Megaprojekte im Gegenwind

„Heute um 10.30 Uhr fuhr ein Mann in einem großen weißen Pickup vor das Haus des Gemeinderadios von Santa María Xadani. Er fragte im Befehlston eine Compañera, die sich gerade in der Radiostation aufhielt, wo Filiberto Vicente Aquino sei, sie würden ihn holen, denn sie seien ihn leid. Die Compañera antwortete, dass er nicht da sei. Darauf drohte der Mann, er sei ein Zeta (Mitglied eines besonders brutalen Drogenkartells, Anm. d. Red.) und sie solle dem Compañero Filiberto sagen, dass sie ihn finden würden.“ Mit diesen Worten schildern am 24. April lokale Aktivist_innen im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca eine Drohung gegen einen der ihren. Derselbe Radioaktivist erhielt bereits im März, nach der Teilnahme an einer Pressekonferenz der Gemeinden, die sich gegen die Windparks wehren, eine Morddrohung.
Seit Monaten verschärfen sich die Konflikte im Isthmus von Tehuántepec, der Landenge im Süden Mexikos, wo aufgrund der exzellenten Windbedingungen Investor_innen riesige Windparks errichtet haben und weitere sich im Bau befinden. Die überwiegend indigene Bevölkerung protestiert seit langem dagegen. Zum einen, da sie nicht konsultiert wurde oder bei den Entschädigungszahlungen betrogen wurde. Zum anderen, da sie die ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen fürchten (siehe LN 450, 456).
Besonders konfliktträchtig ist der Windpark San Dionisio an der Pazifikküste auf dem Territorium der gleichnamigen Gemeinde der indigenen Ikoots, wo 102 Turbinen installiert werden sollen. 30 weitere Turbinen sind auf dem Gebiet der Gemeinde Santa Maria del Mar geplant. Mit einer erhofften Stromerzeugung von 396 Megawatt wäre dies der größte Windpark Lateinamerikas. Hinter dem Projekt steht das Konsortium Mareña Renovables, eine japanisch-europäisch-australische Investorengruppe. Mit Zufahrtsstraßen und fünf Anlegestellen tangiert der Windpark das Territorium der vier Gemeinden der Ikoots-Indigenen sowie einige zapotekische Gemeinden, darunter Álvaro Obregón. Allerdings ist der Bau des Windparks San Dionisio blockiert seit in einer Gemeindeversammlung im Januar 2012 aufflog, dass der Gemeindepräsident von San Dionisio, von der Revolutionären Institutionellen Partei (PRI), klammheimlich 20.5 Millionen Pesos (ca. 1,3 Mio. Euro) von den Investor_innen für die Umnutzung des Bodens kassiert hat. Daraufhin besetzte die Bevölkerung das Gemeindehaus und verhinderte jegliche Bautätigkeit von Mareña Renovables. Das Megaprojekt mit einem Investitionsvolumen von einer Milliarde US-Dollar ist auch legal ausgesetzt: Ein Richter verhängte Ende 2012 einen Baustopp, da nie über das Projekt auf kommunalem Land abgestimmt wurde und somit die indigenen Rechte der BewohnerInnen verletzt wurden. Zudem ist bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank eine Klage der Projektgegner_innen wegen Schmiergeldzahlungen hängig.
Mehrere Versuche einer nachträglichen Bewilligung durch improvisierte Gemeindeversammlungen scheiterten, es kam zu Konfrontationen der verfeindeten Lager. Schließlich drohte das Konsortium Mareña Renovables Ende Januar auf einer Windenergiemesse in Mexiko-Stadt ultimativ, es werde sich zurückziehen, wenn nicht endlich gegen „die 20 Personen, die das Projekt blockieren“ vorgegangen werde. Dass sie damit den Widerstand massiv unterschätzten, zeigten die folgenden Tage: Kurz darauf versuchte die bundesstaatliche Polizei mehrmals in die Gemeinde Álvaro Obregón vorzudringen, wo die Bevölkerung seit November den Zugang zur Baustelle blockiert. Anfang Februar eskalierten die Auseinandersetzungen, die Polizei musste sich zurückziehen.
Eine ähnliche Eskalation erlebte auch das benachbarte San Mateo del Mar, mit 15.000 Einwohner_innen und 12 Weilern die größte Gemeinde der Ikoots. Am 21. März wurden dort sieben Personen, darunter zwei Journalisten der Tageszeitung Jornada und Aktivisten der Menschrechtsorganisation Ucizoni, von einer Gruppe von 50 bewaffneten und betrunkenen Personen für drei Stunden festgehalten. Die Delegation wollte die Übergriffe der Behörden auf Oppositionelle dokumentieren. Die Täter stammen aus dem Umfeld des lokalen PRI-Bürgermeisters Francisco Valle Piamonte. Auch Valle Piamonte wurde aufgrund massiver Korruptionsvorwürfe vor einem Jahr in einer Gemeindeversammlung abgewählt. Das Parlament Oaxacas blockierte jedoch das Amtsenthebungsverfahren gegen ihn, es wurden Neuwahlen angesetzt.
Doch Valle Piamonte kam diesen zuvor: In einem nächtlichen Überfall eroberte er im November mit bewaffneten Anhängern den Gemeindesitz zurück, kurz darauf trafen Einheiten der Bundesstaatspolizei ein, um „die Sicherheit und Ruhe“ in der Gemeinde zu gewährleisten. Seither regiert Valle Piamonte mit Hilfe von parapolizeilichen Gruppierungen, die auch Straßensperren errichtet haben. Jüngst griffen Unbekannte das Haus der Windparkgegnerin Reyna Gutiérrez Luis an und drohten sie zu „zerstückeln“. Gutiérrez Luis, die als erste Frau ein Amt innerhalb der Dorfrates innehatte, klagt im Dokumentarfilm Somos Viento die soziale Zerrüttung durch das geplante Megaprojekt an: „Welches Erbe werde ich meinen Kindern hinterlassen? Eine unregierbare Gemeinde? Unser Land, unser Meer verschmutzt?“
Die privatisierte Stromgewinnung im Isthmus wird dabei großzügig durch Weltbankkredite sowie Finanzierungsinstrumente wie den Clean-Development-Mechanismus der UNO und den EU-Fonds LAIF (Latin America Investment Facility) subventioniert. 15 Windparks auf 11.079 Hektar Land sind schon im Betrieb und produzieren Strom für Großunternehmen wie Coca-Cola, Cemex oder Walmart, die sich mit der vergleichsweise sauberen Energie ein grünes Mäntelchen erkaufen. Das Geschäft ist doppelt attraktiv: Die Windparks können auch via CO2-Zertifikate am internationalen Emissionshandel teilnehmen. Und das Potenzial der Region ist erst zu 10 Prozent ausgeschöpft, denn gemäß der staatlichen Kommission für Energieregulation könnten auf 100.000 Hektaren mindestens 10.000 MW Strom produziert werden.
Die fehlende Information und Konsultation der indigenen Bevölkerung, unlautere Verträge über die Pacht von Land sowie Korruption und Einsatz von Gewalt der lokalen Behörden bilden das Muster dieser Investitionen zugunsten des „ökologischen Fortschritts“. „Die multinationalen Unternehmen bemächtigen sich unserer Territorien, als sei diese Region jungfräulich, unbewohnt“, klagte die zapotekische Menschrechtlerin Bettina Cruz Velázquez anlässlich einer Rundreise in Europa. Doch selbst die verstärkte Repression scheint den Widerstand der Gegner_innen nicht brechen zu können. Eine baldige Befriedigung der Situation ist unwahrscheinlich, im Gegenteil.

Aktueller Dokumentarfilm Somos Viento zum Thema: http://somosvientodocumental.wordpress.com/

Widersprüchliche Bilanz

René Ramirez, früherer Planungsminister, schrieb im Jahr 2010 im Hinblick auf Ecuadors Entwicklungsstrategie, dass „das größte Alleinstellungsmerkmal Ecuadors seine Biodiversität ist, und sein größter Wettbewerbsvorteil darin liegt, sie durch ihren Erhalt und den Aufbau von Bio- und Nanotechnologie zu nutzen.” Der derzeit gültige Entwicklungsplan 2009-2013 sieht als Hauptziele eine umverteilende Politik und den Umbau der Wirtschaft zu einem neuen Modell vor.
Wie weit ist dieser Umbau heute, im sechsten Jahr der Regierung von Präsident Rafael Correa, gediehen? Die Förderung und der Export von Öl haben heute wirtschaftlich dasselbe Gewicht wie in der Ära des Erdölbooms der 1970er Jahre. Der Staatshaushalt ist in hohem Maße von diesem Wirtschaftszweig abhängig. 2010 machten Rohstoffe mit etwa 77 Prozent immer noch über drei Viertel des Exportvolumens aus, gegenüber lediglich 23 Prozent exportierter Produkte aus der verarbeitenden Industrie. Tourismus, Dienstleistungen und Landwirtschaft befinden sich, anstatt zu expandieren, eher in einer leichten Rezession. Die Agrarpolitik setzt auf industrielle Produktion für den Export oder für Supermarktketten, und benachteiligt die Kleinbauern und -bäuerinnen.
Anstatt ein neues Wirtschaftsmodell zu entwickeln, weitet die Regierung das alte Akkumulationsmodell aus. Obwohl Ecuador kein Land ist, in dem Bergbau traditionell eine relevante Rolle gespielt hätte, setzt die Regierung Correa nun auf industriellen Tagebau als weitere Einkommensquelle für den Staat. So unterschrieb er Anfang März 2012 den ersten großen Vertrag mit einem kanadisch-chinesischen Konzern. Regierungsmedien wie El Telegrafo feierten den Beginn der Ära des „verantwortlichen Tagebaus”, in dem der Staat eine größere Kontrolle über die Branche ausübe.
Bergbauexperten wie William Sacher oder Alberto Acosta bezweifeln jedoch, dass es einen verantwortlichen Tagebau geben kann. Die Erfahrungen aus ähnlichen Projekten in Lateinamerika sprechen jedenfalls dagegen. Es erscheint fraglich, ob die Regierung eines kleinen Staates wie Ecuador die konkrete Praxis transnationaler Bergbau-Konzerne in Bezug auf Umwelt- und Sozialstandards effektiv kontrollieren kann. Diese wechseln nämlich innerhalb eines hochdynamischen und -spekulativen Markts extrem häufig ihren Sitz und damit ihre Rechtsform, und sind deshalb juristisch kaum haftbar zu machen. So bleibt die Verantwortung für die entstandenen Schäden an der Umwelt und der lokalen Bevölkerung, die nach 25 bis 30 Jahren Tagebau ihre Subsistenzgrundlage verloren haben wird, bei der ecuadorianischen Regierung. Dies macht die Rentabilität des Tagebaus auf lange Sicht zweifelhaft.
Vierzehn weitere Tagebau-Großprojekte stehen auf der Prioritätenliste von Ressourcenminister Wilson Pastor, vier davon sind bereits fortgeschritten. Ebenso vorgesehen ist die Ausweitung der Ölförderung auf den Südosten des ecuadorianischen Amazonasgebiets, der einzigen relativ intakten Regenwaldfläche des Landes außerhalb des Yasuní Nationalparks. Wird dies umgesetzt, würde das statt der Umwandlung des extraktiven Akkumulationsmodells seine Intensivierung und flächenmäßige Ausweitung bedeuten, mit dem entsprechenden Verlust an Biodiversität und an Möglichkeiten für einen nachhaltigen Tourismus als alternative Einnahmequelle. Die Überwindung des Extraktivismus wird innerhalb der politisch recht heterogenen Regierung heute tatsächlich nur noch von einer Minderheitenströmung politisch gewollt. Präsident Correa, die einzige Figur, die diese von links bis rechts reichenden Strömungen zusammenhalten kann, sagte in einer Bilanz der ersten fünf Jahre „Bürgerrevolution“: „Im Grunde machen wir innerhalb desselben Akkumulationsmodells die Dinge einfach nur besser, denn es ist nicht unser Wunsch, den Reichen zu schaden; aber wir haben die Absicht, eine gerechtere und gleichberechtigtere Gesellschaft zu schaffen.” Immer wieder betont der Staatschef, dass es unverantwortlich wäre, „wie Bettler auf einem Sack Gold zu sitzen”, indem man Ölfelder oder Kupfervorkommen nicht ausbeute, und bezeichnet die Gegner des Extraktivismus als „infantil”, „fundamentalistisch” oder gar als „Steinzeitmenschen”.
Die in der Verfassung verankerten Rechte der Natur, ebenfalls Teil der visionären Konzepte, mit denen Ecuador seit Rafael Correa international bekannt geworden war, erfahren eine recht dürftige und höchst widersprüchliche Umsetzung. Zwar sind, wie in allen anderen Bereichen des Staates auch, die Mittel für den Umweltschutz aufgestockt worden, doch funktioniert das größte Waldschutzprogramm Socio Bosque in sehr konventionellen Bahnen. Es bietet Waldbesitzer_innen Kompensationszahlungen gegen vermiedene Entwaldung, ganz in der Logik des grünen Kapitalismus und der Merkantisilierung der Natur, gegen die Correa sich erst kürzlich im Rahmen von Río +20 ausgesprochen hatte. Auch der Erhalt des Yasuní-Nationalparks ist inzwischen weitgehend ein REDD+-Projekt (siehe Kasten).
Deutlichere Erfolge als in der Überwindung des Extraktivismus wurden bezüglich der umverteilenden Rolle des Staates erzielt. Die durch neue Konditionen in der Ölförderung, aber auch durch die hohen Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt erzielten Einnahmen werden in einer Kombination neoliberaler und sozialdemokratischer Instrumente unter die Leute gebracht: Zum einen handelt es sich um an die Ärmsten gerichtete, konditionierte Transferleistungen (der bono de desarrollo humano beträgt beispielsweise 36 US-Dollar pro Monat), die eine Fortsetzung neoliberaler Abfederungsmaßnahmen bedeuten, allerdings in größerem Maßstab. Zum anderen werden aber auch klassisch sozialdemokratische Politiken umgesetzt, wie die Einführung progressiver Steuern und die Erhöhung der Sozialausgaben mit dem universalistischen Anspruch, kostenlose Gesundheitsversorgung und Bildung für alle verfügbar zu machen.
Doch wenn auch in der Sozialpolitik ein Wille zu mehr Gleichheit zu erkennen ist, wirft der Umgang der Regierung mit den teils heftigen Konflikten, die sowohl die Vertiefung des Extraktivismus als auch der Bau von großen Wasserkraftwerken nach sich ziehen, ernsthafte Zweifel an ihrem Willen auf, auch mehr Freiheit für die ecuadorianische Bevölkerung zuzulassen.
Ein im ersten Halbjahr 2012 von Amnesty International veröffentlichter Bericht wirft der Regierung Correa die systematische Kriminalisierung des Rechts auf Protest vor. Die Organisation kritisiert, dass Strafrechtsparagraphen zu extrem interpretierbaren Delikten wie “Terrorismus” und “Sabotage” angewendet werden, die während der Militärdiktatur der 1970er Jahre eingeführt wurden. Zehn Personen sitzen aufgrund von Verurteilungen wegen Terrorismus oder Sabotage bereits Haftstrafen von bis zu 8 Jahren ab, einige sind abgetaucht, und gegen etwa 210 weitere Menschen wird derzeit noch ermittelt. Auch wenn viele dieser Ermittlungsverfahren aus Mangel an Beweisen letztlich eingestellt werden, wirken sie doch einschüchternd und verhindern durch den damit verbundenen hohen Zeit- und Geldaufwand, dass indigene und ländliche Aktivist_innen ihr demokratisches Recht auf Protest wahrnehmen können. Darüber hinaus bemängelt Amnesty, dass Protestierende in aufwendigen Werbekampagnen von der Regierung als undemokratische Destabilisierer und Putschisten diffamiert werden, wie es anlässlich einer großen Demonstration im März 2012 geschehen war (siehe LN 455).
Amnesty International konstatiert weiter: „Der Staat hat das Recht auf Vorabbefragung [der indigenen Gruppen] systematisch missachtet und den Gemeinden wenig andere Auswege als den Protest gelassen”. Analysiert werden vor allem die Verabschiedung des umstrittenen Bergbaugesetzes 2009 und die versuchte Verabschiedung des Wassergesetzes 2010, die beide zu indigenen Aufständen und Demonstrationen, Dutzenden schwer Verletzten und einem Toten führten.
In diesem Zusammenhang hat die indigene Bewegung vor kurzem einen international bedeutsamen Erfolg errungen: Nach zehn Jahren Widerstand verurteilte am 23. Juni der interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof den ecuadorianischen Staat wegen einer Reihe von Rechtsverletzungen an der amazonischen Kichwa-Gemeinde Sarayaku. Dort hatte der argentinische Ölkonzern CGC in den 1990er Jahren Probebohrungen durchgeführt. Die entsprechende Lizenz wurde erteilt, ohne dass die Bevölkerung vorher befragt wurde. Der Konzern hatte die Bewohner_innen schikaniert und vertrieben, und schließlich bei seinem Rückzug erhebliche Mengen von Sprengstoff im Boden hinterlassen. Der ecuadorianische Staat wurde nun zu Reparationszahlungen und zur Entfernung des Sprengstoffs verurteilt.
Für die Zukunft wichtig ist, dass das Urteil die Verpflichtung zur Vorabbefragung indigener Völker betont und Ecuador auffordert, entsprechend gesetzgeberisch aktiv zu werden, was ihm eine Relevanz weit über Ecuador hinaus verleiht. Der Justiziar von Rafael Correa, Alexis Mera, verlautbarte nach dem Urteil, der ecuadorianische Staat werde die Entschädigung zwar zahlen, sich das Geld jedoch von Expräsident Lucio Gutiérrez zurückholen. Die Regelung der künftigen Durchführung von Vorab-Befragungen liegt seit vielen Monaten beim ecuadorianischen Parlament.

