Kolumbien | Nummer 245 - November 1994

Alles paletti

Gütesiegel für kolumbianische Blumen

Seit der diesjährigen internationalen Fachmesse für Gartenbau ‘Plantec’ ist es offiziell: auch für kolumbianische Blumen soll es demnächst ein Siegel geben, das ihnen bescheinigt, ‘kontrolliert’ worden zu sein, bevor sie ihre Reise in die deutschen Blumengeschäfte antreten. Zur Unterzeichnung eines entsprechen­den Kooperationsvertrages mit dem Verband der ko­lumbianischen Blumenex­porteure “Asocolflores” lud der deutsche Blumengroß- und Importhandelsver­band (BGI) am 30. September 1994 an seinen Frankfurter Messestand. Geladen waren nicht nur die BesucherInnen und AusstellerInnen der Plantec: auch der kolumbianische Botschafter in der Bundesrepublik, Dr. Ricardo Sala Gaitan, und der deutsche Landwirtschaftsminister Klaus Borchert machten einen Ab­stecher in die Messehallen, um dem Ereignis beizuwohnen. Mit dem Blumen­siegel soll ein hohes Ziel in Angriff genommen werden: die Garantie von Gesetz­mäßigkeit und Kontrolle in denjenigen kolumbianischen Blumen­betrieben, die ihre Waren in die Bundesrepublik exportieren.

Andrea Quenter

Bis zum Vertragsabschluß war es ein weiter Weg: der BGI hatte ein ‘Gütesiegel für kolumbianische Blumen’ schon zum Muttertag 1993 angekün­digt. Allerdings erwiesen sich die weiteren Schritte – allen voran das Einver­ständnis der kolumbiani­schen Exporteure – schwieriger als ge­dacht, so daß noch einige Zeit verging, bis endlich zu­mindest das grundlegende Ver­tragswerk der Öffent­lichkeit vorgestellt werden konnte. Nach den bisherigen in­haltlichen Ausführungen bleibt jedoch Skepsis angebracht, ob sich damit die Verhältnisse auf den Blu­menplantagen tatsächlich verbessern. Die kolumbiani­sche Blumenindustrie, welt­weit zweit­größter Schnitt­blumenexporteur, hat auf­grund der Produktions- und Arbeitsbedin­gungen in ihren Betrieben in den letzten Jahren vor allem in Europa zunehmend Negativschlagzei­len gemacht. Eine allzu kri­tische Presse und Öffent­lichkeit, dazu Debatten bis ins Europaparlament hinein sind nicht gut für einen Bereich, in dem täglich neue Anbieter auf den interna­tionalen Markt drängen.
Alter Hase im Blumengeschäft
Für Kolumbien sind Blumen ein wichtiges Geschäft: schon in den 60er Jahren wur­den die ersten Betriebe in der Hochebene rund um die Hauptstadt Bogotá ge­gründet. Die Sabana de Bo­gotá bot günstigste Voraus­setzungen für den Blumen­anbau, die diesem Wirt­schaftszweig schon bald traumhafte jährliche Zu­wachsraten be­scherten: ein hervorragendes Klima mit hoher Sonneneinstrahlung, fruchtbarer Boden zu gün­stigen Preisen, ausreichend Wasser, eine gute und schnelle Anbindung an den Flughafen von Bogotá, nur wenige Stunden entfernt vom Importmarkt der USA, Miami. Und nicht zuletzt gab es ausreichend billige Arbeits­kräfte, deren Entlohnung um ein vielfaches niedriger lag als in den industrialisierten Ländern: Betrug der durch­schnittliche Tageslohn im landwirtschaftlichen Bereich der USA 1966 18 US-Dollar und 1970 21,25 US-Dollar, waren es in Kolumbien gleichblei­bend nur ganze 82 Cent, die ein/e Blumenar­beiterIn im Durchschnitt pro Tag verdiente.
Heute sind Blumen das drittwichtigste landwirt­schaftliche Exportprodukt Kolum­biens nach Kaffee und Bananen, mit dem immerhin noch 4 – 5 Prozent des Ge­samt­exportvolumens des Landes erwirtschaftet wer­den. Im letzten Jahr wurden über 130.000 Tonnen Blumen im Gesamtwert von über 380 Millionen US-Dollar expor­tiert. Etwa drei Viertel des Exports gehen in die USA, jedoch kommt auch den Märkten Westeuropas eine wichtige Rolle bei der Ver­marktung inmitten einer im­mer größer werdenden Kon­kurrenz von ande­ren ‘Drittweltlän­dern’ zu.
