Arriesgada fragilidad

En el arte de tapa de Nómade se ve el rostro de la cantante, compositora e improvisadora Lucía Boffo multiplicado por nueve. Nueve facetas de la misma persona, nueve formas de acercarse a ese mismo ser. Como las nueve canciones que componen el álbum.
Nómade es el disco más arriesgado de la cantante, no por la complejidad compositiva, sino por el grado de exposición personal. Cada una de las canciones es un micro-universo en el que desnuda sentimientos y emociones como nunca lo había hecho. Es una mirada hacia adentro que invita a conocerla en su intimidad, a explorar los paisajes en los que creció, y la música que la atravesó; música que hoy define su estilo, tan personal como particular. Si “Quiero que me encuentres parece un homenaje encubierto a Spinetta, y en “Volvernos canción se escucha, difuminada y a lo lejos, una posible melodía drexliana, en “Mensajes transatlánticos”, “Lenga” o “Cerremos el telón”, la impronta del folclore argentino es determinante. También en “Desaparecer”, en donde incluso la música urbana tiene su lugar. El lenguaje jazzístico y por sobre todo la improvisación son, desde luego, elemento omnipresente. Y el coqueteo con el impresionismo francés casi que también. Especialmente en “Los ojos”, la canción que quizá más remita a trabajos anteriores, junto al pianista Andrés Marino.
En una época de escucha fragmentada, Nómade insiste en la unidad. El disco abre con una especie de manifiesto en clave de lo que vendrá: composiciones enmarcadas en el tan inmenso como escurridizo término canción; y termina con “Cerremos el telón”, a la vez síntesis de un vínculo que se desmorona y final del álbum. En el medio pasa de todo.
La voz, el piano y la guitarra son la columna vertebral de las canciones que integran el disco. Y a éstos se le suman arreglos de cuerdas y vientos, (contra)bajo, sintetizadores y efectos. Sin embargo, como era de esperarse, la voz en la música de Lucía Boffo sigue siendo el elemento estelar. Y no sólo por la calidad interpretativa y el evidente dominio técnico, sino porque la cantante deja muy en claro que ésta, una vez despojada de las palabras, es un instrumento como cualquier otro. Ella improvisa con la misma naturalidad con la que habla. O respira.
El nomadismo es movimiento, transformación, constante habitar nuevos espacios. En ese ir y venir hay abandono, pero también acumulación infinita de recuerdos, experiencias y encuentros. Nómade fue creado y producido entre Ushuaia, Buenos Aires y Berlín, y eso se escucha en los paisajes evocados, en las historias y en su gente. Y qué gente. Quique Sinesi, Violeta García, Ingrid Feniger, Daniel Schnock e Juan Ignacio Sueyro son algunes de les músiques que intervienen en esos micro-mundos. Nada mal para un debut. Porque Nómade es el primer disco solista de Lucía. Ahora, si los rumores son ciertos y tenemos suerte, es el primero de varios.

SELBSTBESTIMMT AUS DEM GEFÄNGNIS

Fotos: Grace Perviu

Es funkt, raucht und knallt. In einer alten Werkhalle in der Straße Atuel in Buenos Aires wird aus Stahl ein kleiner Wasserturm gebaut. Männer mit Tattoos und Narben im Gesicht laufen herum, schneiden und schweißen Metallstangen zusammen. Die Werkhalle ist alt, etwas heruntergekommen, der Boden schwarz vor Dreck, doch an der Wand ganz hinten im Raum erstrahlt die Wandmalerei einer zerbrochenen Eisenkette, daneben der Name: Zweigorganisation der Freigelassenen und ihrer Familien, Teil der Bewegung der Ausgeschlossenen Arbeiter*innen.

Gleich daneben steht eine der wenigen Frauen. Nora Calandra wirkt trotz ihrer kleinen Figur imposant, ihr Auftreten selbstsicher. Bei ihrer Ankunft in der Werkhalle wird sie freudig begrüßt, man kennt und mag sich.

Die Menschen verbindet eine abgesessene Gefängnisstrafe, manche nur ein paar Jahre, andere über ein Jahrzehnt. Es sind Geschichten der Armut, aber auch die Suche nach Adrenalin, die sie in Haft gebracht haben. Der Ausweg führt über Lohnarbeit, Freundschaften und gegenseitige Hilfe. Und das alles finden sie hier, in dieser einfachen Halle.

Sie war vor mehr als vier Jahren Ausgangspunkt für die genossenschaftliche Bewegung ehemaliger Gefangener, die gemeinsam aus dem Zirkel der Gewalt ausbrechen wollten. Sie schufen zuerst für sich und dann für andere eine neue Realität. Heute wollen sie die staatliche Resozialisierungspolitik mitgestalten.

José Ruiz

Alles begann vor etwa vier Jahren mit José Ruiz. Der kleine stämmige Mann saß über zehn Jahre im Gefängnis. Weshalb, das soll hier nicht stehen. Zu häufig hole ihn seine Vergangenheit in Gesprächen ein. Ruiz sitzt hinter seinem Bürotisch in einem einfachen Haus in Pilar, einem ärmeren Vorstadtort von Buenos Aires. Es war das Grundstück seiner Familie, doch mit der Zeit wurde es zum zentralen Treffpunkt für ehemalige Gefangene, die sich in verschiedenen Genossenschaften organisieren.

In der Vorstadt arbeiten rund 20 Personen. Es gibt Schweißereien, Schreinereien, Bäckereien und Recyclingstationen, die von Ex-Gefangenen als Genossenschaften geführt werden. Man arbeitet gemeinsam und verteilt am Ende der Woche den Gewinn gleichmäßig.

„Es geht um die Hilflosigkeit, die du hast, wenn du aus dem Gefängnis kommst“, sagt Ruiz. Denn wer in Argentinien aus dem Gefängnis freikommt, sei auf sich allein gestellt. Die ehemaligen Häftlinge fänden keine Arbeit, keine Wohnung, keinen Anschluss. Meist kämen sie in eine zerrüttete Familie zurück. Oft zerbrächen sie unter der Last, eine Person im Gefängnis zu begleiten, denn aufgrund korrupter Gefängnisdirektoren müssten sich meist die Familien um die Verpflegung des Häftlings kümmern, so Ruiz. Versorgende werden während der Zeit im Gefängnis zu Versorgten. Man wird zur Last und bekommt dies nach der Freilassung zu spüren. Die Rückkehr zur Kriminalität ist bei vielen der einfachste Ausweg. Staatliche Hilfeleistungen zur Wiedereingliederung gibt es kaum. Da kaum Menschen aus dem Zirkel der Gewalt ausbrechen, wächst die eingesperrte Bevölkerung stetig. Zum Jahreswechsel 2019/2020 waren laut offizieller Statistik 100.634 Personen in staatlicher Gefangenschaft, 75 Prozent mehr als noch zehn Jahre zuvor. Und so sitzen derzeit in Argentinien pro 100.000 Personen 243 in einem Gefängnis, in Deutschland liegt die Zahl bei 69.

José Ruiz erlebte all dies am eigenen Leib. Er suchte Hilfe bei der Lokalverwaltung, doch mehr als Lebensmittelpakete konnten sie ihm nicht geben. Er hatte kurzzeitig einen guten Job, bis er seinen Strafregisterauszug nachreichen sollte, „sie sahen mich an, fragten warum ich gelogen hatte, und warfen mich raus“, erzählt der heute 39-Jährige. Er begann zu stehlen und kam ein weiteres Mal ins Gefängnis.

Noch während seiner zweiten Gefangenschaft begann Ruiz mit Freunden T-Shirts zu bedrucken und an Unternehmen zu verkaufen – mit einem Handy übernahm er aus der Zelle den Vertrieb, die schon freigelassenen Kollegen die Produktion. In der Werkstatt Atuel bot man den ehemaligen Häftlingen erstmals eine Werkstatt an. Noch im Gefängnis verdiente er Geld und konnte seinen Mitgefangenen regelmäßig einen Grillabend spendieren. Als er schließlich freikam, kam er direkt in einen geregelten Arbeitsalltag und hatte bereits ein Einkommen.

Versorgende werden im Gefängnis zu Versorgten

Nach einiger Zeit bot die MTE Ruiz an, sich innerhalb der Basisorganisation um die ehemaligen Gefangenen zu kümmern. Die MTE ist ursprünglich aus Kartonsammler*innen entstanden, die sich gegen staatliche Verfolgung und für bessere Arbeitsbedingungen im Jahr 2001 zusammenschlossen. Heute ist es eine genossenschaftliche Bewegung, in der sich prekarisierte Arbeiter*innen vereinen und gemeinsam produzieren – auf dem Land, im Recycling, beim Nähen oder Schreinern.

Ruiz erzählt, dass sie sich dafür entschieden, eine Zweigorganisation zu gründen, organisatorisch getrennt von den anderen Genossenschaften. Denn, so Ruiz, „Freigelassene haben andere Bedürfnisse, du kommst psychologisch total kaputt aus dem Gefängnis und brauchst unbedingt eine spezielle Begleitung“. In ihrem Weg werden sie eng von Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen und Sozialwissenschaftler*innen betreut. So zum Beispiel die Mitglieder der Bäckereigenossenschaft im Nebenraum. Hortensia Fleitas, eine Sozialarbeiterin sitzt neben den streitenden Mitgliedern.

Sie ist da, um bei der Lösung von Problemen und Konflikten zu helfen, aber auch für Alltägliches, wie das Beantragen eines Personalausweises. Ruiz schätzt diese Arbeit sehr. Auch weil viele Gefangene sehr individualistisch aus der Haft kommen „im Gefängnis kümmerst du dich um dich selbst, die Gemeinschaft hat keine Bedeutung“. Er meint die „Akademiker sollen begleiten, helfen und unterstützen, aber leiten tun wir, wir wissen am besten was wir brauchen“. Im Gegensatz zu vielen anderen sozialen Projekten, sollen hier die Betroffenen selbst entscheiden.

Die Erzählungen sind geprägt von Männern. Doch auch die Anzahl an FLINTA* in argentinischen Gefängnissen wächst stetig. Die argentinische Behörde für die Wahrung der Menschenrechte von Inhaftierten sprach im Jahr 2021 von 4.526 „Frauen, Trans und Travesti“, die in argentinischen Gefängnissen einsaßen. Doppelt so viel wie noch 20 Jahre zuvor. Mehr als ein Drittel sitzen wegen Drogendelikten ein, ein weiteres Viertel wegen Diebstahls. Viele Frauen erleben sexualisierte Gewalt, innerhalb oder außerhalb des Gefängnisses. Weiterhin sind sich Expert*innen darin einig, dass gefangene Frauen unter einem noch größeren gesellschaftlichen Ausschluss leiden als Männer.

Nora Calandra

Nora Calandra war eine von ihnen. Die Mittvierzigerin sitzt im Innenhof der Werkstatt von Atuel und betont, sie erzähle ihre Geschichte. Sie betont, es sei ihre Geschichte da sie nicht über Intimitäten und Probleme anderer sprechen möchte. Es fällt vielen schwer, über ihre Erlebnisse zu reden. Noch weniger wolle man, dass sie weitererzählt werden.

Calandra versuchte als alleinerziehende Mutter durch Kleinkriminalität ihre Kinder durch den Alltag zu bringen. Im Jahr 2010 wurde sie erwischt und kam ins Gefängnis. Plötzlich war sie eingesperrt und allein. Calandra erzählt: „Am Eingang eines Gefängnisses für Männer stehen die Frauen Schlange für den Besuch, beim Eingang eines Frauengefängnisses stehen auch nur Frauen, aber viel weniger. Die Männer sind in beiden Fällen abwesend.“ Calandra wollte nicht, dass ihre Kinder und ihre Mutter sie im Gefängnis besuchen. Sie sollten ihre Mutter von außerhalb in Erinnerung behalten, ohne Gitter und herabwürdigende Leibesvisitationen. Nur ihr damaliger Partner kam sie hin und wieder besuchen.

