Gentechnik | Nummer 281 - November 1997

Arm bleibt Arm

Die Lösung des Hungerproblems steht nicht auf der Tagesordnung

In der öffentlichen Diskussion wird die Gentechnik oft als Wunderwaffe gegen den Hunger in der Welt dargestellt. Der altbekannte Mythos -Die Lösung des Welthungerprobiems heißt Produktionssteigerung dank modernster Technologie -wird heute wieder frisch heraus-geputzt.

Markus Heißler

Hunger und Unterernährung in Ländern der sogenannten Dritten Welt haben in erster Linie sozioökono- mische Gründe. Hauptursache bleibt die Armut, die Menschen den Zugang zu ausreichender Ernährung verwehrt und nicht etwa ein Nahrungsmitteldefizit. Hunger als weltweites Problem ist nach wie vor zunächst ein Problem ungleicher Einkommensverteilung. In den Ländern des Trikont kommen noch weitere Problemfelder hinzu: Die ungerechte Landverteilung und das Ausbleiben von Agrarreformen; die verfehlten Agrarpolitiken der Eliten; die ungerechten Handelsbeziehungen zwischen Nord und Süd; Land- vertreibungen durch Kriege und Bürgerkriege; die EU-Agrarpolitik und ihre subventionierten Agrarexporte in Entwicklungsländer.
Diese längst nicht ausreichende Aufzählung macht deutlich, wie komplex die Verursachungszusammenhänge sind. Zudem differieren sie noch stark, je nach Region und Land. Eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung des Hungers muß deshalb an sehr vielen Handlungsfeldern ansetzen. Eine rein technikorientierte Strategie, wie sie die Gentechniklobbyisten der Öffentlichkeit verkaufen, wird der Problemlage nicht gerecht.
Der bekannte Saatgutexperte Pat Mooney bringt die Problematik technikzentrierter Lösungsansätze auf den Punkt: ,,Jede neue Technologie verschärft in einer Gesellschaft, die nicht von Grund auf gerecht ist, die Ungleichheit zwischen Arm und Reich.”
Im Bericht des Bürosfür Technik- folgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag heißt es: ,,Aller Voraussicht nach werden die prognostizierten gentechnisch optimierten Pflanzen -mit überlegenem Ertrag, resistent gegen Krankheiten und Schädlinge, angepaßt an ungünstige Standorte und streßtolerant -die zur Bekämpfung des Hungers in der Welt beitragen sollen, noch jahrzehnte auf sich warten lassen, falls sie überhaupt realisiert werden können. … Die meisten der verbesserungswerten pflanzlichen Eigenschaften, wie Ertrag, Vegetationsdauer oder Fruchtbarkeit, werden multigen, das heißt von einer ganzen Reihe verschiedener Gene bestimmt, die nach heutigem Stand der (Gen-)Technik einer gezielten Veränderung nicht zugänglich sind.”
Gewinne sind das Ziel
Neben den erwähnten technischen Schwierigkeiten gibt es auch ökonomische Gründe, die es unwahr-scheinlich machen, daß den Bedürfnissen der Bauern entsprechend verbesserte Pflanzen auf den Markt kommen. Die angewandte gentechnische Forschung wird überwiegend privat finanziert (zu circa zwei Drittel), das heißt vor allem durch die multinationalen Chemie-und Pharmakonzerne. Durch den Aufkauf von Gentechnikfirmen, den Aufbau von eigenen Forschungszentren oder über Forschungskooperationen mit öffentlichen Instituten kontrollieren sie die gentechnische Forschung und können die Forschungsprioritäten definieren. Geforscht wird in erster Linie nach Produkten, bei denen hohe Profitraten zu er-warten sind. Diese können allerdings nur in der industriellen Landwirtschaft des Nordens und allen-falls in einigen Exportkulturen des Südens erwartet werden. Da die Konzerne auch weiterhin mit ihren Pestiziden und Tierarzneimitteln Gewinne erzielen wollen ist es durchaus fraglich, ob sie wirklich ein echtes Interesse z.B. an Züchtung und Einsatz von krankheitsresistenten Pflanzen haben.
Das nötige Wissen darüber, wie Hungerkrisen und chronische Unterernährung vermieden werden können, ist längst vorhanden. Der Beitrag der Gentechnik zur Lösung dieser Frage dürfte in absehbarer Zeit eher gering sein. Dem gegenüber stehen die sozio-ökonomischen sowie die hier nicht diskutierten agrarwissenschaftlichen und ökologischen Risiken der Gentechnik, die einer globalen nachhaltigen Entwicklung eher zuwiderlaufen.
Markus Heißler

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