Kasten:

Visionäre Idee mit holpriger Umsetzung

Die Idee hat das Potential, die Logik des Extraktivismus grundlegend in Frage zu stellen: Im Nationalpark Yasuní im ecuadorianischen Amazonastiefland lagern in den drei Ölfeldern Ishpingo, Tiputini und Tambococha 846 Millionen Barrel (1 Barrel = 159 Liter) Erdöl – etwa 20 Prozent der gesamten Reserven des Landes. Auf Vorschlag des früheren Erdölministers Alberto Acosta will Ecuador das Erdöl im Boden lassen, sofern von internationaler Seite 3,6 Milliarden US-Dollar aufgebracht werden. Dies entspricht der Hälfte der erwarteten Einnahmen, würde Ecuador das Öl fördern. Das Geld soll nicht in die Staatskasse, sondern in einen Treuhandfonds fließen, welcher der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) unterstellt ist und aus dem unter anderem alternative Energien und Aufforstungsprojekte gefördert werden sollen. Bliebe das Öl wirklich unter der Erde, hätte das positive Auswirkungen für die in dem Gebiet lebenden Indigenen, die Erhaltung der Biodiversität der Region und das Klima. International hat die Yasuní-ITT-Initiative viel Lob erfahren, das finanzielle Engagement potentieller Geber_innen fällt jedoch bescheiden aus. Laut offiziellen Angaben hat Ecuador sein Ziel, bis Ende 2011 100 Millionen US-Dollar einzusammeln, zwar erreicht. In den UN-Treuhandfonds wurden bisher allerdings erst wenige Millionen eingezahlt. Der Rest besteht etwa aus einem Schuldenerlass über 50 Millionen US-Dollar seitens Italien sowie einem Beitrag Deutschlands von gut 45 Millionen US-Dollar (35 Millionen Euro), der aber ausdrücklich nicht für den Fonds vorgesehen ist. Denn die deutsche Bundesregierung torpediert die ursprüngliche Ausrichtung des Projektes. Während der Bundestag der Yasuní-Initiative im Jahr 2008 die Unterstützung zugesichert hat, lehnt der aktuelle Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, eine Beteiligung an dem UN-Treuhandfonds vehement ab. Er setzt stattdessen darauf, den Yasuní-Nationalpark durch klassische Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und den auf Marktmechanismen basierenden Emissionshandel REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degregation) zu schützen. Niebel will nicht für das „Unterlassen” einer Handlung bezahlen und spricht offen davon, einen „Präzedenzfall” verhindern zu wollen. Genau diesen wollen die Befürworter_innen des Projektes jedoch schaffen. Die Idee ließe sich potentiell auch auf geplante Bergbau-Projekte anwenden, die als besonders schädlich eingestuft werden.
// Tobias Lambert

„Kein Ackerbau, keine Jagd, kein Fischfang mehr“

„Wir pflanzen hier Maniok, Kartoffeln, Zuckerrohr, Süßkartoffeln und Bananen an. Wir fischen, jagen, roden ab und an einen Baum, wenn wir das brauchen.“ So beschreibt der Kazike der indigenen Gemeinschaft der Munduruku im Bundesstaat Pará, Osmarino Manhoari Munduruku, das traditionelle Wirtschaftsleben der in 111 Dörfern lebenden 6.000 Mundurukus. Doch all das sollte ihnen untersagt werden, wie ein vor kurzem erschienener investigativer Bericht von Journalist_innen des Portals A Pública aufzeigt. Droht den Munduruku das Leben im Regenwald als Park (siehe LN 419)?
Im Bundesstaat Pará wollte die Firma Celestial Green Ventures mit Sitz in Dublin das Land der Munduruku für jährlich vier Millionen US-Dollar pachten, bei einer Laufzeit von 30 Jahren. Die Firma plante im Gegenzug, über den freiwilligen Emissionshandel sogenannte Emissionsrechte für das im Wald gebundene Kohlendioxid feilzubieten. Der Deal mit den Munduruku ist laut A Pública einer von vielen, die die Firma in Brasilien unternimmt.
Das Kyoto-Protokoll sieht Mechanismen für den Handel mit Emissionsrechten vor, wenn in den Ländern des Südens beispielsweise bei Industrieprojekten Kohlendioxid mindernde Technologie eingesetzt wird – Clean Development Mechanism heißt das dann. Doch für Wälder gibt es diesen Mechanismus noch nicht. Der Plan, für den Erhalt von Wäldern über das sogenannte REDD – die Reduzierung von Emissionen bei Abholzung und Walddregradierung – Kohlendioxid-Rechte zu vergeben (siehe LN 414), wird gleichwohl in der Praxis von Unternehmen derzeit in Angriff genommen und an einem noch ungeregelten Markt gehandelt. Dem Plan nach sollte sich das Pachten des Landes der Munduruku für die Firma aus Dublin rechnen. Doch die Munduruku mutmaßten recht schnell, dass die Sache einen Haken hat.
Denn den Indigenen wurde zwar von der Firma versprochen, kein Weißer würde mehr ihr Land betreten oder ihnen Rohstoffe von dort wegnehmen dürfen. Das klang zunächst verlockend, nicht mehr der Bedrohung durch die Tropenholzmafia oder illegale Brandroder ausgesetzt zu sein. Aber bald erfuhren die Munduruku, dass auch sie selbst dort keinen Ackerbau, keine Jagd, keinen Fischfang mehr betreiben dürften. Wovon sollten die Munduruku dann leben? Celestial Green sagte den Indigenen, sie würden ihnen das Geld für Lebensmittel geben, berichtet der Kazike Manhoari. „Und wir Indígenas könnten da nichts mehr tun, rein gar nichts“, erboste er sich. Als sie das begriffen, „da meinte die Mehrheit [von uns], dass das nicht richtig ist“, so Manhoari gegenüber A Pública.
Die Indigenenbehörde FUNAI zeigte sich entsetzt, da sie in den ganzen Vorgang nicht einbezogen worden war. Hinzu kommt, dass die von einigen Munduruku vorschnell unterzeichneten Verträge laut Jurist_innen gar keine Gültigkeit haben, da das Land zwar indigenes Territorium, aber Bundeseigentum ist. João Camerini, Rechtsanwalt der Menschenrechtsorganisation Terra de Direitos, warf der Firma gar vor, sich nicht nur die Ressourcen als Kohlendioxid-Emissionsrechte aneignen zu wollen, sondern sich auch anzumaßen, die physische Kontrolle über das Gebiet zu erlangen. „In einigen Vertragsklauseln will [die Firma] die Rolle des Staates einnehmen“, kritisiert der Anwalt. „Das Ganze ist total illegal“, meint Camerini. Dies sieht auch die Bundesstaatsanwaltschaft so. Sie kündigte an, sich umgehend in den Fall einzuschalten.

„Rio+20 ist eine Chance, die wir nutzen werden“

Renato Cunha, wie schätzen Sie den bisherigen Vorbereitungsprozess der Zivilgesellschaft auf die Konferenz Rio+20 ein?

Wir sind noch sehr in den Anfängen, sind dabei Themen zu definieren und die Positionen der Zivilgesellschaft zu finden. Wir vernetzen uns gerade, um zu entscheiden, wie der „Gipfel der Völker“, der parallel zu der UN-Konferenz stattfindet, durchgeführt wird und was da genau passieren soll. Und wie wir uns als Zivilgesellschaft uns organisieren werden, um mit unseren Positionen während der Konferenz präsent zu sein.
Denn es gibt ziemlich viele Bewegungen, die an Rio+20 teilnehmen möchten – die Arbeiterbewegung, die Landlosenbewegung, die Umweltgruppen. Aber alle sind noch auf dem Stand: wir müssen uns erst mal organisieren. Das Vorbereitungskomitee der Zivilgesellschaft soll alles unter einem Schirm zusammenführen, damit der „Gipfel der Völker“ in einer strukturierten Form und mit einem erfolgreichen Ergebnis stattfinden kann.

Das heißt, es gibt noch keine konkrete Planung?

Während der Umweltkonferenz 1992 gab es auf dem Aterro do Flamengo in Rio de Janeiro für die verschiedenen Themen und Bewegungen Zelte: eines für die Frauen, eines für die Arbeiter, eines für die verschiedenen Biome, eines für die Jugend. Das wollen wir wiederholen, aber über die genaue Mischung im Juni nächsten Jahres denken wir noch nach. Im Dezember wird es ein weiteres Treffen des Vorbereitungskomitees geben. Und es gibt eine Arbeitsgruppe des Komitees in Rio, die für die konkrete Planung der Veranstaltungen vor Ort verantwortlich ist. Auf der inhaltlichen Ebene wird erst auf dem thematischen Sozialforum im Januar in Porto Alegre darüber entschieden, welche Inhalte es geben wird, welche Ideen ausgearbeitet werden – zum Beispiel dazu, welches ökonomisches Modell wir gerne hätten. Das thematische Sozialforum wird sich ganz auf die Vorbereitung von Rio+20 konzentrieren.

Wo liegt für Sie als Vertreter eines großen NGO-Netzwerks die Bedeutung von Rio+20?

Rio+20 ist ein Moment der Reflexion und der Schaffung globalen Bewusstseins darüber, dass wir unser Entwicklungsmodell überdenken müssen, ebenso auf der globalen, wie auf der nationalen und der lokalen Ebene. In diesem Sinne ist die Konferenz eine Chance. Wir erwarten, dass sich dort ganz konkrete Fragen ergeben, auch wenn wir wissen, dass es klare Grenzen unserer Möglichkeiten gibt. Nicht nur in Bezug auf die Mobilisierung der Gesellschaft, sondern auch durch die globale Krise. Innerhalb dieses Kontextes müssen wir unsere Ideen artikulieren, Vorschläge machen und uns besser organisieren.
Es ist eine Chance, die wir nutzen werden, aber es ist nicht die einzige und der Prozess wird sich nicht in Rio+20 erschöpfen. Das Leben geht weiter. Ich denke, dass es ausgehend von den Entscheidungen, die bei Rio+20 getroffen werden, darum gehen wird, staatliche Politik zu gestalten, Verpflichtungen zu vereinbaren und das ökonomische und soziale Modell zu verändern.

Sie sehen also die Konferenz Rio+20 nicht als eine entscheidende Konferenz mit großer Bedeutung für die globale Zukunft?

