Kuba | Nummer 281 - November 1997

Bombenleger verhaftet

Entwarnung in den kubanischen First-Class-Hotels

Mit der Festnahme eines salvadorianischen Söldners, der die jüngsten Anschläge auf kubanische Hotels gestanden hat, ist vorerst Ruhe in Havannas Nobelhäusern eingekehrt.
Doch diese Ruhe ist trügerisch, denn die kubanische Tourismusindustrie, wichtigster Devisenbringer des Landes, wird auch weiterhin im Fadenkreuz reaktionärer exil-kubanischer Kreise bleiben.

Knut Henkel

Es war irgendwann am Jahresende 1991, als ein Schnellboot am Strand des kubanischen Touristenzentrums Varadero auftauchte und einige Hotels unter Feuer nahm. Nach wenigen Minuten war der Spuk vorbei: Zurück blieben einige Einschußlöcher im Beton und durchsiebte Sonnenliegen, auf denen zum Glück niemand gelegen hatte. Zum ersten Mal war die damals noch relativ unbedeutende kubanische Tourismusindustrie Opfer eines Anschlag geworden. Die politische Führung tobte ob der Schlafmützigkeit der kubanischen Abwehr. Wenige Wochen später folgte die nächste Panne: Am 29. Dezember landeten drei schwerbewaffnete Exilkubaner mit einem Schlauchboot an. Diesmal konnte allerdings Schlimmeres verhindert werden. Die drei wurden rechtzeitig geschnappt, bevor sie die geplanten Anschläge auf Restaurants, Hotels und Kinos durchführen konnten. Ihr Anführer, der 38jährige Eduardo Díaz Betancourt, wurde am 20. Januar 1992 nach einem Schnellprozeß hingerichtet.

Terrorwelle in Havanna

Die abschreckende Wirkung des harten Richterspruchs hielt allerdings nicht lange vor. In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Anschlagsversuchen, die allerdings größtenteils von der kubanischen Abwehr rechtzeitig aufgedeckt werden konnten.
In den letzten Monaten tappte die kubanische Abwehr allzulange im Dunkeln. Eine Serie von Bomben detonierte in verschiedenen First-Class-Hotels und einer Bar der Hauptstadt, ohne daß der Sicherheitsapparat den Verantwortlichen auf die Spur kam.
Zum ersten publik gewordenen Anschlag kam es am 12. Juli 1997 im Hotel Nacional, wenig später explodierte ein weiterer Sprengsatz im Hotel Capri. Dann blieb es drei Wochen ruhig bevor wieder eine Detonation, diesmal im Hotel Cohiba, vom Innenministerium vermeldet wurde. Dieser dritte Anschlag vom 4. August, kurz vor dem Ende der Jugend-Weltfestspiele, war identisch mit den vorangegangen. Analysen kubanischer Spezialisten ergaben, daß der Sprengstoff aus den USA stammt, wo dem kubanischen Innenministerium zufolge auch die Täter zu suchen seien. Deutlicher wurde die Parteizeitung „Granma“, die die Verantwortlichen in der exilkubanischen Organisation Alpha 66 ausgemacht haben will. Dessen führender Kopf, Andrés Nazario Sargent, hatte sich in einem Interview mit der Agentur Notimex gebrüstet, daß „wir geschichtlich betrachtet die Verantwortlichen für nahezu alle gewaltsamen Aktionen in Kuba sind“, ohne sich allerdings für die jüngste Anschlagserie verantwortlich zeichnen zu wollen.
Es vergingen noch einige Wochen, in denen es zu vier weiteren Anschlägen kam, bis die kubanischen Behörden am 15. September der beunruhigten Öffentlichkeit einen Hauptverdächtigen präsentieren konnten: Es ist der 26jährige Raúl Ernesto Cruz León, salvadorianischer Staatsbürger, der noch vor dem letzten von insgesamt sieben offiziell bestätigten Anschlägen festgenommen wurde. Wenige Stunden später detonierte Cruz Leóns letzter Sprengsatz in Havannas legendärer Bodeguita del Medio.

TV-Geständnis

Eiskalt präsentierte sich der 26jährige im kubanischen Fernsehen. Ohne jegliche Gefühlsregung rekonstruierte er, wie er die Einzelteile für die Sprengsätze, eingeschleust hatte: Bei seinem ersten Kubatrip am 9. Juli war der Sprengstoff C-4 US-amerikanischer Herkunft in den Hacken seiner Schuhe verstaut, bei seiner zweiten Visite hatte er die benötigte Menge in einem Fernseher eingeschmuggelt. Die Zünder hingegen waren in einem Radiowecker eingebaut, der ebenfalls umbeanstandet die Kontrollen passierte.
Cruz León war vor seiner zweiten Anschlagsserie via Guatemala am 31. August nach Havanna eingereist und hatte am 3. September drei Bomben in den Hotels Copacabana, Triton und Chateau gezündet. Im Copacabana wurde ein italienischer Geschäftsmann beim Kaffeetrinken getötet, im Triton und Chateau verursachten die synchronen Detonationen erhebliche Sachschäden. Am folgenden Tag detonierte dann der letzte der Leonschen Sprengsätze um 23 Uhr in der Bodeguita del Medio. Hier blieb es glücklicherweise bei einigen Leichtverletzten und Sachschäden. Cruz León, bei dem Anleitungen und Materialien für den Bau der Bomben gefunden wurden, hat seinem Geständnis zufolge für jeden der Anschläge ein Handgeld von 4.500 US-Dollar erhalten und ist für diese Aufträge in den USA ausgebildet worden. Auf einer Liste, die bei ihm gefunden wurde, stehen – so der leitende Vernehmungsoffizier Oberst Rabeiro – insgesamt zwölf touristische Objekte. Von wem der Söldner allerdings den Auftrag für die Terroranschläge erhalten hat, ist bis dato nicht bewiesen.

