Migration | Nummer 367 - Januar 2005

„Zieh deinen Sexismus aus!“

Lateinamerikanerinnen in der Sexindustrie Österreichs organisieren sich

Maiz, ein autonomes Integrationszentrum für und von Migrantinnen in Linz, Oberöstereich, wurde 1994 von drei Brasilianerinnen gegründet. In erster Linie arbeitet Maiz mit lateinamerikanischen Migrantinnen zusammen, die in der österreichischen Sexindustrie arbeiten,. Eine der drei Mitbegründerinnen, Luzenir Caixeta, vertrat Maiz auf dem internationalen Workshop zum Thema Feminismus, Unterdrückung und Migration, der im Dezember 2004 in Berlin stattfand. Die Lateinamerika Nachrichten sprachen mit ihr über Strategien gegen Stigmatisierung und mehr oder weniger gelungene Zusammenarbeit mit anderen Organisationen.

Elke Stefanie Inders

Luzenir, du bist vor zehn Jahren zum Studieren nach Linz gekommen. Wie entstand die Idee für Maiz?

Maiz ist aus der dringenden Notwendigkeit entstanden, einen Raum für die lateinamerikanischen Migrantinnen, die in der Sexindustrie arbeiten, zu schaffen. In den 90er Jahren sind in erster Linie Lateinamerikanerinnen nach Österreich migriert, die in der Prostitution arbeiten. Diese Frauen gaben dann die Initialzündung für Maiz.
Wir haben nicht als Organisation angefangen, sondern völlig sporadisch Aktivitäten für die Frauen organisiert. Wir haben mit ihnen zum Beispiel über ihre rechtliche Situation gesprochen, denn oftmals waren diese Frauen mit Männern aus Österreich verheiratet, ohne über ihren rechtlichen Status aufgeklärt worden zu sein. Zunächst haben wir Deutschkurse für die Frauen organisiert und dabei ein Konzept für die Kurse entwickelt, das den Lebensumständen der Frauen entgegenkam. Im Mittelpunkt dabei stand immer die persönliche Erfahrungswelt – ihre oftmals demütigenden Erlebnisse als Migrantinnen, die doppelte Diskriminierung als Prostituierte und Lateinamerikanerin. Durch die Deutschkurse konnten wir ihnen eine erste Möglichkeit geben, sich zu wehren.
Geistiger Mentor dieser Deutschkurse war der brasilianische Pädagoge Paulo Freire, der die Pedagogia del oprimido (Pädagogik des Unterdrückten) entwickelte. Zudem führten wir unter anderem Alphabetisierungskurse, Beratungen, Streetworkprojekte und Workshops zum Arbeitsrecht von Sexarbeiterinnen durch. Später kamen dann auch andere lateinamerikanische Migrantinnen dazu, die in der Haus- und Reinigungsarbeit tätig sind. Aber im Mittelpunkt standen die Probleme der Frauen, die in der Prostitution arbeiteten.

Im Rahmen eurer Öffentlichkeitsarbeit habt ihr für das Projekt „PEEP-SHOW, einmal anders“ 1997 den Herta-Pammer Preis bekommen. Um was ging es dabei?

Öffentlichkeitsarbeit ist für das Engagement gegen die Stigmatisierung von Prostituierten äußerst wichtig. „PEEP-Show einmal anders“ war eine Konfrontation mit der Situation von Migrantinnen in der Sexarbeit in Österreich. Vor der Tür einer Peep-Show-Kabine wurden BesucherInnen zur Reflexion aufgefordert: Zieh dich aus! (Zieh deinen Rassismus und Sexismus aus!) Einige Schauspielerinnen stellten nun mit musikalischer Untermalung die Situation von Frauen aus der sogenannten Dritten Welt dar, die mit fingierten Arbeitsangeboten, Kellnerin, Tänzerin, oder Kindermädchen zu werden, nach Europa gelockt wurden, um sich hier letztendlich in der Prostitution wiederzufinden.

Welche Schwerpunkte setzt ihr bei eurer Arbeit ?

Im Vordergrund steht die politische Ausgangssituation der Frauen, die von Ethnisierung, Sexualisierung, Stigmatisierung und Prekarisierung geprägt ist.
Diese hochgradig prekäre Situation, die für die Frauen schon in ihrem Herkunftsland ein entscheidender Grund für die Migration war, verschlechtert sich oftmals noch nach der Migration nach Österreich. Auf dieser Basis entwickeln wir Konzepte, um die Frauen in ihrem Selbstbewusstsein zu bestärken. Man kann dafür auch den modischen Begriff empowerment nehmen.

Ihr habt unter anderem mit der Caritas zusammengearbeitet. Wie kam es dazu und welche Schwierigkeiten gab es?

Wir haben zwei Jahre nach unserer Gründung gemerkt, dass wir aufgrund der großen Nachfrage der betroffenen Frauen die Aktivitäten nicht mehr länger in privaten und provisorischen Räumen durchführen können. So suchten und suchen wir permanent nach Kooperationspartnern. 1997 haben wir dann zusammen mit der Caritas EU-Gelder für unser Projekt beantragt, die auch bewilligt wurden. Die Caritas sollte als Träger fungieren und wir hätten innerhalb dieses Projektes weiterhin als autonomes Integrationszentrum arbeiten können.
Tatsächlich war es dann so, dass die Caritas uns als Mitarbeiterinnen behandelt hat und uns inhaltliche Vorgaben machen wollte. Der Streit dauerte neun Monate bis schließlich die EU intervenierte. Das Ganze war eine sehr schmerzliche Erfahrung für uns, insbesondere weil die Caritas die Subventionen von 1.761.000 österreichische Schilling (circa 125 000 Euro) komplett einbehalten hat.

Trotz dieser negativen Erfahrungen gibt es Maiz nun seit zehn Jahren. Was für Kooperationen und Projekte gibt es ansonsten?

Es gibt weiterhin Unterstützung von der EU und seit 1998 auch von der Stadt Linz. Inhaltlich haben wir zum Beispiel 1999 die spanisch-portugiesische Radiosendung „Mujeres soñando sueños“ gemacht, zudem sind wir Mitglied von KUPF, der Kulturplattform Oberösterreichs. Die kulturelle Arbeit ist sehr wichtig für uns geworden, weil wir so die Öffentlichkeit einfach besser erreichen. Ein weiterer wichtiger Eckpunkt ist das networking. Wir intensivieren unsere Kontakte zu anderen Arbeitsgruppen in Europa, die mit Migrantinnen zusammenarbeiten. Deshalb freuen wir uns auch sehr hier in Berlin zu sein.

Das Zusammenspiel von Unterdrückung und Rassismus bestimmt ja auch zunehmend die Arbeitsbedingungen anderer Formen von Erwerbsarbeit, insbesondere für Migrantinnen. Inwieweit thematisiert ihr diesen Bereich?

Dazu haben wir mehrere Workshops gemacht und 2003 fanden weitere Workshopreihen innerhalb des EU-EQUAL-Projektes Ras Migras statt. Im Vordergrund stand die Erarbeitung von Strategien gegen Rassismus am Arbeitsplatz und kollektive Lösungsansätze für Migrantinnen auf der Suche nach Arbeit. Maiz beteiligte sich innerhalb der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft an der Entwicklung eines Konzeptes zur antirassistischen Selbstevaluation. Im Oktober 2004 haben wir das Projekt „Strategie der Eindringlinge“ zusammen mit der KUPF gestartet. Hauptziel ist die Durchführung und Reflexion über Methoden und Formen des Widerstandes und der Partizipation im Bereich der Kulturarbeit.

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