Während der Haft wird Calandra schwanger und bringt im Jahr 2012 ihr drittes Kind zur Welt – angekettet an das Bett. Laut argentinischem Gesetz dürfen gefangene Mütter ihre Kinder während der ersten vier Lebensjahre bei sich haben. „Ich entschied mich, mein Kind zwei Jahre bei mir zu behalten, danach sollte es in Freiheit leben.“ Die erneute Mutterschaft veränderte ihren Blick auf die eigene Zukunft. Sie wollte von nun an für ein besseres Leben für sich und ihre Mitmenschen kämpfen, sagt Calandra. Im Jahr 2016 kam sie aus dem Gefängnis. Alles hatte sich in den sechs Jahren Haft verändert: „Meine Töchter waren keine Kinder mehr“, sagt Calandra und schweigt kurz. Sie meint, es sei eine Freiheit ohne Werkzeuge zum Leben gewesen. Sie und viele andere wussten nicht, wie man Geld verdienen oder wo man leben solle. Von diesem Moment an begann sie, sich für die Rechte von gefangenen Frauen zu engagieren. Im Jahr 2018 lernte sie Ruiz kennen, sie begannen, gemeinsam zu arbeiten.

Calandra sieht im Vergleich zu Ruiz einen wichtigen Unterschied für das Leben nach der Haft: „Die Männer sagen immer: Die richtige Arbeit würde ein Leben in Würde ermöglichen. Aber so einfach ist es nicht.“ Für Frauen sei Lohnarbeit nicht alles. Es gehe häufig um intrafamiliäre Gewalt oder Probleme bei der Sorgearbeit. Wie könne man alles unter einen Hut bringen?

Es wäre die Aufgabe eines Sozialstaates hier einzuspringen, doch das macht er nicht. Calandra sagt, dies sei ein Grundproblem: „Dort, wo der Staat fehlt, springen Drogenbanden ein, und der Kreis der Kriminalität schließt sich.“ Denn der Staat sei bei den Armen nur strafend unterwegs: „Die Frau aus dem Armenviertel erscheint im Auge der Staatsgewalt, sobald sie straffällig wird, vorher nicht“, meint Calandra.

Ruiz und Calandra erzählen beide, wie wichtig es war, dass sie während ihrer Gefängniszeit Zugang zu Bildung hatten. Es waren Studierende und einzelne engagierte Professor*innen, die mit ihnen zu arbeiten begannen. Dort lernten sie, dass ihre Strafe der Entzug von Freiheit war, die Gewalt, das Fehlen von Lebensmitteln und andere Schikanen im Gefängnis verstießen hingegen gegen ihre Grundrechte. Heute gibt es im ganzen Land Initiativen, die ihre Erfahrung kopieren. Ruiz und Calandra sind zu Koordinator*innen dieser riesigen Organisation geworden. Sie wächst täglich weiter, neue Werkstätten werden eröffnet und bereits bestehende erweitert.

Längst arbeiten die beiden auch mit staatlichen Behörden zusammen. Einzelne Gemeinden stellen Grundstücke und Lagerhallen zur Verfügung oder kaufen die Produktion auf und stellen damit die Finanzierung sicher. Ruiz erzählt, dass sie mittlerweile auch mit Gefängnissen zusammenarbeiten und dort erste Genossenschaften gründen: „Es gibt eine große Nachfrage, die Gefangenen wollen etwas lernen und arbeiten.“ Das erwirtschaftete Geld geht in diesen Fällen direkt an die Familien der Gefangenen.

Mit dieser Initiative werde eine Lücke geschlossen, meint Ruiz: „Wir holen die Gefangenen direkt aus dem Gefängnis ab, bringen ihnen dort einen Job bei und im Moment der Freilassung werden sie von einer Genossenschaft außerhalb des Gefängnisses übernommen.“ Dadurch gebe es weniger Gefahr, dass sie nach Wiedererlangung ihrer Freiheit in alte Muster zurückfielen.

Das Ziel der Organisation ist ein Gesetz, das die Resozialisierung, so wie es die Genossenschaftler*innen umsetzen, formalisiert und auf Landesebene bei der Umsetzung unterstützt. Auch wenn die Organisation aus der Not geboren ist, sind sich die Ex-Häftlinge einig, dass sie es besser machen als der Staat es machen könnte. Dieser sollte lieber nur unterstützend wirken.

Die Organisation, so Calandra, sei ein Paradebeispiel für ganz Lateinamerika. Vor kurzem war sie in Kolumbien und stellte ihre Arbeit dort vor. „Die Genossinnen waren fasziniert, denn so etwas gibt es dort nicht.“

WELTEN VERKNÜPFEN


Córdoba 2019. Plötzlich ist Nacha Vollenweider zurück in der Heimat. Hinter ihr liegen sechs Jahre in Hamburg und eine gescheiterte Ehe. In Córdoba ist der Himmel — anders als in Hamburg — zwar immer blau, doch fällt ihr die Rückkehr schwer. Denn die Gründe für diese sind traurig: 2016 ging Vollenweiders Frau Chini in das brasilianische Bélem do Pára, um Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten. Dort nahm das Ende ihrer Beziehung seinen Anfang — und an dieser Ehe hing Vollenweiders Aufenthaltstitel in Deutschland. Als sie auf der Straße ein Vogelhaus findet, aus dem ein riesiger schwarzer Vogel erscheint, kriegt Nacha zunächst panische Angst. Nach der Scheidung wird dieser aber zugleich ein Symbol für den Aufbruch, zurück nach Rio Cuarto in der Provinz Córdoba.

Während sie auf ihrem alten Fahrrad durch die bekannten Straßen streift, wird sie unweigerlich von ihrer Familiengeschichte in den Bann gezogen. Die Getreidemühle, die ihr deutschstämmiger Urgroßvater übernahm, liegt längst in Ruinen. Sie stöbert in seinen Büchern aus der Zeit des ersten Weltkrieges, eine von Rassismus und Antisemitismus strotzende Kolonialliteratur, in der sie Parallelen zu den erstarkenden rechtsextremen Bewegungen des Deutschlands der Gegenwart erkennt. Ihre 97-jährige Großmutter erzählt bei einigen Mate vom Peronismus, der wiederum deren eigene Ehe scheitern ließ. „Peronismus versteht kein Mensch. So wie die Liebe“, denkt sich die Autorin.

Der in schlichtem, aber eindringlichem Schwarz-Weiß gezeichnete Comic Zurück in die Heimat springt mühelos zwischen den Zeitebenen und Welten hin und her. Dabei ist er viel mehr als nur autobiographisch: Immer wieder werden wie zufällig über Personen und Orte Verbindungen hergestellt, seien es die Überlebenskünstler*innen, die in Argentinien dem ständigen Kreislauf der Wirtschaftskrisen trotzen, oder Heiligenfiguren der brasilianischen Religion Umbanda. Die Schlangen vor den Lebensmittelläden in Córdoba erinnern Vollenweider nicht nur an die Hyperinflation 1989 und die Krise 2001 in Argentinien, sondern auch an das Deutschland der Zwischenkriegszeit. Zurück in die Heimat endet mit einer Reise durch Argentinien. Erneut hängt alles zusammen: Wie eine riesige Wunde klafft eine Lithiummine in einem Tal auf. Was in Europa für vermeintlich saubere Antriebe sorgen soll, zerstört im Globalen Süden die Natur.

Zurück in die Heimat erzählt, trotz des traurigen Anlasses der Rückkehr und einer stets mitschwingenden Nostalgie, auf eine schöne und gut verständliche Weise von Einwanderung, Entwurzelung und wirtschaftlicher Unsicherheit, die die argentinische Gesellschaft prägen, aber auch von Familie, Liebe und Freundschaft. Dabei gelingt der Zeichnerin mit beeindruckender Leichtigkeit die Verknüpfung der „privaten“ mit politischen Themen, zwischen Hoffnungen, Erwartungen und Machtverhältnissen im Globalen Norden und Süden, der Transfer zwischen den verschiedenen Welten, von denen ihr keine mehr eine Heimat bieten kann.

DAS MENSCHENRECHT AUF DIE EIGENE IDENTITÄT

Feiert 10-jähriges Das Gesetz Ley de Identidad de Género garantiert trans Personen seit 2012 das Rech auf die eigene Geschlechtsidentität (Foto: Valeria Tonero/Wikimedia Argentina, CC BY-SA 4.0)

In den 2010er Jahren wurde in Argentinien eine ganze Reihe von Gesetzen verabschiedet, die die natürlichen Rechte von Personen anerkennen und gewährleisten sollen. Dazu gehört das Recht auf Ehe für alle, auf künstliche Befruchtung und eben das Recht über die Anerkennung der Geschlechtsidentität als Menschenrecht im Jahr 2012. Argentinien wurde damit zum Pionierland für die Rechte von trans Personen und Travesti (Der Eigenbegriff Travesti beschreibt eine lateinamerikanische politische Identität von transfem transgender Personen. Zur ausführlicheren Besprechung dieses Begriffs siehe LN 525, Anm. d. Red.).

Das Ley de Identidad de Género beinhaltet die Abschaffung pathologisierender Verfahren zur Feststellung der Geschlechtsidentität. Nicht mehr die Anerkennung psychischer Störungen, Hormonbehandlungen oder Eingriffe zur Geschlechtsumwandlung bestimmten das Recht darauf, den eigenen Namen und den Eintrag zur Geschlechtsidentität zu verändern: Von nun an wurde der Schwerpunkt auf die eigene Wahrnehmung und individuellen Erfahrungen über das eigene Geschlecht gelegt. Allein auf dieser Grundlage hat jeder Erwachsene das Recht, Vornamen, Geschlechtseintrag sowie das Erscheinungsbild an die empfundene Geschlechtsidentität anzupassen. Trans Personen müssen seitdem keine langwierigen und kostspieligen Gerichtsverfahren mehr auf sich nehmen, um ihre Geschlechtsidentität anerkennen zu lassen. Stattdessen wurde auf ein einfaches und kostenloses Verwaltungsverfahren umgestellt, welches sich ohne juristischen Beistand durchlaufen lässt. Die Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung einer Namensänderung wurde abgeschafft und diese als vertrauliche Information eingestuft. Dabei darf, im Gegensatz zu anderen Ländern, auch kein Randvermerk auf der Geburtsurkunde gemacht werden, wenn es zu einer Namensänderung kommt – stattdessen muss eine neue Urkunde ausgestellt werden. Um das Menschenrecht auf Geschlechtsidentität auch für Kinder und Jugendliche zu garantieren, ist ein besonderes Verfahren vorgesehen. So ist die Anpassung des Vornamens, der Angabe zum Geschlecht sowie des Passbildes nicht verpflichtend. Auch Namen, die nicht im Ausweisdokument vermerkt sind, müssen dabei respektiert werden – insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Auf den Antrag der Betroffenen soll nur noch der selbst gewählte Vorname für Vorladungen, Akten und alle anderen Verfahren oder Zustellungen verwendet werden.

Das Gesetz garantiert die „freie Entfaltung der Persönlichkeit“

Unter der Überschrift „Freie Entfaltung der Persönlichkeit” wurde zudem festgelegt, dass keine gerichtliche oder behördliche Genehmigung für chirurgische Eingriffe und/oder umfassende Hormonbehandlungen zur Anpassung des Körpers an die selbst empfundene Geschlechtsidentität erforderlich ist.

