Nummer 463 - Januar 2013 | Sachbuch

Wenn die Medien schweigen, sprechen die Wände

Der Sammelband Medien und Demokratie in Lateinamerika vereint Beiträge zu acht lateinamerikanischen Ländern und der Lateinamerika-Berichterstattung

In Argentinien schwelt der Konflikt um die Umsetzung des Mediengesetzes zwischen der Regierung Kirchner und einem marktbeherrschenden Medienkonzern fort. Aus Europa betrachtet werden solche Konflikte oft als Angriffe auf die Pressefreiheit verstanden – eine Sichtweise, der es an fundierten Informationen und Kenntnissen medienkritischer Positionen aus Lateinamerika mangelt. Diese Lücke will der von der Lateinamerikagruppe Marburg herausgegebene Sammelband Medien und Demokratie in Lateinamerika schließen.

Claudia Fix

Lateinamerika hat im letzten Jahrzehnt seine politische Gestalt deutlich verändert, mehr Mitte-Links-Regierungen als jemals zuvor prägen die Weichenstellungen auf dem Kontinent. Dazu gehören auch gesetzliche Neuregelungen der Medienlandschaft, deren Wurzeln ökonomisch und juristisch oft in den Zeiten der Militärdiktaturen liegen. Venezuela, Argentinien und Bolivien sind drei von mehreren aktuellen Beispielen, in denen neue Mediengesetze entstehen oder bereits verabschiedet wurden und auf erbitterten Widerstand der betroffenen Medienkonzerne stoßen.
„Konflikte um die Kontrolle der Medien haben in den vergangenen Jahren zugenommen und politische Auseinandersetzungen werden zunehmend über die Medien und mit Medien als zentralen Akteuren ausgetragen“, heißt es dazu im Vorwort. Das selbst gesteckte Ziel der „Interdisziplinarität und Heterogenität“ der Beiträge zu diesem Thema können die Herausgeber_innen des Bandes sehr erfolgreich einlösen. Neben der regionalen und politischen Vielfalt der Länderauswahl reicht die Bandbreite von der Auseinandersetzung mit Medienpolitik bis zum Interview mit der Medienaktivistin eines Basisradios in El Salvador.
Einen wichtigen Beitrag liefert Malte Daniljuk, der detail- und faktenreich Medien und Medienpolitik in Venezuela analysiert und der hierzulande zumeist polemisch geführten Debatte über Zensur in Venezuela eine Grundlage für eine fundierte Auseinandersetzung gibt. Einen anderen Aspekt beleuchtet der Artikel Wenn die Medien schweigen, sprechen die Wände, in dem Fabian Unterberger Gegenöffentlichkeit und Repression in Honduras beschreibt. Nach dem Putsch 2009 griffen dieselben Mechanismen wie in den Militärdiktaturen der 1960er und 1970er Jahre: Zensur, Schließung von Sendern, Repression gegen Journalist_innen bis hin zum Mord. Denn die Auseinandersetzung um die Neugestaltung der Medien in Lateinamerika darf nicht vergessen lassen, dass in vielen Ländern Pressefreiheit immer noch nicht existiert.
Im zweiten Teil des Bandes kommen nach einer kritischen Analyse der deutschen Auslandsberichterstattung auch diejenigen zu Wort, die in Deutschland für „andere“ Informationen über Lateinamerika sorgen. Neben Redakteur_innen des Nachrichtenportals amerika21.de und des Nachrichtenpools Lateinamerika npla, schildert Tobias Lambert in seinem Beitrag Kritische Solidarität seit 1973 die Lateinamerika-Berichterstattung in (West-)Deutschland am Beispiel der LN.

Lateinamerikagruppe Marburg (Hrsg.) // Medien und Demokratie in Lateinamerika // Rosa-Luxemburg-Stiftung, Reihe: Manuskripte 95 // Berlin 2012 // 16,90 Euro // www.rosalux.de

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