Die Spur führt nach Miami

Das kubanische Innenministerium macht in seinen Erklärungen die exilkubanische Cuban American Nacional Foundation (CANF) verantwortlich, ohne jedoch schlüssige Beweise für diese Beschuldigung vorzulegen. Die Indizien der Ermittlungsbehörde weisen allerdings daraufhin, daß Cruz „zu einem Netz von Terroristen und Drogenhändlern gehört, das von El Salvador aus operiert und von der National Cuban American Foundation (CANF) in Miami bezahlt wird.“ Dem Innenministerium zufolge sei die CANF und weitere ihr nahestehende reaktionäre Exilorganisationen auch für mehr als 30 weitere Attentatspläne, die zwischen 1994 und 1997 aufgedeckt wurden, verantwortlich. Entsprechende Informationen seien an die Amtsstellen in Washington weitergegeben worden, ohne daß diese etwas gegen das terroristische Treiben unternommen habe.

Dementis aus den USA

Von den USA wurden diese Vorwürfe in einer offiziellen Erklärung zurückgewiesen. Ein Regierungssprecher erklärte, daß keinerlei Informationen über in den USA geplante Aktionen gegen Kuba vorlägen. Es sei wenig glaubhaft, daß die erfahrenen Sicherheitsdienste Kubas nicht in der Lage seien, derartige Pläne aufzuspüren. Diese Erklärung der US-Verantwortlichen, denen bekannt ist, daß in den Sümpfen Floridas Exilkubaner von Ausbildern der US-Armee trainiert werden (was durch Ton- und Videomaterial hinreichend belegt ist), ist denn auch an Süffisanz kaum zu überbieten. Zumal die USA genau wissen, wie schwierig es ist, Terroranschläge zu unterbinden. Oklahoma läßt grüßen. Aber auch die unbestätigten Informationen, wonach die kubanischen Sicherheitsdienste um Antiterror-Spezialisten aus Großbritannien und Israel baten, um die Tourismuseinrichtungen des Landes zu schützen, verdeutlichen hinreichend die Probleme der kubanischen Führung.
Die CANF hingegen, die sich bester Kontakte zu den Senatoren Jesse Helms und Dan Burton, den Initiatoren des sogenannten Helms-Burton-Gesetzes, erfreut, wies zwar die Beschuldigungen der kubanischen Seite als „lächerlich und absurd“ zurück. Andererseits hatte sie nach dem vorletzten Anschlag, bei dem ein italienischer Tourist ums Leben kam, erklärt, daß jede Aktion, die die Regierung Fidel Castros destabilisiere, gerechtfertigt sei. Zudem unterhält die CANF beste Kontakte zu paramilitärischen Einheiten wie Alpha 66, Comando L oder der Brigade 2506, die 1961 in der Schweinebucht landete und deren Veteranen, unter ihnen Mas Canosa, fanatische Kommunistenhasser sind.
Was allerdings den Verdacht erhärtet, daß die CANF nicht gänzlich unbeteiligt an den Anschlägen ist, ist die Tatsache, daß der mutmaßliche Auftraggeber des salvadorianischen Söldners Luis Posada Carriles heißt – ein ehemaliger Waffenbruder des CANF-Präsidenten aus den Tagen der Schweinebucht. Posada Carriles, verantwortlich für die Explosion eines kubanischen Zivilflugzeugs mit 73 Passagieren im Oktober 1973, lebt in El Salvador und kündigte in einem der von der CANF kontrollierten Fernsehsender von Miami eine Serie von Anschlägen gegen touristische Einrichtungen auf der Karibikinsel an. Erhärtet wird der Verdacht gegen Posada auch durch die Tatsache, daß sich nach den Anschlägen von Anfang September ein kubanischer Touristenführer namens Ramon Medina bei der Familie Cruz León meldete – unter diesem Pseudonym war Posada bereits früher aktiv geworden.
Um jedoch die Indizien zu überprüfen, müßten die US-amerikanischen Behörden aktiv werden. Angesichts der Erklärung aus dem Weißen Haus ist es allerdings wenig wahrscheinlich, daß dieses eine Untersuchung gegen die CANF und andere Exilorganisationen einleitet. Demzufolge ist es nicht auszuschließen, daß es weitere Anschläge geben wird, zumal sich Cruz León nicht zu allen Anschlägen der letzten Monate in Havanna bekannt hat. Weder hat er den Anschlag vom 4. August im Cohiba gestanden noch die von der Regierung vertuschten vorherigen Anschläge: Bereits am 12. April des Jahres war ein Sprengsatz im kubanischen Luxushotel Cohiba explodiert, ohne daß die Presse über den Vorfall informiert wurde. Und auch der Fund eines Sprengkörpers niederer Intensität am 1. Mai im gleichen Hotel gelangte erst Monate später via El País an die Öffentlichkeit.
Darüber scheint sich auch die kubanische Sicherheit im klaren zu sein, denn nicht umsonst sprach Oberst Rabeiro von einem „Netz von Terroristen, das von El Salvador aus operiert“. Daß den reaktionären ExilkubanerInnen der boomende Tourismus ein Dorn im Auge ist, ist keine Neuigkeit. Sie haben nur ihre Strategie gewechselt: Statt die eigenen, dem kubanischen Geheimdienst mehr oder minder bekannten Leute zu benutzen, werben sie nun Söldner für die riskante Drecksarbeit an, auf die in Kuba die Todesstrafe steht.

Ähnliche Themen

Newsletter abonnieren