Schließlich legt das Ley de Identidad de Género fest, dass keine Regel, Verordnung oder Verfahren die Ausübung und Inanspruchnahme des Rechts auf Geschlechtsidentität einschränken, ausschließen oder unterdrücken darf. Die Vorschriften müssen stets zugunsten der Zugänglichkeit zu diesem Recht ausgelegt und angewandt werden. Internationale Menschenrechtsorganisationen wie der Ausschuss für Kinderrechte und der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte haben in den Folgejahren bestätigt, was in dem bahnbrechenden argentinischen Gesetz festgehalten worden ist: das Recht auf Geschlechtsidentität ist ein Menschenrecht. Es steht jedem Menschen altersunabhängig zu und weist alle Merkmale der Menschenrechte auf: Es ist universell, unverzichtbar, dauerhaft, voneinander abhängig, progressiv und nicht widerrufbar, es schützt die conditio humana, die schwächsten Bevölkerungsgruppen, sorgt für Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit. Aus diesen Merkmalen ergibt sich, dass jeder Versuch, das Recht außer Kraft zu setzen, mit dessen Verfassungsrang kollidieren würde. So haben rechtsfeindliche Äußerungen wie der Vorschlag des Abgeordneten aus Salta, Andrés Suriani, „die Gender-Ideologie abzuschaffen”, in unserem Rechtssystem keinen Platz.

Heute, zehn Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes hat sich also das heteronorme System, in dem andere über die Geschlechtsidentität von Menschen urteilen, gewandelt. Stattdessen gilt nun ein autonomes System: Für die Anerkennung durch den Staat ist nunmehr der Ausdruck der eigenen Erfahrung ausschlaggebend. Das garantiert trans Personen Zugang zu einer rechtlichen Anerkennung ihrer Identität. Und auch bei der gesellschaftlichen Anerkennung tut sich immer mehr. Zudem können trans Personen eine Behandlung zur Anpassung an die sekundären Geschlechtsmerkmale ihres selbst empfundenen Geschlechts in Anspruch nehmen – ohne umständliche Verfahren und gerichtliche Genehmigungen. Bei der Beantragung dieser Behandlungen kommt es jedoch in vielen Fällen zu Verzögerungen, Ablehnungen, und Missachtungen von Seiten der Sozial- und Krankenversicherungen, die die Betroffenen dazu zwingen, ihre Ansprüche vor Gericht geltend zu machen oder aufzugeben. Das gestaltet sich jedoch für viele trans Personen schwierig: Laut den 2018 aktualisierten sogenannten Brasilia-Regeln sind sie eine schutzbedürftige Gruppe, die Schwierigkeiten beim Zugang zur Justiz hat. Dennoch haben Gerichtsurteile das Recht auf Zugang zur Gesundheitsversorgung für trans Personen gestärkt. Auch wenn es für die Gesundheitsdienstleister teurer sei, müsse der Zugang gewährleistet werden und dürfe weder verweigert noch verschleppt werden. Gleichzeitig steht eine multidisziplinäre Spezialisierung auf die Gesundheit von Travesti und trans Personen noch aus.

In Hinblick auf die Beschäftigungssituation von trans Personen wurden auf kommunaler, Provinz- und nationaler Ebene Verordnungen und Gesetze über Quotenregelungen geschaffen. Diese wurden jeweils schrittweise umgesetzt, da darin nicht die Schaffung neuer Arbeitsplätze, sondern die Besetzung bestehender Stellen vorgesehen war.

Leider hat keine der Regierungen der Stadt Buenos Aires, die seit 2012 bis heute im Amt waren, die gesetzlich festgelegte Beschäftigungsquote für trans Personen umgesetzt. In ihren Erklärungen hieß es immer, „einige” trans Personen hätten Arbeitsplätze erhalten. Es gab jedoch keine transparente Regelung, um sicherzustellen, dass es sich nicht um politische Klientelarbeit handelt oder dass die gesetzliche Quote erfüllt wurde. (Mit dem Cupo Laboral Travesti Trans wurde 2020 zusätzlich festgelegt, dass ein Prozent der Arbeitsplätze in der öffentlichen Verwaltung mit trans Personen und Travesti besetzt wird. Anm. d. Red.)

Im Bereich der geschlechtsspezifischen Gewalt wurden verschiedene Hilfsprogramme für trans Personen eingerichtet. Doch ebenso wenig wie Feminiziden in Argentinien ein Ende bereitet wurde, ist der Kampf gegen Transfemizide abgeschlossen. Das Frauenbüro des Obersten Gerichtshofs hat die Kategorie Transfeminizid zwar in die Statistik über geschlechtsspezifische Gewalt aufgenommen. Doch immer wieder bleiben Fälle unaufgeklärt oder trans Personen verschwunden. So wie der trans Jugendliche Tehuel, der seit März 2021 vermisst wird. Obwohl der Staat Anklage erhoben und die Angeklagten vor Gericht gestellt hat, fragen Angehörige und soziale Bewegungen immer noch: „Wo ist Tehuel?”

Außerdem stehen weiterhin Entschädigungen für trans Personen aus, die Verfolgung, Diskriminierung und Schikane durch staatliche Behörden erlitten haben. In vielen Fällen wurden Menschen für die eigene Geschlechtsidentität kriminalisiert. So sahen Polizeiverordnungen Sanktionen für das „Tragen von Kleidung eines anderen Geschlechts“ vor. Polizeibeamte nutzten diese, um trans Personen zu erpressen, auszubeuten oder zu missbrauchen.

Auch im Bereich der politischen Partizipation bleibt viel zu tun. Nur eine trans Frau sitzt bisher in einem offiziell gewählten Amt: Tía Gaucha wurde im Jahr 2022 für die Partei Frente de Todos zur Stadträtin in Escobar in der Provinz Buenos Aires gewählt. Damit wir für uns selbst sprechen können, steht bei allen politischen Kräften also eine stärkere Beteiligung von trans Personen, in Form von Kandidaturen mit realen Wahlchancen aus.

Für das nächste Jahrzehnt bleibt viel zu tun. Seit 2012 wurden für trans Personen zwar bedeutende wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte errungen, anerkannt und wirksam. Die größte Herausforderung scheint jedoch im Bereich der alten und neuen gesellschaftlichen Stereotype zu liegen. Der Vormarsch der extremen Rechten in der Welt, in der Region und im Land, der sich in Rassismus und Transfeindlichkeit ausdrückt, erfordert eine klare, präzise, wirksame und energische Kommunikationspolitik – sowohl seitens des Staates als auch von sozialen Bewegungen und Organisationen. Nur so können wir hasserfüllte Slogans wie „Sie wechseln doch nur das Geschlecht, um früher in Rente zu gehen” oder „Solange ein Kind nicht isst, können wir der Hormonbehandlung von trans Personen keine Priorität einräumen” entkräften. Denn diese kursieren neben zahlreichen anderen beleidigenden Ausdrücken in den Medien und Netzwerken.

Wie gefährlich es ist, wenn sich ausgrenzende und ausschließende Kategorien und Schlagworte über Jahrzehnte gesellschaftlich verbreiten, auch in bestimmten konfessionellen und pseudointellektuellen Kreisen, erkennen wir in der Geschichte des Nationalsozialismus. Die Herausforderung für heute und für das kommende Jahrzehnt besteht darin, die zerbrechlichen, aber effekthaschenden Theorien der „Gender-Ideologie” und die Förderung ihrer rechtsfeindlichen Ziele zu stören. Sie sind Element einer ausschließenden Politik. Nur so können die menschliche Dimension und das Wesen der Geschlechtsidentität als Menschenrecht gesellschaftlich verstanden werden. Und nur so kann verstanden werden, dass dies nicht nur einer Gruppe, sondern der gesamten Gesellschaft zugutekommt.

GEWERKSCHAFT DER HUREN

„Wir existieren, arbeiten, leisten Widerstand!“ Illustration aus einer Broschüre von AMMAR

Missbrauch, Ausbeutung, Diskriminierung: Es gibt wohl kaum eine Form der Misshandlung, die Sexarbeiter*innen in Argentinien nicht erlitten haben. So blieben sie eine marginalisierte Gruppe, die oft lediglich mit Menschenhandel und Zuhälterei in Verbindung gebracht und unter dem Einfluss konservativer Kräfte nie wirklich anerkannt wurde. Dies änderte sich erst, als Ende 1994 mit der Gründung der Argentinischen Vereinigung der Prostituierten (AMMAR) eine Gewerkschaft der Sexarbeiter*innen entstand. Als Antwort auf die polizeiliche Repression gegen Straßen-Sexarbeit begannen Frauen und Travestis (Travesti ist ein Eigenbegriff, der eine lateinamerikanische politische Identität von transfem, transgender Personen beschreibt) sich als Arbeiter*innen zu organisieren, um gemeinsam für eine Entkriminalisierung und Regulierung ihrer Arbeit zu kämpfen.

Im Laufe der Jahre und unter den verschiedenen Regierungen gelangt es AMMAR, in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen noch sichtbarer zu werden. So kooperiert die Gewerkschaft mit dem Red de Trabajadores Sexuales de Latinoamérica y el Caribe (Vernetzung von Sexarbeiter*innen Lateinamerikas und der Karibik) und wurde Teil des Gewerkschaftsbundes Central de los trabajadores argentinos (CTA).

Hure, Peronistin, Feministin

Dabei hat sich der von den Sexarbeiter*innen geführte Kampf um die Veränderung ihrer Realität bis heute grundlegend gewandelt. Das liegt vor allem am Engagement von Georgina Orellano, die sich selbst als „Hure, Feministin und Peronistin“ bezeichnet. Orellano ist nationale Generalsekretärin der AMMAR und weiß als Sexarbeiterin nur zu gut, mit wem sie sich anlegt: der Polizei, der Kirche, der argentinischen Rechten und einem Business, welches mit großen Summen von Geld handelt.

Oralleno und ihre Mitstreiter*innen werden nicht müde, den Unterschied zwischen Sexarbeit und Menschenhandel zu betonen. Schließlich können sich volljährige Personen durchaus freiwillig und selbstbestimmt dazu entscheiden, als Sexarbeiter*in tätig zu werden. Um dieses Thema dreht sich auch Orellanos neues Buch Puta feminista. Historias de una trabajadora sexual, in dem sie auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrung vom Berufsalltag erzählt.

Im Zuge der Corona-Krise hat AMMAR erstmalig begonnen, mit dem Staat zusammenzuarbeiten. Die Kooperation mit dem Ministerium für soziale Entwicklung und dem Ministerium für Frauen, Geschlechter und Diversität stellt für die Gewerkschaft eine Zäsur dar. Zunächst wurde dabei an Lösungen für die durch die Anti-Corona-Maßnahmen noch verschlimmerte Prekarisierung der Sexarbeitenden gearbeitet.

Für die Entkriminalisierung und Regulierung von Sexarbeit

Der Corona-Lockdown hat die Sexarbeiter*innen besonders hart getroffen und ihre Arbeitsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Gesundheitsmaßnahmen, unter denen sie ihre Tätigkeit hätten weiterführen können, wurden nicht definiert, gleichzeitig verschlimmerte sich die Wohnungskrise. Denn durch die Illegalisierung ihrer Arbeit sind Sexarbeiter*innen vom regulären Wohnungsmarkt ausgeschlossen. Die Hotels und Pensionen jedoch, die den meisten von ihnen Unterschlupf boten, zogen in der Krise ihre Preise stark an. Sexarbeiter*innen ohne gültige Papiere waren davon besonders betroffen. Diese Situation machte diese Gruppe noch verletzlicher und trieb viele in die Obdachlosigkeit.

