Nummer 489 - März 2015 | Peru

Wie David gegen Goliath

Die Kleinbäuerin Máxima Acuña ist zum Symbol des Widerstands gegen die Goldkonzerne in Peru geworden

Die indigene Bäuerin Máxima Acuña de Chaupe aus Cajamarca kämpft seit fast vier Jahren gegen die Goldmine Yanacocha. Im Dezember 2014 wurde sie vom Obersten Gericht freigesprochen. Die Drangsalierung durch Yanacocha geht weiter.

Eva Tempelmann

Máxima Acuña de Chaupe wirkt mit ihren 1,50 Metern Körpergröße, dem Mittelscheitel und den langen Zöpfen, wie sie die indigenen Frauen im Andenhochland tragen, auf den ersten Blick eher mädchenhaft. Der Eindruck täuscht. Ihrem Namen – Máxima, die Größte – wird sie mehr als gerecht. Denn seit bald vier Jahren kämpft die zierliche Bäuerin aus der Region Cajamarca im Norden Perus gegen die peruanische Bergbaufirma Yanacocha, die das Land kaufen will, auf dem Máxima mit ihrer siebenköpfigen Familie lebt. Ein Rechtsstreit, der sinnbildlich für den Schulterschluss von Regierung und Unternehmen steht und die fehlenden Rechte der Zivilbevölkerung.

Deshalb ist Máxima Acuña in den letzten Jahren zum Symbol für den Widerstand gegen die skrupellosen Methoden bei der Goldförderung in Peru durch internationale Unternehmen, Armee und Nationalstaat geworden.
Vor vier Jahren begann der Streit um das Land, auf dem Máxima lebt. Denn sie sitzt buchstäblich auf einem Berg von Gold. Das Bergbauunternehmen Yanacocha hatte auf dem Andenhochplateau der peruanischen Region Cajamarca bereits 5.400 Hektar Land an der Blauen Lagune rund um das Dorf Sorochuco aufgekauft. Auch die vier Hektar Grundbesitz Acuñas wurden für die Erweiterung der 260 Quadratkilometer großen Yanacocha-Mine – der größten Goldmine Lateinamerikas und der zweitgrößten weltweit – gebraucht. Aber Máxima Acuña lehnte das Kaufangebot des US-Konzerns Newmont Mining ab. Sie lebt, wie 60 Prozent der Bevölkerung in dieser Gegend, vom Landbau. Kartoffeln, Yuca, Weizen und Hafer wachsen auf dem fruchtbaren Boden, das restliche Land nutzt sie als Weide für das Vieh. „Ich bin in Sorochuco geboren und aufgewachsen“, sagt sie, „ich habe mein Land in der Hoffnung gekauft, mein ganzes Leben dort zu verbringen“. Also blieb sie. Yanacocha ließ sich das nicht gefallen. Bald tauchte Minenpersonal auf, unterstützt von Polizisten in Uniform. Es gab Morddrohungen, Prügel, ihr Vieh verschwand oder wurde getötet. Der Angriff auf die Landwirtschaft der Bäuerin wurde nicht geahndet. Im Gegenteil: Obwohl Máxima, anders als die Minengesellschaft, eine Besitzurkunde über ihr Land in den Händen hält, verklagte Yanacocha sie des Landfriedensbruchs.

 

Zerstörter Berg. Leben im Schatten des Tagebaus (Foto: David Vollrath)

 

Seit 19 Jahren betreibt Yanacocha Goldabbau im Tagebau in Cajamarca. Nachhaltige Entwicklung ist dabei nicht gerade eine Spezialität des Unternehmens. Ständig steht es unter der Kritik seitens Menschenrechts- und Umweltorganisationen. Auch das geplante Conga-Projekt zur Erweiterung der Mine hätte massive Eingriffe in die Umwelt zur Folge: Bergseen würden verschwinden, riesige Landflächen vernichtet, Wasser verseucht und die Lebensgrundlage von Menschen und Tieren bedroht. Das Gold wird mit einem Zyanid-Wasser-Gemisch gelöst, wofür pro Stunde 250.000 Liter Wasser benötigt werden. Das hat zur Folge, dass es in der Landeshauptstadt Cajamarca pro Tag nur noch zwölf bis 14 Stunden Leitungswasser gibt. Gleichzeitig werden Schwermetalle wie Arsen, Kadmium und Blei freigesetzt. Laut Untersuchungen, die nach 20 Jahren Minenbetrieb vor Kurzem erstmals durchgeführt wurden, haben die rund 200.000 Einwohner*innen Cajamarcas über Jahre hinweg verseuchtes Wasser getrunken.