Steigender Konkurrenzdruck – Suche nach der Nische
Trotz Wirtschaftskrise und Rezession sind die hiesigen Märkte noch ausbaufähig, und Blumen werden immer gekauft. Spitzen­reiter im Konsum ist die Bundesrepu­blik, in die Kolumbien bisher nur etwa ein Viertel seiner EU-Exporte liefert. Das ent­spricht jedoch nur zwei Prozent des jährlichen deut­schen Blumen­umsatzes. Mög­lich ist da noch viel: nir­gends sonst wird pro Kopf so viel Geld für Blumen ausgegeben wie in Deutsch­land, dem weltweit größten Importmarkt für Schnittblu­men mit einem Jahresumsatz von 8 Milliarden Mark. Etwa 80 Prozent der Blumen sind Importware. Diese wird zwar zum größten Teil aus Holland eingeführt, aber es bleibt immer noch ge­nügend Spiel für Zuwachsraten anderer Produzentenländer wie etwa Kolumbien. Zudem ist der Export nach Europa vor al­lem im hiesigen kalten Winter ein wichti­ges Geschäft, wenn auch die beste Heiz­anlage in niederländischen Gewächshäu­sern nicht mehr das rechte Resultat bringt und umsatz­starke Feiertage wie Weih­nachten, Silvester, Valen­tins- und Mut­tertag ins Haus stehen.
Auch die anderen westeuro­päischen Län­der sind wich­tige Exportmärkte: In den englischen Handel geht etwa die Hälfte der EU-Trans­porte, den Rest teilen sich die übrigen Mitgliedsländer. Nimmt man die Fast- und -Im­mer-noch-nicht-EU-Staaten Norwegen, Schweden, Öster­reich oder die Schweiz hinzu, werden insgesamt etwa 20 Prozent der gesamten ko­lumbianischen Blumenproduk­tion in die EU impor­tiert. Zudem können Blumen seit dem 1990 im Rahmen der ‘internationalen Drogenbekämpfung’ geschlos­senen Zoll­präferenzabkommen mit den Andenlän­dern (Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru) zollfrei in die EU einge­führt wer­den. Die Ver­längerung dieses bis Ende 1994 befristeten Abkommens um weitere 10 Jahre wird gerade in den Gre­mien der Europäischen Union innerhalb des Allge­meinen Zollpräfe­renzsystems diskutiert.
Blühende Landschaften – ausgelaugte Menschen
Gerade in Westeuropa je­doch, und hier vor allem in der Bundesrepublik, Öster­reich und der Schweiz, nah­men in den letzten Jahren die Stimmen derer zu, die die Produktionsbedingungen auf den Blumenplantagen und die Lebens- und Arbeitsbe­dingungen der Blumenarbei­terInnen kritisieren und ih­ren Klagen über die zahl­reichen Verletzungen mini­malster Grundrechte auch in den Verkaufsländern öffent­liches Gehör verschaffen. In Ko­lumbien arbeiten heute etwa 80.000 Men­schen, in der Mehrzahl Frauen, direkt in der Blumenindustrie. Weitere 50 – 60.000 sind in ange­gliederten Produktionszwei­gen beschäftigt, in der Zu­lieferung, dem Transport, der Herstellung von Ver­packungsmaterial und Pla­stikplanen usw. 600.000 Per­sonen sind, so die Schät­zungen, insgesamt von der Arbeit auf den Blumenplan­tagen abhängig. Der Preis, den sie und vor allem die Arbeiter und Arbeiterinnen bezahlen, ist hoch: Der Ar­beitsalltag ist lang mit nur kurzen Pausen, um sich von den körperlichen Strapazen stundenlangen Stehens oder Arbeitens in der Hocke und auf den Knien zu ‘erholen’. Kommen längere Anfahrwege hinzu, sind die Frauen und Männer schon an norma­len Arbeitstagen häufig 12 Stunden und länger außer Haus. Vor allem zur Haupterntezeit, die im Ok­tober beginnt, kommen Über­stunden hinzu, die die ge­setzlich erlaubten Maximal­zeiten oft weit überschrei­ten und häufig auch noch den einzigen arbeitsfreien Tag, den Sonntag, ein­schließen. Bezahlt wird dabei gerade einmal der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn. Der liegt im Moment bei etwa 120 US-Dollar im Monat – was bei weitem zu wenig ist, um eine Familie auch nur mit dem Notwendigsten zu ver­sorgen.