Sie kann durchaus Bedeutung haben. Aber unsere Erwartungen sind eher, dass es nicht die ganz großen Veränderungen geben wird. Sie ist eine wichtige Chance, aber ich sehe Rio+20 mehr im Zusammenhang mit den anderen großen Konferenzen: der UN-Klimakonferenz COP-17, die Ende November in Südafrika stattfindet, dem G20-Treffen, das gerade in Frankreich stattgefunden hat und direkt nach Rio+20 wieder stattfinden wird. Rio+20 steht nicht allein, sondern ist Teil eines größeren Diskussionsprozesses, in dem das ökonomische Modell zur Debatte steht.
Die Umweltkonferenz in Rio 1992 war demgegenüber ein Meilenstein der Kritik eines Paradigmas und vielleicht ein größerer Meilenstein als es Rio+20 werden wird. 1992 war auch die Mobilisierung in der Gesellschaft in Bezug auf die Konferenz viel stärker als heute. Rio+10 war ebenfalls nicht so bedeutend wie die Konferenz 1992, auch wenn es dort einige Fortschritte gegeben hat. Vielleicht kann sogar das thematische Sozialforum im Januar mehr Fortschritte in Bezug auf Mobilisierung und Vernetzung erzielen als der „Gipfel der Völker“ während der Rio+20.

Die Konzentration der thematischen Ausrichtung der UN-Konferenz Rio+20 auf „Green Economy“ und „Global Governance“ ist ja im Vorfeld bereits stark von der Zivilgesellschaft kritisiert worden, da beide Ansätze das bestehende ökonomische Modell in keiner Weise infrage stellen. Was ist Ihre Position dazu?

Das Konzept der „Green Economy“ kommt aus dem UN-Umweltprogramm, es ist kein Konzept, das aus einer gesellschaftlichen Debatte entstanden ist. Was wir bis heute darüber wissen, ist genau dieses, nämlich dass es in keiner Weise die großen Paradigmen kritisiert. Es folgt der Marktlogik und nicht den Umweltrechten oder den sozialen Rechten, es versteht die Naturressourcen als wirtschaftliche Güter, wie zum Beispiel beim Emissionshandel. Es ist mehr dem Kapital verbunden als den Gemeinden und dem Konzept der Gemeingüter. Es gibt demselben Wirtschaftsmodell einen grünen Anstrich, politisch korrekter, nachhaltiger, aber die „Green Economy“ verändert das herrschende ökonomische Modell nicht und wir müssen unsere Kritik an diesem Vorschlag formulieren.

Wie schätzen Sie die bisherige Kooperation der Zivilgesellschaft mit der brasilianischen Regierung im Nationalen Komitee zur Vorbereitung von Rio+20 ein?

Von der Regierung wurde das Nationale Komitee mit Vertretern der öffentlichen Hand und der Gesellschaft gebildet. Verschiedene soziale Bewegungen und Organisationen nehmen an diesem Prozess teil. Das Komitee hat die brasilianischen Vorschläge diskutiert und zwar ausgehend von einem Diskussionspapier, das die Regierung erstellt hatte. Dazu gab es einige Konsultationen und dann entstand dieses Dokument, das jetzt an die UNO gesandt wurde. Ich denke, das Positionspapier repräsentiert das, was innerhalb des Dialogs zwischen Regierung und Zivilgesellschaft möglich ist. Es ist allerdings weit von den Positionen entfernt, die wir gerne in einem brasilianischen Positionspapier hätten. Aber so wie dieser Prozess organisiert wurde, einschließlich der Fristen etc., war es nicht möglich, mehr zu erreichen. Es gibt einige wichtige Punkte in dem Papier, aber insgesamt spiegelt es nicht die Diskussion der Zivilgesellschaft wider. Ein Beispiel ist der Handel mit Kohlenstoff-Emissionen. Trotzdem denke ich, dass der Dialog mit der Regierung und anderen Sektoren der Gesellschaft wichtig ist. Außerdem wird die Zivilgesellschaft ein eigenes Positionspapier auf dem thematischen Sozialforum in Porto Alegre vorstellen. Dort ist dann der richtige Ort, um unsere Vorschläge ausführlich zu diskutieren, einen Konsens zu finden, sie auszuarbeiten und so die Debatte zu vertiefen.

Von der globalen Finanzkrise war Brasilien relativ wenig betroffen. Wo stehen die sozialen Bewegungen in Brasilien in einer Zeit, in der die ökonomische Krise und die Occupy-Bewegung in Europa in aller Munde ist?

Es gab in Brasilien schon einen gewissen Widerhall der Bewegungen in Spanien und den USA, allerdings mehr in der brasilianischen Jugendbewegung. Und sicher nicht in demselben Umfang wie in Europa. Aber die Empörung über den Einfluss der großen Wirtschaftsunternehmen und des Finanzkapitals, über die Korruption hier wie dort wächst stetig. Diese Empörung wird über die sozialen Netzwerke noch multipliziert. Es verbreitet sich die Erkenntnis, dass etwas passieren muss und dass die Welt nicht den Großunternehmen gehört.

Infokasten: Renato Cunha ist Umweltingenieur für Energie und Umweltmanagement, Mitbegründer und Geschäftsführer der Umweltgruppe Gambá in Bahia, Brasilien. Im Vorbereitungskomitee der Zivilgesellschaft für Rio+20 vertritt er das Netzwerk der rund 350 Nichtregierungsorganisationen des atlantischen Regenwaldes.

Infokasten: Rio+20 – UN-Konferenz über Nachhaltige Entwicklung

1992 fand in Rio de Janeiro die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung statt. Die häufig als „Erdgipfel“ bezeichnete Konferenz gilt als Meilenstein für die Verknüpfung von Umweltthemen mit Entwicklungsstrategien. Ihre Ergebnisse fanden international Beachtung. Auch innerhalb Brasiliens sorgte die Konferenz für einen qualitativen Sprung in Bezug auf Umweltthemen – sowohl auf der Regierungsebene als auch innerhalb der Zivilgesellschaft. So geht zum Beispiel die Anerkennung der kollektiven Sammelrechte der Babaçu-Nussknackerinnen auf die Umweltkonferenz 1992 zurück.
Nach Rio+5 in New York 1997 und dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002, wird 2012 erneut eine Konferenz der Vereinten Nationen über Nachhaltige Entwicklung im brasilianischen Rio de Janeiro stattfinden. Als zentrale Konferenzthemen wurden von den UN-Gremien „Green Economy“ und „Global Governance“ festgelegt, was Umweltbewegung und andere soziale Bewegungen bereits vorab scharf als unnötige Festlegung auf Marktmechanismen als Steuerungsinstrumente im Umweltbereich kritisierten.
Die brasilianische Regierung gründete im Juni dieses Jahres zur Vorbereitung der Konferenz die „Nationale Kommission Rio+20“. Unter der Leitung der Umweltministerin und des Außenministers soll die Kommission ausdrücklich auch der Vernetzung mit der Zivilgesellschaft und weiteren staatlichen Stellen dienen. Am 1. November 2011 leitete die brasilianische Regierung ein Positionspapier an die Vereinten Nationen weiter, an dem auch die brasilianische Zivilgesellschaft mitarbeitete, das sich aber insgesamt auf allgemein gehaltenen Formulierungen beschränkt.
Einen „Gipfel der Völker zu nachhaltiger Entwicklung Rio+20“ planen die sozialen Bewegungen Brasiliens während der Konferenz, der von einem Komitee der Zivilgesellschaft vorbereitet wird. Für die konkrete Planung der Veranstaltungen des Parallelgipfels ist eine Arbeitsgruppe in Rio de Janeiro zuständig, inhaltlich wird er unter dem Titel „Kapitalistische Krise, soziale und ökologische Gerechtigkeit“ auf dem nächsten Sozialforum im Januar 2012 in Porto Alegre vorbereitet.

Glossar

Ernährungssicherherheit
bezeichnet das Ziel, allen Menschen Zugang zu „sicherer und nahrhafter Nahrung“ zu gewährleisten. Dies kann beispielsweise auch über den Import von Lebensmitteln geschehen. Das Konzept ist somit mit der Öffnung von Märkten und nicht nachhaltigen Produktionssteigerungen kompatibel. Der Begriff gilt innerhalb des offiziellen Diskurses um Hungerbekämpfung als vorherrschend, wird von internationalen Organisationen, etwa der UNO, verwendet und von kleinbäuerlichen Organisationen kritisiert (siehe Ernährungssouveränität).

Ernährungssouveränität
gilt als Gegenentwurf sozialer Bewegungen zum Begriff der Ernährungssicherheit. Das 1996 von der Bauern- und Bäuerinnenorganisation La Via Campesina (Der bäuerliche Weg) vorgestellte Paradigma sieht die Landbevölkerung, die paradoxerweise am meisten von Hunger betroffen ist, als Protagonistin der Hungerbekämpfungsstrategien. Es geht dabei darum, dass ländliche Gemeinschaften ihre natürlichen Ressourcen wie Land oder Wasser demokratisch kontrollieren, um Selbstbestimmung sowie eine nachhaltige und würdevolle Ernährung zu erreichen. In Lateinamerika ist das Konzept der Ernährungssouveränität heute nicht mehr nur innerhalb der sozialen Bewegungen populär, sondern wurde in den vergangenen Jahren von mehreren linken Regierungen aufgegriffen.

Industrielle Landwirtschaft
ist eine rein auf Profitmaximierung und in der Regel auf den Weltmarkt ausgerichtete Produktionsweise landwirtschaftlicher Güter. Wesentliche Merkmale sind ein hoher Kapitaleinsatz, technisierte Verfahren, Anbau in Monokultur und der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden. In Lateinamerika werden zudem häufig gentechnisch veränderte Organismen verwendet. Angebaut wird vor allem für den Export. Dabei werden landwirtschaftlich nutzbare Flächen nicht notwendigerweise zur Produktion von Lebensmitteln verwendet, sondern auch zur Herstellung von Tierfutter, Agrokraftstoff oder Schnittblumen. In Lateinamerika ist beispielsweise der Anbau von Soja und Ölpalmen auf dem Vormarsch. Arbeitsplätze entstehen in der hochindustrialisierten Landwirtschaft kaum, qualifizierte Angestellte bringen die Investor_innen häufig selber mit. Da für Kleinbäuerinnen und -bauern ohne Kapital diese Produktionsweise zu teuer ist, werden in offiziellen Entwicklungsdiskursen seit einigen Jahren statt bewährten Modellen wie Kooperativen immer wieder Zusammenschlüsse mit Unternehmer_innen propagiert.

Kleinbäuerliche Landwirtschaft
ist eine auf die lokale Dimension ausgerichtete Produktionsweise landwirtschaftlicher Güter, bei der die Bedürfnisse der Landbevölkerung stärker im Mittelpunkt stehen. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft ernährt weltweit noch immer mehr Menschen als die industrielle Landwirtschaft. Gleichzeitig lebt der Großteil der hungernden Menschen auf dem Land. Rund 85 Prozent der Betriebe im globalen Süden sind kleiner als zwei Hektar. Diese verkaufen ihre Güter vorwiegend auf lokalen Märkten. Zusätzliche Subsistenzwirtschaft ist aber immer noch unverzichtbar für den größten Teil der Bevölkerung, um den Einfluss des geringen und schwankenden Einkommens zu vermindern – vor allem da es keine hinreichende soziale Sicherungssysteme gibt. In Lateinamerika wird kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft auch häufig von indigenen Gruppen betrieben. Zur Artikulation der kleinbäuerlichen Interessen hat sich 1993 das Netzwerk La Vía Campesina (Der bäuerliche Weg) gegründet, dem weltweit heute über 150 Organisationen angehören (siehe auch Ernährungssouveränität).

Land Grabbing
Seit der globalen Finanzkrise gelten Agrarinvestitionen als langfristig aussichtsreiche Kapitalanlagen. Private Investor_innen und Fonds aus Industrie- und Schwellenländern sowie staatliche Akteure sichern sich durch sogenannte Auslandsdirektinvestitionen und mittels langfristiger Pacht- oder Kaufverträge große Agrarflächen in ärmeren Ländern des globalen Südens. Dort werden vorrangig Nahrungsmittel oder Energiepflanzen für den Export angebaut, die der Ernährungs- und Energiesicherung der Investorenländer dienen. Über die Art der Investition entscheidet in der Regel die Profitrate. Auch die Sicherung von Süßwasserquellen und Rohstoffen ist ein entscheidendes Motiv, als CO2-Senken im Emissionshandel werden Landflächen ebenfalls aufgekauft. Befürworter_innen argumentieren, dass Investitionen in die Landwirtschaft dringend notwendig seien und einen Technologietransfer, die Schaffung von Arbeitsplätzen, Impulse für die lokale Wirtschaft und einen Ausbau der Infrastruktur mit sich brächten. In der Realität hat die Landnahme jedoch enorme soziale, ökonomische sowie ökologische Folgen in den betroffenen Ländern. Die großflächige Bewirtschaftung der Agrarflächen durch ausländische Investor_innen marginalisiert die kleinbäuerliche Landwirtschaft und vernichtet die Existenzgrundlage der Kleinbäuerinnen und -bauern. Dadurch werden vor allem über den Anbau von Weltmarktprodukten bei gleichzeitig geringem Rückgriff auf lokale Arbeitskräfte die Ernährungssicherheit gefährdet, Landkonflikte verschärft und in hohem Maße die Umwelt geschädigt (siehe „Industrielle Landwirtschaft“).

