Nummer 421/422 - Juli/August 2009 | Peru

Blutroter Teppich für Investoren

Regierung von Alan García nach gewaltsamer Niederschlagung der Proteste in Amazonien in der Krise

Erdöl, Erdgas, Holz, Mineralerze, Landflächen für Agrokraftstoffe: All dies gibt es im peruanischen Amazonasgebiet. Für Investoren muss es das zeitgenössische El Dorado sein. Gravierend ist: Genau diese Ansicht hat auch Präsident Alan Garcia, der seit dem Beginn seiner zweiten Amtszeit im Juli 2006 auf die Durchsetzung derartiger Investitionen hinarbeitet. Als Vorwand dient ihm das Freihandelsabkommen mit den USA. Indigene Gemeinschaften, deren Territorien und Rechte interessieren nicht. Die Gegenwehr kommt in Form von Streiks und Blockaden. Die Regierung reagiert darauf mit brutaler Gewalt.

Mathias Hohmann

Den eigenen Augen war nur schwer zu trauen. In einem Interview Mitte Juni mit der regierungsfreundlichen Zeitung El Comercio äußerte sich Premierminister Yehude Simon: „Hätten wir vom ersten Tag an mit wirklicher Stärke agiert, dann hätte es 500 Tote gegeben.“ Ein paar Tage zuvor, am 5. Juni, hatte eine mehrere hundert Mann starke Sondereinheit der Polizei im Norden des Landes, im Departamento Amazonas, eine friedliche Straßenblockade von tausenden Indigenen mit Tränengas und scharfer Munition brutal aufgelöst (siehe Kasten). Die offiziellen Zahlen der staatlichen Ombudsstelle (Defensoría del Pueblo) sprechen von insgesamt 33 Toten: 23 Polizisten, fünf Indigene und fünf Einwohner von Bagua Chica. Um die zweihundert Indigene und Polizisten trugen schwerste Verletzungen durch den Einsatz von Schusswaffen davon. Noch immer werden zahlreiche Angehörige indigener Gemeinschaften vermisst, die an den Protesten teilnahmen, bisher aber nicht in ihre Heimatgemeinden zurückgekehrt sind. Vermisst wird weiterhin auch ein Polizist.
Simon trat sein Amt erst im Oktober des letzten Jahres an. Noch im Juli will er es nach eigener Aussage wieder aufgeben. Die Geschehnisse in Bagua fordern dann doch Tribut. Seinen Ausstieg bereitet Simon kontrolliert vor, denn spätestens für den Wahlkampf der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2011 will er die politische Bühne wieder betreten. Die eigene Partei trägt den vielversprechenden Namen Partei Humanistische Bewegung.
Ein interessanter Satz fand sich am 5. Juni in einem Artikel der Tageszeitung La Republica: „Während das Amazonasgebiet kurz vor der Explosion steht, verschieben die Abgeordneten im Parlament jede Möglichkeit einer Lösung des Konfliktes.“ Was wie eine Prophezeiung für den Gewaltausbruch am selben Tag klang, war im Kern auf eine Sitzung des Parlamentes in Lima vom Vortag gemünzt. Teile der politischen Elite spielten mit den Interessen und Rechten der EinwohnerInnen des peruanischen Amazonasgebietes. Nach langen Verhandlungen zwischen Regierung, Parlament und den Verhandlungsführern von AIDESEP, der amazonischen Dachorganisation der Indigenen, sollte im Parlament über den Widerruf eines der zentralen Regierungsdekrete, dem Forst- und Wildtiergesetz, abgestimmt werden. Gegen dieses hatte sich seit Anfang April wieder massive Proteste im Amazonasgebiet geregt. Nach mehreren Monaten war die parlamentarische Kommission für Verfassungsfragen zu der Erkenntnis gekommen, dass dieses Dekret verfassungswidrig sei. Doch zur Debatte kam es nicht. Mit einer trickreichen Eingabe gelang es der Fraktion der regierenden APRA-Partei von Präsident Alan García, eine Entscheidung zu vermeiden. Die Mehrheit der Stimmen aus APRA und Fujimori-Block reichte aus, um das Gesetz an einen außerparlamentarischen Runden Tisch verweisen – erneut weg von der Entscheidungsebene des Parlamentes. Indigene Interessen wurden so erneut zum Spielball zwischen Exekutive und Legislative.
