Editorial | Nummer 336 - Juni 2002

Subventionen für freie Märkte!

George W. Bushs Rede im Bundestag hat überrascht. Keiner hat damit gerechnet, dass er Entwicklungspolitik überhaupt erwähnen würde. Er hat. Bildung, Gesundheit und Wohlstand seien wichtige Bausteine im Kampf gegen den Terror, auch wenn Armut nicht ursächlich für ihn sei. Und da er ein Mann der Tat ist, hat er sogleich die Ankündigung von der Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Monterrey bekräftigt. Noch mehr, wenn er sich nicht versprochen oder verrechnet hat, hat er die damals getroffene Aussage sogar verstärkt. Im Verlauf der nächsten drei Hauhaltsjahre würden die USA ihren Entwicklungshilfehaushalt um 50 Prozent erhöhen. Das wären dann 15 statt den jetztigen zehn Milliarden US-Dollar. Für viele im Bundestag laut Protokoll Grund zu klatschen. Es kann nur Höflichkeit oder Inkompetenz gewesen sein, die die Abgeordneten zu derlei Tun veranlasst hat. George Bush und Entwicklungspolitik, dass ist eine noch unglaublichere Kombination als bei anderen Staatschefs reicher Länder. America first gilt bei ihm noch mehr als bei den meisten seiner Vorgänger und das ist gar nicht so einfach. Den Beweis brachte seine Regierung wenige Tage vor der Berliner Rede, aber scheinbar lange genug, um dem Gedächtnis der Klatschenden entschwunden zu sein.
In den nächsten zehn Jahren soll das „Sicherheitsnetz für amerikanische Landwirte“, wie es George W. Bush nennt, noch dichter geflochten werden. Das neue Agrargesetz der USA sieht eine 70prozentige Aufstockung der nationalen Agrarsubventionen für die nächsten zehn Jahre auf insgesamt 180 Milliarden US-Dollar vor. Also 18 Milliarden US-Dollar jährlich für die US-Agrarindustrie, um die Dritt-Welt-Konkurrenz nieder zu konkurrieren. Zum Beispiel die Bauern in Burkina Faso, die auf Rat der Weltbank jüngst zur Maisproduktion übergegangen sind. Den Verkauf auf dem Weltmarkt können sie nun getrost vergessen. Wenigstens die Verbraucherschutzministerin Renate Künast und die Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul verurteilten das so genannte Farm Bill in der Öffentlichkeit – vor dem Bush-Besuch. Wenn Bush das überhaupt erfahren haben sollte, dürfte es ihn kalt lassen. Wer ist schon die deutsche Verbraucherschutz- oder Entwicklungshilfeministerin. Die Musik spielt woanders und die USA geben den Ton an, was auch immer das Notenheft vorgibt.
Zum Beispiel bei der Welthandelsorganisation (WTO). Dort haben sich die USA wie auch die Europäische Union verpflichtet, die Agrarsubventionen abzubauen. Damit ist‘s nun Essig, auch wenn die EU bereits mit einer Klage bei der WTO gedroht hat. Bis diese entschieden ist, werden zig Bauern in Asien und Afrika ihre Existenz verloren haben, denn ihre Regierungen sind im Gegensatz zur EU zu schwach, sich gegen den Protektionismus der USA wie auch der EU zu wehren. Viele können sich nicht mal Fachanwälte leisten, um vor der WTO überhaupt Klage einzureichen. Sie sind und bleiben Spielball der Interessenspolitik der Ersten Welt und dort spielt Entwicklungspolitik seit jeher eine Alibirolle. Das gilt für die EU und die USA gleichermaßen. Alle reden in der EU von Armutsbekämpfung, doch gerade mal ein Drittel der Entwicklungshilfe geht in die ärmsten Länder und dort nicht selten in Infrastrukturprojekte, die viel mit Markterschließung und wenig mit Armutsbekämpfung zu tun haben. Sie sollen für den EU-Beitritt fit gemacht werden. Generell werden Absatz- und Rohstoffmärkte entwickelt, aber keinesfalls die Entwicklungsländer. Warum sich auch unnötig Konkurrenten heranzüchten.
Ganz im Gegenteil. Das verschärfte Preisdumping der USA wird insbesondere auch den lateinamerikanischen Campesinos zum Verhängnis werden. Wenn deren Absatzchancen und lokale Marktstrukturen durch die billigen Importe zerstört werden, wird auch das soziale Gefüge der Landbevölkerung leiden. Lebensgrundlagen werden vernichtet wie die Ernte, die es nicht mehr zu ernten lohnt. Die US-amerikanischen Subventionen für ein paar hunderttausend werden dazu beitragen, dass – woanders – Millionen von Menschen verelenden. Bush nennt das Entwicklungspolitik.

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