Alles paletti
Gütesiegel für kolumbianische Blumen
Bis zum Vertragsabschluß war es ein weiter Weg: der BGI hatte ein ‘Gütesiegel für kolumbianische Blumen’ schon zum Muttertag 1993 angekündigt. Allerdings erwiesen sich die weiteren Schritte – allen voran das Einverständnis der kolumbianischen Exporteure – schwieriger als gedacht, so daß noch einige Zeit verging, bis endlich zumindest das grundlegende Vertragswerk der Öffentlichkeit vorgestellt werden konnte. Nach den bisherigen inhaltlichen Ausführungen bleibt jedoch Skepsis angebracht, ob sich damit die Verhältnisse auf den Blumenplantagen tatsächlich verbessern. Die kolumbianische Blumenindustrie, weltweit zweitgrößter Schnittblumenexporteur, hat aufgrund der Produktions- und Arbeitsbedingungen in ihren Betrieben in den letzten Jahren vor allem in Europa zunehmend Negativschlagzeilen gemacht. Eine allzu kritische Presse und Öffentlichkeit, dazu Debatten bis ins Europaparlament hinein sind nicht gut für einen Bereich, in dem täglich neue Anbieter auf den internationalen Markt drängen.
Alter Hase im Blumengeschäft
Für Kolumbien sind Blumen ein wichtiges Geschäft: schon in den 60er Jahren wurden die ersten Betriebe in der Hochebene rund um die Hauptstadt Bogotá gegründet. Die Sabana de Bogotá bot günstigste Voraussetzungen für den Blumenanbau, die diesem Wirtschaftszweig schon bald traumhafte jährliche Zuwachsraten bescherten: ein hervorragendes Klima mit hoher Sonneneinstrahlung, fruchtbarer Boden zu günstigen Preisen, ausreichend Wasser, eine gute und schnelle Anbindung an den Flughafen von Bogotá, nur wenige Stunden entfernt vom Importmarkt der USA, Miami. Und nicht zuletzt gab es ausreichend billige Arbeitskräfte, deren Entlohnung um ein vielfaches niedriger lag als in den industrialisierten Ländern: Betrug der durchschnittliche Tageslohn im landwirtschaftlichen Bereich der USA 1966 18 US-Dollar und 1970 21,25 US-Dollar, waren es in Kolumbien gleichbleibend nur ganze 82 Cent, die ein/e BlumenarbeiterIn im Durchschnitt pro Tag verdiente.
Heute sind Blumen das drittwichtigste landwirtschaftliche Exportprodukt Kolumbiens nach Kaffee und Bananen, mit dem immerhin noch 4 – 5 Prozent des Gesamtexportvolumens des Landes erwirtschaftet werden. Im letzten Jahr wurden über 130.000 Tonnen Blumen im Gesamtwert von über 380 Millionen US-Dollar exportiert. Etwa drei Viertel des Exports gehen in die USA, jedoch kommt auch den Märkten Westeuropas eine wichtige Rolle bei der Vermarktung inmitten einer immer größer werdenden Konkurrenz von anderen ‘Drittweltländern’ zu.
Steigender Konkurrenzdruck – Suche nach der Nische
Trotz Wirtschaftskrise und Rezession sind die hiesigen Märkte noch ausbaufähig, und Blumen werden immer gekauft. Spitzenreiter im Konsum ist die Bundesrepublik, in die Kolumbien bisher nur etwa ein Viertel seiner EU-Exporte liefert. Das entspricht jedoch nur zwei Prozent des jährlichen deutschen Blumenumsatzes. Möglich ist da noch viel: nirgends sonst wird pro Kopf so viel Geld für Blumen ausgegeben wie in Deutschland, dem weltweit größten Importmarkt für Schnittblumen mit einem Jahresumsatz von 8 Milliarden Mark. Etwa 80 Prozent der Blumen sind Importware. Diese wird zwar zum größten Teil aus Holland eingeführt, aber es bleibt immer noch genügend Spiel für Zuwachsraten anderer Produzentenländer wie etwa Kolumbien. Zudem ist der Export nach Europa vor allem im hiesigen kalten Winter ein wichtiges Geschäft, wenn auch die beste Heizanlage in niederländischen Gewächshäusern nicht mehr das rechte Resultat bringt und umsatzstarke Feiertage wie Weihnachten, Silvester, Valentins- und Muttertag ins Haus stehen.