Der Streik und die Proteste in großen Teilen des peruanischen Amazonasgebietes blieben seit Anfang April weitestgehend friedlich. Zehntausende Angehörige indigener Gemeinschaften waren mobilisiert. Sie blockierten Straßen und sogar Flüsse, besetzten Förderstationen von Erdöl- und Erdgasleitungen. Große Teile des Landes waren dadurch lahm gelegt, die Versorgungslage gestaltete sich vielerorts schwierig. Im Mai erklärte die Regierung per Dekret für mehrere Gebiete den Ausnahmezustand. Damit sollten explizit auch wirtschaftliche Interessen von Unternehmen geschützt werden, während Grundrechte der Bevölkerung ausgehebelt wurden. Das Militär erhielt dadurch das Mandat zu intervenieren und löste unter anderem Flussblockaden gewaltsam auf, um den Ölunternehmen freie Fahrt zu ermöglichen.
Mit ihren Aktionen und Blockaden protestierten die indigenen Gruppen gegen jene Regierungsdekrete, die in der ersten Hälfte des Jahres 2008 von der Regierung direkt verabschiedet worden waren. Das Parlament hatte ihr Ende Dezember 2007 für einen Zeitraum von 180 Tagen direkte Gesetzgebungskompetenzen zuerkannt. Diese Möglichkeiten, Gesetze im Schnellverfahren zu produzieren, sollte die Regierung nutzen, um in verschiedenen Bereichen den nationalen gesetzlichen Rahmen entsprechend den Erfordernissen des Freihandelsabkommens mit den USA anzupassen. Unter anderem kam es so auch zur Gründung eines – allerdings chronisch unterfinanzierten – peruanischen Umweltministeriums. Doch die Regierung ging zuweilen über das erteilte Mandat und sogar über die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten hinaus, wie eine Studie des Verfassungsrechtlers Fernando Eguiguren aus dem August 2008 belegt.
Am Ende entstand ein Gesetzeswerk von mehr als 100 Dekreten. Viele von ihnen berührten indigene Territorien und die Rechte indigener Gemeinschaften, ohne dass diese zuvor konsultiert oder informiert wurden. Und dies obwohl Peru die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorgansiation (ILO) über die Rechte indigener Völker 1993 ratifiziert hat: Die Umsetzung in nationales Recht steht noch immer aus. Auch das Parlament wurde trotz einer bestehenden Vereinbarung mit der Regierung nicht wie geplant über die kreierten Gesetze informiert.
Eine Gesamtschau der Regierungsdekrete vermittelte den Eindruck, hier gehe es größtenteils um reine Investitionsförderung. Zustimmungsquoten für den Landverkauf bäuerlicher und indigener Gemeinschaften sollten reduziert, die Zustimmung von Gemeinden, die Firmen einholen müssen, wenn sie auf dem Gebiet der Gemeinden Rohstoffvorkommen erkunden oder Rohstoffe fördern wollen, sollte hinfällig werden. Das neue Forst- und Wildtierdekret wiederum bezog auch indigene Territorien mit ein und schloss dort den Nutzungswechsel von Wald- zu landwirtschaftlicher Nutzung explizit nicht aus, wenn es um Projekte nationalem Interesses geht. So liesse sich produktive Waldfläche beispielsweise für den Anbau von Agrokraftstoffen umnutzen.
Die Liste der beanstandeten Regierungsdekrete war lang. Die ersten Proteste flammten bereits im August des letzten Jahres auf. Es folgte ein elftägiger Streik im Amazonasgebiet, der einen Teilerfolg brachte: Zwei der Dekrete, die den Erwerb von gemeinschaftlichem Land – bäuerlicher und indigener Gemeinden – für Investoren erleichtern sollten, wurden vom Parlament zurück genommen. Nur war mit der Rücknahme von nur zwei Dekreten der Konflikt nicht gelöst. Die Forderungen wurden aufrecht erhalten, doch die Verhandlungen zwischen den Parteien stockten immer wieder oder wurden verzögert. Als Druckmittel wurde schließlich Anfang April der zweite Amazonienstreik aufgerufen, der Anfang Juni im Blutbad von Bagua seinen negativen Höhepunkt fand. Wenige Tage später wurde er nach hektisch angesetzten Verhandlungen zwischen Regierung und mehreren VertreterInnen regionaler indigener Organsationen Amazoniens beendet. Alberto Pizango, Vorsitzender von AIDESEP saß da übrigens nicht mehr mit am Verhandlungstisch. Nachdem gegen ihn ein Haftbefehl wegen angeblicher Anstiftung zum Aufruhr während des Streiks veranlaßt wurde, konnte er sich noch in die nicaraguanische Botschaft flüchten, um Tage später in das politische Asyl des mittelamerikanischen Landes zu fliehen. Ein Auslieferungsbegehren der peruanischen Regierung ist jedoch wahrscheinlich.
