Nummer 375/376 - Sept./Okt. 2005 | Peru

Auf mindestens einem Auge blind

Die staatliche Jagd nach Investitionen im peruanischen Bergbausektor ignoriert legitime Rechte und Forderungen der lokalen Bevölkerung

Seit dem Amtsantritt von Präsident Toledo im Jahr 2001 haben sich die Exporterlöse Perus bis Ende 2004 auf mehr als 12 Milliarden US-Dollar erhöht. Der Anteil mineralischer Rohstoffe beträgt mehr als 50 Prozent. Da die staatliche Vergabepraxis von Bergbaurechten Investitionen nahezu blind bevorteilt, ignoriert sie bestehende ökonomische Nutzungen in den betroffenen Regionen und die Rechte der Menschen vor Ort. Proteste der Bevölkerung in Form von Märschen und Blockaden führen in der Regel zu brutalen Polizeieinsätzen, zweifelhaften Dialogangeboten und dem Vorwurf von außen gesteuert zu sein. Jüngstes Beispiel: das Projekt Rio Blanco im Norden Perus, wo bis 2008 das zweitgrößte Kupferbergwerk des Landes entstehen soll.

Ana Leyva, Javier Jahnke

Der Bergbau in Peru befindet sich seit Anfang der 1990er Jahre in einem Expansionsprozess. Im Jahr 2005 bestanden Konzessionen für die Erkundung und Erschließung von mineralischen Vorkommen auf einer Fläche von zehn Millionen Hektar, gegenüber ehemals vier Millionen Hektar. 2004 wurden 5.130 neue Konzessionen beantragt, 331 mehr als im Jahr zuvor.
Diese Expansion wurde hauptsächlich durch zwei Faktoren motiviert, zum Einen die steigenden Weltmarktpreise für mineralische Rohstoffe und das geologische Potenzial des Landes, nach einem Ranking des Fraser-Instituts das drittgrößte der Welt. Gegenwärtig werden jedoch lediglich zehn Prozent davon genutzt. Der zweite bedeutende Faktor ist mit der Entwicklung neuer Technologien verbunden, die die Erschließung auch nur gering konzentrierter mineralischer Ressourcen ermöglichen. Dadurch wurde und wird der Bergbau auf Gebiete ausgedehnt, die traditionell keine Bergbauregionen waren. Viele dieser neu erschlossenen Gebiete sind ökologisch verletzliche Räume, in anderen bestehen bereits bedeutende ökonomische Aktivitäten mit Wachstumspotenzial.

Das Projekt Rio Blancoin der Region Piura

Die Region Piura ist mit aktuell zehn Prozent ihrer Fläche unter Bergbaukonzessionen ein klares Beispiel für die Ausdehnung des Bergbaus. Dazu gehören auch ökologisch besonders anfällige Zonen wie Páramos (kalte andine Hochflächen), Nebel- und Trockenwälder, Quellgebiete von Flüssen und Täler mit großer landwirtschaftlicher Produktion. Der bekannteste Fall ist Tambogrande (Distrikt Piura), in dem mehr als 60 Prozent der Landfläche konzessioniert ist.
In der Zone der Páramos und Nebelwälder von Huancabamba und Ayavaca, die wichtige Quellgebiete sind, verfügt das Unternehmen Minera Majaz S.A., das zum englischen Unternehmen Monterrico Metals gehört, über 6.473,14 Hektar an Bergbaukonzessionen. Auf diesen innerhalb der indigenen Bauerndorfgemeinschaften von Yanta (Provinz Ayavaca) und Segunda y Cajas (Provinz Huancabamba) befindlichen Flächen soll das Projekt Río Blanco entwickelt werden. Laut einer vorliegenden Machbarkeitsstudie geht es um die Ausbeutung von Kupferlagerstätten im offenen Tagebau. Erwartet wird demnach eine jährliche Förderung von zehn Millionen Tonnen Mineralien und eine Produktion von 100.000 Tonnen konzentriertem Kupfer pro Jahr bei einer Förderungsdauer von 32 Jahren. Der erste Abbau würde täglich 120.000 Tonnen Erde entfernen, davon lediglich 70.000 Tonnen zur weiteren Aufbereitung, während 50.000 Tonnen nicht verwertbare Reststoffe darstellen würden. Für die Aufbereitung der 70.000 Tonnen wären ungefähr 200.000 Kubikmeter Wasser pro Tag nötig.
Der Páramo ist eine sensible, weit ausgedehnte Ökoregion, die sich in den am höchsten gelegenen Teilen der Anden von Venezuela über Kolumbien und Ecuador bis in den Norden Perus in den Regionen Piura und Cajamarca oberhalb von 3.500 m erstreckt.

