Kuba | Nummer 286 - April 1998

Clinton predigt Tauwetter

Retuschen an der amerikanischen Sanktionspolitik

Am 20. März staunte nicht nur Senator Jesse Helms, sondern auch große Teile der konservativen, um nicht zu sagen reaktionären, kubanischen Exilgemeinde Bauklötze. Heimlich still und leise hatte US-Präsident Bill Clinton den politischen Spielraum, den ihm der Papstbesuch in Kuba und die päpstliche Kritik am Embargo bescherte, genutzt und einige kosmetische Änderungen am rigiden Sanktionskurs der USA vorbereitet. Was Clinton selbst als „neue Öffnung“ bezeichnete, kam international gut an, ist aber nichts weiter als eine Geste des Präsidenten, der damit immerhin ein wenig Beweglichkeit zeigen konnte.

Knut Henkel

Der Termin war nicht schlecht gewählt. Ohne jede Vorankündigung hatte Präsident Bill Clinton am 20. März bekanntgegeben, daß er einzelne Bestimmungen des antiquierten US-amerikanischen Embargos lockern werde und entschwand im Anschluß auf seine 12tägige Afrikareise. Zurück ließ er staunende Gesichter, vornehmlich die seiner politischen Gegner, die auf eine derartige Initiative des Präsidenten gänzlich unvorbereitet waren.
Unwirsch reagierte denn auch Jesse Helms, der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Senats. In seinem Fall sind es weniger die angestrebten Maßnahmen selbst, sondern vielmehr die Tatsache, daß er, als selbsternannter Kubaspezialist und Gesetzesverfasser, schlichtweg übergangen wurde. Schnell war er mit rechtlichen Einwänden zur Hand: Clinton hätte, so war aus seinem Büro zu hören, mit den angekündigten Maßnahmen seine Kompetenzen und Bestimmungen, die im Helms-Burton-Gesetz enthalten sind, verletzt, weshalb zunächst einmal eine rechtliche Prüfung anstehe.
Anders liegt der Fall bei Ileana Ros-Lethinen, Kongreßabgeordnete im Auftrag der Kubanisch-Amerikanischen Nationalstiftung. Diese spuckte Gift und Galle als sie von Clintons Initiative hörte und meinte, daß nicht eine Änderung der Embargopolitik nötig sei, sondern der Regierungswechsel in Kuba.

Gift und Galle

„Es ist offensichtlich,“ so die gebürtige Kubanerin, „daß die Regierung der USA auf eine Politik der Nichtkonfrontation setzt. Clinton will eine neue Öffnung gen Kuba implementieren,“ analysierte sie fassungslos. Nicht nur in ihren Augen hatte der Präsident damit anscheinend eine Todsünde begangen, sondern auch in denen von José Basulto, dem Chef der „Hermanos al Rescate“. Die Entscheidung des Präsidenten beleidige die vier Mitglieder seiner Organisation, die im Februar 1996 von kubanischen Piloten abgeschossen worden waren. Die einflußreichste Organisation der konservativen Exilkubaner, die kubanisch-amerikanische Nationalstiftung (CANF), lamentierte in einer Presseerklärung, daß „es bedauernswert sei, Sanktionen aufzuheben, die für ein Verbrechen verhängt wurden, für das Fidel Castro keine Reue gezeigt habe“.
Gemäßigte Abgeordnete, moderate Vertreter der kubanischen Exilgemeinde sowie Vertreter der Handelskammer begrüßten die Ankündigungen Clintons. John Howard, Direktor für internationale Politik in der Handelskammer der USA, machte allerdings keinen Hehl daraus, daß für seine Organisation die Aufhebung des 37jährigen Embargos das Ziel sein müsse. Er predigte ähnlich wie die in den USA ansässigen Europavertreter den Leitsatz „Wandel durch Handel“, der schließlich auch für die Politik in China oder Vietnam gelte.
Doch von einer vollständigen Aufhebung des Embargos sind die Vereinigten Staaten weit entfernt. Die für Aufregung sorgenden Beschlüsse des Präsidenten sind nichts weiter als Retuschen an der amerikanischen Sanktionspolitik. Mit dem Verweis auf den Appell des Papstes, der das Embargo als „inhuman“ bezeichnete, drehte Clinton das Rad der Geschichte auf den Stand von 1994 zurück. Nun dürfen Exilkubaner ihren Angehörigen in Kuba wieder US-Dollar auf direktem Weg zukommen lassen – allerdings nur 300 US-Dollar pro Haushalt und Vierteljahr. Die findigen Kubaner hatten sich allerdings, auch als die Geldsendungen noch offiziell verboten waren, nicht davon abhalten lassen, ihren Verwandten US-Dollar über Drittländer zukommen zu lassen. Allein im letzten Jahr sollen auf diesem Weg 800 Millionen US-Dollar nach Kuba gelangt sein, womit die Überweisungen der Exilkubaner, je nach Berechnung, auf Platz eins oder drei der größten Devisenquellen der kubanischen Volkswirtschaft rangieren. Zudem soll es wieder direkte Charterflüge zwischen den beiden Ländern geben. Diese waren 1996 nach dem Abschuß der beiden Flugzeuge der „Hermanos al Rescate“ storniert worden. Die Reisebüros in Miami konnten sich wenige Stunden nach Bekanntgabe der Entscheidung vor Reisewilligen kaum retten. Allerdings mußten sie sich dann erklären lassen, daß es sich allein um humanitäre Flüge von Hilfsorganisationen handle. Mitgeführt werden allein Hilfsgüter, die über regierungsunabhängige Organisationen, wie Caritas oder Brot für die Welt, verteilt werden sollen. Passagiere könnten nur in Ausnahmefällen, wie im Falle von Beerdigungen oder anderen außergewöhnlichen Anlässen, mitfliegen.
Die dritte Maßnahme, die Clinton auf „direkten Wunsch des Papstes“ eingeleitet hat, so Madeleine Albright gegenüber der Presse, sei die Erweiterung der Möglichkeiten, Medikamente und medizinische Ausrüstungen in den USA zu kaufen und nach Kuba zu überführen. Gleiches gilt für den Transfer von Nahrungsmitteln gen Kuba, allerdings muß Madeleine Albright dazu erst mit dem von den Republikanern dominierten Kongreß verhandeln und eine Lücke in den harschen Embargobestimmungen finden.
Allein mit den letzten beiden Initiativen betritt Clinton Neuland, denn obwohl das Embargo grundsätzlich die Lieferung von Hilfsgütern wie Nahrungsmitteln und Medikamenten gestattet, war es aufgrund abstruser Aulegung der Bestimmungen zumeist zu Behinderungen oder Verboten derartiger Hilfslieferungen gekommen.