Landreform
stellt eine Neujustierung von Eigentum oder Nutzungsrechten an Boden dar. In der Regel soll hierbei Land von Großgrundbesitzer_innen an Landlose sowie Kleinbäuerinnen und -bauern verteilt werden. Die Gründe für Agrarreformen sind unterschiedlich. Technokratisch betrachtet kann es um die Steigerung der Produktivität gehen, etwa wenn brachliegender Großgrundbesitz landwirtschaftliche Entwicklung behindert. Eine gerechtere Landverteilung kann ökonomisch und sozial auch dadurch begründet werden, dass sie die Kaufkraft in einer Gesellschaft steigert. Nicht zuletzt können durch die Verteilung von Land soziale Konflikte abgeschwächt werden; Regierungen erhoffen sich dadurch auch Wählerstimmen der ländlichen Bevölkerung. Viele Landreformen kommen allerdings nicht über die Verteilung von staatseigenem Boden hinaus; eine tatsächliche Umverteilung findet dann kaum statt. Zum Teil wird auch nur die Agrargrenze in Waldgebiete hinein ausgeweitet und Parzellen verteilt, die von Kleinbäuerinnen und -bauern erst urbar gemacht werden müssen

Latifundium
ist eine landwirtschaftliche Großfläche. Ab wie viel Hektar ein Landgut als Großgrundbesitz gilt, ist von Staat zu Staat unterschiedlich.

Landlose
Bauern und Bäuerinnen, die kein eigenes Land besitzen, werden als Landlose bezeichnet. In Lateinamerika verfügen Großgrundbesitzer_innen über einen Großteil der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche, weswegen die Zahl der Landlosen vergleichsweise hoch ist. Die bekannteste und größte Landlosenbewegung ist die MST in Brasilien, die Land besetzt und landwirtschaftliche Alternativen propagiert.

Menschenrecht auf Nahrung
Das Menschenrecht auf Nahrung, das sich in Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 sowie Artikel 11 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte (Sozialpakt, 1976 in Kraft getreten) findet, geht über Ernährungssicherheit hinaus. Es stellt eine qualitative, quantitative und kulturelle „Angemessenheit“ der Nahrung und den Zugang zu produktiven Ressourcen wie Land, Saatgut oder Wasser in den Mittelpunkt. Im Gegensatz zum Konzept der Ernährungssicherheit begründet das Menschenrecht auf Nahrung einen völkerrechtlich bindenden Rechtsanspruch.

Minifundium
ist eine landwirtschaftlich nutzbare Kleinfläche von wenigen Hektar.

Öl ins Feuer

Wir sitzen im Bus und fahren durch die honduranische Landschaft Richtung Bajo Aguán. Ein gelber Zettel ist von innen an die gesprungene Windschutzscheibe geklebt. Er weist uns als Teil der Menschenrechtsmission aus, die in diesen Tagen einen Besuch der agrarwirtschaftlich höchst relevanten Region im Norden des Landes vornimmt. Keiner von uns weiß, was uns erwartet. Man hatte uns mehrmals versichert, dass hier die Krise der honduranischen Demokratie am deutlichsten zu Tage treten würde und die katastrophale Menschenrechtslage am greifbarsten sei. Hier treten sich die Kontrahenten des politischen Konflikts offen gegenüber: Auf der einen Seite die traditionellen Machteliten, in deren Händen sich Wohlstand und Landbesitz konzentrieren, auf der anderen die Bevölkerung, die auf eine gerechtere und sozial verträglichere Gesellschaftsentwicklung hofft. Beide Parteien erheben Anspruch auf das Nutzland in der Region.
Um als „hochverschuldetes Entwicklungsland“ von einem Schuldenerlass zu profitieren, wurde Honduras Ende der 1990er Jahre von der Weltbank verpflichtet, Auflagen zur Armutsbekämpfung zur erfüllen. Die Umsetzung der Landreform, die in den 1970er Jahren beschlossen worden war, sollte Teil dieser Maßnahmen sein. Sie sah die Verteilung agrarwirtschaftlich nutzbarer Flächen des Staatsgebietes an landlose Bauern und Bäuerinnen vor, um ihnen eine Selbstversorgungsgrundlage zu verschaffen. Auch Teile des Aguán-Tales waren hierfür bestimmt. Doch im Zuge neoliberaler Strukturanpassungsmaßnahmen eröffnete ein Modernisierungsgesetz von 1992 die Möglichkeit zu profitorientierter Landnutzung durch Privatunternehmen. InvestorInnen kauften die Grundstücke zu Schleuderpreisen. Damit rückte eine gesicherte Existenz und Ernährungssouveränität für große Teile der honduranischen Landbevölkerung wieder in weite Ferne.
Erst Präsident Manuel Zelaya griff die Reformansätze wieder auf, doch ausgerechnet kurz bevor sein entsprechender Erlass vom April 2008 umgesetzt werden konnte, wurde er aus dem Amt geputscht. Nach den umstrittenen Wahlen von 2009 erfolgten zwischen Bauern- und Bäuerinnenorganisationen der Region und der frisch etablierten Regierung Porfirio Lobos neue Verhandlungen. Obwohl die neuen Machthaber bemüht waren, ihr Image demokratisch aufzupolieren, wurden die Abkommen unter höchst repressiven Bedingungen getroffen. Menschenrechtsorganisationen wie FIAN International prangern an, dass die hohe Präsenz von Militär und privaten Sicherheitskräften für ein Klima der Einschüchterung und Bedrohung sorgten und Morde an Mitgliedern von Bauernorganisationen straflos blieben.
Nachdem die Hoffnungen auf Gerechtigkeit durch den Putsch in sich zusammengefallen waren, hatten Bauernfamilien Siedlungen auf dem umstrittenen Land errichtet, um Druck auf die De-facto Regierung auszuüben, und begonnen, dort Anbau für ihre Zwecke zu betreiben.
In Tocoa, unweit der Atlantikküste, beziehen wir das Hotel, das für die nächsten drei Tage Ausgangspunkt der Menschenrechtsbeobachtung und Medienbegleitung sein wird. Von hier aus brechen wir am folgenden Tag mit unserem gelb gekennzeichneten Kleinbus zu einer bäuerlichen Landbesetzung in Paso Aguán auf, deren Räumung angekündigt worden war. Das Grundstück gehört zum Besitz Miguel Facussés, der mit seinem Palmöl-Unternehmen Dinant einen Großteil des Aguán-Tals vereinnahmt und unter den Bauern und Bäuerinnen als ausgesprochen skrupellos gilt. Begleitet wird die Räumungsankündigung durch eine umfassende Medienkampagne. Konservative honduranische Tageszeitungen berichten von „Terror in Aguán“. Damit meinen sie die Bauernbewegungen und nicht die Großgrundbesitzer, deren Privatarmeen erfahrungsgemäß in Menschenrechtsfragen wenig zimperlich sind. Nach offiziellen Angaben werden 1.000 Maschinengewehre in den Bauernsiedlungen vermutet.
Bei der Ankunft in Paso Aguán bietet sich uns allerdings ein anderes Bild: Bauern, Bäuerinnen, Greise und Kinder packen gerade ihr spärliches Hab und Gut zusammen und räumen das Feld. Den Menschen stehen die Strapazen der letzten Monate deutlich ins Gesicht geschrieben. Die ehemaligen Unterkünfte sind leer, Plastikplanen, die auf den Palmenblatthütten Wände und Dächer abgedichtet hatten, brennen vor sich hin. Persönliche Gegenstände sind in den Wirren des Aufbruchs zurückgelassen worden und liegen im Dreck.
AugenzeugInnen berichten uns, dass eine umfangreiche Entmilitarisierung der Zone kurz vor unserem Eintreffen stattgefunden habe. Trotzdem ist das Militäraufgebot, dem wir vor Ort begegnen, beachtlich. Die Uniformierten sind schwer bewaffnet, ein Maschinengewehr, das am Eingang zur Siedlung positioniert ist, wird bei unserer Ankunft hastig von den Soldaten mit Tarnfolie abgedeckt. Die Obrigkeit gibt sich deeskalierend, wir können uns ungehindert im Gebiet bewegen und dürfen fotografieren.
Nun erfolgt der Auftritt des polizeilichen Einsatzleiters, einem kernigen Typ aus der Hauptstadt, der sich nahezu unbewaffnet in die Menge begibt und dem Pulk aus JournalistInnen und MenschenrechtsverteidigerInnen äußerst redegewandt Frage und Antwort steht. Er wolle die Gesellschaft von innen verändern, man kämpfe für gemeinsame Ziele, erläutert er in Mikrophone und Kameras. Schließlich lässt er es sich nicht nehmen, mit ernster Miene ein selbstverfasstes sozialkritisches Gedicht vorzutragen.
Auf eindringlicheres Nachfragen unsererseits fällt er dann allerdings doch unerwartet aus seiner Rolle. Minutenlang kommt er über die ständige Wiederholung der Worte „Vielen Dank für Ihren Beitrag zum Frieden“ nicht hinaus, es klingt auswendig gelernt.
Immer wieder ermahnt er die Sicherheitskräfte, die Gesichtsvermummung abzunehmen, als wäre dies nicht die übliche Handhabung. Zu den brennenden Überresten der Behausungen kommentiert er, ihm sei kein einziger Fall dokumentierter Brandstiftung durch Polizisten bekannt.
Die vertriebenen Bauern und Bäuerinnen kommen in einer nahegelegenen Gemeinde unter, die nach dem Befreiungstheologen und Revolutionär Guadalupe Carney benannt worden ist. Vor gut zehn Jahren hatten bäuerliche Familien hier ehemaliges Militärgelände und erklärtes Reformland bezogen und seither eine gut organisierte Gemeinschaftsstruktur aufgebaut. Als Bauernbewegung von Aguán nahmen sie an den Verhandlungen mit der Regierung Lobo teil und sollen die Rechte an ihrem Niederlassungsgebiet behalten. Da erhebliche Teile des Abkommens seitens der Regierung allerdings nicht eingehalten wurden, hatten die Anwohner gerade eine Straßenblockade errichtet, deren gewaltsame Räumung vom Militär angedroht worden war. In Anbetracht der anwesenden Menschenrechts- und Mediendelegation wurde das Eingreifen der Truppen jedoch verschoben.
Am zweiten Tag hat ein Soldat vor unserem Hotel Stellung bezogen. Durch die verglaste Gebäudefront hat er Einsicht in die Lobby. Wir ziehen uns zur Besprechung lieber in den hinteren Gebäudeteil zurück. Gemeinsam mit der Medien- und Menschenrechtsdelegation steht für diesen Tag der Besuch verschiedener Fincas an, deren BewohnerInnen bereits formal als Landeigentümer anerkannt sind. Dessen ungeachtet beansprucht der Großgrundbesitzer Miguel Facussé das Land jedoch weiterhin für sich und versucht die Bauern mit Räumungsklagen einzuschüchtern. Private Sicherheitsfirmen sorgen in der Gegend für Angst und Schrecken. Die Bauern und Bäuerinnen auf den Palmölplantagen berichten von vermummten Sicherheitskräften, die das Feuer auf Zivilisten eröffneten. Einer der Bauern präsentiert neun Schusswunden an seinem Oberkörper.
Bei der Fahrt von einer Siedlung zur nächsten zieht über Kilometer hinweg der immer gleiche Anblick am Busfenster vorbei: Stelenartig stehen die abgeernteten Palmenstämme in Reih und Glied. Von der tropentypischen Biodiversität ist dazwischen wenig geblieben. Die Kleinbauern und Landlosen, die in diesem Kontext wirtschaften müssen, befinden sich in unmittelbarer Abhängigkeit von den Großgrundbesitzern und Abnehmerfirmen. Umweltschutzorganisationen wie Rettet den Regenwald e.V. warnen seit Jahren vor den ökologischen und sozialen Konsequenzen des Ölpalmenanbaus.
Weil das Palmöl, das aus den Früchten der Bäume hergestellt wird, in Agrokraftstoffen allerdings eine bessere Kohlendioxid-Bilanz aufweist als herkömmliche fossile Brennstoffe, kann bei seinem Anbau die Reduktion von Treibhausgasausstoß geltend gemacht werden. Damit wird er Gegenstand von Emissionshandel und im Sinne des Kyotopotokolls als „grünes Projekt“ anrechenbar.
Ausgerechnet Dinant, die Firma Miguel Facussés, könnte bald zu den NutznießerInnen dieser Förderungen gehören. Sie erhält bereits finanzielle Unterstützung durch Gesellschaften der Weltbank und eine Kooperation mit der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft befindet sich in Planung.
Ein Umstand, der die Position von Bauern und Bäuerinnnen in Aguán weiter verschlechtert. Dass die Sozialverträglichkeitsstandards für derartige Projektfinanzierung in Bajo Aguán bisher bei Weitem nicht eingehalten wurden, verdeutlicht auch die traurige Bilanz von 19 ermordeten Mitgliedern verschiedener Bauernorganisationen seit Januar 2010.
Juan Galindos, Vizepräsident der Vereinten Bauernbewegung des Aguán (MUCA), beschreibt die verzweifelte Situation: „Wir haben Angst vor den paramilitärischen Strukturen, die hier offensichtlich aufgebaut werden, aber wir müssen weiter für unsere Rechte eintreten. Wenn wir es nicht schaffen, unseren rechtmäßigen Landbesitz zu verteidigen – wo sollen wir dann hin?“