Wasserressourcen und Biodiversität in Gefahr

Charakteristisch sind häufige Niederschläge, ein feuchtes Klima und zum Teil sumpfige Böden. Das komplexe Ökosystem des Páramo speist den regionalen Wasserhaushalt und reguliert ihn. Die Nebelwälder befinden sich auf einer Höhe von 1.300 bis 2.500 Metern und sind in den Regionen von Ayavaca und Huancabamba sehr nahe an den Páramo-Zonen gelegen. Sie sind beständig in dichte Wolken gehüllt, erhalten reichlich Niederschläge, aus denen sich kräftige Flüsse speisen. Neben der wichtigen Funktion für den Wasserhaushalt der Region sind sowohl der Páramo als auch die Nebelwälder Zonen mit großer Biodiversität. Sie stellen einen enormen Reichtum sowohl für die wissenschaftliche Forschung als auch für die Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie dar.
Das Projekt Río Blanco kann durch seine Lage und seine Charakteristiken den Páramo und die Nebelwälder und damit die Wassermenge, die in der Region generiert wird, negativ beeinflussen. Der Bergbau in Wasserquellgebieten gefährdet zudem flussabwärts liegende Zonen, wodurch sich wiederum das Risiko für die in den Wassereinzugsgebieten betriebene Land- und Viehwirtschaft erhöht. Eine Beeinträchtigung der Wassermenge und -qualität des Flusses Quiroz wirkt sich auf das Tal von San Lorenzo (Provinz Piura) aus, da das Wasser aus dem Fluss im Wasserspeicher von San Lorenzo gesammelt wird und zur Bewässerung der dortigen landwirtschaftlichen Flächen dient.
Die ertragreiche Landwirtschaft im Einflussgebiet des Projektes Rio Blanco produziert teilweise für den Export. Am Fluss Chinchipe wird auf 27.000 Hektar Kaffee angebaut. Die als organisch zertifizierten Kaffeesorten wurden als beste Höhensorten der Welt ausgezeichnet und erreichen eine Produktionsmenge von 18.000 Tonnen pro Jahr. Ein großer Teil des Kaffees wird in Deutschland konsumiert. Die Region konzentriert zudem einen großen Teil der Gelder aus der deutsch-peruanischen Entwicklungszusammenarbeit, vor allem in Projekten der ökologischen Landwirtschaft.
In der Bevölkerung herrschen Befürchtungen über die möglichen Auswirkungen des Projektes. Weder das Unternehmen Majaz noch der peruanische Staat haben die bisherige Projektentwicklung im Dialog mit der lokalen Bevölkerung durchgeführt oder diese entsprechend informiert. Noch schwerwiegender ist, dass das Unternehmen die Genehmigung, die es seitens der Bauerndorfgemeinschaften Segunda y Cajas für die Erkundungsarbeiten benötigte, irregulär erhielt. Genutzt wurde eine Autorisierung durch die Autoritäten des Dorfes und nicht durch die Versammlung der DorfbewohnerInnen, wie es die traditionelle Praxis wäre, wenn es um Entscheidungen von großer Bedeutung geht.

Proteste der Bevölkerung

Den Beginn der Erkundungsarbeiten im April 2004 nahmen die bäuerlichen Verteidigungskommittees, die Dorfgemeinschaften von Segunda y Cajas und weitere in der Einflusszone des Projektes liegende Kommunen zum Anlass, zum Lager des Unternehmens Majaz zu marschieren. Ihr Anliegen war es zu zeigen, dass die Bevölkerung die Ausbeutung der Mineralvorkommen ablehnt und gegen die Präsenz des Unternehmens vor Ort zu protestieren. Der Protestmarsch wurde von der nationalen Polizei mit Tränengasgranaten bekämpft. Der Einsatz von Gewalt führte zum Tod eines Bauern, der von einer der Tränengasgranaten am Kopf getroffen wurde.
Zur Schlichtung des Konflikts wurde nach diesen Ereignissen ein Vermittlungsprozess eingeleitet. Impulsgeber war die Regionalregierung von Piura, als Vermittler fungierte das Schlichtungszentrum der Katholischen Universität in Lima.