„Wir tun alles, um Umweltbelastungen zu vermeiden“, versichert der Yanacocha-Betreiber, „wir halten uns an die Gesetze“. Die Gesetze werden allerdings immer mehr zu Gunsten der freien Wirtschaft formuliert. Erst im vergangenen Sommer unterschrieb der peruanische Präsident Ollanta Humala ein neues Umweltgesetz, mit dem die Strafen bei Umweltvergehen deutlich reduziert werden. Umweltverträglichkeitsprüfungen sind nun innerhalb von 45 Tagen abzuschließen – einer lächerlich kurzen Zeit – und Bergbau und Erdölproduktion auch in Naturschutzgebieten erlaubt.

2011 versuchte Yanacocha, eine Straße durch das Land Máximas zu bauen. Die Bäuerin zeigte das Unternehmen an, aber der Staatsanwalt legte die Geschichte direkt ad acta. Im Sommer desselben Jahres verschafften sich Sicherheitsbeamte Yanacochas mit Unterstützung der Polizei gewaltsam Zutritt zu Máximas Hof. Die Beamten schlugen und misshandelten die Familie. Máxima wehrte sich gegen die Enteignung ihres Landes, erstattete Anzeige und ging vor Gericht. Aber das Oberste Gericht in Cajamarca gab am 5. August 2014 der Firma Yanacocha recht. Máxima, ihr Ehemann Jaime, ihre Tochter Ysidora und Schwiegersohn Elías Chavez wurden zu zwei Jahren und acht Monaten Bewährungsstrafe und einer Entschädigung von 5.500 Soles (etwa 1.500 Euro) an den Minenkonzern verurteilt. Die Anwältin der Familie, Mirtha Vásquez, legte dagegen Berufung ein. Bis heute hält die 44-jährige Máxima trotz aller Drohungen Stellung auf ihrem Grundstück, einer Insel inmitten von Yanacocha-Land. Es ist ein Kampf wie die Gallier gegen die Römer, wie David gegen Goliath.

Das Urteil gegen die Familie Chaupe löste in der peruanischen und lateinamerikanischen Öffentlichkeit große Betroffenheit aus, aber auch viel Sympathie für die Verurteilten. In den sozialen Netzwerken häufen sich die Solidaritätsbekundungen, es gibt Demonstrationen in der Hauptstadt, offene Briefe an die Regierung und generell viel Rückhalt aus der Bevölkerung. Máxima Acuña ist zum Symbol des Widerstands gegen die Praktiken der Goldkonzerne in Peru geworden. „Ja zum Wasser! Nein zum Gold!“ lautet der Slogan der Protestbewegung, der auch auf dem Alternativgipfel zur Weltklimakonferenz, der jüngst in Lima stattgefunden hat, zu hören war (siehe LN 487). Máxima bezeichnet sich selbst als „Beschützerin des Wassers“. „Wasser bedeutet Leben“, sagt sie, „das können wir nicht einfach an ein Unternehmen verkaufen“.

Die Macht der Akteur*innen ist in Peru sehr ungleich verteilt. Die Gesellschaft für bedrohte Völker zeigte Ende 2013 zusammen mit peruanischen Organisationen auf, wie Rohstofffirmen mit meist unter Verschluss gehaltenen Verträgen jederzeit Einsätze der Nationalpolizei gegen die Bevölkerung beantragen können. Die Rohstofffirmen unterstützen die Einsätze finanziell, materiell und logistisch. Staatliche und wirtschaftliche Interessen verbünden sich damit gegen die Interessen der lokalen Bevölkerung.