Dollar, Hoffnungen und Kontroversen

Die Amazonasregion ist das größte Regenwaldgebiet der Erde. Die Zukunft von REDD hängt daher entscheidend von dieser Region ab – und umgekehrt. Dort tobt um REDD ein heftiger Streit zwischen Indigenen, sozialen Bewegungen, Nichtregierungsorgani­sationen (NRO), Gewerkschaften, Konzernen und Politik. Warum provoziert REDD so unterschiedliche Erwartungen?
Entwaldung verursacht Emissionen von Kohlendioxid – nach Schätzungen stammen davon weltweit etwa 15-20 Prozent aus Entwaldungen. Seit dem Stern-Report (2006) hat diese eigentlich alte Erkenntnis eine neue Konjunktur erfahren. Die Reduzierung von Entwaldung galt von nun an als ein Königsweg in der globalen Klimapolitik: Sie ist preiswert, relativ schnell umzusetzen und gerät nicht in Interessenskonflikt mit den Wachstumsambitionen der aufstrebenden Industriegroßmächte Indien und China. Auf der Klimakonferenz in Bali 2007 wurde die Reduzierung der Emissionen aus Entwaldung ein wichtiger Bestandteil der offiziellen Klimaverhandlungen. Die Abkürzung REDD war geboren, und es begann ihre rasche Karriere.
REDD hat Erwartungen geweckt, nicht zuletzt bei indigenen Organisationen und NRO in Brasilien. Für die Befürworter ist REDD eine einmalige Chance, eine ökonomische Basis für den Waldschutz zu schaffen. Laut Paulo Moutinho vom Umweltforschungsinstitut Amazoniens, IPAM, habe das im brasilianischen Amazonaswald gespeicherte Kohlendioxid einen Wert von 500 Milliarden US-Dollar. Waldschutz könnte so mehr einbringen als die Umwandlung des Waldes in Anbauflächen für Soja oder Viehweiden, gar mehr als alle Entwicklungshilfegelder, die in den letzten Jahrzehnten nach Brasilien flossen.
Zweifelsohne: Milliardenbeträge pro Jahr für den Waldschutz würden tatsächlich die ökonomischen und sozialen Realitäten in Amazonien radikal verändern. Es ist auch verständlich, dass solche Zahlen riesige Erwartungen in Amazonien wecken. Organisationen der indigenen Völker des Amazonasbeckens wie COIAB, die Kautschukzapfer (CNS), das Netzwerk von Basisgruppen in Amazonien (GTA) und brasilianische NRO schlossen sich einer Pro-REDD-Mobilisierung an. Wichtiger Akteur wurde das Forum da Amazônia Sustentável, das neben den Organisationen der Zivilgesellschaft auch Unternehmen umfasst, wie das Bergbauunternehmen Vale oder den Aluminiumkonzern Alcoa. Diese Akteure haben sich ausdrücklich für REDD mit Marktmechanismen ausgesprochen – und damit erbitterte Diskussionen provoziert. Auch indigene Organisationen haben zahlreiche Erklärungen sowohl für wie gegen REDD unterzeichnet. Die Fronten dieser zwei Positionen, pro und contra, verhärten sich zunehmend.
Inzwischen haben sich die Erklärungen gegen REDD mit Marktmechanismen gehäuft. In Brasilien wurde 2009 ein offener Brief, die sogenannte Carta de Belém veröffentlicht, die von NRO, Netzwerken aus Amazonien und Bauernorganisationen und sozialen Bewegungen unterzeichnet worden ist. In dieser Erklärung wenden sich die UnterzeichnerInnen explizit gegen die Merkantilisierung von Wald. In anderen Ländern Südamerikas verstärkte sich unter brasilianischer Beteiligung die Ablehnung von Marktmechanismen. So haben das Sozialforum der Amerikas, der alternative Klimagipfel von Cochabamba und die Regierung von Bolivien Erklärungen gegen REDD mit Marktmechanismen verfasst. Auch hier war Lobby-Arbeit wirksam. Die Regierung Boliviens war anfangs durchaus offen für jegliche Art von REDD-Finanzierung.
KritikerInnen betonen, dass Marktmechanismen signifikante Summen nur dann aufbrächten, wenn sie an eine Kompensation (sogenannte „offset“) gebunden sind. Sprich: Verschmutzer aus dem Norden würden ihre Reduktionsziele durch den Kauf von Kohlendioxid-Zertifikaten aus reduzierter Entwaldung erreichen – nur um damit ihre Verschmutzung im Norden fortzuführen. Ein solcher Mechanismus des Handels mit Kohlendioxid-Zertifikaten existiert zurzeit allerdings nicht, der europäische Emissionshandel erlaubt derzeit nicht den Einsatz von Waldzertifikaten. Die klimapolitische Brisanz von REDD ist offensichtlich: die unterlassene Reduzierung von Kohlendioxid im Norden wird mit Walderhaltung aufgerechnet. Der notwendige Umbau der Ökonomie des Nordens kommt damit nicht voran.
Des weiteren bedeute REDD einen schwerwiegenden Schritt zur Merkantilisierung der Natur. „So wird eine neue Etappe der Privatisierung der Natur beginnen, die sich in bisher nicht gekannter Weise auf Wasser, auf Biodiversität und alles, was sich nun ‚Umweltdienstleistungen‘ nennt, ausdehnt“, so der bolivianische Präsident Evo Morales in einer Erklärung.
Auf jeden Fall würde REDD als Marktinstrument dazu tendieren, soziale AkteurInnen in Amazonien zu Anbietern von Dienstleistungen zu transformieren. Ganz egal, wie man zu REDD mit Marktmechanismen steht – die Konsequenzen einer derartigen Transformation sind zum jetzigen Zeitpunkt kaum zu übersehen: Neue Ungleichheiten werden das soziale Gefüge radikal verändern. Nicht alle sozialen Gruppen verfügen über handelbares, im Wald gespeichertes Kohlendioxid – so etwa traditionelle Fischer. Auch lassen sich die Ökosysteme Amazoniens nicht auf Kohlendioxid reduzieren. Und trotz aller Win-win-Rhetorik, die auf den Gewinn von REDD für die Biodiversität hinweist – auf den Emissionsmärkten zählt das messbare Kohlendioxid. Indigene Völker und traditionelle Waldnutzer müssen sich dann als Anbieter einer handelbaren Dienstleistung auch gegen andere Anbieter behaupten. Dies wird nicht ohne Abhängigkeiten von BeraterInnen zu machen sein. Bereits jetzt ist eine neue Generation von Fachleuten in Amazonien aufgetaucht. Sie verstehen nichts von Ökologie oder sozialen Fragen, noch weniger vom indigenen Leben – können aber umso besser Kohlendioxid berechnen, mit GPS umgehen und REDD-Projekte entwickeln. Neue Wörter dringen in den Sprachschatz, wie etwa „Carbon Hunters“, die mit VertreterInnen indigener Völker Kohlendioxid-Deals für einen freiwilligen Markt abschließen.
Ein weiterer, sehr schwerwiegender Stein des Anstoßes bleibt die ungenaue Definition von Wald. Bisher gilt in den Klimaverhandlungen die sogenannte Marrakesch-Definition, die ausdrücklich Plantagen mit einschließt. Erst Roden, dann Monokulturen anpflanzen – und dafür auch noch Geld bekommen? Auch ungelöst ist die Frage, wie die Reduzierung von Entwaldung mit Walderhalt in Einklang zu bringen ist. Wenn sich REDD, wie ursprünglich gedacht, insbesondere auf die Reduzierung von Entwaldung konzentriert, würden die bisherigen Waldzerstörer die großen Nutznießer von REDD werden, während etwa indigene Völker, die ihren Wald erhalten haben, weitgehend leer ausgingen. Dass ein derartig gestaltetes REDD schwerste Legitimationsprobleme provozieren würde, ist inzwischen auch den REDD-BefürworterInnen aufgegangen. In Brasilien hat das IPAM einen Vorschlag entwickelt, bei dem sowohl die Reduzierung von Entwaldung wie auch die Walderhaltung REDD-Zertifikate bekommen können. Aber solche Vorschläge sind nicht mit dem Ergebnis von internationalen Verhandlungen identisch.
Praktisch alle am REDD-Prozess beteiligten AkteurInnen der Zivilgesellschaft, aber auch Weltbank, UN und viele Regierungen betonen, dass REDD die Rechte indigener Völker und traditionelle Waldnutzer respektieren und eventuell stärken muss. Der bisherige REDD-Prozess lässt aber erhebliche Zweifel aufkommen, ob solche Bekenntnisse nicht reine Rhetorik bleiben. Die freie, vorherige und informierte Zustimmung soll Grundlage der Einbeziehung von Indigenen sein. Aber REDD entstammt nicht dem Arsenal von Forderungen indigener Völker. In Amazonien können wir zurzeit einen Wettkampf um Zustimmung oder Ablehnung von REDD beobachten, bei dem Indigene und traditionelle Nutzer eher Objekte als Subjekte sind.
In kurzer Zeit hat eine erstaunliche Aktivität von finanzierten Pro-REDD-Aktivitäten im Amazonasgebiet um sich gegriffen, die um Zustimmung zu REDD buhlen – „Readiness for REDD“ heißt daher auch die aktuelle Phase. Diese Prozesse sind nicht ergebnisoffen, sondern eher Propagandaveranstaltungen. Ihnen fehlt das dialogische Element, das auch Grundsatzdiskussionen zu REDD zulassen müsste. Dessen ungeachtet hat sich in den offiziellen Vorverhandlungen weitgehend die Überzeugung etabliert, dass REDD in drei Phasen implementiert werden soll: Die „Readiness for REDD“ soll in eine zweite Phase fondsfinanzierter REDD-Programme auf nationale Ebenen überleiten. Erst in der dritten Phase soll ein Emissionsmarkt mit Kompensationen („offsets“) einbezogen werden. Denn Kompensationszahlungen wird nur der leisten, der zu weitgehenden Reduktionszielen („caps“) verpflichtet ist. Das politische Umfeld für solche Reduktionsziele – und seien sie auch durch „offsets“ verwässert – ist zurzeit schwierig. Der in Aussicht gestellte millardenschwere Emissionsmarkt mit Waldzertifikaten könnte sich also auch als große Illusion erweisen.
Klar aber ist: Ein marktorientiertes REDD spaltet jetzt schon indigene Völker und soziale Bewegungen in Südamerika. REDD wird damit zu einem Testfall für eine marktorientierte Wendung in der internationalen Klima- und Umweltpolitik. Ob die marktkritischen Positionen ausreichend Überzeugungskraft gewinnen, um den Readiness-Prozess zu stoppen oder zu beeinflussen? Fatal wäre es jedenfalls, wenn durch nicht abgesicherte Hoffnungen auf Milliardenbeträge eine Zustimmung zu Marktmechanismen erkauft würde.

KASTEN:
DER DIESJÄHRIGE „KLIMA“-GIPFEL
Vom 29. November bis 10. Dezember findet in Cancún die so genannte COP16 statt

Im Jahre 1992 wurde die Klimarahmenkonvention auf der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro von den meisten Staaten unterschrieben – gleichwohl finden sich in ihr keine Durchsetzungsmechanismen, so dass sie als rechtlich nicht-bindend einzustufen ist. Als allgemeines Ziel gibt sie aber vor, die Treibhausgase in der Atmosphäre zu reduzieren, um dergestalt die menschengemachten Einwirkungen auf das Klima zu begrenzen.
Die Unterzeichnerstaaten treffen sich jedes Jahr auf der Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties – COP), dem so genannten Weltklimagipfel. So wurde beispielsweise 1997 im japanischen Kyoto das gleichnamige Protokoll verabschiedet, das neben anderem den Emissionshandel begründete. Letztes Jahr in Kopenhagen sollte ein Nachfolgevertrag für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll unterzeichnet werden. Der damalige Versuch scheiterte, nun wird ein erneuter Versuch im mexikanischen Cancún unternommen. Neben dem Streit um die jeweiligen Reduktionsverpflichtungen bei Treibhausgasen geht es um Fragen der Finanzierung, dem Recht auf Entwicklung im Süden – und um ökologische Schulden und historische Verantwortung des Nordens. Und es geht auch nicht zuletzt um die Möglichkeiten, Wälder als Kohlenstoffspeicher anzurechnen und damit die Kategorie „Wald“ zu kommodifizieren – im Rahmen des so genannten REDD (siehe Artikel von Thomas Fatheuer in dieser Ausgabe).
Camila Moreno von der brasilianischen NRO Terra de Direitos aus Curitiba brachte es im Gespräch mit LN bereits im Vorfeld des Gipfels von Kopenhagen Ende 2009 auf den Punkt: „Mit REDD wird die Kommodifizierung der Wälder angestrebt. Was aber dahinter steckt, ist mehr: Für das Kapital und die Regierungen geht es darum, den Übergang zu schaffen vom Fossilkapitalismus zum Grünen Kapitalismus – ohne die bestehenden Herrschaftsverhältnisse in Gefahr zu bringen“. Dementsprechend sei Kopenhagen auch kein Klimagipfel, sondern: „ein reiner Finanz- und Energiegipfel“, so Moreno. Was für Kopenhagen galt, gilt auch für Cancún.
// Christian Russau