Um dieser prekären Situation zu entkommen, begann die Zusammenarbeit mit der Regierung von Alberto Fernández. Ziel war unter anderem, dass die Unterkunftskosten für Hotels und Pensionen anteilig vom Staat übernommen werden sollten. Gleichzeitig wurde die Casita Roja (rotes Häuschen) im für Sexarbeit bekannten Barrio Constitución in Buenos Aires eröffnet. Dieses bietet umfassende Beratungs- und Betreuungsangebote für Sexarbeiter*innen.

Tausende Anträge auf soziale Unterstützung wurden dort bereits bearbeitet. Zudem werden die Angebote ausgeweitet: So ermöglicht eine Ciudadanía porteña genannte Karte Vergünstigungen beim Kauf von Nahrungsmitteln, es gibt medizinische Sprechstunden und Impfungen gegen das Coronavirus. Zusätzlich werden Identitätsdokumente für illegalisierte Migrant*innen aus Lateinamerika und Afrika ausgestellt, unabhängig davon, ob diese in der Sexarbeit tätig sind oder nicht. Vor allem letzteres führte zu einer sehr hohen Nachfrage von Migrant*innen, die bisher anonym auf den Straßen lebten und die nun vom nationalen Personenregister Registro Nacional de las Personas (RENAPER) erfasst werden.

Die Aktivitäten der Gewerkschaft bleiben nicht auf die Hauptstadt beschränkt: In der Provinz Córdoba hat AMMAR eine Primärschule eröffnet. Diese steht der ganzen Bevölkerung offen und kann die offiziellen Abschlüsse des Bildungsministeriums verleihen. Da es vielen Sexarbeiter*innen auf Grund ihres sozioökonomischen Hintergrunds nicht möglich war, eine umfassende Schulbildung zu erhalten, soll es ihnen diese auch von Sexarbeiter*innen geführte Schule ermöglichen, wenigstens in Teilpräsenz am Unterricht teilzunehmen.

Bisher sind Sexarbeiter*innen vom regulären Wohnungsmarkt ausgeschlossen

Doch damit ist es noch lange nicht getan, AMMAR hat noch größere, grundsätzlichere Ziele: Die Anerkennung der Organisation durch das Arbeitsministerium etwa, was den Ausbruch aus der Illegalität bedeuten und die ständigen Konflikte mit der Polizei beenden würde. Zusätzlich wäre damit der Zugang zu Krankenversicherung und Rente garantiert. Außerdem wird die Abschaffung der Artikel der sogenannten Códigos Contravencionales gefordert, welche den zwischen Staat und Gewerkschaft geschlossenen Vereinbarungen zuwiderlaufen und die Sexarbeit weiterhin kriminalisieren.

Die Einzigartigkeit der von AMMAR geleisteten Arbeit, in schwierigen Zeiten Unterstützung nicht nur für Sexarbeiter*innen zu leisten, geht konform mit den von der Organisation vertretenen peronistischen Werten und ist auch eine Strategie, die Gewerkschaft sichtbar zu machen und erfolgreiche Vereinbarungen mit dem Staat zu treffen.

Diese Revolution der Huren hat die Vorstellung der argentinischen Gesellschaft von Sexarbeit in den letzten Monaten grundlegend beeinflusst. Es ist ihr gelungen, einen großen Teil der Berufstätigkeit, der über Jahrzehnte unterdrückt wurde, zu entstigmatisieren, konservative Kräfte herauszufordern, eine solidarische Perspektive aufzuzeigen, aber vor allem, ein Paradigma zu reformulieren: Sexarbeit ist Arbeit und auch eine freie Entscheidung.

UNVERHEILTE WUNDEN

Heldenkult Veteranen in Ushuaia zum 40. Jahrestag des Krieges um die Malvinas (Foto: Jana Bauch)

Die Medaillen hängen schwer an der linken Brusttasche der Veteranen, mit jedem Jahrestag ein bisschen schwerer. Die Medaille zum 40. Jahrestag ist die größte von allen. Ihre schweren Lederjacken können die Männer beiseitelegen, ihre Erinnerungen nicht. „Wenn wir uns zum Asado (Grillen) treffen”, erzählt Eduardo Armua mit ruhiger Stimme, „dann reden wir, machen Scherze. Aber über das Thema sprechen wir nicht.” Mit dem Thema meint er: den Krieg, die Splitter zwischen Wasser und Öl, das eiskalte Meer, die toten Kameraden. Kriegstraumata, über die Veteranen jahrzehntelang geschwiegen haben. „Nicht mal meiner Frau und meinen Kindern habe ich davon erzählt“, sagt Armua. Erst, weil es verboten war, über das Thema zu sprechen. Dann, weil niemand mehr nachfragte.

Eduardo Armua, Sohn einer Familie aus dem ländlichen Tucumán im Norden Argentiniens, war mit 16 zur Marine gegangen. Er war gerade 19 Jahre alt, als seine Kameraden am 2. April 1982 auf den Malvinas landen. Die Malvinas oder auch Falklands, wie sie im Vereinten Königreich heißen, sind seit 1833, und damit 23 Jahre nach der Unabhängigkeit Argentiniens, von Großbritannien besetzt. Sie liegen gut 12.000 Kilometer vom britischen Mutterland und rund 500 Kilometer von der argentinischen Küste entfernt. Nach ergebnislosen Verhandlungen unter dem Dach der UNO seit 1965 will die argentinische Militärdiktatur ihren Souveränitätsanspruch auf die Gebiete 1982 militärisch durchsetzen.

Eduardo Armua hatte seinen Freund nicht erkannt, so verbrannt war er

Zu dem Zeitpunkt stecken sowohl Großbritannien als auch Argentinien in einer schweren Krise: In Großbritannien steht Margaret Thatcher kurz vor den Unterhauswahlen und hat mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. In Argentinien ist die Militärjunta unter General Leopoldo Galtieri wegen ihrer brutalen Repression und der wirtschaftlichen Talfahrt in innenpolitischer Bedrängnis. Als die argentinischen Soldaten in einer Nacht-und-Nebel-Aktion am 2. April die Hauptstadt der Inseln, Port Stanley, einnehmen, ist die Siegeseuphorie in Argentinien groß. Als Großbritannien den Gegenschlag ankündigt, kann sich das argentinische Militär vor Freiwilligen kaum retten.

Am 2. Mai 1982, einen Monat nach Kriegsbeginn, steht der nun 20-jährige Marineunteroffizier Armua auf der Kommandobrücke des Kriegsschiffs General Belgrano und hört einen Knall. „Ich dachte, der Schlag käme vom Wellenbruch und habe nur darauf gewartet, dass Wasser über unser Schiff spritzt.” Doch es kommt kein Wasser. „Dann rief der Kommandant: Ein Torpedo ist eingeschlagen.” Eduardo Armua kann nicht schwimmen. Das machte sonst nichts, sagt er, er habe ja an Deck gedient: „Auf dem Schiff waren wir Gott, unten nichts.”

Der Krieg zwischen Großbritannien und Argentinien gleicht einem Duell zwischen David und Goliath. Auf der einen Seite die ehemalige Imperial- und Seemacht Großbritannien, auf der anderen Seite Argentinien mit einem Heer aus 20-jährigen Männern, viele von ihnen ohne Kampferfahrung. Mit einer riesigen Kampagne werden in Argentinien Spenden gesammelt für die jungen „Helden”, wie die Zeitungen fast täglich skandieren. In Buenos Aires stehen die Menschen Schlange, um ihren Schmuck abzugeben. Andere sammeln Geld auf der Straße oder packen Päckchen für die Front. Eine Bekannte aus Mendoza erinnert sich, wie sie in der Schule saß und aus Lederplatten Schuhsohlen schnitt. Frauen trafen sich und strickten Schals, Kinder schrieben Briefe an unbekannte Empfänger und steckten sie in Schokoladentafeln. Kurz: Das ganze Land schwimmt 1982 auf einer Welle des Patriotismus und wenn es nach den Zeitungen geht, ist der Sieg nur eine Frage der Zeit.

Am 2. Mai 1982 erlebt Argentinien seinen größten Verlust. 323 Soldaten sterben, als das Kriegsschiff General Belgrano außerhalb der Sperrzone von zwei britischen Tornados getroffen wird und sinkt. Eduardo Armua kann sich von der Kommandobrücke auf ein Boot retten. Er sieht einen Mann mit Verbrennungen am ganzen Körper. „Spring!”, ruft Armua. „Ich kann mich nicht bewegen, Negro”, antwortet der Mann. Negro ist Armuas Spitzname. Negro, sagt Armua, nennt ihn nicht jeder. Er stockt und starrt auf den Tisch. Eduardo Armua hatte seinen Freund nicht erkannt, so verbrannt war er. Es sammeln sich Tränen in seinen Augen, als er das erzählt, aber er möchte seine Erinnerungen aussprechen. Auch die an seinen Freund Fabián, der gerade schlief, als der Torpedo im Schlafraum einschlug. Der ihm wenige Tage vorher noch von einem Traum erzählt hatte: „Ein Schlag weckt mich. Ich wache auf und sehe einen Funken auf dem Boden. Irgendetwas schneidet das Metall auf. Ich will raus, aber finde die Leiter nicht. Es kommt Wasser rein und Öl. Ich finde die Leiter nicht und sterbe.”

Am 14. Juni verliert Argentinien den Krieg. Ein paar Monate später überreicht die Marine Eduardo Armua einen Anstecker, zwei mal einen Zentimeter groß. Darauf ein Stern, die argentinische Flagge und zwei Linien in rot und schwarz. Das Rot stehe für das vergossene Blut, Schwarz für die Trauer. Armua steckt ihn sich an sein Hemd. Ein Zeichen, dass er an vorderster Front für den argentinischen Patriotismus gekämpft hat. Doch als er damit vor den oberen Militärs in Ushuaia steht, sagt er, hält kurz inne und wischt sich mit dem Taschentuch über die Augen, steht nur Verachtung in den Augen der Ranghöheren: „So, als wären wir schuld daran, verloren zu haben.” Armua trägt den Anstecker nie wieder.

Der verlorene Krieg um die Malvinas beschleunigte den Übergang zur Demokratie. Die Militärregierung muss bald abtreten. Aus den freien Wahlen 1983 geht Raúl Alfonsín als Sieger hervor. Es beginnt ein Prozess der sogenannten Demalwinisierung: Die Medien schweigen über den vergangenen Krieg, das Militär befiehlt den Soldaten, nicht über ihn zu sprechen. Plötzlich sind die vormaligen Helden die „Verrückten aus dem Krieg”, sagt Armua, man ignoriert sie. Viele ehemalige Soldaten haben Schwierigkeiten, Arbeit zu finden. Wer die Malwinenfrage thematisiert – und sei es abseits der Diktatur als Teil eines antikolonialen Kampfes – wird der Kollaboration mit dem Staatsterrorismus bezichtigt. Die Medaillen, die Pensionen, sie kommen erst zehn Jahre später.

Wer sich in Ushuaia zum 40. Jahrestag auf die Suche nach den Männern macht, die heute wieder als Helden gefeiert werden, findet sie zum Beispiel im Zentrum der Ex-Kämpfer, wo sie um einen Tisch mit Schinken-Käse-Sandwichs zusammensitzen und Orangenlimonade und Cola trinken. Ihre Jacken, schwer wie Einkaufstüten, hängen über Stuhllehnen und an Garderobenständern. Direkt bei der ersten Unterhaltung sprechen sie von „posttraumatischen Belastungsstörungen” und „psychischen Problemen”. Ein Mann sagt: „Wir haben nie eine Psychotherapie gemacht.” Ein anderer erzählt, sie hätten hier alle Diabetes, als Folge der Belastung.