Wer dachte, dass der brutale Polizeieinsatz ein Umdenken bei Regierung und Präsident in Lima auslösen würde, sah sich getäuscht. Zwei Tage nach dem Massaker in Bagua legte diese vielmehr nach. In einem perfiden Fernsehspot wurden die protestierenden Indigenen masiv herabgewürdigt. Sie seien Extremisten und Wilde, die Polizisten umgebracht hätten und aus dem Ausland – gemeint waren in erster Linie Venezuela und Bolivien – gesteuert würden. Einen friedlichen Dialog würden sie weder praktizieren können noch wollen. Präsident Alan García verstieg sich in einem Fernsehinterview sogar zu der Formulierung, die indigenen EinwohnerInnen des Amazonastieflandes seien eben keine BürgerInnen erster Klasse. Perus Präsident führte damit seinen rassistischen Diskurs fort, den er im Namen der Investitionsförderung bereits Ende 2007 aufnahm. In drei langen Artikeln in seinem damaligen Hausblatt El Comercio legte er dar, wie die indigenen EinwohnerInnen geizig auf ihren Bodenschätzen hocken, nicht wollen, dass andere sie fördern und selbst nicht in der Lage sind, sie zu entwickeln oder Investitionen zu tätigen.
Ein Schuldeingeständnis des Präsidenten gibt es bis heute nicht. In seiner Rede an die Nation Mitte Juni sprach er von Fehlern und einem Neustart, der gemacht werden müsse. Aber da war auch wieder der präsidiale Finger, der auf vermeintliche ausländische Agitatoren und Demagogen verwies, die die Proteste angeheizt und den eigentlichen Sinn der Dekrete – den Schutz (!) des Amazonasgebietes vor Entwaldung (so nannte es Garcia wirklich) – verzerrt dargestellt hätten.
Die beiden Dekrete, Auslöser für den jüngsten Amazonienstreik, wurden mittlerweile vom Parlament zurückgezogen. Während Umweltminister Antonio Brack nun am Jammern ist, das man ein neues Forstgesetz entwerfen müsste und bis dahin das Freihandelsabkommen mit den USA gefährdet sei, meldete sich jüngst der neoliberale Hardliner und ehemalige Ministerpräsident, Pedro Pablo Kuczynski, auf überraschende Weise zu Wort. Er äußerte, dass sich das Blutvergießen in Bagua mit einer rechtzeitigen Rücknahme der Dekrete hätte vermeiden lassen. Das Freihandelsabkommen mit den USA, das seit dem 1. Februar in Kraft ist, sieht er zwar nicht gefährdet, mahnt die politische Klasse aber zur Einheit und neuen Gesetzesentwürfen. Man darf gespannt sein, denn die Liste kritisierter Regierungsdekrete aus dem letzten Jahr ist noch immer nicht vollständig abgearbeitet.
Die weiteren Beratungen über die noch in der Diskussion stehenden Dekrete werden nun von einer neuen Kommission bearbeitet. Beteiligt sind neben verschiedenen Ministerien die regionalen Strukturen indigener amazonischer Organisationen. Inwiefern diese Stuktur arbeitsfähig ist und eine wirkliche Einbeziehung der indigenen Interessen leisten kann, muss sich erst noch erweisen. Bisher hat die Regierung keinen Nachweris erbracht, dass sie die vielen sozialen Konflikte im Land wirklich nachhaltig lösen will und kann. Erst in den letzten Tagen reiste noch-Minister­präsident Simon von Konfliktherd zu Konfliktherd: Es brennt an anderen Orten nämlich lichterloh weiter. Und das Vertrauen in die mit der jeweiligen Regierungsdelegation geschlossenen Übereinkünfte von Seiten der betroffenen Gruppen ist sehr gering.
Der Popularitätsfanatiker García ist unterdessen auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Nur noch rund 20 Prozent der PeruanerInnen unterstützen infolge der blutigen Ereignisse in Bagua nach jüngsten Umfragen seinen Regierungsstil. Die peruanische Ökonomie, die García noch im letzten Jahr als unanfällig für die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise gepriesen hatte, ist im Abwärtstrend. So war der April von einer Rezession von zwei Prozent gekennzeichnet. Und gesunde Vorsicht ist angebracht, wenn Alan García Fehler eingesteht und einen Neubeginn verkündet: Es könnten nämlich sehr leicht wieder die alten Fehler werden.

