Kolumbien | Nummer 468 - Juni 2013

Bürgerkrieg in Kolumbien?

Ein Leser_innenbrief zur Begriffsverwendung in der Kolumbien-Berichterstattung der Lateinamerika Nachrichten

Nicole Jullian

In Europa wird sowohl im deutsch- als auch im englischsprachigen Raum der Konflikt in Kolum­bien in der Regel als Bürgerkrieg bzw. civil war definiert. Die britische Rundfunkanstalt BBC betitelte sogar einen Bericht zum Kolumbienkonflikt (8. Januar 2013) als „Q&A: Colombia‘s civil conflict“.
Bürgerkrieg, civil war, civil conflict, alle diese Bezeichnungen zeugen von einer Außenbetrachtung der Lage Kolumbiens, die der internen politischen, akademischen und juristischen Diskussion im Land keine Beachtung schenkt.
Auch in der Berichterstattung zur Lage Kolum­biens der Lateinamerika Nachrichten liegt dieser Irrtum immer wieder vor.
Im Januar 2005 vertrat der damalige kolumbianische Präsident Uribe die Haltung, dass in Kolumbien eine „terroristische Bedrohung“ vorliege. Diese Aussage löste in der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft Empörung aus und stieß eine umfassende Diskussion an.
Die Zivilgesellschaft warf der Regierung vor, mit der Kategorisierung des Konfliktes als „terroristische Bedrohung“ den wahren Konflikt zu verschleiern und damit eine Lösung zu verhindern. Die Zivilgesellschaft forderte eine ergebnisoffene Analyse der Situation, die ein besonderes Augenmerk auf die „Sprache des Konfliktes“ richten sollte.
Ergebnis dieser Auseinandersetzung ist, dass der Konflikt in Kolumbien in Anlehnung an das humanitäre Völkerrecht weiterhin als intern bewaffneter Konflikt bezeichnet werden muss.
Basierend auf dem humanitären Völkerrecht wurde Uribes These der „terroristischen Bedrohung“ von kolumbianischen Juristen wie Rodrigo Uprimny für ungültig erklärt. Hierfür bezieht sich Uprimny konkret auf das Zusatzprotokoll II aus dem Jahre 1977 des Genfer Abkommens von 1949. Demnach liegt ein bewaffneter Konflikt auch dann vor, „wenn innerhalb eines Staates die Streitkräfte organisierten bewaffneten Gruppen, die sich gegen die staatlichen Behörden auflehnen, gegenüber stehen oder wenn mehrere solcher Gruppen sich gegenseitig bekämpfen.“
Diese Definition trifft zweifelsohne auf die Lage in Kolumbien zu. Das humanitäre Völkerrecht richtet sich dabei ausschließlich auf den Schutz der Zivilbevölkerung, beziehungsweise der Wehrlosen. Das Ziel dabei ist es, die Folgen des Kriegsgeschehens für die Menschen zu lindern und damit unverhältnismäßiges Leiden und Zerstörung zu verhüten.
In Kolumbien wird eine große Sorgfalt auf die Definition des Konfliktes verwendet, denn die Wahl der Lösungsansätze für eine mögliche Beendigung des Konflikts in Kolumbien steht in einer logischen Beziehung mit der Charakterisierung des Konfliktes. Kurzum: Eine irrtümliche Definition des Konflikts führt unmittelbar zu irrtümlichen Lösungsansätzen. Zu behaupten, dass der Kolumbienkonflikt ein Bürgerkrieg sei, ist falsch. Der Begriff Bürgerkrieg bezeichnet einen Konflikt, bei dem u. a. die Zivilbevölkerung sich aufteilt und sich an der Entwicklung des Krieges aktiv beteiligt (deswegen Bürger-Krieg).
Dies triff auf die Rolle der kolumbianischen Zivilbevölkerung in keinster Weise zu. Sie engagiert sich stattdessen ganz aktiv für eine Friedenslösung des in Kolumbien seit 1964 andauernden intern bewaffneten Konflikts.

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