In Ushuaia wird der 2. April 2022 unter dem Motto „40 Jahre Heldentat” (40 años gesta heróica) gefeiert. Die Anzeige auf den öffentlichen Bussen springt immer wieder zu „40 Jahre Malvinas” um. Das Stadtlogo, die menschengroßen leuchtenden Buchstaben von Ushuaia, wurden um einen leuchtenden Umriss der Inseln ergänzt. In keiner anderen Region Argentiniens ist die Malwinenfrage präsenter als auf Feuerland.

„Ich würde niemals wollen, dass er in einen Krieg geht”

Die Stadt Ushuaia organisiert einen Streetartwettbewerb zum Thema Malvinas. Zehn Künstler*innen aus dem ganzen Land und eine Künstlerin aus Uruguay haben sich mit ihren Entwürfen durchgesetzt. Nun setzen sie Wandbilder um, die meisten von ihnen in einem Stadtviertel am Beagle-Kanal, das nach den Inseln benannt ist. Ítala Gordillo, 42, aus Caleta Olivia in der patagonischen Provinz Santa Cruz, sagt, sie habe sich bewusst gegen eine ikonenhafte Heldendarstellung entschieden. „Ich wollte noch mehr die menschliche Seite zeigen, die Gefühle”, sagt sie. Zunächst habe sie nicht damit gerechnet, dass ihr Vorschlag angenommen wird. Er zeigt einen Soldaten, mit einem Hund auf Augenhöhe. „Ich habe mir vorgestellt, dass die Soldaten in diesen Situationen von Einsamkeit, Trauer und der Ungewissheit, ob man den Tag überhaupt überleben wird, einen Zufluchtsort suchten und ihn vielleicht in den Tieren finden konnten.”

Andere Wandbilder zeigen neben klassischen Heldendarstellungen der Soldaten auch Frauen, die Schals stricken oder fünf junge Pflegerinnen. Die Rolle der Frauen in dem Krieg wird erst seit einigen Jahren sichtbarer. Noe Cor, 35, aus Montevideo/Uruguay betont, sie wolle Frauen nicht als Heldinnen zeigen „so als wäre es eine Leistung, dass sie gemeinsam mit den Männern im Krieg waren.” Eine Leistung wäre es, sagt sie, Kriege zu verhindern. Doch sie will mit dem Bild der Pflegerinnen zeigen, dass auch sie einen entscheidenden Beitrag geleistet haben und als Teil der Geschichte im Gedächtnis bleiben müssen.

Die Veteranen des Kriegs 1982 sind nun in ihren 60ern und je öfter einer von ihnen stirbt, desto dringender stellt sich ihnen die Frage: Was bleibt? „Was uns bleibt, sind die Kinder. Sie können den Prozess weiterführen”, sagt Veteran Eduardo Armua. An den Schulen müsse weiter zu dem Warum des Kriegs aufgeklärt werden. Ein anderer sagt: „Das Wichtigste ist es, den Kindern zu zeigen, dass die Inseln friedlich zurückgewonnen werden können.”

In den Zentren der Veteranen treffen sich inzwischen auch deren Kinder, um über ihr Erbe in der ganzen Sache zu sprechen. Viele von ihnen sind längst über 30. Oft kennen sie die Traumata ihrer Väter nicht, da sie ihnen nie erzählt wurden. Zum 40. Jahrestag haben die Kinder der Veteranen in Ushuaia eine Kapsel gebaut, in der sie Briefe gesammelt haben. Die Kapsel wird in einem Denkmal eingeschlossen und soll erst im Jahr 2082 geöffnet werden – oder an dem Tag, an dem die Malvinas offiziell argentinisch sind. Zu dem offiziellen Akt spielt eine junge Band, sie hat den Veteranen ein Lied geschrieben: Ich überreiche mich, ein Geschenk an das Vaterland, so wie an jenem Tag, dem 2. April. Die Veteranen stehen aufgereiht vor ihnen, ihre Mimik bleibt stumm.

Später erzählt ein Veteran, sein Sohn war vor zwei Jahren in dem Alter, in dem er selbst den Krieg musste. 19 Jahre. „Ich würde niemals wollen, dass er in einen Krieg geht”, sagt er, „deswegen braucht unser Land unbedingt eine friedliche Lösung.” Der Sohn betont später, als sein Vater nicht dabei ist, wie stolz er auf diesen sei. Würde er jemals in einen Krieg ziehen, wenn es dazu käme? Er überlegt und sagt dann: „Ja, für meinen Vater”.

LYRIK AUS LATEINAMERIKA

impera el trino de su parte río, por un tercio de sus aguas fronterizas busca aliada de palabra a umbral, es que habrá lianza sin lugarteniente al: ¡algo habrás hecho! iguanas somos del azuzo en el claro azul sucumbí ante el contemple tamborileo de la orilla triple oración de divisendas, aguardaban avalanchas guaraná para navíos imprecisos, misiones enmascara púlpitos, trinidades a la pesca del amor entre partitos.

vorherrscht dreieinig der triller seinerseits fluss, sucht um ein drittel seiner grenzgewässer nn gebührende verbündete von wort zu schwelle, denn es wird bünde geben ohne statthalter beim: irgendwas wirst du schon angestellt haben! leguane sind wir der aufstachelung im strahlenden blau erlag ich dem aussichtigen getrommel des ufers dieser dreifachen anrufung von teilungspfaden, warteten guaraná-anstürme auf vage barken, missionen getarnte kanzeln, dreiheiten fischen nach liebe zwischen gebürtchen.

EIN SIEG IM RÜCKEN UND MIT DER BEWEGUNG ALS HORIZONT

Verónica Gago ist Aktivistin, Journalistin und Mitglied im Kollektivverlag Tinta Limón. Gago lehrt als promovierte Sozialwissenschaftlerin an den öffent­lichen Universitäten UBA und UNSAM in Buenos Aires (Foto: Florencia Trincheri)

Mit der Konjunktur des Feminismus in den vergangenen Jahren ist auch wieder ein liberaler Feminismus in Mode gekommen. Die breite Bewegung in Argentinien führt Diskussionen, die über die zur „gläsernen Decke“ hinausgehen und eine Klassenanalyse miteinschließen. Kannst du diesen Charakter der argentinischen Bewegung etwas beschreiben?

Die feministische Bewegung in Argentinien ist eine rebellische Bewegung. Sie hat das Ziel wirklich etwas zu verändern. Sie ist eine Bewegung, die sich gegen Ungerechtigkeit, Missbrauch und Ausbeutung auflehnt. Wir sehen es in den Slogans, die sie hervorgebracht hat, die anti-neoliberale, anti-patriarchale und anti-koloniale Fragen zusammenbringen: „Keine einzige weniger!“, „Wir wollen frei und schuldenfrei leben!“, „Gegen die Prekarität des Lebens!“, „Wir zahlen die Krise nicht mit unseren Körpern und Territorien!“, „Wir Frauen gegen Verschuldung!“, um nur einige zu nennen. In diesen Slogans liegt eine Diagnose davon, woher die Gewalt kommt, die Feminizide und Vergewaltigungen zulässt, strukturellen Rassismus ermöglicht, prekäre Arbeitsbedingungen und institutionelle Gewalt von Sicherheitskräften legitimiert. Anders gesagt, wenn wir über rassistische Gewalt sprechen, wenn wir „Nicht eine weniger ohne Wohnung” fordern, wenn die Auslandsschulden zu einem feministischen Slogan auf der Straße werden, dann machen wir die Materialität dessen deutlich, was man Gewalt nennt. Ihre radikalste Form findet diese Gewalt in Feminiziden, aber sie existiert auch als alltägliche Gewalt, die ein würdevolles und freies Leben verhindert.

Wie ist es gelungen, diese gesellschaftlichen Herausforderungen zu akuten Themenfeldern der feministischen Bewegung zu machen?

Das ist gelungen, indem der Feminismus als politische Bewegung aufgebaut wurde, in der verschiedene Konflikte und Protagonist*innen dieser Konflikte miteinander in Beziehung gesetzt werden. Das erfordert Koordination zwischen Gewerkschaften, Basisorganisationen, Studierenden, Migrant*innenkollektiven, Sexarbeiter*innen, prekär Beschäftigten, Sorgenetzwerken, Organisationen von Kleinbäuer*innen und Arbeiter*innen in der solidarischen und informellen Wirtschaft, Fridays For Future, den Kollektiven von Travestis, trans und nicht-binären Personen, den Kampagnen für das Recht auf Abtreibung und indigenen Frauenorganisationen. Die Tatsache, dass die feministische Bewegung in dieser politischen Zusammensetzung existiert, ermöglicht ihr eine praktische Interpretation der Aktualität, die sozioökonomisch, klassenbezogen und anti-extraktivistisch ist – die mit verschiedenen Sprachen spricht und mit sehr diversen Strategien.

Was ist deine Analyse zu den liberalen Tendenzen, die wir heute an vielen Stellen beobachten?

Natürlich gibt es Versuche, die Bewegung zu vereinnahmen und zu einer Mode zu machen, sie auf Themen zu reduzieren, die „ungefährlich“ für den Neoliberalismus sind. Aber ich glaube, die Mobilisierungsfähigkeit und der Wunsch nach Veränderung sind stärker, denn die feministische Bewegung geht auf eine Reihe sozialer Kämpfe zurück, die sich immer schon gegen den Status quo gestellt haben. Ich sehe den liberalen Feminismus ganz klar als konterrevolutionäre Aktion. Es ist ein Versuch, die Kraft dieser queerfeministischen Transformation, die jetzt seit einigen Jahren schon eine beispiellose Präsenz auf globaler Ebene erreicht hat, zu begrenzen und sie in eine andere Richtung zu lenken. Es ist der Versuch, die Veränderung zu neutralisieren, die sich zeitgleich auf verschiedenen Ebenen vollzieht: in unserer Sensibilität, in der Art und Weise, unsere Körper und unser Begehren zu erleben, in der Fähigkeit, kollektive Forderungen zu stellen und in der Stärkung von Organisations- und Protestformen. Die feministische Bewegung ist eine Praxis des Ungehorsams, der täglichen Auflehnung, die gleichzeitig die Fähigkeit hat, strukturelle Gewalt zu hinterfragen und zu bekämpfen. Diese simultane zweifache Ebene ist es, die als Bedrohung empfunden wird. Das ist der Grund, warum ein Faschist wie Bolsonaro seine Präsidentschaft mit einer Rede gegen die „Gender-Ideologie” beginnt. Oder warum versucht wird, Feminismus auf die Forderung nach Quoten zu reduzieren, ohne die bestehenden Hierarchien anzutasten. Und warum versucht wird, den Feminismus von anderen sozialen Forderungen abzukoppeln, weil es das ist, was wirkliche politische Bündnisse schafft. Es gibt daher viele Versuche, ihn zu spalten und mit dem Neoliberalismus kompatibel zu machen.

Mit der Legalisierung der Abtreibung in Argentinien vor einem Jahr habt ihr ein lang gefordertes Recht erkämpft – ein Riesenerfolg. Die Kampagne war jahrzehntelang Motor der Bewegung und auch identitätsstiftendes und verbindendes Element zwischen den Generationen. Was kommt jetzt, wo der Kampf gewonnen wurde?