Cochabamba liefert jede Menge Impulse

Es ist der Abschlusstag des alternativen Klimagipfels in Cochabamba. Auf dem Campus der Valle-Universität im bolivianischen Tiquipaya, wo in den letzten Tagen die meisten Veranstaltungen des alternativen Klimagipfels stattgefunden haben, herrscht am Nachmittag Aufbruchstimmung. Die Menge strömt bereits in Richtung Fußballstadion im nahe gelegenen Cochabamba, wo in wenigen Stunden die von über 17 Arbeitsgruppen ausgearbeitete Abschlusserklärung verlesen wird. Dort wird der venezolanische Präsident Hugo Chávez die „Erpressungspolitik“ der US-amerikanischen Regierung geißeln, die Ecuador und Bolivien wegen eigenständiger Positionen in der Klimapolitik bereits zugesagte Gelder entzogen hat.
Über 35.151 TeilnehmerInnen hatten sich im Laufe der Woche akkreditiert, die meisten aus Bolivien. 9.254 Personen waren aus 141 Ländern angereist. Der Ansturm hat die OrganisatorInnen überrascht. Doch hat sich der Aufwand gelohnt?
„Auf jeden Fall“, sagt Tadzio Müller. Der lang gewachsene 33-jährige Umweltaktivist aus Berlin – schwarzes T-Shirt, schwarze Shorts, kurzer Vollbart – sitzt inmitten einer Handvoll AktivistInnen auf der Wiese vor dem Fachbereich Kultur.
Gerade hat er mit seinen MitstreiterInnen vom Netzwerk Climate Justice Action (CJA) einen Workshop organisiert, zu dem an die 100 Leute gekommen seien. Thema: die globale Klimaaktionswoche im Oktober, an der sich auch der Kleinbauerndachverband Vía Campesina und Kampagnengruppen wie 350.org beteiligen.
„Die Tage hier waren für mich interessant und produktiv“, sagt Müller, der sich sehr an die Weltsozialforen in Brasilien erinnert fühlt. Der Austausch von Gleichgesinnten steht im Vordergrund, kontroverse Debatten sind eher die Ausnahme.
Die Stimmung auf dem Unigelände ist entspannt: Hunderte drängen sich an Ständen vorbei, an denen vegetarisches Essen, Politliteratur und Kunsthandwerk angeboten werden. Junge KünstlerInnen bemalen eine Stellwand, andine Folkloregruppen musizieren, eine Rapperin aus El Alto im Andenhochland trägt ihre Stücke vor. Auf schattigem Rasen ruhen sich farbenfroh gekleidete Indigenas aus.
Und ob leibhaftig oder nicht: Boliviens Präsident Evo Morales ist allgegenwärtig: auf riesigen Plakaten an Unigebäuden oder an Ständen diverser Ministerien, auf Buchdeckeln oder Stellwänden, in den Reden begeisterter AnhängerInnen aus dem In- und Ausland. Morales kommt auch selbst vorbei: Mal lauscht er einer Podiumsdiskussion, mal eilt er mit seinem Gefolge zu einer Wiese, wo er mit dem burundischen Vizepräsidenten Yves Sahinguvu per Hubschrauber zu einer Stippvisite in die Provinz abhebt. Dort wird er eine Sporthalle einweihen und Fußball spielen.
In einem nahe gelegenen Luxushotel gibt der Staatschef eine Pressekonferenz. Umrahmt von Außenminister David Choquehuanca und UN-Botschafter Pablo Solón, sammelt er Fragen, die er anschließend im Block beantwortet. Eine beliebte Methode, um unbequeme Themen auszuklammern. Und doch ist dieser Auftritt weitaus überzeugender als Morales‘ Eröffnungsrede, wo er auf dem örtlichen Sportplatz durch ein paar unglückliche Bemerkungen Aufsehen erregt hatte. Die weiblichen Hormone industriell hochgezüchteter Hühner sei ein Auslöser für Homosexualität, scherzte er da, der Verzehr von genmanipulierten Lebensmitteln sei die Ursache für grassierenden Haarausfall. In Bolivien brachte ihm das Spott von der Opposition und den Protest von Schwulengruppen ein, in der internationalen Presse stellte er damit vielerorts seine Ausführungen über die Klimafrage in den Schatten.
Als Gesellschaftsform schwebt dem Präsidenten ein „kommunitärer Sozialismus“ vor. Auf dem Andenhochland, „wo ich geboren bin, gibt es kein Privateigentum“. Zur Förderung der Bodenschätze, dem von linken ÖkologInnen kritisierten „neuen Extraktivismus“, sieht er kurz- und mittelfristig allerdings keine Alternative, ebenso wenig zum Bau neuer Überlandstraßen. Hinter den Protesten gegen solche Projekte steckten Nichtregierungsorganisationen, die die lokale Bevölkerung manipulierten.
Andererseits bieten Morales & Co. in- und ausländischen AktivistInnen ein Forum, von dem die auf offiziellen UN-Klimagipfeln nur träumen können. Dass die KritikerInnen von Bergbau-, Staudamm- oder Straßenprojekten, die sich zur Arbeitsgruppe 18 zusammengeschlossen haben, außerhalb des Campus tagen müssen, hat sich als Eigentor erwiesen: Mehr als die 17 „offiziellen“ Gruppen stehen sie im Mittelpunkt des Medieninteresses, auch Promis wie die kanadische Bestsellerautorin Naomi Klein oder Ecuadors früherer Energieminister Alberto Acosta treten dort auf. Nach zwei Tagen wird die Forderung an Evo Morales verabschiedet, sämtliche Großprojekte abzublasen, von denen indigene Völker direkt betroffen sind. Außerdem solle die Regierung ein Wirtschaftsmodell anstreben, das nicht mehr auf dem Export von Rohstoffen basiert.
Aber auch in der Arbeitsgruppe „Wälder“ geht es hoch her, da feilschen SpezialistInnen um jede einzelne Formulierung. Schließlich setzten sich die KritikerInnen des Emissionshandels gegenüber den regierungsnahen FunktionärInnen aus Venezuela oder Bolivien durch. Die Vorsitzende Camila Moreno aus Brasilien lobt den „wunderbaren Konsens“, den man erreicht habe: „Anders als bislang in der Klimakonvention dürfen künstlich angelegte Monokulturen wie Eukalyptusplantagen nicht als Wälder definiert werden, und die Rechte der Indígenas müssen ausdrücklich berücksichtigt werden.“
Besonders freut sie sich über das klare Nein zum Emissionshandel als „neoliberalem Mechanismus“ zur Privatisierung von Urwäldern. Stattdessen wünsche man sich die Einrichtung von freiwilligen Fonds, die auf der Anerkennung der „Klimaschulden“ des Nordens gründen. „Das ist ein ganz entscheidender Unterschied“, erläutert Camila Moreno, „wir wollen keine Almosen des Nordens als Gegenleistung für so genannte Umweltdienstleistungen, sondern die Anerkennung, dass er uns das schuldet. Wir wollen die ökologische Restaurierung der Wälder durch die Völker“.
Die Beschlüsse der Wäldergruppe sind das klarste Beispiel dafür, wie sich Positionen, die selbst bei Südamerikas fortschrittlichen Regierungen noch keine Chance haben, auf der Konferenz Gehör verschaffen können. Das ist das Neue an Cochabamba: Durch Druck von unten scheint es wieder möglich, marktbasierte, von der internationalen Klimadiplomatie ersonnene Mechanismen in Frage zu stellen, deren Haupttriebfeder der Profit von Privatunternehmen ist. „Es ist ein wichtiger Schritt nach vorne“, sagt Alberto Acosta: „Das ist der größte Verdienst von Evo Morales“.

Kasten:
ABKOMMEN DER VÖLKER
Radikale Erklärung: Die Ergebnisse aus insgesamt 18 Arbeitsgruppen flossen in eine 10-seitige Abschlusserklärung ein, die in vielen Punkten radikaler ist als die Praxis der lateinamerikanischen Linksregierungen. So wird das Agrobusiness, das Lebensmittel für den Markt, aber nicht für die Ernährung aller Menschen produziere, als einer der Hauptverursacher des Klimawandels bezeichnet.
Die Kritik: Agrotreibstoffe, Emissionshandel, Gentechik, Geo-Engineering oder Monokulturen seien allesamt falsche Lösungen im Kampf gegen den Klimawandel, heißt es weiter. Durch große Infrastruktur- und Bergbauprojekte würden indianische und bäuerliche Gemeinschaften in ihrer Existenz bedroht.
Die Forderungen: An die Industrieländer wird die Forderung gerichtet, ihren CO2-Ausstoß bis 2020 zu halbieren und sechs Prozent ihres jährlichen Haushalts in einen Weltklimafonds einzuzahlen. In einem weltweiten Referendum soll darüber abgestimmt werden, ob die Verteidigungsausgaben nicht lieber für den Klimaschutz umgewidmet werden sollten.
Das Klimagericht: Schließlich sollten Unternehmen und Regierungen vor einem zu gründenden Weltklimagerichtshof verklagt werden können.

Chance für Amazonien?

Als der Internationale Rat des Weltsozialforums (WSF) im Juni 2007 den nächsten Austragungsort des Forums beschloss, wurde nicht nur der bloße geographische Ort bestimmt: Die Wahl von Belém, der Stadt am Amazonasdelta und Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Pará, als Gastgeberin des Weltsozialforums 2009 war vielmehr auch inhaltlich motiviert. Denn ein großer Teil der aktuellen weltweiten Debatten um Klimawandel, Emissionshandel, Nahrungssicherheit, Biodiversität, Agrartreibstoffe, Monokulturen, Umweltschutz oder Entwaldung sind eng mit der Amazonasregion verflochten.
Amazonien ist ein Mythos, voller Bilder und gleichzeitig eine Leerstelle für Projektionen. Kaum ein Ort dieser Welt könnte interessanter sein für ein Weltsozialforum: Der Regenwald Amazoniens ist kein Ort, den die Globalisierung gleichgemacht hat, hier existiert noch eine andere Welt. In der Millionenstadt Belém kommt dieses besondere Gefühl Amazoniens aber nicht unmittelbar auf. Hier prägen urbane Probleme das Stadtbild.
Dennoch bleibt Amazonien der größte Naturraum dieser Welt, aber der Regenwald ist längst Ziel wirtschaftlicher Interessen geworden: ViehzüchterInnen, die statt Regenwald Weideland sehen wollen, PolitikerInnen, die Großprojekte durchführen wollen, Militärs, die um die geostrategische Lage der Region besorgt sind, Sägewerke, die mit der illegalen Abholzung ihr Geld verdienen, GroßgrundbesitzerInnen, die mit Monokulturen immer weiter in den Regenwald vordringen. Auf lange Sicht werden sie das Waldgebiet zerstören.
Gleichzeitig sind weite Teile Amazoniens ein vergessenes und unbekanntes Land. Es ist ein konfliktreiches und rechtsfreies Territorium, bewohnt von unterschiedlichen Ethnien und geprägt von Armut und Auseinandersetzungen um Landtitel.
Das Weltsozialforum, das Ende Januar nächsten Jahres stattfinden wird, rückt die Amazonasregion in den Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit. Es soll sich neben den Fragen des Klimawandels auch den Problemen der traditionellen Bevölkerung Amazoniens widmen – von Indigenen, BewohnerInnen der Quilombola-Gemeinden, den Nachfahren geflohener SklavInnen, und anderer AfrobrasilianerInnen, FischerInnen, SammlerInnen und anderen. Gleichzeitig findet am 28. Januar das 5. Panamazonische Sozialforum statt. Mit dem Thema „500 Jahre Widerstand, Errungenschaften und afro-indigene sowie populäre Perspektiven“ befasst sich dieser Tag ausschließlich mit Fragen, die die Bevölkerung aller Länder betrifft, deren Territorium zum Teil zur Amazonasregion gehört. Für die unterschiedlichen in der Amazonasregion lebenden Ethnien ist die Veranstaltung eine Chance, sich Gehör zu verschaffen und mit der Welt in Dialog zu treten.
„Erstmal ist wichtig, die Angelegenheiten Amazoniens in die Öffentlichkeit zu bringen – sowohl in Bezug auf den multikulturellen Reichtum der Region, ihre Biodiversität als auch den Kampf ihrer ursprünglichen und traditionellen Völker für den Erhalt ihrer Kultur, ihrer Sprache und ihrer Identität.“ So erklärt Aldalice Moura da Cruz Otterloo den Lateinamerika Nachrichten die Bedeutung des Forums für Amazonien und seine BewohnerInnen. Sie ist Direktorin des brasilianischen NRO-Dachverbands ABONG und Koordinatorin der lokalen Vorbereitungsgruppe des Weltsozialforums 2009. Aber auch der Wettstreit politischer Projekte um Zugang, Gebrauch und Kontrolle der natürlichen Ressourcen der Region müsse gezeigt werden, meint Otterloo.
Als größte Gefahr für die Region sieht Aldalice das aktuelle Entwicklungsmodell, das vor allem die kapitalistische Inwertsetzung der Region zum Ziel hat. Dieses Modell fördere Monokulturen und Viehzucht, seine Konsequenz sei die Verschmutzung der Flüsse. Die Rechte der ansässigen Bevölkerung würden durch dieses Modell verletzt, kulturelle Identitäten und Biodiversität zerstört, Ungleichheit erhöht, erzählt Aldalice. Durch die Zerstörung des Regenwaldes würde das Überleben des Planeten in Gefahr gebracht. Otterloo sieht eine Chance im Weltsozialforum, sich mit anderen Regionen der Welt auszutauschen, welche den gleichen Einflüssen ausgesetzt sind – beispielsweise Indonesien, Malaysia oder Kongo.
Die Debatte um Themen Amazoniens soll aber keinesfalls ein elitärer Diskurs werden. Aus diesem Grund steckt das Vorbereitungskomitee einen Teil seiner Anstrengungen in die Popularisierung des Forums. „Die massive Präsenz von indigenen Organisationen, Mitgliedern aus Quilombola-Gemeinden, Menschen, die von der traditionellen Sammelwirtschaft leben, FischerInnen und anderer soll garantiert werden“, betont Aldalice Otterloo. Das Weltsozialforum soll so den Menschen eine Stimme geben, die auf internationalen Konferenzen normalerweise nicht vertreten sind. Insbesondere die Präsenz indigener Gruppen soll zu einem Markenzeichen des Forums werden. Die VeranstalterInnen erwarten mehr als 1.000 Indigene aus allen Ländern Amazoniens.
Ana Paula dos Santos Souza von der Stiftung Leben, Produzieren und Schützen lebt in Altamira, an der nie vollendeten Urwaldstraße Transamazônica, über 500 km von Belém entfernt. Sie hält es ebenfalls für wichtig, dass das Weltsozialforum in Belém stattfindet und sich den Fragen Amazoniens widmet: „Es ist eine Chance für die Völker Amazoniens, den Rest der Welt zu hören und an dieser Welt teilzuhaben, von der sie immer ausgeschlossen waren. Auf der anderen Seite lernt die Welt die Menschen Amazoniens kennen. Sie wird hören, was die unterschiedlichen Ethnien dieser Region über die Zukunft Amazoniens denken, über den Klimawandel und gemeinsam eine Strategie entwickeln, um mit seinen Folgen umzugehen“, erzählt sie den Lateinamerika Nachrichten. Auch sie verurteilt das in Amazonien eingeführte kapitalistische Entwicklungsmodell scharf und betont, dass die ungebremste Ausbeutung des Waldes die Armut der lokalen Bevölkerung verstärkt.
Doch Ana Paula hat eine weniger idealistische, nüchterne Sichtweise der Dinge als Otterloo. Sie erkennt eine Diskrepanz in den Debatten, die in der Welt geführt werden und den Problemen, welche die Menschen in Amazonien wirklich betreffen: „Die Welt diskutiert den Klimawandel, Emissionsmärkte, REDD [siehe Artikel ab Seite 41 dieser Ausgabe, Anm. d. Red.], aber für uns, die Menschen Amazoniens, sind diese Fragen noch sehr abstrakt. Obwohl die Welt darüber diskutiert, sind wir kein Teil dieser Welt. Es ist in erster Linie eine Debatte der Unternehmen und der reichen Länder. Für uns ist es wichtiger, die großen Projekte zu diskutieren, die für Amazonien geplant sind, den Erhalt des Waldes und der familiären Landwirtschaft“. Diese Themen entfernen sich von Wirtschaft und Klima und richten ihren Fokus auf soziale Fragen. Die Stiftung, für die Ana Paula arbeitet, erhofft sich von der Teilnahme am Weltsozialforum vor allem Kontakte zu anderen lateinamerikanischen NRO, welche ebenfalls zu Themen wie nachhaltiger Waldnutzung arbeiten und weniger Antworten auf die großen Fragen der weltweiten Debatten.
Die Vorbereitungen für das Weltsozialforum gehen derzeit in die heiße Phase. Dem Forum kritisch eingestellte Organisationen behaupten, dass Weltsozialforum in Brasilien stünde völlig unter der Kontrolle der Arbeiterpartei PT, Lulas Partei, und habe so seine ursprüngliche Bedeutung als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos verloren. Aldalice Otterloo kann solche Vorwürfe nicht verstehen. Aber sie räumt ein, dass durchaus politisch-ideologische Affinitäten zwischen der PT und dem, was das Weltsozialforum in seiner Charta der Prinzipien anstrebt, bestehen. Ein Grund für die notwendige Kooperation mit der Politik liegt in der Finanzierung. „Leider haben wir keine finanzielle Autonomie, um unabhängig von der Unterstützung der Regierungen zu sein. Zwei Drittel der Ressourcen des Großprojekts stammen von Bundes- und Landesregierungen“, erzählt Aldalice. Diese Finanzierung von Seiten der Politik brachte einige Spannungen mit sich. „Viele Politiker glauben immer noch daran, dass derjenige, der bezahlt, Rhythmus und Richtung vorgibt. Uns ist es aber durch den Dialog gelungen, eine demokratische Partnerschaft aufzubauen, die akzeptiert, dass das WSF ein Forum der Zivilgesellschaft ist“, äußert Otterloo, die auch die Koordinatorin des Vorbereitungskomitees ist. So wird der Teilnahme von Staats- und Regierungschefs am Weltsozialforum keine gesonderte Veranstaltung gewidmet, die vom Vorbereitungskomitee organisiert wird.
Die Schwierigkeiten für am Forum teilnehmende Organisationen aus der Amazonasregion liegen häufig auch in Problemen finanzieller Art. Für kleinere NRO und Basisorganisationen ist es schwierig, an Mittel zu gelangen, um die Teilnahme vieler Menschen zu gewährleisten. Ana Paula sieht aber noch zwei weitere Faktoren, welche die Teilnahme der Menschen aus der Amazonasregion am Forum erschweren können: Infrastruktur und Distanz. Sie glaubt nicht, dass die Stadt Belém infrastrukturell auf eine Veranstaltung dieser Größenordnung vorbereitet sei. „Die Distanz ist für viele Menschen ein Hindernis, denn sie bedeutet lange Strecken mit dem Bus oder Boot. Selbst für die Menschen hier im Norden Brasiliens sind die Entfernungen sehr groß.“
Die Schwierigkeiten der Organisation, Teilnahme und Relevanzordnung der Debatten stellen in Frage, ob das Weltsozialforum nachhaltig ist und auch zukünftig in dieser Form durchgeführt werden soll.
Ob sich die Durchführung des Weltsozialforums zukünftig ändern wird oder nicht – erstmal findet im Januar 2009 das Weltsozialforum in Belém statt. Für die Menschen Amazoniens ist es die Möglichkeit, den Akteuren der Zivilgesellschaft regionsspezifische Probleme vor Augen zu führen und mit der Welt in Dialog zu treten.
// Anne Schnieders und Thomas Fatheuer