Auch die anderen westeuropäischen Länder sind wichtige Exportmärkte: In den englischen Handel geht etwa die Hälfte der EU-Transporte, den Rest teilen sich die übrigen Mitgliedsländer. Nimmt man die Fast- und -Immer-noch-nicht-EU-Staaten Norwegen, Schweden, Österreich oder die Schweiz hinzu, werden insgesamt etwa 20 Prozent der gesamten kolumbianischen Blumenproduktion in die EU importiert. Zudem können Blumen seit dem 1990 im Rahmen der ‘internationalen Drogenbekämpfung’ geschlossenen Zollpräferenzabkommen mit den Andenländern (Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru) zollfrei in die EU eingeführt werden. Die Verlängerung dieses bis Ende 1994 befristeten Abkommens um weitere 10 Jahre wird gerade in den Gremien der Europäischen Union innerhalb des Allgemeinen Zollpräferenzsystems diskutiert.
Blühende Landschaften – ausgelaugte Menschen
Gerade in Westeuropa jedoch, und hier vor allem in der Bundesrepublik, Österreich und der Schweiz, nahmen in den letzten Jahren die Stimmen derer zu, die die Produktionsbedingungen auf den Blumenplantagen und die Lebens- und Arbeitsbedingungen der BlumenarbeiterInnen kritisieren und ihren Klagen über die zahlreichen Verletzungen minimalster Grundrechte auch in den Verkaufsländern öffentliches Gehör verschaffen. In Kolumbien arbeiten heute etwa 80.000 Menschen, in der Mehrzahl Frauen, direkt in der Blumenindustrie. Weitere 50 – 60.000 sind in angegliederten Produktionszweigen beschäftigt, in der Zulieferung, dem Transport, der Herstellung von Verpackungsmaterial und Plastikplanen usw. 600.000 Personen sind, so die Schätzungen, insgesamt von der Arbeit auf den Blumenplantagen abhängig. Der Preis, den sie und vor allem die Arbeiter und Arbeiterinnen bezahlen, ist hoch: Der Arbeitsalltag ist lang mit nur kurzen Pausen, um sich von den körperlichen Strapazen stundenlangen Stehens oder Arbeitens in der Hocke und auf den Knien zu ‘erholen’. Kommen längere Anfahrwege hinzu, sind die Frauen und Männer schon an normalen Arbeitstagen häufig 12 Stunden und länger außer Haus. Vor allem zur Haupterntezeit, die im Oktober beginnt, kommen Überstunden hinzu, die die gesetzlich erlaubten Maximalzeiten oft weit überschreiten und häufig auch noch den einzigen arbeitsfreien Tag, den Sonntag, einschließen. Bezahlt wird dabei gerade einmal der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn. Der liegt im Moment bei etwa 120 US-Dollar im Monat – was bei weitem zu wenig ist, um eine Familie auch nur mit dem Notwendigsten zu versorgen.
hire and fire
Die Anstellungsverhältnisse sind unsicher. Immer mehr ArbeiterInnen sind nicht fest beim Betrieb angestellt, sondern arbeiten über Leihfirmen und mit Zeitarbeitsverträgen. Dies ermöglicht es beispielsweise, Sozialversicherungspflichten oder Verpflichtungen zu Lohnfortzahlungen bei Kündigung zu umgehen. Auch das 13. Monatsgehalt wird auf diese Weise eingespart. Die Beschäftigung über Kurzzeitverträge ermöglicht es den Unternehmern auch, ausschließlich nach dem aktuellen Bedarf und den gerade anfallenden Arbeiten einzustellen und zu entlassen. Zudem werden Zeit-, beziehungsweise Leiharbeits-“verträge” oft nur mündlich geschlossen. Entsprechend erschwert ist der Gang vor ein Arbeitsgericht, um vorenthaltene Rechte einzuklagen. Die mit den kurzfristigen Verträgen und der großen Arbeitsplatzunsicherheit verbundene hohe Rotationsrate unter den ArbeiterInnen macht zudem eine gewerkschaftliche Organisierung schwierig. Ein ausgesprochen positiver Effekt aus Sicht der Unternehmer, die alles daransetzen, eine unabhängige Organisierung in ihrem Betrieb zu vermeiden. Dabei reicht die Palette von Repressionen über Prämien für Wohlverhalten bis hin zu Entlassungen. Ausnahmen gibt es lediglich dort, wo eine arbeitgeberfreundliche Betriebsgewerkschaft existiert, auch wenn in Kolumbien das Grundrecht auf freie Organisierung und gewerkschaftliche Betätigung gesetzlich garantiert ist.
