für eine Nachfolge im nächsten März zu eröffnen, die Liste mit den fünf möglichen Kandidaten schon mehrere Monate vorher überreichen. Das geschah am 28. Oktober.
Schon am nächsten Tag hatte Frei seine zunächst geheime Entscheidung getroffen. Sie fiel auf den Generalmajor Ricardo Izurieta, der nur deshalb als letzter auf die Fünferliste gekommen war, weil von den obersten sieben Rängen (nach Pinochet) zwei gegenwärtig nicht besetzt sind. Für die ersten vier Generäle auf der Liste bedeutet das, daß sie – unabhängig davon, ob sie die Altersgrenze schon erreicht haben oder nicht – ihren Platz im Heer räumen müssen, um keine Loyalitätskonflikte aufkommen zu lassen. Weitere sieben Generäle müssen bis zum März aus Altersgründen ausscheiden, sodaß – einschließlich Pinochet – insgesamt zwölf der 45 Heeresgeneräle ausgewechselt werden.
Um das damit verbundene Revirement vorzubereiten und die Nachfolger unter den höheren Offizieren auszusuchen, hatten sich am 30. Oktober alle Generäle versammelt, und ihr Erstaunen war groß, als ihnen bei dieser Gelegenheit von Pinochet der Nachfolger Izurieta vorgestellt wurde. Pinochet hatte sich mit dem Verteidigungsminister Edmundo Pérez Yoma darauf geeinigt, daß es besser wäre, nicht bis Dezember mit der Bekanntgabe des Namens zu warten, um Spekulationen der Massenmedien zu vermeiden.

Eine graue Maus.

Dem General Ricardo Izurieta, 55 Jahre alt, drei Kinder, verheiratet mit einer Dame aus einer sicher gut konservativen deutsch-chilenischen Familie und von mütterlicher Seite her mit Vermögen gesegnet, kann man nicht nachsagen, daß er sich jemals in tagespolitische Fragen eingemischt hätte. Sein ganzes Streben war, wie es in der Familie Brauch ist, auf die militärische Karriere gerichtet, in der er es bisweilen zum Jahrgangsbesten gebracht hat.
Schon sein Onkel war Oberkommandierender des Heeres. Der nicht gerade sehr häufige Name Izurieta findet sich zehnmal in der aktuellen Liste der Heeresoffiziere, und in einem bestimmten Moment sollen sogar siebzehn Mitglieder der engeren Familie gleichzeitig im Heer Dienst getan haben. Ein echter Kommißkopp also, dessen Horizont möglicherweise kaum über den Kasernenhof hinausreicht. Aber auch das weiß man nicht so genau, weil so gut wie gar nichts über den Mann bekannt ist. Eine graue Maus vorläufig, und wenn es so bliebe, wäre das noch das Beste, was die demokratische Regierung sich in der jetzigen Situation wünschen dürfte.

Ein verhinderter Brigadegeneral

So waren alle Parteien Anfang November einigermaßen zufrieden mit dem zukünftigen Chef des Heeres, als dann doch noch ein Streitpunkt aufkam. Die Liste der höheren Offiziere, die von der Versammlung der Generäle zur Beförderung vorgeschlagen wurde, enthielt nämlich auch den Namen des Heeresbrigadiers Jaime Lepe, eines Mannes, der vor 21 Jahren als junger Mann am Mord an dem spanischen Diplomaten Carmelo Soria durch den chilenischen Geheimdienst DINA beteiligt gewesen sein soll und nun zum Brigadegeneral befördert werden sollte. In Spanien wird dieser Fall gegenwärtig wieder aufgerollt, und es wäre für viele chilenische Demokraten unerträglich gewesen, wenn im Augenblick des Abtritts von Pinochet nun Mordbuben aus der Zeit der Diktatur in den Generalsrang aufrücken würden. So hat Präsident Frei gegen die Beförderung von Lepe sein Veto eingelegt, was unter den Heeresgenerälen, die sich untereinander zu äußerster Loyalität verpflichtet haben, natürlich Verbitterung auslöste. Auch die oppositionellen Parteien der Rechten machten aus ihrer Empörung über diesen Schritt von Frei keinen Hehl, zumal der Verteidigungsminister Pérez Yoma Lepes Beförderung befürwortet hatte. Er denkt jetzt darüber nach, ob er der Regierung noch lange angehören will.

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