Editorial | Nummer 453 - März 2012

Erfolgloses Embargo gegen Kuba

Editorial Ausgabe 453 – März 2012

LN-Redaktion

Was die Polizei erlaubt, erlaubt das Embargo noch lange nicht. Diese bittere Erfahrung musste der dänische Polizist Torben Nødskouv Christensen im Februar machen. Über seine dänische Hausbank wollte der nebenberufliche Onlinehändler 26.000 US-Dollar an einen Hamburger Händler für die Lieferung von kubanischen Zigarren überweisen. Die Bank wollte den Transfer von Dänemark nach Deutschland wegen der Währung über die Zwischenstation USA abwickeln und übersah die Tücken des Embargos: Die US-Regierung beschlagnahmte kurzerhand die gesamte Überweisung. Kein Handel mit Kuba!
50 Jahre und kein bisschen weiser: Am 7. Februar 1962 verhängten die USA unter dem Präsidenten John F. Kennedy ein umfassendes Wirtschaftsembargo gegen Kuba, das fünf Wochen später auf Importe aus Drittländern mit kubanischem Wertschöpfungsanteil ausgeweitet wurde. Die Karibikinsel war nach der Revolution 1959 zum Stachel im Fleisch des Imperiums geworden. Verstaatlichungen, Enteignungen, Annäherung an die Sowjetunion hatten Washington im Kalten Krieg bis aufs Blut gereizt und zu einer kläglich gescheiterten Invasion in der Schweinebucht im April 1961 provoziert. Statt auf Wandel durch Annäherung setzten und setzen die USA in Kuba seither auf wirtschaftliche Strangulation.
Washingtoner Voraussetzung für eine Aufhebung der Sanktionen ist eine kategorische Absage an den Sozialismus und eine Entschädigung der enteigneten US-Unternehmen seitens Kuba. Auch 2012 ist dies politisch und ökonomisch undenkbar.
Doch John F. Kennedys Kalkül ging definitiv nicht auf. Neun Präsidentenwechsel im Weißen Haus später ist ein Systemwechsel immer noch nicht in Sicht. Sicher ist, dass die Blockade in Kuba, aber auch in den USA und Drittländern, beträchtlichen ökonomischen Schaden angerichtet hat: die kubanische Regierung beziffert die Kosten auf 104 Milliarden US-Dollar. Sicher ist aber auch, dass das Embargo innenpolitisch Kuba eher gegen den Feind nach außen mobilisiert als eine Öffnung befördert.
Die USA sind in Sachen Blockade außenpolitisch mehr denn je isoliert. Seit 1992 stimmt innerhalb der UNO auf Antrag Kubas eine wachsende Mehrheit für die Aufhebung der Handels-, Wirtschafts- und Finanzblockade seitens der US-Regierung. 2011 waren es 186 Staaten, nur die USA und Israel stimmten dagegen, die drei Inselstaaten Mikronesien, Marshall-Inseln und Palau enthielten sich.
Washington zeigt sich freilich auch unter Barack Obama von den UNO-Beschlüssen gänzlich unbeeindruckt. Mehr als sanfte Lockerungen des Embargos wie Reiseerleichterungen und großzügigere Geldüberweisungsmöglichkeiten brachte Obama in seiner Amtszeit nicht auf den Weg. Die Angst vor dem Einfluss der Hardliner unter den Miami-Kubanern und ihren medialen Unterstützer_innen ist nach wie vor groß, auch wenn inzwischen eine knappe Mehrheit der Exil-Kubaner_innen für die Aufhebung der Blockade ist.
So starr die USA am Systemwechsel festhalten, so flexibel agieren sie teils, wenn es um eigene Wirtschaftsinteressen geht. So konnte die Agrarlobby um die Jahrtausendwende durchsetzen, dass sie ihre Überschüsse gegen Bargeld auch an Kuba verkaufen darf. Die US-Agrarexporte auf die Karibikinsel belaufen sich inzwischen auf über 500 Millionen US-Dollar im Jahr. Alles andere als Peanuts.
Bis heute hatte keine US-Regierung den Mut, das offensichtliche Scheitern des Embargos einzugestehen. Den 50. Jahrestag überging das offizielle Washington mit viel sagendem Schweigen. In Havanna ist man sich deswegen sicher, den längeren Atem zu haben.
Der Tabakhändler Christensen wartet derweil weiter auf sein Geld. Die USA bleiben stur, so dass ihm nur noch die Klage gegen die eigene Bank bleibt. Und sein Vorrat an Cohibas zum Dampf ablassen neigt sich dem Ende entgegen – ganz im Gegensatz zum Embargo.

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