Kaste:

Bilder aus Amazonien
Zur Bebilderung unseres Schwerpunktes haben wir eine Bilderstrecke des Fotografen Santiago Engelhardt ausgewählt. Er reiste durch die Region und machte Fotos für die Lateinamerika Nachrichten.

Rettet der Markt den Wald?

Politische Menschen kommen nicht umhin, neue Wörter und Abkürzungen zu lernen. Während sub-prime und Derivate nun schon selbstverständlich geworden sind, müssen sich Klima- und Ökointeressierte an REDD gewöhnen. REDD hat das Zeug, zur Abkürzung des Jahres zu werden – und ist genial gedacht: einfach und nicht ganz ohne Witz, lenkt REDD die Assoziation von roter Fahne und den alten Zeiten des Klassenkampfes auf einen Marktmechanismus. Ob die Idee hinter REDD so genial ist wie die Abkürzung – da sind schon einige Zweifel angebracht.
REDD ist Teil der Suche nach neuen Wegen zu Klima und Waldschutz. Der Vorschlag zu REDD wurde von Costa Rica und Papua Neuguinea bei der Klimarahmenkonvention UNFCCC im Jahr 2005 eingebracht. Noch sind die in den internationalen Foren wie in der Politik geführten Diskussionen um REDD im Schwange, aber zumindest die Richtung scheint klar: Bei den Diskussionen um REDD geht es um die Schaffung eines Mechanismus‘, der Klimaschutz durch Waldschutz zu erreichen versucht. Weiterer Kohlendioxid-Anstieg in der Atmosphäre soll durch die Vermeidung von Abholzung und Walddegradierung erreicht werden. Dazu soll dem Waldbestand ein ökonomischer Wert beigemessen werden.
Doch gestritten und gerungen wird zur Zeit um die Finanzierung und das Verfahren: soll REDD durch Emissionshandel, Fonds oder Steuern finanziert werden? Sollen Verschmutzungsrechte zwischen Nord und Süd rein marktgestützt handelbar sein? Wie bemisst sich der „Wert“ des Waldbestandes? Welche Wälder sollen einbezogen werden? Wer zahlt und wer erhält letztlich das Geld? Wer hat Mitsprache und – wer entscheidet?
Kaum hat sich die Abkürzung und damit auch die Diskussion etwas etabliert, ist schon ein heftiger Meinungsstreit pro und contra REDD entbrannt. Fast unumstritten ist, dass Waldschutz ein sinnvolles Anliegen internationaler Klimapolitik ist. KlimaforscherInnen gehen davon aus, dass etwa 20 Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen auf Landnutzungsänderungen zurückzuführen sind, das heißt in der Regel auf das Abbrennen und Roden von Wäldern. Dieser Entwaldung folgen in der Regel extensive Nutzungsformen wie etwa das Anlegen von Viehweiden.
Die an Fahrt aufnehmende internationale Debatte um REDD rückt nun ein „Schwellenland“ in den Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit: Brasilien. Mit dem Amazonasbecken beherbergt das Land das mit Abstand größte und extrem bedrohte Waldgebiet der Erde. Brasilien gehört zu den wenigen Ländern (mit Indonesien, Papua Neuguinea und DR Kongo), bei denen die Emissionen durch Landnutzungsänderungen alle anderen Emissionen übertreffen. In Brasilien werden offiziellen Angaben zufolge etwa Zweidrittel aller Kohlendioxid-Emissionen durch Landnutzungsänderungen verursacht.
Die BefürworterInnen von REDD argumentieren, dass die Vermeidung von Landnutzungsänderungen durch Entwaldung eine relativ preisgünstige Form des Klimaschutzes darstelle. Der Erhalt der noch vorhandenen Tropenwälder als Kohlendioxid-Speicher käme billiger als der Gesamtumbau der Wirtschaft. Und dergestalt vermiedene Entwaldung konkurriere nicht mit den Entwicklungsinteressen der so genannten emerging economies, also insbesondere den großen Kohlendioxid-Emittenten, China, Russland und Indien. Diese würden jegliches Abkommen, das ihre Entwicklungsperspektiven, die mit steigendem Kohlendioxid-Ausstoss verbunden sind, zu begrenzen versucht, wohl ohnehin blockieren. Da scheint – so die BefürworterInnen von REDD – der Erhalt der Wälder durch marktgestützte Finanzierung als politisch weitaus konsensfähigere Möglichkeit, Klimaschutz zu erreichen. Die Attraktion von REDD für ein neues internationales Klimaregime scheint also offensichtlich: Wenn die Industrieländer in den Ländern des „Süden“ Verschmutzungsrechte durch Tropenwalderhalt erwerben können, so werden die Regierungsinteressen der Industrieländer nicht berührt. Waldschutz erscheint so als Sympathieträger, wenn damit gar noch billig Emissionen eingespart werden können.
Wie aber sollen die Mittel für REDD mobilisiert werden? Hier beginnt der eigentlich kritische Punkt der REDD–Debatte. Eine große Koalition aus UmweltschützerInnen, Klimaverhandlern und Firmen setzt sich dafür ein, REDD durch einen internationalen Emissionshandel abzuwickeln. Die vermiedene Entwaldung erzeuge Kohlendioxidgutschriften, die Emittenten in anderen Regionen der Welt erwerben können, um ihre eigenen Emissionsziele zu erreichen. Wie leicht zu erahnen ist, sind vor der Umsetzung dieser Ideen sehr viele Detailfragen zu klären, die aber den Spezialisten überlassen bleiben sollen. Grundsätzlich stellt sich gleichwohl die Frage, ob der bezahlte Waldschutz im „Süden” auf die Reduktionsziele der Industrieländer überhaupt anrechenbar sein sollte.
Für REDD-kritische NRO des Nordens würde zumindest diese Form des Mechanismus die notwendige Klimawende im Norden behindern. „Wir sehen immer deutlicher die Gefahr, dass die Politiker sich auf einen toll aussehenden Deal einigen. Man einigt sich auf ein relativ ehrgeiziges Ziel für die Industrieländer (etwa minus 30%). Man hat scheinbar einen tollen Mechanismus, um das Tempo der Entwaldung bis 2020 zu halbieren. Und alles wird kostengünstiger als bisher gedacht. Das hört sich bestechend an“, erläutert die deutsche NRO Germanwatch, und fährt fort: „Doch es würde zugleich bedeuten, dass wir das Zwei-Grad-Limit vergessen können. Wir müssen uns dann auf drei bis vier Grad Temperaturanstieg einstellen. Denn auf die Industrieländer würde dann de facto nur ein 10%-Ziel zukommen, die restlichen 20% würden sie durch die Finanzierung von REDD leisten.“
Anstatt einen grundlegenden Wandel zu leisten, würde der REDD-Mechanismus nur Bestehendes fortführen, so Germanwatch. „All die vielen Kohlekraftwerke, die weltweit angesichts der explodierenden Gaspreise in der Pipeline sind, würden tatsächlich gebaut. Alle ehrgeizigen Reduktionsziele für die Zeit nach 2020 wären verbaut. So würde man unter dem Deckmantel des Klima- und Waldschutzes den Klimaschutz beerdigen.“
Dieser Gefahr wollen einige durch die völlige Abtrennung von REDD vom Emissionshandel begegnen, etwa durch eine Fondslösung. Andere NRO wie beispielsweise Greenpeace International fordern ihrerseits eine Begrenzung der Anrechenbarkeit von REDD auf die Reduktionsziele – um so die Industriestaaten im eigenen Land nicht aus der Pflicht zu entlassen.
Nun müssen die Reduktionsziele des Nordens nicht unbedingt das primäre Anliegen von Akteuren im Süden sein. Philipp Fearnside, einer der bekanntesten Amazonienforscher, sieht es so: „CO2 ist CO2“. Wenn also Reduktion durch vermiedene Entwaldung billiger ist, den Wald schützt und dazu noch den Lebensraum indigener Völker bewahrt – warum sich dann mit Problemem von BedenkenträgerInnen aus dem Norden herumschlagen?
So nimmt es nicht Wunder, dass von einigen in Amazonien tätigen NRO die REDD-Idee begeistert aufgegriffen wurde. Inbesondere das in Belém im brasilianischen Bundesstaat Pará ansässige Institut für Umweltforschung Amazoniens IPAM hat sich zum Vordenker von REDD- Konzepten – unter Einbeziehung in den Emissionshandel – in Amazonien entwickelt. Inzwischen unterstützen wichtige Netzwerke von sozialen Bewegungen Amazoniens wie die NRO Amazonische Arbeitsgruppe GTA und der Dachverband der indigenen Völker des brasilianischen Amazonasgebiets, COIAB, im Prinzip den REDD-Ansatz. Aus Sicht der WaldbewohnerInnen ist es ein Unding, dass die Bewahrer des Waldes, die einen wichtigen Beitrag zum Weltklima leisten, nicht dafür belohnt werden. Die Vorschläge von IPAM sehen vor, dass der größte Teil der durch REDD erworbenen Mittel in einen Fonds zur Unterstützung der „Völker des Waldes“ gehen.
Außerhalb Brasiliens sind die kritischen Stimmen hingegen deutlicher zu vernehmen. So hat sich der Dachverband der indigenen Völker Amazoniens, COICA, in mehreren Verlautbarungen kritisch gegenüber REDD geäußert. Zuletzt unterzeichnete eine breite Allianz indigener Völker in Barcelona eine Erklärung, in der sie eine Beteiligung der indigenen Völker an der Erarbeitung von REDD-Mechanismen fordern. Auch in Amazonien ist die Diskussion unübersichtlich und steht erst am Anfang. Wenn es in die Details von REDD-Mechanismen geht, wird die Diskussion schnell sehr komplex und nur noch für wenige Spezialisten verständlich. Aber die Idee, dass der Klimaschutz erhebliche Mittel für die Walderhaltung mobilisieren könnte, ist für fast alle Akteure in der Region attraktiv. Der umstrittenste Punkt ist und bleibt aber, ob zur Mobilisierung dieser Gelder tatsächlich ein Kohlendioxid-Handelsmechanismus notwendig ist.
Einen interessanten Ausweg könnte ausgerechnet die Initiative der brasilianischen Regierung bieten. Sie hat jüngst den Fonds Amazônia lanciert. Grundidee dahinter ist, dass Brasilien auf nationaler Ebene die Entwaldung – gemessen an einem Mittelwert der letzten Jahre – reduziert und für die dadurch eingesparten Emissionen durch den Fonds honoriert wird. Der Fonds soll zunächst durch freiwillige Beiträge international finanziert werden, erster Spender ist Norwegen. In weiteren Schritten könnte ein solcher Fonds durch ein internationales Klimaabkommen gestärkt und durch Mittel aus dem europäischen Emissionshandel teilfinanziert werden. Die brasilianische Regierung lehnt dabei aber jegliche Anrechenbarkeit der vermiedenen Kohlendioxid-Emissionen auf die Reduktionsziele des Nordens ab. Seltsame Allianzen zeichnen sich da ab: brasilianische Regierung und Nord-NRO gegen REDD mit Emissionshandel – indigene Völker und NRO aus Amazonien hingegen dafür?
Solche Fragen werden die NRO der Klimaszene und sozialen Akteure in den nächsten Monaten bewegen und vielleicht auch spalten. Ein Problem der aktuellen Diskussion ist, dass die Lobby pro REDD in Amazonien sehr aktiv ist und versucht, Gefolgschaft zu organisieren. In dieser Situation ist es nicht leicht, kritischen Diskussionsraum zu eröffnen, in dem soziale AkteurInnen ohne sofortigen Positionszwang Strategien der Walderhaltung diskutieren können.
// Thomas Fatheuer