hire and fire
Die Anstellungsverhältnisse sind unsicher. Immer mehr ArbeiterInnen sind nicht fest beim Betrieb ange­stellt, sondern arbeiten über Leihfirmen und mit Zeitarbeitsver­trägen. Dies ermöglicht es beispielsweise, Sozialversicherungspflichten oder Ver­pflichtungen zu Lohnfortzahlungen bei Kün­digung zu umgehen. Auch das 13. Monatsgehalt wird auf diese Weise einge­spart. Die Beschäftigung über Kurzzeit­verträge ermöglicht es den Unternehmern auch, aus­schließlich nach dem aktuel­len Bedarf und den gerade anfallenden Ar­beiten einzu­stellen und zu entlassen. Zu­dem werden Zeit-, bezie­hungsweise Leih­arbeits-“verträge” oft nur mündlich ge­schlossen. Entspre­chend er­schwert ist der Gang vor ein Ar­beitsgericht, um vor­enthaltene Rechte einzukla­gen. Die mit den kurzfristi­gen Verträgen und der großen Arbeitsplatzunsi­cherheit verbun­dene hohe Rotationsrate unter den Arbei­terInnen macht zudem eine gewerkschaft­liche Or­ganisierung schwierig. Ein ausge­sprochen positiver Effekt aus Sicht der Un­ternehmer, die alles daran­setzen, eine un­abhängige Organisierung in ihrem Be­trieb zu vermeiden. Dabei reicht die Pa­lette von Re­pressionen über Prämien für Wohlverhalten bis hin zu Entlassungen. Ausnahmen gibt es lediglich dort, wo eine arbeitgeberfreundliche Be­triebsgewerk­schaft existiert, auch wenn in Kolumbien das Grundrecht auf freie Organi­sierung und gewerkschaftli­che Be­tätigung gesetz­lich garantiert ist.
Ein weiteres großes Pro­blemfeld ist der permanente und intensive Pestizidein­satz im Blumenanbau – 120 bis 230 kg Pesti­zid-Wirk­stoff, so Schätzungen, wer­den pro Jahr und Hektar auf den Plantagen aus­gebracht, etwa das Doppelte der hol­ländischen Mengen. Der Blu­menanbau er­fordert im Schnitt 14 verschiedene ma­nuelle Arbeitsschritte, bei denen die Pflan­zen direkt angefaßt und berührt wer­den – mehr als in allen anderen landwirt­schaft­lichen Produk­tionsbereichen. Man­gelhafte Arbeits- und Schutzkleidung, die Nicht­ein­hal­tung von Wiederbetretungsfri­sten nach Ausbringung von Schädlings­be­kämpf­ungsmitteln, unter­lassene Ausbil­dung der Ar­beiterInnen, mangelnde hygieni­sche Einrichtungen… all das heißt, jeden Tag aufs Neue die Gesundheit zu gefährden und zu ruinieren. Vergif­tungs­erscheinungen wie Schwindel, Kopf­schmer­zen, Übelkeit, Hautausschläge und Aller­gien sind alltäglich und “nur” die “leichteren” Ge­sundheitsschäden. Ar­beits­unfälle mit Todesfolge kommen im­mer wieder vor.
Ein erhebliches Problem für die Gemein­den der Sabana ist der Wasserverbrauch der Blumenplantagen, die oftmals direkt bis an die Häuser der Ortschaften heran­reichen oder sie teilweise vollstän­dig ein­schließen. Drei Vier­tel des gesamten Wasser­verbrauchs in den Hauptan­bau­gebieten gehen auf das Konto der Blumen­unterneh­men. Der Grundwasser­spiegel fällt jährlich um ca. 3,5 bis 5 Me­ter. Infolgedessen sind Trinkwasserpro­bleme inzwi­schen weit verbreitet. Viele Ge­meinden haben nur noch stundenweise am Tag Wasser – sofern sie es sich über­haupt leisten können, immer tiefere Brunnen­bohrungen vorzunehmen. Wer das nicht kann, muß eben das noch vor­handene Oberflächenwas­ser nutzen – oft genug eine schillernde Brühe zweifel­hafter Qua­lität.