Kasten:
Die Ereignisse vom 5. Juni im Überblick
Um die zweitausend Indigene hatten seit Ende Mai in Höhe von Kilometer 200 der Fernstraße Belaunde Terry eine Straßenblockade errichtet. Der Streckenabschnitt liegt im Departamento Amazonas unweit der Kleinstadt Bagua (Chica). Die Straße ist eine wichtige Transportroute, welche die nördliche Küstenzone um Chiclayo mit dem nördlichen Amazonastiefland verbindet.
Am 5. Juni rückte in den frühen Morgenstunden eine Sondereinheit der Polizei gegen die Blockade vor. Die auf der Straße und im angrenzenden Feld nächtigenden Menschen wurden überrascht, denn noch am Vorabend waren zwischen Polizei, Indigenen und lokalen Kirchenvertretern Absprachen getroffen worden. Die Blockade sollte gegen zehn Uhr von den Protestierenden aufgelöst werden.
Die circa 500 Mann starke Polizeieinheit setzte Tränengas aus Schusswaffen und von Hubschraubern aus ein. Verschiedene Zeugen sagten, dass scharfe Munition aus Maschinenpistolen zum Einsatz kam (und nicht etwa Gummigeschosse) als die Tränengasgranaten aufgebraucht waren. Unter den Indigenen kam es dadurch zu zahlreichen Verletzten und auch Toten. Viele der Protestierenden flüchteten sich in das hügelige Gelände jenseits der Straße. Dort setzten sich die Kämpfe fort. Auch Polizisten wurden erschossen, unter welchen Umständen ist unklar. Die Indigenen sagten aus, nur mit Speeren bewaffnet gewesen zu sein. Dies ließe darauf schließen, dass sie Polizisten entwaffnet haben und diese dann mit deren eigenen Waffen töteten. Die Polizei hingegen behauptet, die Indigenen hätten von Anfang an Schusswaffen gehabt. Entlang der Verbindungsstraße gingen die Kämpfe weiter: Die Polizei setze weiter Tränengas ein, verfolgte Menschen im Gelände, verhaftete und verprügelte sie. Die Auseinandersetzungen zogen sich bis in den Nachmittag des 5. Juni.
Im wenige Kilometer entfernten Bagua wandelten sich am selben Tag friedliche Proteste in gewalttätige Auseinandersetzungen, als die Menschen von den Geschehnissen an der Verbindungsstraße hörten. Fotos und Videos dokumentieren, dass eine Polizeistation umzingelt wurde. Polizisten sind zu sehen, wie sie vom Dach in die Menschenmenge schießen. Im knapp 100 Kilometer von Bagua entfernten Imacita spielten sich dramatische Ereignisse an der Erdölförderstation Nr. 6 von Petroperú ab. Die Station war seit April durch indigene Gruppen besetzt, während eine kleine Polizeieinheit die Anlagen vor Ort schützte. Zwischen Polizisten und Indigenen gab es ein Übereinkommen, dass die Anlage nicht angegriffen würde. Dieses wurde von den Indigenen aufgekündigt, nachdem sie von der blutigen Ereignissen an der Fernstraße Belaunde Terry erfuhren. Zwölf Polizisten wurden von einigen Indigenen mit Speeren getötet, während andere Indigene weiteren Polizisten zur Flucht verhalfen.
// Mathias Hohmann

IV. Gipfel der Indigenen Völker am Titicacasee in Puno
“Wir sind hier, um für die Verteidigung unserer Territorien zu kämpfen.” Die Aussage des kurzen Werbespots war unmissverständlich. Zum IV. Gipfel der Indigenen Völker der Amerikas strömten für fünf Tage Ende Mai rund 7.000 VertreterInnen indigener Völker und sozialer Bewegungen aus allen Ländern des Kontinentes auf das Altiplano nach Puno. Eröffnet wurde das Treffen mit einem Ritual für pacha mama (Mutter Erde) am Ufer des Titicacasees.
Im Jahr 1990 traf sich zum ersten Mal eine Allianz der Indigenen Völker der Amerikas im ecuadorianischen Quito. Anlass der damaligen Zusammenkunft war das Gedenken an 500 Jahre des Widerstandes, den indigene Völker seit der Conquista 1492 geleistet hatten. Zugleich sollte damit den 500 Jahr-Feierlichkeiten der UnterdrückerInnen etwas entgegengesetzt werden.