Ein weiteres großes Problemfeld ist der permanente und intensive Pestizideinsatz im Blumenanbau – 120 bis 230 kg Pestizid-Wirkstoff, so Schätzungen, werden pro Jahr und Hektar auf den Plantagen ausgebracht, etwa das Doppelte der holländischen Mengen. Der Blumenanbau erfordert im Schnitt 14 verschiedene manuelle Arbeitsschritte, bei denen die Pflanzen direkt angefaßt und berührt werden – mehr als in allen anderen landwirtschaftlichen Produktionsbereichen. Mangelhafte Arbeits- und Schutzkleidung, die Nichteinhaltung von Wiederbetretungsfristen nach Ausbringung von Schädlingsbekämpfungsmitteln, unterlassene Ausbildung der ArbeiterInnen, mangelnde hygienische Einrichtungen… all das heißt, jeden Tag aufs Neue die Gesundheit zu gefährden und zu ruinieren. Vergiftungserscheinungen wie Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit, Hautausschläge und Allergien sind alltäglich und “nur” die “leichteren” Gesundheitsschäden. Arbeitsunfälle mit Todesfolge kommen immer wieder vor.
Ein erhebliches Problem für die Gemeinden der Sabana ist der Wasserverbrauch der Blumenplantagen, die oftmals direkt bis an die Häuser der Ortschaften heranreichen oder sie teilweise vollständig einschließen. Drei Viertel des gesamten Wasserverbrauchs in den Hauptanbaugebieten gehen auf das Konto der Blumenunternehmen. Der Grundwasserspiegel fällt jährlich um ca. 3,5 bis 5 Meter. Infolgedessen sind Trinkwasserprobleme inzwischen weit verbreitet. Viele Gemeinden haben nur noch stundenweise am Tag Wasser – sofern sie es sich überhaupt leisten können, immer tiefere Brunnenbohrungen vorzunehmen. Wer das nicht kann, muß eben das noch vorhandene Oberflächenwasser nutzen – oft genug eine schillernde Brühe zweifelhafter Qualität.
Der Blumenboykott
Die vielen Berichte über diese Lebens- und Arbeitsverhältnisse führten dazu, daß im Frühjahr 1991 in der Schweiz, in Österreich und der Bundesrepublik verschiedene Organisationen und Hilfswerke mit einer Informations- und Öffentlichkeitskampagne begannen. Diese war verbunden mit dem Versuch, in einem konstruktiven Dialog mit den verschiedenen Verantwortlichen eine Verbesserung der Situation der ArbeiterInnen zu erreichen. Sie stießen dabei nicht nur auf taube Ohren: der Verband der deutschen Blumenimporteure BGI kündigte schließlich im Frühjahr vergangenen Jahres an, eine ‘Colombian Clean Flower Declaration’, wie sie zunächst hieß, zusammen mit den kolumbianischen Exporteuren verabschieden zu wollen, die die Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen in Kolumbien innerhalb der Bereiche Arbeitsrecht, Sozialbestimmungen, Umweltschutz und Einsatz von Pestiziden garantieren sollte. Die Organisationen der deutschen Blumen-Kampagne begrüßten diesen Schritt, bedeutete er doch eine indirekte Anerkennung der immer wieder geäußerten Kritik an den Zuständen in der kolumbianischen Blumenindustrie auch durch die Unternehmer. Und könnte tatsächlich durchgesetzt werden, daß die gesetzlichen Vorschriften eingehalten würden, wäre dies in einem Land wie Kolumbien, in dem massive Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind, doch schon ein erster Erfolg, auch wenn die Blumen damit noch lang nicht ‘sauber’ sind und ein wirkliches ‘Güte’-Siegel sicher mehr erfüllen muß als die Einhaltung der nationalen Gesetzgebung.
