Editorial | Nummer 337/338 - Juli/August 2002

Die EU und der Krieg in Kolumbien

Mitte Juni erklärte die Europäische Union die kolumbianischen FARC- Rebellen zu Terroristen. Die kleinere ELN wird vermutlich demnächst folgen. Dies ist der vorerst letzte Akt zur Demontage einer gescheiterten Friedensinitiative in dem südamerikanischen Land, in dem die EU in den letzten drei Jahren noch eine Vermittlerrolle eingenommen hatte. Das kriegsgeschüttelte Kolumbien steht nach vier Jahren Pastrana-Regierung vor dem Scherbenhaufen einer Friedenspolitik, die wie bei mehreren Versuchen zuvor der Zweckentfremdung zum Opfer fiel. Während die kolumbianische Regierung die Gespräche zur Aufrüstung der eigenen Armee nutzte, verfielen die FARC dem Diktat der eigenen Stärke. Gespräche inmitten des Krieges, hieß deren Motto. Linientreue Kompromisslosigkeit auf beiden Seiten blieb das einzige Ergebnis der Gespräche.
An Schuldzuweisungen für das Ende des Friedensprozesses spart keine der beiden Seiten. Entscheidend war wohl die Terrorismusdebatte nach den Anschlägen vom 11. September. In den kolumbianischen Medien setzte sich ein Paradigmenwechsel durch. Obwohl sich an Struktur und Aktionen der Guerilla nichts Wesentliches geändert hatte, wurden die Rebellen nur noch als skrupellose Terroristen bezeichnet. Der kolumbianische Staat wurde per se zum Opfer. Das Ziel war klar: komplette internationale Marginalisierung der Guerilla. Mit der EU-Entscheidung dürfte das Ziel erreicht sein.
Was gab den Ausschlag für diesen Schritt der EU? Zunächst wohl die unbeeindruckte Weiterführung der Kriegsstrategie seitens der FARC nach Abbruch der Verhandlungen. Auch im Drogengeschäft sind die Rebellen weit tiefer verwickelt, als sie öffentlich zugeben. Die passive Akzeptanz der Drogenkulturen in ihrem Einflussbereich ist in den letzten Jahren aktiver Anbauunterstützung gewichen. FARC-Guerilleros selbst führen dazu an, nur das Spiegelbild der kolumbianischen Gesellschaft zu sein. Dies ist jedoch eine schwache Entschuldigung, wenn man sich einen revolutionären Wandel auf die eigenen Fahnen geschrieben hat und besser sein will als die herrschende Gewaltgesellschaft.
Der EU-Entscheidung ging eine längere interne Diskussion voraus. Im April setzte man zunächst nur die Paramilitärs von Carlos Castaño auf die Terrorliste. Schweden und Frankreich sollen zu diesem Zeitpunkt ihr Veto gegen die Aufnahme der FARC auf die Liste eingelegt haben, um die Tür für weitere Friedensgespräche nicht zuzuschlagen. Doch die rechtskonservative spanische Ratspräsidentschaft setzte eine Annäherung an US-Positionen durch, die von einer harten Haltung gegenüber den Rebellen gekennzeichnet sind. Es geht nun um die militärische Lösung des Konflikts.
Mit Wirtschaftshilfe und politischer Unterstützung für den neugewählten, rechtspopulistischen Präsidenten Alvaro Uribe will man dafür sorgen, dass in dem südamerikanischen Land wieder mehr Investitionssicherheit einkehrt. Das ist für europäische Konzerne, die sich bei der Privatisierung der ehemals staatlichen Energie-, Wasser- und Kommunikationsunternehmen in Lateinamerika ordentlich bedient haben, nicht weniger wichtig als für ihre US-amerikanische Konkurrenz. Nur so lässt sich erklären, dass die EU von einer druckvollen Verurteilung der staatlichen Menschenrechtsverletzungen und der nachweislichen Verbindungen zwischen Armee und Paramilitärs Abstand genommen hat.
Für die FARC selbst bedeutet der EU-Beschluss eine Einschränkung politischer Aktivitäten. Hatte sie bisher ihre Vertreter nach Europa schicken können, wird ihnen diese Bühne nun genommen. Trotz der militärischen Übergewichtung haben die FARC weiterhin ein politisches Grundkonzept, das nun international für nichtig erklärt wurde. Ein neuer Anstieg der Gewalt in Kolumbien ist programmiert. Bleibt es bei ihrer Unterstützung für den Hardliner Uribe, trägt die EU Mitverantwortung für die absehbare Eskalation des Krieges – und damit auch für Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen und Tausende von Toten.

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