“Es geht darum, den Erdölverbrauch zu reduzieren“

Wie kam es zu der Idee, Geld für die Nicht-Förderung von Erdöl zu verlangen?
Die Idee stammte von lokalen Gemeinden im Widerstand gegen die Erdölfirmen, anderen gesellschaftlichen Gruppen und Nichtregierungsorganisationen wie Acción Ecologica und Oilwatch. Sie alle sind schon seit langer Zeit der Meinung, dass die Entwicklung Ecuadors hin zu einem post-fossilen Energiemodell notwendig ist. Vor etwa zehn Jahren entstand der Vorschlag für ein „Moratoriums gegen die Ausweitung der Erdölfront“. Das zentrale Argument war, dass es nicht nötig sei, weiter nach Erdöl zu suchen, da man nicht einmal die bereits entdeckten Reserven aufbrauchen kann, ohne die ökologische Tragfähigkeit der Erde zu überschreiten. Auf der Basis des Prinzips der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung wurde das folgende Konzept entwickelt: entweder eine Kompensation für die Nicht-Förderung des Rohöls einzufordern, oder – und das war die ursprüngliche Idee – das Erdöl unter der Bedingung zu verkaufen, dass es in der Erde belassen wird. Diesen Vorschlag für den Yasuní-Nationalpark durchzubringen war nicht einfach, denn wir sprechen hier von den wichtigsten Ölreserven des Landes. Zugleich war es jedoch sehr dringend, da es sich bei dem Projekt, dem so genannten „Ishpingo-Tambococha-Tiputini“-Projekt – kurz ITT – um ein besonders emblematisches Gebiet handelt.

Die ecuadorianische Regierung nahm den Vorschlag im letzten Jahr auf. Wurde die Grundidee seitdem verändert?
Der Teil des Projektes zum Klimawandel wurde im letzten Jahr sehr verändert: Bei der Suche nach Finanzierungsmechanismen wurden mit den carbon credits auf einmal neoliberale Marktmechanismen in Betracht gezogen. Diese Kommerzialisierung und generell der Verkauf von so genannten Umweltdienstleistungen treffen im Land jedoch auf eine sehr kritische Haltung. Denn diese Mechanismen stoppen keine Emissionen und verfehlen damit das zentrale Problem des Klimawandels. Es geht beim ITT-Projekt nicht darum, den Verschmutzerländern einen Freischein zu geben, damit diese weiter die Atmosphäre verschmutzen können. Die Idee soll vielmehr einen echten Versuch darstellen, den Erdölkonsum zu reduzieren. Die ursprünglichen Positionen von Präsident Correa und der Umweltministerin waren noch sehr kritisch gegenüber den Mechanismen des Kyoto-Protokolls und den carbon credits, da diese den Klimawandel zu einem Geschäft für die Verschmutzer machen. Als jedoch im Januar dieses Jahres begonnen wurde, die Finanzierungsmechanismen auszuarbeiten, verstummte diese Kritik plötzlich. Und der Vorschlag stellte sich auf einmal als Verkauf von Umweltdienstleistungen dar. Wir als VertreterInnen mehrerer NRO arbeiten jetzt daran, dass die Regierung wieder zur Ursprungsidee zurückkehrt.

Seit der Bekanntmachung des Konzeptes durch Rafael Correa ist mehr als ein Jahr vergangen. Wo steht das ITT-Projekt aktuell?
Ende Juni dieses Jahres wurde das Moratorium für die Ausschreibung der Konzession bis Ende Dezember 2008 verlängert. Eine wichtige Grundlage dafür war der Beschluß des Deutschen Bundestages, die ecuadorianische Regierung um diese Fristverlängerung explizit zu bitten. Ab Dezember ist jetzt eine doppelte Ausschreibung geplant. Einerseits sollen interessierte Erdölfirmen aufgefordert werden, ihre Angebote zur Förderung einzureichen. Gleichzeitig soll die internationale Gemeinschaft aufgerufen werden, seit dem letzten Jahr gemachte finanzielle Versprechen zu konkretisieren. Verbindliche Zusagen fehlen bisher, da noch immer nicht klar ist, welche Garantien die ecuadorianische Regierung für die Nichtausbeutung des Yasuní, für den Schutz der Biodiversität des Gebietes aber auch in Bezug auf das Projekt als Teil einer sozialverträglichen Politik letztlich bietet. Bisher gab es diesbezüglich widersprüchliche Signale. Jedoch hoffe ich, dass die Referenzbedingungen bis Dezember definiert sind.

Ist diese drohende doppelte Ausschreibung nicht ein sehr ungleicher Wettbewerb?
Für die gebotenen Summen gilt ein Verhältnis von 2:1. Die internationale Gemeinschaft müsste nur die Hälfte dessen aufbringen, was die Unternehmen bieten. Zudem denke ich nicht, dass das benötigte Geld von der Zivilgesellschaft oder den NRO kommen kann, da ihnen die finanziellen Mittel fehlen. In der Hauptsache müssen diese Mittel von den Regierungen kommen.

Die Ausschreibung zur Erdölförderung würde mehr Druck auf die internationale Gemeinschaft machen.
Wir würden uns von dieser Ausschreibung mehr Klarheit erhoffen. Es wäre eine Bestandsaufnahme, die sichtbar machen würde, wie groß das konkrete Interesse auf internationaler Seite und von Seiten der Ölunternehmen ist. Wie die geforderte Summe letztendlich zustande kommt, ist noch unklar. In Form von Bargeld, aber auch z.B. als Unterstützung zur Förderung erneuerbarer Energien.

Wie genau reagierten die Industrieländer auf den Vorschlag bisher?
Es gab bisher viele interessante Signale. In keinem Fall war jedoch von Emissionshandel die Rede. Das Interesse beruhte vielmehr auf dem Schutz der Biodiversität. So hat Norwegen einen Biodiversitätsfonds und überlegt, einen Teil des Geldes in den Yasuní zu investieren. Interessensbekundungen gibt es von Deutschland, Spanien, Italien und Schweden. Manche Länder erwägen einen Schuldenerlass zugunsten des Yasuní oder eine Kanalisierung von Entwicklungsgeldern in das Projekt. Selbst die OPEC hat Interesse an der Idee signalisiert. Auch viele NRO sind an dem Vorschlag interessiert, was sehr wichtig ist für die Bewusstseinsbildung.

Und wie fielen die Reaktionen aus Ländern des globalen Südens aus?
Wir arbeiten momentan mit verschiedenen Ländern, die Interesse gezeigt haben. In Argentinien versuchen beispielsweise die Mapuche eine ähnliche Kampagne zu starten. In Costa Rica, wo das bestehende Moratorium zur Ölförderung aufgehoben wurde, gibt es Pläne in diese Richtung. Auch in Osttimor, Bolivien, Mauretanien und in Nigeria gibt es Interesse. Wir sind dabei auszuarbeiten, was die jeweiligen lokalen Besonderheiten und Probleme sind. Wir in Ecuador sind in einer besonders günstigen Situation, denn die Bedingungen für einen solchen Vorschlag sind ideal. Es geht um ein Gebiet, das über eine extrem hohe Biodiversität verfügt und zugleich Territorium von indigenen Gemeinschaften in freiwilliger Isolierung und Biosphärenreservat ist. Und wir sind in einer politischen Situation, Periode des Übergangs, und es gibt eine Bereitschaft zum Wandel.

Damit auch zukünftige ecuadorianische Regierungen das Öl im Boden lassen, forderte die deutsche Regierung die Verankerung des Versprechens in der neuen Verfassung. Wie sinnvoll und realistisch ist diese Forderung?
Ein entsprechendes Gesetz wäre keine Garantie. Und schließlich könnte auch die Verfassung geändert werden. Aber das Garantiekonzept ist eigentlich ganz simpel: Durch den Verkauf des Rohöls geht dieses in privaten Besitz über. Es kann also nicht noch einmal verkauft werden. Auf dem internationalen Ölmarkt sind diese Mechanismen eindeutig definiert. Wenn der Staat sein Erdöl an Texaco verkauft, kann er es nicht gleichzeitig an ein anderes Unternehmen verkaufen. Es wird daher versucht, den Geldgebern dieselbe Garantie zu geben wie einem Unternehmen. Die Geldgeber erhalten Eigentumstitel über die Barrel Öl, das sie gekauft haben, und somit die Garantie, dass sie im Falle einer Förderung ausgehändigt werden, was das Fördern an sich unsinnig macht. Zudem gibt es internationale Abkommen mit den Geberländern, die sicherlich nicht gebrochen werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine ecuadorianische Regierung leichtfertig die Beziehungen mit Deutschland oder der UN gefährden würde. Es gibt eine Menge starker Zwischenakteure, die dafür sorgen werden, dass das Versprechen eingehalten wird.

Die neue ecuadorianische Verfassung beinhaltet Artikel zum Umweltschutz, zu „unberührbaren Zonen“ – wozu ein Teil des ITT zählt –, in denen der Rohstoffabbau verboten ist. Wie bewerteten Sie das im Hinblick auf den ITT-Vorschlag?
Es gibt ein großes Schlupfloch: Alles kann funktionieren, aber diese Verfassung steckt voller Ausnahmen. Kommt die geforderte Summe nicht zustande, und sollte sich die Regierung dazu entschließen, das Erdöl zu fördern, wird im Kongress darüber abgestimmt. Sollte es im Kongress zu keiner Einigung kommen, käme es zu einer Volksbefragung. Es ist ein demokratischer Prozess, in dem die Entscheidung in letzter Instanz wieder bei der Bevölkerung liegt. Zwar ist das ITT-Projekt in erster Linie ein Beitrag Ecuadors zum Klimaschutz. Doch ist es auch eine Bildungskampagne. Seit Juni 2007 machen wir von Acción Ecologica Bildungsarbeit und besuchen zum Beispiel wöchentlich zwei bis drei Schulen, um über das Thema des Yasuní, die indigenen Gemeinschaften und die Notwendigkeit eines post-fossilen Energiemodells zu sprechen. Es ist wichtig, den Menschen bewusst zu machen, dass es sich um ein Thema von wirtschaftlicher Bedeutung handelt, sich aber viele unersetzliche Dinge nicht in monetären Werten messen lassen. Denn in letzter Instanz ist es die ecuadorianische Gesellschaft, die mit ihrer Stimme in der Volksbefragung entscheidet, ob der Yasuní ausgebeutet wird oder nicht.
// Interview: Ines Thomssen

Kaste:

Das Ishpingo-Tambococha-Tiputini-(ITT)-Projekt
350 Millionen US-Dollar jährlich über den Zeitraum von 13 Jahren an den ecuadorianischen Staat und das Öl bliebe im Boden. Diese Zahlen entsprechen der Hälfte dessen, was bei der Ausbeutung des ITT-Feldes zu erwirtschaften wäre. So lautet der Finanzierungsvorschlag der ecuadorianischen Regierung für das ITT-Projekt. Die ITT-Konzession liegt im östlichen Teil des Yasuní-Nationalparkes, der zugleich UNESCO-Biosphärenreservat ist. Im Osten grenzt sie an das Nachbarland Peru, wo sich unmittelbar entlang der Grenze eine ganze Galerie von Erdölkonzessionen erstreckt. Mit 200.000 Hektar ist die ITT-Konzession ein wenig größer als die doppelte Fläche des Landes Berlin. In der Tiefe ruht schweres Öl, das allein um die 20 Prozent der Erdölvorkommen Ecuadors ausmacht. Die ITT-Zone gilt wie der gesamte Yasuní als eines der artenreichsten Gebiete der Erde und ist zugleich Territorium indigener Völker, die in freiwilliger Isolation leben. Durch die Nicht-Förderung des Erdöls würde verhindert werden, dass an die 400 Millionen Tonnen Kohlendioxid freigesetzt würden. Die Einnahmen aus dem Projekt sollen ausschließlich für soziale und Umweltschutzprojekte sowie zur Förderung erneuerbarer Energien eingesetzt werden.
Seitdem das Interview geführt wurde, hat sich das einfache Kompensationsmodell für die Finanzierung des ITT-Projektes sich als nicht durchführbar erwiesen. Jüngsten Informationen zufolge denken Regierung und Präsident Correa zur Zeit über die Ausgabe von Yasuní-Garantiezertifikaten nach, die gleichwertig zu den handelbaren Kohlenstoff-Emissionszertifikaten des Kyoto-Protokolls sein sollen. Nach jüngsten Aussagen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wird unter der Federführung der bundesdeutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) bis Mitte Februar 2009 eine Machbarkeitsstudie zum ITT-Projekt erstellt. Damit verschiebt sich auch die Dezember 2008 auslaufende Frist für die Ausschreibungen; das Moratorium verlängert sich. Gegenüber der ecuadorianischen Presse sagte Ecuadors Präsident Correa, dass mit dem Beginn der parallelen Ausschreibungen im Januar 2009 zu rechnen ist.

Weitere Informationen unter: http://www.sosyasuni.org/de/index.php

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