Ob mit dem jetzt in Frankfurt vorgestellten Siegel tatsächlich Verbesserungen erreicht werden können, bleibt abzuwarten und muß bislang noch mit einiger Skepsis betrachtet werden. Das Abkommen zwischen BGI und Asocolflores sieht vor, daß die kolumbianischen Betriebe, die das Siegel benutzen wollen, sich zunächst kontrollieren lassen müssen. Fällt diese Kontrolle zufriedenstellend aus, werden die Unternehmen auf eine ‘Weiße Liste’ gesetzt und erhalten das Recht, ein Emblem auf ihren Verkaufskartons zu führen. Bisher liegen für das Siegel des ‘Colombia Flower Council, Germany’ allerdings lediglich Richtlinien für den biologisch-ökologischen Bereich vor, mit denen der Pestizideinsatz gesenkt, die Handhabung der Agrochemikalien ungefährlicher gemacht und die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften und Wiederbetretungsfristen erreicht werden sollen. Dazu, wie die schwierigen Bereiche des Sozial- und Arbeitsrechts in das Siegel eingebunden werden können, was von diesen Bereichen sinnvollerweise wie kontrolliert und von wem überprüft werden soll, gibt es bislang allerdings keine genaue Vorstellung, obwohl kolumbianische und deutsche Gruppen immer wieder Vorschläge hierzu gemacht haben.
Die deutschen Unternehmer möchten mit dem Siegel schnell auf den Markt kommen, möglichst schon Anfang nächsten Jahres. In Frankfurt kündigten sie an, daß schon im Oktober die ersten Betriebe dazu ‘gecheckt’ werden sollten – aufgrund der geschilderten Situation bislang nur für den biologischen Bereich. Wie die fehlenden Aspekte so schnell integriert werden können, so daß der ins Auge gefaßte Zeitplan eingehalten werden kann, ist unklar. Reine ‘Öko-Blumen’ aber aus Betrieben, die nicht bereit sind, Gewerkschaften zuzulassen und ihren sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, können keinesfalls das Ziel der Bemühungen sein.
Für die deutsche Blumenkampagne gibt es einige weitere zentrale Punkte, die bei der Einführung eines Blumensiegels grundlegend sind: 1. Eine Trennung zwischen Umwelt- und sozialen Rechten oder auch eine Vernachlässigung letzterer ist nicht durchführbar. Wie soll beispielsweise gewährleistet werden, daß die Vorschriften eingehalten und Sicherheitsvorkehrungen bei der Handhabe von Pestiziden beachtet werden? Oder die Arbeitskleidung komplett und funktionstüchtig ist? Wer könnte den Arbeitsalltag in den Betrieben besser und kompetenter kontrollieren als die Arbeiter und Arbeiterinnen, die dort beschäftigt sind? Wie aber sollen sie dies tun und sich auch äußern können, wenn grundlegende soziale Rechte wie das Recht auf Koalitionsfreiheit nach wie vor mißachtet werden? Voraussetzung ist, daß es den ArbeiterInnen möglich ist, ihre eigenen unabhängigen Gewerkschaften aufzubauen, und zwar ohne damit ihre Entlassung zu riskieren oder Repressalien im Betrieb fürchten zu müssen.
2. Den Berichten und Beschwerden der ArbeiterInnen muß ein besonderes Gewicht eingeräumt werden – und hierzu ist mehr notwendig als die Möglichkeit, sich bei den Betriebsbesichtigungen an eine Kontrollkommission zu wenden, die möglicherweise einmal pro Jahr im Unternehmen vorstellig wird. Es muß eine dauerhafte neutrale Möglichkeit für die ArbeiterInnen geben, sich zu ihren Arbeitsbedingungen zu äußern, ohne daß sie negative Folgen für sich befürchten müssen. Gleichzeitig muß ein Modus gefunden werden, der gewährleistet, daß den Beschwerden der ArbeiterInnen über die Situation in ihren Betrieben auch nachgegangen wird.
3. Für eine Glaubwürdigkeit des Siegels muß auch die Unabhängigkeit der Kommission garantiert sein, die die Einführung und Einhaltung des Siegels und der Deklaration in den Betrieben kontrollieren soll. Bisher ist vorgesehen, daß über die Besetzung der Kontrollkommission nur von Unternehmerseite entschieden werden soll, während andere beteiligte Gruppen keinerlei Mitspracherecht haben. Die Gefahr einer reinen Eigenkontrolle durch eine Kommission, die größtenteils den Wünschen der Unternehmer entspricht, liegt so auf der Hand. Die kolumbianischen Unternehmer haben es bisher immer wieder abgelehnt, sich mit kolumbianischen Gruppen, den ArbeiterInnen und selbst mit WissenschaftlerInnen der staatlichen Nationaluniversität von Bogotá zusammenzusetzen, die an einem interdisziplinären Forschungsprojekt zur Blumenindustrie arbeiten. Eine auch für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Unabhängigkeit der Kommission, die das Vertrauen aller am Konflikt beteiligten Gruppen genießt, ist jedoch unabdingbare Voraussetzung dafür, daß das Siegel auch glaubwürdig ist. Nicht zuletzt für die hiesigen VerbraucherInnen, die schließlich die kontrollierten Blumen auch kaufen sollen.
