Ecuador | Nummer 321 - März 2001

Bankensanierung mit dem Geld der Armen

Interview mit dem ecuadorianischen Wirtschaftswissenschaftler Alberto Acosta

Rolf Schröder

Auslöser der letzten sozialen Auseinandersetzungen in Ecuador war eine im Dezember von der Regierung diktierte Erhöhung der Gas- und Benzinpreise. Die LN sprachen mit dem ecuadorianischen Wirtschaftswissenschaftler Alberto Acosta über die Hintergründe der Krise. Acosta wird demnächst während einer Anhörung des Deutschen Bundestages über die Verschuldung in Lateinamerika sprechen.

Ecuador erlebt seit zwei Jahren eine soziale, wirtschaftliche und politische Dauerkrise. Wie ist es dazu gekommen?

Im Jahre 1999 ist das Bruttoinlandsprodukt um acht Prozent gefallen. Als Gründe lassen sich nennen: die Unwetterkatastrophe wegen des Klimaphänomens Niño, die Auswirkungen der asiatischen Wirtschaftskrise und der Fall der Ölpreise, der die ecuadorianischen Ölexporte dramatisch zurückgehen ließ. Wichtig sind aber auch interne Gründe: vor allem Korruption und permanente Regierungswechsel. In den letzten vier Jahren regierten fünf verschiedene Präsidenten das Land.

Als eine der Ursachen für den gegenwärtigen Konflikt gilt eine Bankenkrise. Die indigene Dachorganisation CONAIE fordert unter anderem die Konfiszierung des Besitzes korrupter Bankenbesitzer.

Der vor einem Jahr von der indigenen Bewegung gestürzte Präsident Jamil Mahuad ließ sich 1998 seinen Wahlkampf zum großen Teil von Banken
finanzieren. Der Bankensektor ist mit anderen Unternehmen verfilzt, insbesondere mit großen Zeitungsverlagen, Radio- oder Fernsehkanälen. Nach seiner Wahl beseitigte Mahuad eine Reihe von Kontrollmechanismen im Bankensektor. Die Banker konnten so ihren eigenen Unternehmen günstige Kredite verschaffen und Millionenbeträge in ihren Firmen oder im Ausland verschwinden lassen. Als ein Schlag ins Kontor erwies sich die Maßnahme der Mahuad-Regierung, die Einkommenssteuer abzuschaffen und stattdessen eine einprozentige Kapitalverkehrssteuer für jede Überweisung sowie für jede Ein- und Auszahlung von einem Konto zu erheben. Die Banken standen nun vor dem Bankrott, denn die Sparer begannen, ihre Guthaben abzuheben, zumal die Inflationsrate über den gezahlten Zinsen lag.

Wie viel Geld verloren die Sparer und wo ist es geblieben?

Wer nicht schnell genug sein Guthaben abhob, wurde betrogen. Denn der Sucre verlor in atemberaubender Geschwindigkeit an Wert. Ein Sparer, der Ende 1998 ein Guthaben in Sucres von umgerechnet 10.000 US-Dollar auf der Bank besaß, bekam ein Jahr später lediglich 2.000 US-Dollar zurück. Und es kam noch schlimmer: Um die Banken zu retten, fror die Regierung die verbliebenen Bankguthaben im Wert von 3,8 Milliarden US-Dollar Ende 1999 ein. Bis heute erhielten die Sparer erst etwas mehr als die Hälfte davon zurück. Der größte Teil des verschwundenen Geldes befindet sich in den Unternehmen korrupter Banker und außerhalb des Landes. Allein im Jahre 1999 wurden 2,5 Milliarden US-Dollar ins Ausland geschafft. Dafür hat der Staat in den letzten beiden Jahren etwa vier Milliarden US-Dollar in die Sanierung der Banken gesteckt.

Als Lösung der wirtschaftlichen Probleme wurde im letzten Jahr die Dollarisierung der Wirtschaft verkündet. Der Sucre wurde als Währung abgeschafft und durch den US-Dollar ersetzt. War diese Maßnahme erfolgreich?