Selbstbestimmung und Autonomieforderungen waren bereits in Quito die Forderungen der indigenen Völker und sind es noch immer. Während des Gipfels in Puno ließ sich anhand des heftigen Konfliktes im peruanischen Amazonasgebiet beobachten, wie indigene Völker weiterhin ihrer Rechte beraubt werden und sei es durch die „eigene” Regierung. Doch das Selbstbewusstsein der indigenen Bewegungen ist mittlerweile deutlich gestiegen. Dabei helfen auch die gegenwärtigen diversen globalen Krisen des kapitalistischen Systems, die mehr als dringend Alternativen erfordern.
Miguel Palacín, Vorsitzender der Andinen Koordination der Indigenen Organisationen (CAOI), betonte in seiner Eröffnungsrede, dass „jetzt der Moment gekommen ist, die eigene Unsichtbarkeit gegenüber den Staaten aufzugeben und mit eigenen Vorschlägen unsere Rechte als indigene Völker zu wahren.” Im Kern ging es in den Sitzungen und zahlreichen Arbeitstischen um die zentralen Forderungen nach plurinationalen Staaten und einem Guten Leben (buen vivir).
Mit Hugo Blanco war auch eine Symbolfigur des Kampfes der peruanischen Kleinbauern und -bäuerinnen vor Ort. Der 73-jährige, der in den 1960er Jahren Bauernaufstände für Land in der Region Cusco anführte, äußerte: „Die Bedeutung des Treffens liegt nicht einmal so sehr in den Übereinkommen, die getroffen werden. Viel wichtiger ist es, dass Indigene aus allen Ländern der Amerikas hierher kommen, um ihre Erfahrungen auszutauschen.” So könne er durchaus noch sehr viel von jungen Mapuche und ihren aktuellen Kämpfen lernen.
Parallel zum großen Gipfel wurden weitere kleine Gipfel absolviert: für indigene Jugendliche, Kinder und Frauen. Letztere hielten zum ersten Mal ein eigenes Treffen ab. “Es ist wichtig hier zu sein, um die Stimmen der Frauen hörbar zu machen, ihre Perspektive einzubringen und ihre Rechte zu verteidigen”, so Blanca Chancoso von der Kichwa-Organisation Ecuarunari aus Ecuador. „Ohne Frauen gibt es keinen Wandel, ohne Frauen gibt es keine Demokratie”, ergänzte Leonilda Zurita, Vertreterin der Vereinigung der bolivianischen Kleinbäuerinnen. Ein wichtiges Ergebnis des Treffens ist die Gründung der Kontinentalen Koordination der indigenen Frauen.
Die gemeinsame Abschlusserklärung des IV. Gipfels, die Declaración de Mama Quta Titikaka vom 31. Mai, schließt mit den Worten „Die Erde gehört uns nicht, sondern wir gehören der Erde!” Sie fasst insgesamt 17 Übereinkommen zusammen. Gefordert werden unter anderem die Gründung einschließender plurinationaler Staaten, in denen die ursprünglichen indigenen Territorien wieder hergestellt werden und die Umsetzung internationaler Normen über indigene Rechte in jeweiliges nationales Recht. Auch die globale Klimadebatte fand Berücksichtigung: So fordert die Deklaration den Aufbau eines internationalen Tribunals zu Klimagerechtigkeit und die Einrichtung eines Internationalen Gerichtshofes über Umweltstraftaten. Parallel zum UN-Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember 2009 soll es einen Alternativen Gipfel der Indigenen Völker geben. Für den V. Gipfel der Indigenen Völker der Amerikas geht es 2011 nach Bolivien.
Die Lage des Tagungsortes Puno unweit der Grenze zu Bolivien ließ erwarten, dass Präsident Evo Morales auftaucht. Der ließ sich jedoch wegen Arbeitsüberlastung entschuldigen. Vielleicht waren es aber auch die seit längerem angespannten Beziehungen mit der peruanischen Regierung, die ihn auf einen Auftritt verzichten ließen. Doch schon sein offener Brief an die TeilnehmerInnen des Gipfels löste paranoide Reaktionen und beschuldigendes Fingerzeigen bei Regierung und Präsident in Lima aus. Dabei äußerte Morales im Brief lediglich Kritik an Freihandelsabkommen – die peruanische Regierung sah jedoch schon darin eine Einmischung und Ansätze zur Aufstachelung der zehntausenden Indigenen, die im peruanischen Amazonasgebiet seit Anfang April protestierten. Wie bitte sollen diese denn ohne Unterstützung von außen ihre Forderungen entwickelt haben? So wird in Regierungskreisen in Lima sehr laut und geringschätzig über indigene Völker gedacht.
// Mathias Hohmann

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