4. Ein weiterer kritischer Bereich ist die Check- oder Kontrolliste, anhand derer die Betriebe in Kolumbien überprüft werden sollen. Auch hier liegt ein Konzept für den arbeits- und sozialrechtlichen Bereich nach Aussagen der deutschen Blumenimporteure noch nicht vor, obwohl es in Kolumbien an kompetenten Personen nicht mangelt, auf die bei ihrer Erstellung zurückgegriffen werden könnte.
Alle vorgenannten Punkte müssen zunächst einmal in zufriedenstellender und für alle Seiten überzeugender Weise gelöst sein, damit das in Frankfurt vorgestellte Siegel zu einem Instrument werden kann, mit dem eine Verbesserung der Situation für die kolumbianischen BlumenarbeiterInnen erreicht werden kann.
Unterschrieben –
aber auch umgesetzt?
Doch zunächst einmal ist das geschlossene Abkommen ein Vertrag zwischen zwei Verbänden, das für sich genommen noch keinerlei Auswirkungen und Verpflichtungen für die, den Verbänden angeschlossenen Betriebe mit sich bringt. Das heißt, in Kolumbien muß sich nach der Unterschrift von Asocolflores noch kein einziges Unternehmen in Zukunft kontrollieren lassen, so lange nicht die Besitzer selbst noch einmal der Deklaration beitreten. Daß die Unternehmer nicht gerade euphorisch reagierten, kann daran abgelesen werden, daß bislang nur sechs oder sieben der über 400 kolumbianischen Blumenbetriebe ein Interesse an dem Siegel gezeigt haben. Und selbst für den eher unwahrscheinlichen Fall, daß alle Mitgliedsbetriebe Asocolflores’ sich dem Abkommen anschließen, sind die Blumenbetriebe Kolumbiens noch nicht vollständig erfaßt. ‘Interessant’ ist das Abkommen ohnehin zunächst nur für diejenigen Betriebe, die in die Bundesrepublik exportieren. Wenn der deutsche Einzelhandel sich aber verpflichten würde, nur noch Blumen von Betrieben der ‘Siegelliste’ zu vermarkten und zu verkaufen, wäre es ein Instrumentarium , das die kolumbianischen Unternehmer dazu bewegen könnte, dem Abkommen beizutreten.
Der deutsche Blumenimporteursverband (BGI) hat in Frankfurt angekündigt, in einem nächsten Schritt seinen Mitgliedern eine entsprechende Empfehlung geben zu wollen und fügte hinzu, der deutsche Floristenverband habe das Abkommen bereits begrüßt. Eine Möglichkeit, die Einzelhändler über eine eigene freiwillige Entscheidung hinaus zu einer Unterstützung des Siegels zu bewegen, hat der BGI allerdings nicht. Kommen vom hiesigen oder anderen Märkten nicht entsprechende ‘Anreize’, wird sich wohl kaum ein Unternehmer finden, der freiwillig und ohne damit verbundene Vorteile eine Umstrukturierung seines Betriebes vornehmen wird.
Natürlich sind hiermit noch längst nicht alle Verantwortlichen erfaßt, die – nicht nur im Falle der Blumen – in der Verpflichtung stehen, wenn es um die Durchsetzung menschenrechtlicher Mindeststandards und sozialer Grundrechte geht: der kolumbianische Staat, weit entfernt davon, alles ihm Mögliche zur Durchsetzung und Garantie der Menschenrechte zu tun und seine Kontrollpflichten wahrzunehmen, die (deutsche) chemische Industrie, die alljährlich Riesengeschäfte mit dem Export hochgiftiger Pestizide macht, die deutsche Regierung, gerade jetzt in der EU-Präsidentschaft mit einer ‘besonderen’ Chance zum Handeln, nationale wie internationale Verbände und Regierungen… Auch die deutschen KonsumentInnen werden es mit ihrer eigenen Verantwortung nicht dabei bewenden lassen können, sich mit ‘kontrollierten’ und ‘besiegelten’ Blumen ein reines Gewissen zu (er)kaufen. Bis zu einer echten ‘Sozio-Öko-Blume’ ist es noch ein weiter Weg.
Eine Materialliste zum Thema ‘Blumen’ ist erhältlich bei: FIAN, Overwegstr. 31, 44625 Herne.