Dass wir diesen Sieg errungen haben, ist fundamental. Das hat klargemacht, wie wichtig ein unermüdlicher Kampf ist, in dem Demonstrationen mit Lobbyarbeit im Parlament verbunden werden. Wie wichtig es ist, dabei eine feministische Pädadogik zu betreiben, um überhaupt diskutieren zu können, was Selbstbestimmung schwangerer Körper bedeutet. Das hat eine „grüne Welle“ losgetreten, die über Grenzen hinausging. Es wurde das öffentliche Gesundheitssystem diskutiert, die Sexualerziehung an Schulen, Schwangerschaftsabbrüche von Schuld gelöst und Mutterschaft entromantisiert. Die Diskussion wurde an Orten in Gang gebracht, an denen sie vorher tabuisiert war. Dieser Kampf war von zentraler Bedeutung, weil er sowohl eine sehr konkrete Forderung enthielt, als auch ein Türöffner zu vielen weiteren Problematiken war. Das Recht auf Abtreibung steht außerdem im Mittelpunkt neokonservativer Angriffe nicht nur in unserer Region: das ist so in den USA, bei der neu gewählten Präsidentin des EU-Parlaments und bei den Rückschritten in Polens Gesetzgebung. Mit der Verabschiedung des Gesetzes in Argentinien ist der Kampf noch nicht beendet, er ändert nur seine Form. Jetzt müssen wir uns für die effektive Umsetzung des Gesetzes einsetzen, gegen medizinische und juristische Manöver, die vielerorts den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen blockieren und für die Verbreitung des Gesetzes selbst, da die Informationen nicht überall ankommen. Und obwohl das Gesetz bereits vor einem Jahr verabschiedet wurde, feiern wir es immer noch.

Es stimmt jedoch, dass das verbindende Moment dieser Forderung auf irgendeine Weise ersetzt werden muss. Wir sind gerade dabei, neu darüber nachzudenken, was wir wollen, wohin wir unterwegs sind und wie wir nach zwei Jahren Pandemie wieder Räume für Gespräche und Austausch schaffen können. Wir reden von einer Zeit, in der es viel schwieriger war, sich zu treffen, und in einer Zeit, in der ein „Ende“ der Pandemie mit einer brutalen Wirtschaftskrise einhergeht. Es ist also an uns, mit diesem Sieg im Rücken – aber auch mit dem als Horizont, was die Bewegung bereits erreichen konnte – zu überdenken, wie wir uns den kommenden Herausforderungen stellen können.

Was sind die Themen, die den Feminismus in Argentinien derzeit bewegen?

Im Fall von Argentinien ist die Frage der Schulden als ökonomische Gewalt ein Thema. Im Laufe der Jahre haben wir viel mit dem Slogan „La deuda es con nosotres” (Die Schulden habt ihr bei uns) gearbeitet. Es ist wichtig, dass der Feminismus das Thema Verschuldung wieder aufgreift, denn er hat es auf den Tisch gebracht und dabei öffentliche und private Schulden und Sparmaßnahmen miteinander in Verbindung gebracht. Wir bestehen darauf: ohne ökonomische Unabhängigkeit gibt es keine Möglichkeit, die machistische Gewalt zu stoppen. Dies bezieht sich auf die Auslandsverschuldung seit dem IWF-Kredit 2018 und auch darauf wie die Verschuldung der Haushalte angesichts einer immer schneller zunehmenden Verarmung „obligatorisch” wird. Hier ist für die antineoliberale Dynamik des Feminismus und seine Fähigkeit zur konkreten Intervention wichtig, die soziale Situation neu zu diskutieren, die durch die Verschuldung und die vom IWF auferlegten Bedingungen hervorgebracht wurde: Gas, Strom- und Telefontarife, Lebensmittelpreise und Mieten, die in Folge der erzwungenen Kürzungen der öffentlichen Mittel erhöht wurden. Sie fördern Spekulation und lassen die Bevölkerung in beschleunigtem Tempo verarmen.

Der feministische Streik als Instrument der Bewegung ist in den vergangenen Jahren sehr wichtig gewesen. Jetzt ist es stiller geworden um den Streik als Aktionsform. Warum? Welche Rolle spielt der Streik bei den diesjährigen Mobilisierungen?

Wir beginnen gerade, die Rolle des Streiks und andere Strategien für diesen 8. März zu diskutieren. Ich habe den Eindruck, dass es schwieriger geht, weil die Pandemie die Prekarität beschleunigt hat. Die Care-Arbeit hat zugenommen, die Arbeitszeiten haben sich verlängert und es gibt eine gewisse psychische Erschöpfung, wenn es darum geht, wieder rauszugehen und die Straßen einzunehmen. Es gibt aber ein gemeinsames Bedürfnis danach, dass die feministische Bewegung wieder eine führende Rolle auf der Straße einnimmt. Wir diskutieren hier sehr viel über diese Idee: Wir müssen zurückkehren und sind gleichzeitig nie weg gewesen. Auch in der Pandemie haben wir die Krise entprivatisiert, nur auf andere Art und Weise, aber auf jeden Fall in einem kollektiven Kraftakt. All dies müssen wir berücksichtigen, wenn wir über den Streik in der gegenwärtigen Situation nachdenken wollen. Das ist wichtig, weil, wie wir wissen, hat es der feministische Streik geschafft, die verschiedenen Formen der Arbeit, der Prekarität und der Gewalt in den Fokus zu nehmen.

Mein Eindruck ist, dass sich Streik und Demonstration verbinden werden, an manchen Orten wird die eine Dynamik stärker ausgeprägt sein als die andere, aber klar ist, dass der 8. März ein Kampftag ist, ein Datum, das wir nicht „hergeben“ werden, weil er ein Moment der Begegnung, des Austausches und der Arbeit am Programm der Bewegung ist.

SCHULDENDEAL SPALTET ARGENTINIENS REGIERUNG

 

Der Termin steht: Am 21. März werden 2,8 Milliarden Dollar an argentinischen Zins- und Tilgungszahlungen beim Internationalen Währungs-
fonds (IWF) fällig. Insgesamt stehen 2022 sogar 19 Milliarden Dollar an Schuldendienst beim IWF an. Die erneute Zahlungsunfähigkeit Argentiniens war damit programmiert, denn die schwindenden Devisenreserven geben eine solche Belastung nicht her. Der Ausweg: Umschuldung mit dem IWF. Das hat Argentiniens Regierung geschafft. Mehr als ein erster, wichtiger Schritt ist es nicht.

Bis zum 21. März hat die argentinische Regierung noch alle Hände voll zu tun. Das technische Abkommen mit dem IWF muss in seinen Details festgezurrt werden und vor allem bedarf es parlamentarischer Mehrheiten im Abgeordnetenhaus und im Senat, die nicht sicher sind. „Ich bin mäßig optimistisch. Ich denke, wir werden die erforderliche Mehrheit erreichen”, ließ Fernando „Chino“ Navarro verlauten, der als Sekretär für parlamentarische Beziehungen im Kabinettsbüro arbeitet und dort Mehrheiten im Regierungslager der Frente de Todos (Bündnis von allen, FdT) organisieren soll. Dass das im Abgeordnetenhaus nicht einfach wird, zeigte sich nach der Einigung mit dem IWF am 28. Januar 2022 auf einen Grundsatzdeal schnell.

Bereits am 31. Januar verkündete Máximo Kirchner seinen Rücktritt. Ausgerechnet der FdT-Fraktionsvorsitzende trat zurück und dies explizit unter Berufung auf das Abkommen mit dem IWF. Er teile weder „die Verhandlungsstrategie” mit dem IWF noch ihre Ergebnisse, erklärte der 44-Jährige in einem Kommuniqué. Máximo Kirchner ist Sohn des verstorbenen früheren Präsidenten Néstor Kirchner (2003-2007) und Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner (2007-2015), die derzeit Vizepräsidentin ist und dem Senat vorsteht.

In viereinhalb Jahren soll mit der Rückzahlung begonnen werden

Máximo Kirchner ist Mitgründer und Anführer der innerparteilichen Gruppe La Cámpora, der weitere 16 Abgeordnete der Regierungsfraktion angehören. Schon mit La Cámpora verfügt die FdT nur über 118 Stimmen im Parlament – mindestens 119 Stimmen werden aber für die Billigung des Abkommens mit dem IWF benötigt. Die entscheidenden Stimmen könnten vom wichtigsten Oppo-
sitionsbündnis um Ex-Präsident Mauricio Macri (2015-2019) kommen, der diesen Rekordkredit von 57 Milliarden US-Dollar 2018 unter dubiosen Umständen aufgenommen hatte, um seine Wiederwahl 2019 zu begünstigen, was bekanntlich misslang. Sein Bündnis Juntos por el Cambio (Gemeinsam für den Wandel) bezeichnete die Einigung mit dem IWF als positiv und „ersten Schritt, um nicht weiterhin Unsicherheit zu erzeugen”. Juntos por el Cambio wollte aber keinen Blankoscheck für die Zustimmung ausstellen, sondern die Einzelheiten der endgültigen Vereinbarung mit Blick auf die Parlamentsdebatte abwarten.

In Argentinien wird gespannt erwartet, wie Präsident Alberto Fernández am 1. März persönlich dem Parlament versuchen wird, das Abkommen mit dem IWF zu verkaufen. Mit ihm wurden Schulden in Höhe von 44 Milliarden Dollar umgeschuldet. Auf die Auszahlung der letzten Kredittranche hatte die Regierung Fernández nach Regierungsübernahme im Dezember 2019 sofort verzichtet, um das geerbte Schuldenproblem nicht noch weiter zu verschärfen. Bekannt ist, dass Argentinien mehr Zeit für die Rückzahlung eingeräumt wird und dadurch mit der Streckung der Zahlungen die jährliche Belastung gesenkt werden würde. Das Prinzip ist ein Altbekanntes: Mit neuen IWF-Krediten werden die Zins- und Tilgungsraten des alten bedient. Das Problem: Am Ende des Programms wird Argentinien immer noch die 44 Milliarden Dollar schulden, die Macri 2018 erhalten hat. In viereinhalb Jahren soll dann mit der Rückzahlung dieser Schulden real begonnen werden. Bis dahin ist es ein Nullsummenspiel, das Zeit bringt in der Hoffnung, dass Argentiniens Wirtschaft bis dahin Rezession und Corona-Pandemie überwunden hat.

Inzwischen leben 42 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze

Argentinien muss auch sein Haushaltsdefizit bis 2024 reduzieren und die Inflation senken. Außerdem verpflichtet es sich dazu, die staatlichen Energiesubventionen abzubauen. Letzteres könnte die privaten Haushalte besonders treffen.

Die Inflation, die durch die hohen, nicht durch Rücklagen gedeckten Staatsausgaben angeheizt wurde, stieg 2021 wieder in Richtung 50 Prozent, nachdem der Wirtschaftseinbruch infolge der Corona-Pandemie sie 2020 auf 36 Prozent gedrückt hatte − begleitet von steigender Arbeitslosigkeit und Armut. Inzwischen leben 42 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze. Vor allem die steigenden Lebensmittel- und Kraftstoffpreise drücken auf das Realeinkommen und die Kaufkraft vor allem derjenigen, die einen Großteil ihres Einkommens für Essen und Transport ausgeben müssen. Es sind nicht nur Menschen aus dem informellen Sektor, die betroffen sind, sondern mehr als in vergangenen Krisen kommt es zu einer Verarmung von Beschäftigten in regulären Arbeitsverhältnissen, die unter anderem wegen Kurzarbeit nicht mehr ihren Lebensunterhalt über der Armutsschwelle sichern können. Die Zeiten, in denen die Armutsrate stark zurückging, als sie unter den Mitte-links Regierungen von Néstor Kirchner (2003-2007) und Cristina Kirchner (2007-2015) unter 30 Prozent gedrückt werden konnte, sind lange vorbei.

Was Cristina Kirchner vom Vorpreschen ihres Sohnes Máximo denkt, ist öffentlich nicht bekannt. Die Regierung von Alberto Fernández geht davon aus, dass Cristina Kirchner das Abkommen mitträgt. Der Minister für Öffentliche Arbeiten, Gabriel Katopodis, ist der Ansicht, dass „das Abkommen die Unterstützung von Cristina, eines großen Teils der Abgeordneten der Frente de Todos und sicherlich auch eines wichtigen Teils der Opposition haben wird”. Im März wird sich herausstellen, ob es sich bei seiner Einschätzung um begründeten Optimismus gehandelt hat. Wird das Abkommen mit dem IWF scheitern, steht die Regierung Fernández vor der Zahlungsunfähigkeit und dem politischen Offenbarungseid. Doch auch wenn sie das Abkommen durch den Kongress bekommt, werden die meisten Argentinier*innen weiterhin in Armut leben.