Gegen Widerstand aus der Zivilbevölkerung geht die Regierung dagegen hart vor. Bereits 2004 hatte es wegen der Umweltbelastungen durch den offenen Tagebau heftige Protestdemonstrationen gegeben, woraufhin Newmont – mit Buenaventura und der Weltbank größter Aktionär der Mine – erklärte, dass es vorläufig keine weiteren Erkundungen in der Region geben würde. Im Sommer 2012 rief die Bevölkerung Cajamarcas zu einem Generalstreik auf. Der Präsident Ollanta Humala verhängte daraufhin den Ausnahmezustand über drei Provinzen und ließ die Demonstrationen gewaltsam unterdrücken. Fünf Menschen wurden von der Polizei erschossen, Dutzende verletzt oder willkürlich verhaftet. In den vergangenen drei Jahren wurden bei Demonstrationen insgesamt 41 Menschen erschossen. Das peruanische Gesetz aber sichert Polizist*innen, die im Dienst Zivilist*innen erschießen, Straffreiheit zu.

 

Bedrohte Mutter Erde. Die Bäuerin Máxima Acuña de Chaupe ist Perus Symbolfigur im Widerstand gegen den Raubbau an der Natur. Der Künstler Roberto Lopez hat dieses Portrait von Maxima gemalt. Er stellt sie, vom Kampf gegen Yanacocha und Co gezeichnet, wesentlich älter dar.

Die Unterdrückung des Widerstands macht auch vor politischen Vertreter*innen keinen Halt. Der Gouverneur der Provinz Cajamarca, Gregorio Santos, ein deklarierter Gegner des Goldabbaus in der praktizierten Form, wurde seit 2011 von der Zentralregierung mit 38 Anzeigen konfrontiert. Im Juni 2014 verurteilte das Gericht Santos zu 14 Monaten Untersuchungshaft. Und sogar in der Berichterstattung diktieren die Unternehmen, unterstützt durch die Regierung, die Spielregeln. Mitte Februar wurde der Journalistin Martha Meier Miró Quesada von der Tageszeitung El Comercio gekündigt, weil sie in einer Kolumne allzu kritisch über die Machenschaften Yanacochas und seine Übergriffe gegen die Familie Chaupe berichtet hatte. Der ehemalige Antikorruptionsbeauftragte des Landes, Julio Arbizu, warnte, dass die Zensur und der Rauswurf der Journalistin deutlich zeige, wie die Tageszeitung nach ökonomischen Interessen handele und nicht im Sinne der Pressefreiheit.

Nach Monaten von Verhandlungen nahm Máximas Geschichte dagegen Ende letzten Jahres eine positive Wendung: Das Höchste Gericht in Cajamarca sprach sie kurz vor Weihnachten frei. Aber die Freude über diese Nachricht währte nicht lang. Am 3. Februar 2015 betraten Sicherheitskräfte der Firma Yanacocha und der peruanischen Spezialeinheit DINOES das Grundstück der Familie Chaupe und zerstörten einen Anbau ihres Hauses. Als Grund nannten sie die ungeklärte Rechtslage. Einige Tage später errichteten Mitarbeiter*innen Yanacochas in Sichtweite der Familie ein Alpaca-Gehege – „als Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung“ – und installierten rundherum eine Reihe von Überwachungskameras. Dass es dem Unternehmen vor allem um die Überwachung der Familie geht, liegt auf der Hand.

Angesichts dieses Szenarios wird Máxima weiterkämpfen. „Mein Schweiß steckt in jedem Zentimeter Land“, sagt sie. Das werde sie sich nicht von Yanacocha wegnehmen lassen. „Die Behörden können sagen, was sie wollen, ich werde mein Land nicht weggeben“, bekräftigt die Bäuerin. Sie beklagt, dass das Unternehmen Yanacocha nie auf sie direkt zugekommen sei, um mit ihr zu sprechen oder zu verhandeln. Vieles erfahre sie erst durch die Medien und vieles davon seien schlichte Unwahrheiten. Unterstützung erfährt sie vor allem aus der Zivilbevölkerung und durch die peruanische Nichtregierungsorganisation Grufides in Cajamarca, bei der auch die Anwältin der Familie, Mirtha Vásquez, arbeitet. „Todos somos Máxima, wir alle sind Máxima“, heißt es im Blog der NGO. Die Hoffnung, dass sich die Hartnäckigkeit der kleinen großen Máxima am Ende auszahlen wird, bleibt bestehen. Es wäre ihr zu wünschen.

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