Der Blumenboykott
Die vielen Berichte über diese Lebens- und Arbeits­verhältnisse führten dazu, daß im Frühjahr 1991 in der Schweiz, in Österreich und der Bundesrepublik ver­schiedene Organisationen und Hilfswerke mit einer Infor­mations- und Öffentlich­keitskampagne begannen. Diese war ver­bunden mit dem Versuch, in einem konstruk­tiven Dialog mit den ver­schiedenen Verantwortlichen eine Verbes­serung der Si­tuation der ArbeiterInnen zu erreichen. Sie stießen dabei nicht nur auf taube Ohren: der Verband der deutschen Blumenimporteure BGI kün­digte schließ­lich im Frühjahr vergangenen Jahres an, eine ‘Colombian Clean Flower De­claration’, wie sie zunächst hieß, zusam­men mit den ko­lumbianischen Exporteu­ren verabschieden zu wollen, die die Ein­haltung der gesetzli­chen Grundlagen in Kolumbien innerhalb der Bereiche Ar­beitsrecht, Sozialbestim­mungen, Umwelt­schutz und Einsatz von Pestiziden ga­rantieren sollte. Die Organi­sationen der deutschen Blu­men-Kampagne begrüßten die­sen Schritt, bedeutete er doch eine indi­rekte Aner­kennung der immer wieder ge­äußerten Kritik an den Zu­ständen in der kolumbiani­schen Blumenindustrie auch durch die Unternehmer. Und könnte tatsächlich durchge­setzt werden, daß die ge­setzlichen Vorschriften eingehalten würden, wäre dies in einem Land wie Ko­lumbien, in dem massive Men­schenrechtsverletzungen an der Tagesord­nung sind, doch schon ein erster Erfolg, auch wenn die Blumen damit noch lang nicht ‘sauber’ sind und ein wirkliches ‘Güte’-Siegel sicher mehr erfüllen muß als die Einhaltung der nationalen Gesetzge­bung.
Ob mit dem jetzt in Frank­furt vorgestell­ten Siegel tatsächlich Verbesserungen er­reicht werden können, bleibt abzuwarten und muß bislang noch mit einiger Skepsis betrachtet werden. Das Abkommen zwi­schen BGI und Asocolflores sieht vor, daß die kolumbianischen Betriebe, die das Siegel benutzen wollen, sich zunächst kontrollieren las­sen müssen. Fällt diese Kontrolle zufriedenstellend aus, werden die Unternehmen auf eine ‘Weiße Liste’ ge­setzt und erhalten das Recht, ein Em­blem auf ihren Verkaufskartons zu führen. Bisher liegen für das Siegel des ‘Colombia Flower Council, Germany’ allerdings le­diglich Richtlinien für den biolo­gisch-ökologischen Bereich vor, mit denen der Pesti­zideinsatz gesenkt, die Handhabung der Agrochemika­lien ungefährlicher ge­macht und die Einhaltung der Si­cherheitsvorschriften und Wiederbetre­tungsfristen er­reicht werden sollen. Dazu, wie die schwierigen Bereiche des Sozial- und Arbeits­rechts in das Siegel einge­bunden werden können, was von diesen Bereichen sinn­vollerweise wie kontrolliert und von wem überprüft wer­den soll, gibt es bislang al­lerdings keine genaue Vor­stellung, obwohl kolumbiani­sche und deutsche Gruppen immer wieder Vor­schläge hierzu gemacht haben.