Von Trap bis Tango

Julieta Laso in Terminal Norte, Berlinale 2022 (Foto: © Rei Cine SRL)

Bewertung: 4 / 5

Musik aus Argentinien – das ist Tango, das ist Buenos Aires. Diese unumstößliche Wahrheit muss spätestens nach der Kurzdoku Terminal Norte der argentinischen Regisseurin Lucrécia Martel (La ciénaga) durch das Wörtchen „auch“ ergänzt werden. Denn die Vielfalt des Landes bringt ebenso diverse wie faszinierende Musikstile hervor, wie in diesem Film zu sehen und vor allem zu hören ist.

Terminal Norte entstand als spontanes Projekt von Lucrécia Martel und der Tangosängerin Julieta Laso. Letztere kaufte während der Pandemie ein malerisches, wenn auch renovierungsbedürftiges Landhaus bei Salta im Norden Argentiniens und lud einige bekannte Künstler*innen ein, dort mit ihr zu feiern und Musik zu machen. Die Region ist bekannt für die Copla, einen traditionellen Musikstil, bei dem die Sänger*innen Verse vorsingen und das Publikum einladen, sie zu wiederholen. Einige der bekanntesten Copleras treten auch im Film auf, so zum Beispiel Mariana Carrizo oder die trans* Künstlerin Lorena Carpanchay. Aber auch die Trap-Sängerin B Yami, die Pianistin Noelia Sinkunas oder das Elektronik-Projekt Whisky sind mit dabei.

Der Film entstand so spontan wie die Musikdarbietungen auf dem Treffen. Es gibt deshalb keine ausführliche Vorstellung der Künstler*innen, auch die technische Ausstattung (nur zwei Scheinwerfer standen zur Verfügung) und die Drehzeit (4 Tage, von denen einer wegen Regens nicht genutzt werden konnte) waren limitiert. Angesichts dessen ist wirklich bemerkenswert, was am Ende herausgekommen ist. Die Musikperformances, man muss sie Auftritte nennen, sind ohne Ausnahme großartig – ganz gleich, ob B Yami am Lagerfeuer mit Trap loslegt oder beim Spaziergang durch den Wald coplas zelebriert werden. Das Highlight sind aber die vom Piano begleiteten Tangostücke von Julieta Laso, deren fantastische Stimme außerhalb Argentiniens noch weitgehend unbekannt ist. Das könnte sich nach diesem Film ändern. Auch die Kameraarbeit von Mauricio Asial, die den Rhythmus der Performances gekonnt untermalt, trägt ihren Teil zum Gelingen des Films bei. So bleibt nach viel zu kurzen 37 Minuten nur ein – allerdings schwerwiegender – Kritikpunkt: Dieser Jam-Session fehlt die Zugabe! Gerne hätte man noch viel mehr über die Künstler*innen erfahren und ihnen mit Vergnügen noch mindestens eine Stunde beim Musikmachen, Feiern und Philosophieren zugesehen. Director‘s Cut nachlegen, bitte!

Lorena Carpanchay in Terminal Norte, Berlinale 2022 (Foto: © Rei Cine SRL)

Trap-Sängerin B Yami in Terminal Norte, Berlinale 2022 (Foto: © Rei Cine SRL)

Erzählte Topographie

Camuflaje, Berlinale 2022 (Foto: © Alina Films and Off The Grid)

Bewertung: 3 / 5

Félix Bruzzone läuft. Er läuft und läuft. Kein Jogger, sondern ein Langstreckenläufer. Sein tägliches Training führt ihn immer entlang des Zauns, der den Campo de Mayo – Argentiniens größte Militärbasis – umgibt. Ein tragischer Ort, in dem sich während der argentinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 vier geheime Folterzentren befanden. In einem davon, El Campito, starb Bruzzones Mutter, als er erst drei Monate alt war.

Bruzzone ist die Hauptfigur und Co-Autor des Dokumentarfilms Camuflaje von Jonathan Perel. Im wirklichen Leben ist er nicht nur Langstreckenläufer, sondern auch argentinischer Schriftsteller, der bereits mehrere Romane, Kurzgeschichten und auch ein Kinderbuch veröffentlicht hat. Seine Bücher wurden ins Französische, Schwedische und Deutsche übersetzt; 2010 erhielt er den internationalen Anna Seghers-Preis. Über den Campo de Mayo hat er 2019 ein Buch geschrieben, das er in den folgenden Jahren auch als Performance-Lesung im Theater inszenierte. Und nun der Film Camuflaje, in dem er sich ein weiteres Mal mit dem Militärgelände auseinandersetzt.

In einer Art erzählter Topographie lässt sich Bruzzone (und das Filmteam) von ganz unterschiedlichen Menschen in den Campo de Mayo mitnehmen, während sie von ihrer Geschichte mit und auf dem Gelände erzählen. Obwohl der Zutritt der noch aktiven Militärbasis eigentlich verboten ist (und Autos die beiden großen Verbindungsstraßen durch das Gelände zwar befahren, dort aber nicht anhalten dürfen), sind überall im Zaun große und kleine Löcher, die von Besucher*innen genutzt werden.

1901 gegründet, ist der Campo de Mayo heute in weiten Teilen eine Wildnis am Rande der Stadt. Dort finden sich viele alte Gebäude, die nur noch teilweise für militärische Übungen genutzt werden, wie vergessene Relikte einer vergangenen Zeit. Bruzzone trifft hier einen Naturschützer, der das Gelände am liebsten in ein offizielles Naturreservat umwandeln würde. Oder eine Gruppe von drei Künstlerinnen, die in klandestinen „Begehungen“ Material für ihre künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Gelände sammeln. Ein Extremsportler schätzt die verschiedenen Geländeformationen, wenn er dort mit dem Mountainbike unterwegs ist. Nur ein kleiner Teil des Geländes ist als 3-D-Ausstellung erschlossen und dokumentiert die grausamen Geschehnisse während der Diktatur. Absurder Höhepunkt der Begegnung von Freizeitkultur und militärischer Geschichte ist Bruzzones Teilnahme am „Killer Race“, eine Art Hindernislauf durch das Gelände, dessen beängstigende Momente den Autor immer langsamer und nachdenklicher werden lassen.

Unbearbeitet, ungeordnet und nahezu unsichtbar erscheinen das Gelände des Campo de Mayo und seine Geschichte. So wie auch das Militär als sein eigentlicher Nutznießer fast unbeobachtet ist – nur ein einziges Mal begegnet das Filmteam beim Dreh einer Gruppe Soldaten. Regisseur Jonathan Perel hat sich seit seinem Dokumentarfilm über das Folterzentrum der ESMA 2008 auf „verschiedene Orte der Erinnerung, besonders solche, die als geheime Haftzentren funktionierten“ spezialisiert. „Orte, die schwierig zu filmen sind – entweder wegen der Schwierigkeit, zu ihnen Zugang zu erhalten, oder die schwierig zu durchqueren sind, weil sie von Geistern bewohnt werden“, erklärt er zum Film. Obwohl sich Argentinien stärker als andere Länder auch offiziell mit den Verbrechen der Militärdiktatur auseinandergesetzt hat, offenbart sich in Camuflaje im Zustand des Campo de Mayo ein noch immer ungeklärtes Verhältnis zum Militär und seiner Rolle in der Geschichte des Landes.

Ein schwer zu öffnendes Päckchen

Angeliki Papoulia und Carmen Chaplin in A little love package, Berlinale 2022 (Foto: © Little Magnet Flims / Filmy Wiktora)

Bewertung: 2 / 5

Es ist eine Krux mit der Wohnungssuche. Sogar wenn frau viel zu viel Geld hat, so wie Angeliki im Film A little love package, der auf der Berlinale 2022 in der Sektion Encounters seine Weltpremiere feiert. Mal knarzt in den attraktiven Wiener Altbauten der Parkettboden, dann liegt wieder ein potenziell streng riechendes Restaurant unter dem Wunschdomizil oder im Badezimmer sind statt dem gewünschten Marmor nur schnöde Fliesen. So treibt die anspruchsvolle Griechin ihre Luxus-Innenarchitektin Carmen, die sie auf Schritt und Tritt begleitet, fast in den Wahnsinn. Wer so viel Geld hat, der muss es doch irgendwann auch ausgeben wollen!

Der Argentinier Gastón Solnicki ist auf internationalen Filmfestivals von Toronto bis Venedig ein gern gesehener Gast. A little love package, auf einer Geschichte des mexikanischen Schriftstellers Mario Bellatin basierend, aber ohne Drehbuch gefilmt, ist bereits sein fünfter Kinofilm. Was Solnicki mit seinem jüngsten Werk vermitteln will, bleibt allerdings höchst unklar. Die beiden Damen flanieren mit ihrem Luxusproblem durch die Stadt, treffen dabei auf eine koreanisch-österreichische Klavierlehrerin, zwischendrin sieht man Menschen bei der Schuh- und Käseherstellung, beim Massieren oder Eierkochen zu. Das sieht alles auch ganz nett aus (Wien ist halt einfach fesch), hat aber oft überhaupt keinen erkennbaren Zusammenhang, von einem stringenten Narrativ ganz zu schweigen. Völlig abstrus wird es, als der Film wie aus dem Nichts erst zu Bildern einer Salzwüste und dann zur ausgiebigen Beobachtung einer andalusischen Ziegenherde übergeht, die (Überraschung, Überraschung) Carmens Familie gehört. Im Anschluss werden ausgiebig Familienprobleme diskutiert, das alles selbstverständlich auf Englisch. Am Ende geht es dann zwar zurück an die schöne blaue Donau, aber was das nun alles miteinander zu tun hat – jo mei. Diesen Film kann man wohl nur Hardcore-Fans der österreichischen Hauptstadt ans Herz legen. Alle anderen brauchen schon einen speziellen Humor, um Solnicki auf diesem doch recht wirren Trip zu folgen.

Wahnsinn mit Methode

La Edad Media, Berlinale 2022

La Edad Media, Berlinale 2022 (Foto: © El Pampero Cine)

Bewertung: 4 / 5

Argentinien hat sich während der Corona-Pandemie die zweifelhafte Auszeichnung erworben, einen der unerbittlichsten Lockdowns weltweit durchgeführt zu haben. Je nach Region musste bis zu einem Jahr komplett auf den Gang zu Schule, Universität, Restaurants oder Kulturveranstaltungen verzichtet werden, rigide überwacht von der Polizei. Im Land, dessen Hauptstadt Buenos Aires gerüchteweise ohnehin schon die höchste Dichte an Psychotherapeut*innen weltweit hat, lagen die Nerven zeitweise ganz schön blank. Allerdings gab es auch einen positiven Nebeneffekt:  Die mit Galgenhumor schon in normalen Zeiten reichlich gesegneten Argentinier*innen liefen bei der Produktion sarkastischer Memes und Videos zum Thema COVID zu Hochform auf. Die lange Version dieses ungewollten kreativen Outputs ist mit der absurden Komödie La Edad Media nun im Kino zu bewundern. Der Film ist ein Versuch, den Wahnsinn des endlos erscheinenden Zusammenlebens auf engstem Raum gleichzeitig festzuhalten und ins Groteske zu steigern.