Die Dollarisierung wurde als eine wirkungsvolle Maßnahme zur Bekämpfung der Inflation und zur Reaktivierung der Wirtschaft verkauft. Doch die Inflation erreichte im ersten Jahr der Dollarisierung, also im Jahre 2000, mit 92 Prozent eine Rekordmarke in der Geschichte der Republik Ecuador. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im letzten Jahr zwar wieder um 1,9 Prozent, doch die Produktion stagniert weiter.
Das Wachstum ist drei glücklichen Umständen zu verdanken: Erstens konnten auf Grund der höheren Ölpreise 800 Millionen US-Dollar an zusätzlichen Einnahmen verbucht werden. Zweitens finanziert Ecuador seine Wirtschaft durch den Export von Armen. So wurde im letzten Jahr der Rekordbetrag von 1,2 Milliarden US-Dollar von ecuadorianischen ArbeitsemigrantInnen aus dem Ausland überwiesen, mehr als die Exporterlöse aus Bananen, Kakao, Krabben und Kaffee zusammen. Und drittens ist Ecuador seit der Dollarisierung ein großer Waschsalon für Drogengelder geworden. Denn früher mussten größere Geldmengen an Sucres, die in US-Dollars eingetauscht wurden, von den Banken registriert und an die US-amerikanische Drogenbekämpfungsbehörde DEA gemeldet werden. Diese Kontrolle ist weggefallen.

Was macht ein dollarisiertes Land wie Ecuador im Falle einer negativen Zahlungsbilanz? Ohne das Regulativ einer eigenen Währung würde sich in diesem Falle die Dollarmenge im Inland verknappen.

Das ist in der Tat eine große Gefahr, denn Ecuadors Wirtschaft ist wenig konkurrenzfähig. Wie kann Ecuador seine Konkurrenzfähigkeit verbessern, wenn die Geldpolitik als Steuerungsinstrument entfällt? Ganz einfach. Ecuador muss mehr Rohstoffe exportieren: Holz, Bodenschätze, Früchte, Blumen, Öl. Und die Arbeitskraft muss mehr ausgebeutet werden. Die Dollarisierung ist extrem umweltschädlich und trägt zur Verschlechterung der sozialen Verhältnisse bei.

Momentaner Streitpunkt ist vor allem die Erhöhung der Gas- und Benzinpreise durch die Regierung. In den Nachbarländern Peru und Kolumbien sind die Preise immer noch fast doppelt so hoch. Das fördert den Schmuggel von Gas und Benzin in diese Staaten. Stimuliert die Regierung nicht den Schmuggel, wenn sie die Preise einfrieren beziehungsweise weiter subventionieren würde?

Das Gas wird subventioniert. Die Produktionskosten des Benzins liegen dagegen nicht höher als der Verkaufspreis. Die staatlichen Raffinerien werden also nicht subventioniert. Durch den Schmuggel gingen allein beim Gas im vergangenen Jahr etwa 180 Millionen Dollar verloren. Außerdem heizen auch die Reichen ihren Swimmingpool oder ihre Saunas mit subventioniertem Gas auf. Der Staat könnte natürlich die Mehreinnahmen durch die Preiserhöhungen in soziale Projekte stecken. Das Problem bliebe aber, dass ein Großteil der Bevölkerung das Gas dann nicht mehr bezahlen kann. Dann würde mit Brennholz gekocht werden und in Quito verschwänden die letzten Bäume.

Wie könnte man das Problem mit dem Schmuggel lösen?

Das subventionierte Gas könnte über kirchliche und soziale Einrichtungen an Bedürftige verkauft werden. So lange die Einkommensprobleme der Bevölkerung nicht gelöst sind und die Produktion nicht wieder in Gang gekommen ist, bleibt kaum eine andere Lösung. Für das Benzin sind ähnliche Vorschläge denkbar. Wenn solche Alternativen scheitern, dann bleibt immer noch die Möglichkeit, die Mehreinnahmen aus einer Preiserhöhung zum Wohle des Volkes zu verwenden. Die Regierung schröpft hingegen die Armen und saniert die Banken. Das ist Diebstahl.

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