Die deutschen Unternehmer möchten mit dem Siegel schnell auf den Markt kom­men, möglichst schon Anfang nächsten Jahres. In Frank­furt kündigten sie an, daß schon im Oktober die ersten Betriebe dazu ‘gecheckt’ werden sollten – aufgrund der geschilderten Situation bislang nur für den biologi­schen Bereich. Wie die feh­lenden Aspekte so schnell integriert werden kön­nen, so daß der ins Auge gefaßte Zeitplan eingehalten werden kann, ist unklar. Reine ‘Öko-Blumen’ aber aus Betrieben, die nicht bereit sind, Ge­werkschaften zuzulas­sen und ihren sozial- und arbeits­rechtlichen Verpflichtungen nachzukom­men, können kei­nesfalls das Ziel der Be­mühungen sein.
Für die deutsche Blumen­kampagne gibt es einige weitere zentrale Punkte, die bei der Einführung eines Blumensiegels grundle­gend sind: 1. Eine Trennung zwi­schen Umwelt- und sozialen Rechten oder auch eine Vernachlässigung letzterer ist nicht durchführbar. Wie soll beispielsweise gewähr­leistet werden, daß die Vor­schriften eingehalten und Sicherheitsvor­kehrungen bei der Handhabe von Pestizi­den beachtet werden? Oder die Arbeits­kleidung komplett und funktionstüchtig ist? Wer könnte den Arbeitsalltag in den Betrieben besser und kompetenter kon­trollieren als die Arbeiter und Arbei­terinnen, die dort beschäf­tigt sind? Wie aber sollen sie dies tun und sich auch äu­ßern können, wenn grund­legende soziale Rechte wie das Recht auf Koalitions­freiheit nach wie vor miß­achtet werden? Vorausset­zung ist, daß es den Arbei­terInnen möglich ist, ihre eigenen unab­hängigen Ge­werkschaften aufzubauen, und zwar ohne damit ihre Entlas­sung zu riskieren oder Repressalien im Betrieb fürchten zu müssen.
2. Den Berichten und Be­schwerden der ArbeiterInnen muß ein besonderes Ge­wicht eingeräumt werden – und hierzu ist mehr notwendig als die Möglich­keit, sich bei den Be­triebsbesichtigungen an eine Kontroll­kommission zu wen­den, die möglicher­weise ein­mal pro Jahr im Un­ternehmen vorstellig wird. Es muß eine dauerhafte neutrale Mög­lichkeit für die ArbeiterIn­nen geben, sich zu ihren Ar­beitsbedingungen zu äu­ßern, ohne daß sie negative Folgen für sich befürchten müs­sen. Gleichzeitig muß ein Modus gefun­den werden, der gewährleistet, daß den Be­schwerden der ArbeiterInnen über die Situation in ihren Betrieben auch nachge­gangen wird.
3. Für eine Glaubwürdigkeit des Siegels muß auch die Unabhängigkeit der Kommis­sion garantiert sein, die die Ein­führung und Einhaltung des Siegels und der Dekla­ration in den Betrieben kontrol­lieren soll. Bisher ist vorgesehen, daß über die Besetzung der Kontrollkom­mission nur von Unterneh­merseite entschieden werden soll, während andere betei­ligte Gruppen keinerlei Mit­spracherecht haben. Die Ge­fahr einer reinen Eigenkon­trolle durch eine Kommis­sion, die größtenteils den Wünschen der Unternehmer ent­spricht, liegt so auf der Hand. Die kolum­bianischen Unternehmer haben es bisher immer wieder abgelehnt, sich mit kolum­bianischen Gruppen, den ArbeiterInnen und selbst mit WissenschaftlerInnen der staatlichen Nationaluniver­sität von Bogotá zusammen­zusetzen, die an einem in­terdisziplinären For­schungsprojekt zur Blumen­industrie arbeiten. Eine auch für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Unabhän­gigkeit der Kommission, die das Vertrauen aller am Konflikt beteiligten Gruppen genießt, ist jedoch unab­dingbare Voraussetzung da­für, daß das Siegel auch glaubwürdig ist. Nicht zu­letzt für die hie­sigen Ver­braucherInnen, die schließ­lich die kontrollierten Blu­men auch kaufen sollen.
4. Ein weiterer kritischer Bereich ist die Check- oder Kontrolliste, anhand derer die Betriebe in Kolumbien überprüft werden sollen. Auch hier liegt ein Konzept für den arbeits- und sozi­alrechtlichen Bereich nach Aussagen der deutschen Blu­menimporteure noch nicht vor, obwohl es in Kolumbien an kompetenten Personen nicht mangelt, auf die bei ihrer Erstellung zurückge­griffen werden könnte.
