Film | Nummer 404 - Februar 2008

Alte Liebe rostet nicht

Der argentinische Dokumentarfilm Café de los maestros ist eine Hommage an die lebenden Legenden des Tangos

Manuel Burkhardt

In wenigen Ländern ist ein Musikgenre so stark Teil der Nationalkultur wie der Tango in Argentinien. Tango ist weder nur ein Musikstil noch bloß ein Tanzrhythmus, sondern eine emotionale Substanz, ein eigenes kulturelles Universum, das am Rio de la Plata zu Hause ist. „Der Tango ist das Einzige, in dem wir nicht Europa um Rat fragen“, diese Definition des berühmten argentinischen Schriftstellers Macedonio Fernández bringt trotz des ihr innewohnenden Sarkasmus den argentinischen Stolz auf den Punkt. Obwohl natürlich auch in Argentinien längst andere, internationale Musik- und Tanzstile erfolgreich sind und der Tango kommerziell-touristisch ausgebeutet wird, ist er weiterhin das wichtigste einigende kulturelle Band verschiedener Generationen.
Der Dokumentarfilm Café de los maestros versammelt und erinnert an die größten noch lebenden Legenden der goldenen Epoche des Tangos, die 40er und 50er Jahre. Er ist der letzte Teil eines langjährigen Projekts des argentinischen Regisseurs und Psychoanalytikers Miguel Kohan, dessen Produktion der brasilianische Regisseur Walter Salles (Motorcycle Diaries) sowie der Musiker Gustavo Santaolalla übernommen haben. Erster Teil des Projekts war die Produktion einer Doppel-CD, die 2003 begann und 2004 veröffentlicht wurde. Dabei entstanden rund 158 Stunden Videomaterial, die die Grundlage für einen Fotoband (2005), und nun des Dokumentarfilms, bildeten. In einer eleganten Mischung verbinden sich die Musikaufnahmen zur CD und Interviews mit über 50 Jahre altem Archivmaterial. Es zeigt die inzwischen sehr gereiften KünstlerInnen – niemand ist jünger als 70, einige deutlich über 80 – als aufstrebende MusikerInnen und erinnert an das pulsierende kulturelle Leben in Buenos Aires und Montevideo der 40er Jahre. Krönender Höhe- und Schlusspunkt ist ein halbstündiger Zusammenschnitt des inzwischen legendären gemeinsamen Konzerts, das die insgesamt 18 portraitierten KünstlerInnen im August 2006 im berühmten Teatro Colón in Buenos Aires gaben.
Die Anlehnung an Buena Vista Social Club, das Film- und Plattenprojekt mit dem Wim Wenders und Ry Cooder 1999 die gealterten und teils vergessen Stars der kubanischen Musikszene (wieder) ins internationale Rampenlicht stellten, ist unübersehbar. Doch warum sollte ein Erfolgsrezept nicht wiederholt werden, vor allem wenn es sich um begeisternde Musik und charismatische Persönlichkeiten handelt? Dabei bietet der Film interessante, bisweilen intime Einblick in das Leben der Orchesterdirigenten, Instrumentalisten und GesangsinterpretInnen, deren Karrieren sehr unterschiedlich verlaufen sind. Einige konnten sich bis heute an der Spitze halten und sind international erfolgreich, andere musizierten in den letzten Jahren und Jahrzehnten nur noch zum Vergnügen, wieder andere verdienten sich bis zuletzt ihren Lebensunterhalt in kleinen Bars und Tanzlokalen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie in Würde gealtert sind und nie die Liebe zum Tango verlorenen haben, was sich in den großartigen, teils sehr bewegenden musikalischen Darbietungen widerspiegelt. Bleibt zu hoffen, dass ihnen Café de los maestros zumindest ansatzweise zu dem internationalen Erfolg und Bekanntheitsgrad verhelfen kann wie es ihren kubanischen KollegInnen mit Buena Vista Social Club gelang.

Cafe de los maestros, Regie: Miguel Kohan,
Argentinien 2007, 84 Minuten, läuft auf der Berlinale vom 7.-17. Februar im Forum-Programm

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