Nummer 375/376 - Sept./Okt. 2005 | Solidarität

Büro für medizinische Flüchtlingshilfe in Gefahr

Das Berliner Büro für medizinische Flüchtlingshilfe (Medibüro) vermittelt seit 1996 kostenlose und anonyme medizinische Behandlung für Flüchtlinge und MigrantInnen ohne Papiere und Krankenversicherung. Damit ist das selbstorganisierte und nichtstaatliche Projekt im Kreuzberger Mehringhof seit knapp zehn Jahren zentrale Anlaufstelle für illegalisierte Menschen. Nun droht ihm das finanzielle Aus.

Medibüro

MigrantInnen ohne Papiere sind vom Zugang zu regulärer Gesundheitsversorgung, sozialen Sicherungssystemen, Bildung und dem regulären Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Das theoretische Recht auf medizinische Versorgung im Notfall kann aufgrund ausländerrechtlicher Restriktionen oft nicht in Anspruch genommen werden, da den betroffenen Personen die behördliche Erfassung und damit die Abschiebung droht. Auch mit dem neuen Zuwanderungsgesetz hat sich die Situation nicht verbessert. Im Gegenteil: Durch die Verschärfung von Zuwanderungsbegrenzungen werden zunehmend mehr Menschen in die Illegalität gedrängt.
Das „Medibüro“ betreut jeden Monat rund 100 PatientInnen aus unterschiedlichen Herkunftsländern. Einen Schwerpunkt bilden Menschen aus Lateinamerika und Osteuropa. Darunter sind Männer und Frauen, Kinder
sowie ältere Menschen. Sie kommen aus unterschiedlichen Gründen: von einfachen Erkältungskrankheiten und Sehstörungen über Schwangerschaften bis hin zu schweren Infektionserkrankungen, chronischen Gelenkproblemen, bösartigen Tumoren oder psychischen Problemen.
In Zusammenarbeit mit mehr als 100 medizinischen Fachkräften verfolgt das „Medibüro“ das pragmatische Ziel, MigrantInnen den Zugang zu qualifizierter medizinischer und zahnmedizinischer Behandlung zu ermöglichen. Während der Bürozeiten vermittelt das Büro die Ratsuchenden an eine geeignete Fachpraxis oder andere medizinische Einrichtungen. Die Behandlung erfolgt dort anonym, kostenlos und unbürokratisch. Im Bedarfsfall begleiten DolmetscherInnen die PatientenInnen in die Praxis. In Kooperation mit verschiedenen Beratungsstellen und RechtsanwältInnen wird gegebenenfalls versucht, Perspektiven für einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu entwickeln.
Das Büro für medizinische Flüchtlingshilfe setzt der rassistischen Ausgrenzung von Flüchtlingen aus der Sozialgesetzgebung und der regulären Gesundheitsversorgung ein praktisches Projekt und eine politische Initiative entgegen. Dabei versteht sich das Büro explizit nicht als Lückenbüßer im Gesundheitswesen und will den Staat nicht aus der Verantwortung entlassen. Langfristiges Ziel ist die Integration aller Menschen in das reguläre Gesundheitssystem. Darüber hinaus sollen mit der politisch-praktischen Arbeit die Rechte für Illegalisierte eingefordert und wahrgenommen werden. Im internationalen Kontext macht sich das People’s Health Movement (PHM) für eine gemeinsame globale Kampagne für das Recht aller auf Gesundheitsversorgung stark und hat dieses Jahr in Ecuador als europäischen Arbeitsschwerpunkt den Zugang von Illegalisierten zu einer umfassenden Gesundheitsversorgung vorgeschlagen (siehe auch www.medico.de).
Trotz unentgeltlicher Tätigkeit aller Mitwirkenden fallen zum Teil hohe Kosten für Medikamente, Laboruntersuchungen, Operationen, Geburten oder Schwangerschaftsabbrüche an, die ausschließlich über Spenden finanziert werden. Dabei arbeitet das Büro immer am Rande seiner finanziellen Möglichkeiten. Seit einigen Wochen sind die finanziellen Mittel nahezu aufgebraucht. Deshalb sind wir für den Fortbestand unserer Arbeit dringend auf neue Spenden angewiesen!

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