Alle vorgenannten Punkte müssen zunächst einmal in zufriedenstellender und für alle Seiten überzeugender Weise gelöst sein, damit das in Frankfurt vorge­stellte Siegel zu einem Instrument werden kann, mit dem eine Verbesserung der Si­tuation für die kolumbianischen Blu­menarbeiterInnen erreicht werden kann.
Unterschrieben –
aber auch umgesetzt?
Doch zunächst einmal ist das geschlos­sene Abkommen ein Vertrag zwischen zwei Ver­bänden, das für sich genom­men noch keinerlei Auswir­kungen und Ver­pflichtungen für die, den Verbänden ange­schlossenen Betriebe mit sich bringt. Das heißt, in Kolumbien muß sich nach der Unterschrift von Asocolflo­res noch kein einziges Un­ternehmen in Zukunft kon­trollieren lassen, so lange nicht die Besit­zer selbst noch einmal der Deklaration beitreten. Daß die Unterneh­mer nicht ge­rade euphorisch reagierten, kann daran ab­gelesen werden, daß bislang nur sechs oder sieben der über 400 kolumbianischen Blumenbe­triebe ein Interesse an dem Sie­gel gezeigt haben. Und selbst für den eher unwahr­scheinlichen Fall, daß alle Mitgliedsbe­triebe Asocolflo­res’ sich dem Abkommen an­schließen, sind die Blumen­betriebe Kolumbiens noch nicht vollstän­dig erfaßt. ‘Interessant’ ist das Abkom­men ohnehin zunächst nur für diejenigen Be­triebe, die in die Bundesrepublik expor­tieren. Wenn der deutsche Einzelhandel sich aber ver­pflichten würde, nur noch Blumen von Betrieben der ‘Siegelliste’ zu vermarkten und zu verkaufen, wäre es ein Instrumen­tarium , das die kolumbiani­schen Unter­nehmer dazu bewegen könnte, dem Ab­kommen beizu­treten.
Der deutsche Blu­menimporteursverband (BGI) hat in Frankfurt angekün­digt, in ei­nem nächsten Schritt seinen Mitgliedern eine entspre­chende Empfeh­lung geben zu wollen und fügte hinzu, der deutsche Flo­ristenverband habe das Abkommen bereits begrüßt. Eine Möglichkeit, die Einzel­händler über eine eigene freiwillige Ent­scheidung hin­aus zu einer Unterstützung des Siegels zu bewe­gen, hat der BGI al­lerdings nicht. Kom­men vom hiesigen oder anderen Märkten nicht ent­sprechende ‘Anreize’, wird sich wohl kaum ein Unterneh­mer finden, der freiwillig und ohne damit verbundene Vorteile eine Umstrukturie­rung seines Betriebes vor­nehmen wird.
Natürlich sind hiermit noch längst nicht alle Verantwort­lichen erfaßt, die – nicht nur im Falle der Blumen – in der Verpflich­tung stehen, wenn es um die Durchsetzung menschenrecht­licher Min­deststandards und sozialer Grundrechte geht: der ko­lumbianische Staat, weit ent­fernt davon, alles ihm Mögliche zur Durchset­zung und Garantie der Men­schenrechte zu tun und seine Kontroll­pflichten wahrzunehmen, die (deutsche) chemische Industrie, die alljährlich Rie­sengeschäfte mit dem Ex­port hochgiftiger Pestizide macht, die deut­sche Regierung, gerade jetzt in der EU-Präsidentschaft mit einer ‘besonderen’ Chance zum Handeln, natio­nale wie inter­nationale Verbände und Regierungen… Auch die deutschen Konsu­mentInnen werden es mit ih­rer ei­genen Verantwor­tung nicht dabei bewen­den lassen können, sich mit ‘kontrollierten’ und ‘besiegelten’ Blumen ein reines Ge­wissen zu (er)kaufen. Bis zu einer echten ‘Sozio-Öko-Blume’ ist es noch ein weiter Weg.

Eine Materialliste zum Thema ‘Blumen’ ist erhältlich bei: FIAN, Overwegstr. 31, 44625 Herne.

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