Die Filmemacher Alejo Moguillansky und Luciana Acuña sowie ihre Tochter Cleo sind die Hauptfiguren in diesem speziellen Experiment. Denn sie spielen sich in La Edad Media selbst – und doch auch wieder nicht. Der Film wurde komplett innerhalb der vier Wände ihres eigenen Hauses gedreht, die Szenen von ihrem Alltag im Lockdown inspiriert und dennoch inszeniert, übersteigert, verzerrt. Als theoretisches Gerüst dienen die Theaterstücke Samuel Becketts (Warten auf Godot), aus denen im Laufe des Films immer wieder zitiert wird.

Alejo und Luciana (oder Lu) sind in La Edad Media als Kulturschaffende (er Filmregisseur, sie Tänzerin) hart von der Pandemie getroffen. Daher versuchen sie, durch hyperaktives Aufgehen in recht seltsamen Online-Projekten ihren Mangel an Selbstverwirklichung auszugleichen. Auf der Strecke bleibt die 8-jährige Cleo, die dem merkwürdigen Treiben der Eltern verwundert bis genervt zusieht. Als Ausweg aus der Lockdown-Langeweile fasst sie den Plan, sich ein Teleskop zuzulegen, um die Sterne zu beobachten. Doch diese im Grunde vernünftige Idee wird von den Eltern ignoriert, das mit Mühe von ihnen erbettelte Geld reicht hinten und vorne nicht für einen Kauf. Und so sieht Cleo keine andere Möglichkeit, als unternehmerisch tätig zu werden: Gemeinsam mit „Moto“, dem Motorradkurier vom Lieferdienst, beginnt sie hinter dem Rücken ihrer Eltern Teile des Hausstandes zu verkaufen (und lernt dabei ganz nebenbei Prozentrechnen). Doch die Inflation in der Pandemie lässt das Teleskop auf dem Online-Marktplatz immer teurer werden, und Cleo muss das Risiko erhöhen, um sich ihren Traum zu erfüllen.

La Edad Media ist eine gelungene Lockdown-Komödie, die auf mehreren Ebenen funktioniert und mit absurdem Witz und genauer Beobachtung ihrer Figuren punktet. Realität und Fiktion verschwimmen dabei nicht nur für die sich selbst filmende Familie (man könnte den Film also fast als Mockumentary bezeichnen), sondern auch für die Zuschauer*innen. Diese dürften sicher so manche Situation aus ihrem eigenen ganz normalen Lockdown-Wahnsinn wiedererkennen, wobei das Lachen auch mal im Hals steckenbleiben kann. Großartig ist die Szene, in der Cleo beim Versuch, die roboterhaften Fragen eines Englisch-Lernprogrammes zu beantworten, immer mehr abschweift, während daneben ihre Mutter wie verrückt auf einen Boxsack einprügelt. Oft wirft der Film aber auch relevante Fragen auf, wie zum Beispiel die, warum die Kunst auf die veränderten Lebensbedingungen seit Corona kaum reagiert hat, sondern sie einfach nur ignoriert – in wie vielen Kinofilmen tragen Menschen Masken? Ein weiterer Aspekt, der La Edad Media zu einem absolut lohnenswerten Kinoerlebnis macht, jetzt und vielleicht auch über die Pandemie hinaus.

Harmonie statt Ecken und Kanten

Sublime, Berlinale 2022Sublime (Foto: © Tarea Fina)

Bewertung: 3 / 5

„Ein ganzes Bier trinken ohne zu atmen? Oder mit drei Kakerlaken im Bett aufwachen?“ Manu muss nicht lange überlegen: „Das mit dem Bier natürlich! Obwohl das eigentlich gar nicht geht.“ Es ist ein Spiel, das der introvertierte 16-Jährige und sein bester Freund Felipe bei fast allen ihren Treffen im Film Sublime spielen: Für welche von zwei Scheußlichkeiten würde man sich wohl eher entscheiden? Zum Glück müssen sich die beiden damit nur in ihrer Fantasie beschäftigen. Denn so schlecht ist das Leben der Teenager in ihrem kleinen argentinischen Küstenort nicht: Die Schule läuft so vor sich hin, in ihrer Freizeit spielen sie Fußball am Strand oder jammen in einer Rockband, die ihren Lebensmittelpunkt bildet. Und auch beziehungstechnisch ist eigentlich alles im grünen Bereich, beide haben eine Freundin. Als Felipe aber von seinem Vater einen alten Van geschenkt bekommt und ihn zum Rückzugsort für ihre Dates umbaut, beginnen die Probleme: Denn Manu bemerkt immer mehr, dass er dort statt mit seiner Freundin Azul viel lieber mit Felipe alleine wäre  …

Regisseur Mariano Biasin hat sich mit einem Film über Jugendliche an der Schwelle zwischen erster Liebe und Erwachsenwerden schon einmal einen Namen gemacht: Bereits 2016 gewann er mit El inicio de Fabrizio (Fabrizios erstes Mal)  bei der Berlinale den Preis für den besten Kurzfilm in der Kinder- und Jugendsektion Generation. Mit Sublime hat es nun sein erster Langfilm ebenfalls ins Programm des Festivals geschafft. Auch hier legt Biasin wieder eine vor allem atmosphärisch gelungene Coming-of-Age-Geschichte vor, die sich um eine Gruppe heranwachsender Jungen und deren Gefühlswelt dreht. Homosexualität spielt in ihren Gesprächen höchstens in Witzen und Randbemerkungen eine Rolle. Manu fühlt sich aufgrund seiner Gefühle für Felipe deshalb zwar nicht ernsthaft bedroht, aber eben auch nicht ermutigt, sich dazu zu bekennen. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als seine ganze Emotionalität in die Songtexte für die gemeinsame Rockband zu legen.

Musik ist ein tragendes Element von Sublime. Die qualitativ durchaus hochwertigen Rocksongs der Jungs-Band (einer klingt vermutlich nicht von ungefähr verdächtig nach „Boys Don‘t Cry“ von The Cure) geben dem Leben der Jugendlichen, und damit auch dem Film insgesamt, ein Gefühl von Größe, das über den Alltag in dem recht verschlafenen Örtchen am Meer hinausgeht. Mariano Biasin lässt die Kamera dabei meist ganz nah an seine Protagonist*innen und die Intimität ihrer Gefühle heran. Allerdings mag der Regisseur und Drehbuchautor seine Figuren offenbar so sehr, dass er sich scheut, ihnen wirklich wehzutun. Durch diesen Verzicht auf Ecken und Kanten kommt der Film etwas arg harmonisch und nicht mehr so ganz realistisch daher. Eine*n richtige*n Bad Guy gibt es in Sublime genauso wenig wie offene Homophobie. Und auch die Eltern sind (im Gegensatz zu Biasins preisgekröntem Kurzfilm) alle liebe-und verständnisvoll, ihre angedeuteten Probleme untereinander fallen nicht ins Gewicht und Konflikte lösen sich (oft abseits der Kamera) wie von selbst. Das alles ändert nichts daran, dass Sublime ein sehr warmer, einfühlsamer und gut beobachteter Feelgood-Film über das Erwachsenwerden ist, der sich prima ansehen lässt. Für das nächste Mal würde man Mariano Biasin aber trotzdem wieder ein bisschen mehr Mut zum Dissens wünschen.

Hölzerner Spionagethriller

Iosi, el espía arrepentido, Berlinale 2022

Iosi, el espía arrepentido (Foto: © Amazon)

Bewertung: 2 / 5

Buenos Aires, 1992. Originale Filmaufnahmen zeigen die nach einem Bombenanschlag zerstörte israelische Botschaft, Zeug*innen und Polizist*innen versuchen, den Verletzten zu helfen, Rettungswagen rasen herbei. Fast unmerklich gehen die Originalaufnahmen in den Film über. Ein elegant gekleideter Mann stolpert durch die Trümmer, sein Blick bleibt an zerstörten Gegenständen hängen, an leblosen Körpern. Mit dieser drastischen Szene beginnt die für Amazon Prime Videos produzierte achtteilige Serie „Iosi, el espía arrepentido“ (Iosi, der reumütige Spion) des argentinischen Regisseurs Daniel Burman. Er basiert auf dem gleichnamigen Buch von Miriam Lewin und Horacio Lutzky.

Schon mit „El abrazo partido“ (2004) und „El rey de Once” (2016) drehte Burman Filme in und über den von der jüdischen Diaspora geprägten Stadtteil Once in Buenos Aires, in dem er selbst aufgewachsen ist. Nun also zeigt er jüdisches Leben in Argentinien durch die Augen eines jungen Geheimpolizisten in einer actiongeladenen Aufarbeitung zweier traumatischer Ereignisse der jüngeren Geschichte Argentiniens: dem Anschlag auf die israelische Botschaft in Buenos Aires 1992 und auf die jüdische Organisation Asociación Mutual Israelita Argentina (AMIA) 1994. Beide Anschläge wurden nie wirklich aufgeklärt.

Ob Iosi die Aufklärung gelingen wird, der in Folge der Ereignisse untertaucht und seine Jahre auf der Flucht – auch vor seinen ehemaligen Auftragsgebern – verbringt, bleibt in den ersten Folgen der Serie unklar. Seine Geschichte beginnt 1985, zwei Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur. Iosi heißt da noch José Perez und ist Auszubildender einer Spezialeinheit der argentinischen Bundespolizei. Während um ihn herum sehnsuchtsvoll über den nächsten Staatsstreich spekuliert wird, fällt Perez durch eine kritische Bemerkung zu antisemitischen Kommentaren auf. Daraufhin wird er zum Schein aus der Einheit geworfen und auf geheime Mission nach Buenos Aires geschickt. Das Ziel: Die Unterwanderung der jüdischen Community, um Informationen über den „Plan Andinia“ zu sammeln, eine angebliche Konspiration zur Aneignung weiter Teile Patagoniens, um dort einen eigenen jüdischen Staat zu errichten. Beweise dafür findet Iosi keine, doch er infiltriert erfolgreich eine linke jüdische Gruppe.

Dort wird Iosi, obwohl er stets sehr wortkarg, verschlossen und gleichzeitig neugierig auftritt, schnell aufgenommen und wird ein immer beliebteres Mitglied der jüdischen Community. Deren Traditionen, Vielschichtigkeit und auch inneren Konflikte, beispielsweise zur Siedlungspolitik Israels, werden in der Serie leider nur angedeutet. Die Aufmachung als Spionagethriller lässt kaum Zeit zum Innehalten; auch wenn manche Szenen liebevoll detailliert ausgestaltet sind, bügelt der mit Klischees überfrachtete Spionageplot darüber hinweg. Das ist schade, denn die Auseinandersetzung mit dem völlig undurchsichtigen postdiktatorischen argentinischen Polizeiapparat, dem allgegenwärtigen Antisemitismus und weiteren historischen Ereignissen, wie den Protesten gegen die Amnestiegesetze für Verbrecher*innen der Militärdiktatur, gerät dabei zu kurz.

Neben der rasanten Erzählung ist es durch hektische Zeitsprünge in das Jahr 2007 stellenweise schwer, der Geschichte zu folgen. 15 Jahre nach dem Anschlag auf die Botschaft schlägt sich Iosi, nun selbst verfolgt, auf eigene Faust durch. Immer bleibt er dabei erstaunlich charakterlos, und begegnet sogar Ausbrüchen extremer Gewalt mit stoischem Gleichmut. Das tut der Spannung der Serie keinen Abbruch, macht sie aber weniger mitreißend. Zumal die Szenen expliziter, auch sexualisierter Gewalt, der Handlung wenig geben, aber schwer anzuschauen sind. Dabei bieten die unklaren Hintergründe der Anschläge, internationale Verstrickungen, politische Intrigen und die Beteiligung verschiedener Geheimdienste wirklich Stoff für einen Thriller – aber Iosi, el espía arrepentido bleibt hölzern an der Oberfläche und wirkt deshalb fast unangenehm spekulativ.

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