// Brandbeschleuniger MERCOSUR-EU
Es sind Schlagzeilen wie diese, die wir seit Jahren regelmäßig lesen und überlesen: „Schwere Brän-
de im Amazonasgebiet“ oder „Schwere Brände im Südosten Brasiliens“ oder „Notstand wegen Brän-
den in Bundestaaten Pará und São Paulo“. Wir dürfen uns nicht an diese Katastrophen gewöhnen.
In diesem Jahr scheint die Situation einmal mehr alle Negativrekorde zu brechen. Das nationale Na-
turkatastrophenbeobachtungs- und Warnungszentrum Cemaden in Brasilien meldet, dass das Land
unter der schwersten Dürre seit Beginn der systematischen Messungen 1950 leidet. Ein Drittel des
gesamten Landes ist von extremer Trockenheit betroffen. Insgesamt wurden im Amazonasgebiet bis
Ende August fast 60.000 Brände registriert. Im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 77 Prozent.
Dass diese Trockenheit und die daraus resultierenden Brände weniger auf natürlichen Schwankun-
gen von Wetter und Klima zurückzuführen sind als auf menschlichen Einfluss, ist mittlerweile auch
in der deutschen Berichterstattung häufig zu hören. Denn neben der eskalierenden Klimakrise sind
es vor allem auch illegale Brandrodungen für den Anbau von Soja und Mais, die Weidehaltung von
Vieh und die Nutzbarmachung von Regenwaldgebieten für den Metallabbau, die die Situation weiter
verschärfen. Zwar werden diese kriminellen Handlungen unter dem von Marina Silva geführten Um-
weltministerium wieder stärker verfolgt und bekämpft, doch vom Ziel die illegale Abholzung bis 2030
zu beenden, scheint das Land weit entfernt zu sein.
Wenn es nach dem Willen von Bundeskanzler Olaf Scholz, dem argentinischen, rechtsextremen und
ultra-libertären Präsidenten Javier Milei und selbst dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lu-
la da Silva geht, wird dieses Ziel auch 2030 nicht erreicht werden. Grund dafür sind die seit nunmehr
25 Jahren andauernden Verhandlungen über ein mögliches Assoziierungsabkommen zwischen der
Europäischen Union und dem südamerikanischen Staatenbund MERCOSUR.
Der neue Plan sieht vor, das Abkommen in einen Handelsteil und einen Kooperationsteil aufzuteilen,
um den angekündigten Widerstand europäischer Parlamente, unter anderem in Frankreich und Ös-
terreich, zu umgehen. Denn bei den sogenannten EU-only-Abkommen ist keine Einstimmigkeit im
EU-Ministerrat notwendig. Doch auch schon ohne diese „elegante“ Lösung sind für Menschenrechts-
verletzungen und Umweltschäden im Entwurf des Abkommens Sanktionen nicht vorgesehen. Men-
schenrechtsorganisationen in Europa und Lateinamerika warnen schon lange vor den Folgen des
Abkommens. Im Kern sieht es nämlich vor, europäischen Unternehmen den einfachen Zugang zu
Rohstoffen wie Eisenerz, Bauxit, Kupfer, Lithium zu ermöglichen. Darüber hinaus soll auch Rind-
fleisch, Geflügel, Zuckerrohr, Bioethanol und Soja leichter exportiert werden. Im Gegenzug dazu wür-
den Verbrenner-Autos, Maschinen, Chemikalien (Glyphosat) und Textilien günstiger nach
Lateinamerika importiert werden.
Das Abkommen würde die neokolonialen Verhältnisse zwischen Europa und Lateinamerika auf viele
weitere Jahre zementieren, Haushaltskassen leeren und Steuereinnahmen senken, Industriearbeitsplät-
ze bspw. in Argentinien vernichten. MERCOSUR gilt als Brandbeschleuniger: Anreize zur illegalen
Brandrodungen, die vor allem auch kleinbäuerliche und Indigene Gemeinschaften bedrohen, würden
geschaffen werden. Das könnte schon bald dazu führen, dass die diesjährigen Negativrekorde in na-
her Zukunft übertrumpft werden. Beim Kampf gegen die Klimakrise, das Artensterben, die Überwin-
dung ungleicher Nord-Süd-Beziehungen und für den Schutz Indigenen Lebens kann weniger auf
staatliche Akteur*innen allein vertraut werden: zivilgesellschaftliche Initiativen müssen immer wie-
der als Teil einer Lösung in den Fokus rücken.