Film | Nummer 300 - Juni 1999

Wenders Hommage an Cooder

Buena Vista Social Club – ein Film voller Klischees

Wim Wenders bedankt sich mit seinem Dokumentarfilm über die Zusammenarbeit kubanischer Alt-Musiker mit dem Gitarristen Ry Cooder vor allem bei letzterem – seinem guten alten Kumpel.

Bettina Bremme

Sie sind schon cool anzuschauen, die beiden Amis mit den verspiegelten Sonnenbrillen, wie sie da auf dem Motorrad durch Havanna tuckern – Papa Ry Cooder am Steuer, Sohn Joachim im Beiwagen. Vorbei an der Uferpromenade, dem Malecón, durch die Straßen der pittoresken Altstadt Habana Vieja – ja, so lieben die Touristen ihr Havanna.
Für seinen Film „Buena Vista Social Club“ hat Wim Wenders sich an die Fersen bzw. das Auspuffrohr seines alten Kumpels Ry Cooder geheftet. Cooder hat den Soundtrack zu etlichen Filmen von Wenders gemacht; jetzt revanchiert sich Wenders mit einem 110 Minuten langen Musik-Clip zu der von Cooder produzierten CD „Buena Vista Social Club“, die 1996 mit verschiedenen kubanischen Alt-Musikern aufgenommen wurde. Beteiligt waren an diesem Projekt unter anderem der Sänger Compay Segundo und der Pianist Rubén González; Cooder selbst ist Gitarrist und auf allen Titeln der CD zu hören, sein Sohn Joachim wirkt als Drummer mit.
Wenn sie im Film nicht gerade mit den kubanischen Musikern im Tonstudio zu sehen sind, cruisen Cooder und sein Sohn ununterbrochen durch die Straßen von Havanna. Auch Compay Segundo, mit 92 Jahren der unumstrittene Altstar der Son-Formation „Buena Vista Social Club“, wird mit Vorliebe im alten Amischlitten durch die Straßen kutschiert. Bedauerlicherweise gelingt es Wenders während des gesamten Films nicht, sich aus dieser Touristenschnappschußperspektive zu befreien. Eine Kamerafahrt reiht sich an die nächste, und auch bei den Interviews mit den Musikern dominiert das hektische Kreisen und Schwenken. Fast scheint es, als sollte so über die hölzerne Art der Inszenierung hinweggetäuscht werden. Denn was die Struktur des Dokumentarfilms angeht, hakt Wenders wie ein artiger, aber uninspirierter Regieschüler eine Person nach der anderen ab. Immer, wenn bei den Proben oder bei den in Schwarz-Weiß eingespielten Konzertsequenzen die Kamera länger auf einem Musiker verharrt, ahnt das Publikum bereits: dieser wird als nächster präsentiert.

Heino auf Kuba

Für die Einzelinterviews plaziert Wenders die Musiker bevorzugt in malerischen Bars, Cafés, Ballettschulen oder auf stillgelegten Bahnhöfen. Mit einer Mischung aus Ernst und formeller Steifheit erzählen sie von ihrem Leben vor und nach der Revolution – und davon, was die späte Karriere für sie bedeutet. Kaum einmal versuchen Wenders und sein Team, dieses starre Konzept zu durchbrechen und so etwas wie Überraschungsmomente oder gar Nähe zu den Musikern zu riskieren. So wird ein buntes Bildchen ans nächste geschnitten. Vielleicht liegt es ja daran, daß der Regisseur die Sprache der Interviewten und ihre Liedertexte schlicht und einfach nicht versteht. So erscheint es wie unfreiwillige Komik, wenn er einen der Gitarristen in Heino-Manier durch die urbane Wüste eines stillgelegten und eingezäunten Bahnhofsareals schreiten und den Klassiker „El Carretero“ („Der Fuhrmann“) singen läßt. Der Refrain lautet: „A caballo vamos por el monte“ – „Zu Pferde ziehen wir in die Berge“.
Zu den wenigen Momenten im Film, wo Lebendigkeit aufblitzt, gehört der Bummel der kubanischen Musiker in New York, wo sie in der Carnegie Hall auftreten. Staunend stehen sie vor dem Schaufenster mit John Wayne- und Charlie Chaplin-Puppen oder lassen sich auf dem World Trade Center den Wind um die Nase wehen. Im Gegensatz zu Ry Cooder scheinen die alten Herren von einer unstillbaren Neugierde und dem Wunsch beseelt zu sein, etwas zu verstehen. So meint Compay Segundo: „Ich würde so gerne einige Worte lernen.“

Thank you

Ärgerlich ist die Selbstzufriedenheit, mit der Ry Cooder sich als Big Player aufspielen darf. Den Kopf nach hinten gelehnt und genüßlich an seiner dicken Havanna ziehend, sitzt er im Schaukelstuhl und hört den Musikern beim Improvisieren zu. Für ihn ist das „Buena Vista Social Club“-Projekt etwas, „was einem vielleicht einmal im Leben passiert“. Mit Begeisterung erzählt Cooder davon, wie er mit seinem Sohn nach den Musikern gesucht hat. Daß keiner von beiden auch nur ein Wort Spanisch über die Lippen bringt, scheint dabei nicht gestört zu haben. Im Gegenteil: Nachdem die Aufnahmen im Egrem-Tonstudio in Havanna beendet sind, verabschiedet Cooder sich von jedem einzelnen Musiker in Hausherrenmanier mit einem freundlichen „Thank you“.

“Buena Vista Social Club“; Buch und Regie: Wim Wenders; Deutschland, 1998; Farbe, 110 Minuten

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