Von Vermittlungsversuchen…

Jedoch nahmen weder die legitimen Repräsentanten der betroffenen Kommunen noch der bäuerlichen Verteidigungskommittees teil, da nach ihrer Meinung der Schlichter versuchte, die Bevölkerung von den Vorteilen des Projektes zu überzeugen, ohne jedoch die Bedingungen für einen fruchtbaren Dialog zu schaffen. Die Forderungen der Bevölkerung blieben letztlich ungehört.
Im Monat Juli 2005 entschieden sich die Verteidigunskommittees der Kommune Yanta (Provinz Ayavaca) erneut, zum Lager des Unternehmens zu marschieren. Diesmal forderten sie die Schließung des Lagers und der Einrichtungen des Bergbauunternehmens. Dem Marsch schlossen sich die EinwohnerInnen von Segunda y Cajas (Huancabamba) ebenso wie die VertreterInnen der Verteidigungskommittees der Distriktvereinigung von Namballe und San Ignacio an.
Angesichts des drohenden sozialen Konfliktes bat das Bergbauministerium diesmal die katholische Kirche in Person des Bischofs von Chulucanas, Monseñor Daniel Turley, Oxfam International America und die Vereinigung der vom Bergbau betroffenen Kommunen Perus (CONACAMI) um Vermittlung. Die aus diesen Institutionen zusammengesetzte Kommission konnte ihre Mission jedoch leider nicht erfüllen, da sie gar nicht zum Lager des Bergbauunternehmens gelangten, wo sich die DemonstrantInnen versammelt hatten. Die Polizei unterdrückte die Proteste gewaltsam. Ein Toter, 50 Verletzte und 28 Verhaftete, von denen Einige Folterspuren aufwiesen, waren das Resultat der Auseinandersetzungen.
VertreterInnen des Bergbauministeriums, des nationalen Ombudsmannes und Bischof Turley fanden sich kurz danach in San Ignacio ein, um vor Ort den Dialog zwischen den Parteien zu ermöglichen. Es gab einige Übereinkommen, die jedoch letztlich nicht konkretisiert wurden, da der Vizeminister für Bergbau beim Verlassen der Versammlung angegriffen wurde.

…und Verleumdungen

Im Anschluss an die Vorfälle kam es zu dem Versuch, Vertreter der Verteidigungskomittees auf Grund einzelner Sanktionen gegen mit dem Unternehmen Majaz zusammenarbeitende Bauern als gewalttätig und durch politische Gruppen manipuliert darzustellen. Darüber hinaus wurde – ohne jegliche Beweise – die Behauptung einer Verbindung zum Drogenhandel erhoben. Derartige mediale Falschdarstellungen und Verzerrungen haben verhindert, dass die Forderungen der Landbevölkerung sich in der nationalen öffentlichen Meinung angemessen widerspiegeln.
Die Interventionen der Katholischen Kirche und von Oxfam America wiederum dienten nationalen Medien und Vertretern der Bergbauindustrie dazu, eine Kampagne gegen die Bischöfe und den Klerus zu lancieren. Stark kritisiert wurden auch NGOs, die den Kommunen technische und rechtliche Beratung bei der Verteidigung ihrer Grundrechte bieten.
Die vielen bestehenden Bergbaukonflikte in Peru und der konkrete Fall des Unternehmens Majaz zeigen die Brüche in der peruanischen Gesellschaft. Sichtbar werden das Fehlen einer nationalen Konzeption für den Bergbau und die Schwierigkeiten des peruanischen Staates, die Interessen und Rechte der armen Bevölkerung abgelegener Gebiete zu berücksichtigen, was am Deutlichsten zu Tage tritt, wenn auf der anderen Seite Interessen und Rechte großer Unternehmen stehen.

Die Autorin und der Autor sind Rechtsanwälte der Fundación Ecuménica para el Desarrollo y la Paz – FEDEPAZ

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