Neuland

Bekanntes Beispiel sind die Karawanen der „Pastoren für den Frieden“, die wiederholt an den Grenzen der USA aufgehalten wurden. Schulbusse oder Computer für ein medizinisches Netzwerk wurden als nicht exportfähig eingestuft, mit der Begründung, sie könnten als Truppentransporter oder für das Sammeln militärischer Daten verwendet werden. Damit ist es in naher Zukunft vielleicht vorbei, denn erstmals hat sich in den USA eine Lobby gebildet, die den Export von Hilfsgütern dem Kongreß schmackhaft machen möchte. Die „Americans for Humanitarian Trade with Cuba“, die sich Mitte Januar gründeten, brandmarkten das Embargo als inhuman und den US-Idealen unwürdig. Deutliche Worte, die in den USA selten von derart einflußreichen Leuten zu hören sind.
Zu dem illustren Kreis gehörten David Rockefeller, Carla Hills, Ronald Reagans ehemalige Handelsbeauftragte, Lloyd Bentsen, ehemaliger erster Sekretär Clintons im Schatzamt, aber auch ehemalige Generäle wie John J. Sheehan, der für den US-amerikanischen Marinestützpunkt Guantanamo Bay verantwortlich war. Zu der Lobbyorganisation gehört allerdings auch der Nationale Kirchenrat sowie die Handelskammer, Institutionen die zwar zusätzliche Durchschlagskraft verleihen, ihr aber auch prompt Anfeindungen seitens reakionärer Teile der kubanischen Exilgemeinde einbrachten.
Letztere haben mit der Initiative Clintons zwar erstmals seit einigen Jahren eine Niederlage einstecken müssen (da sie, wie ansonsten zumeist üblich, nicht zuvor konsultiert wurden). Allerdings hat Clinton nichts weiter getan, als seinen begrenzten politischen Spielraum auszuschöpfen. Für weitere Initiativen bedarf er der Zustimmung von Kongreß und Senat, wo die Anti-Castro-Allianz ihn in die Schranken weisen dürfte. Dies ist natürlich auch Clinton bewußt, der sich bestimmt nicht mit aller Kraft für eine Aufhebung des Embargos stark machen wird. Für ihn ist Kuba nichts weiter als ein „low-priority dilemma“, welches das Risiko birgt, es sich mit wichtigen Interessengruppen innerhalb der USA zu verscherzen. Außenpolitisch könnte er wohl mit einer Lockerung des Embargos den einen oder anderen Pluspunkt einfahren, der innenpolitische Schaden wäre allerdings hiermit nicht aufzuwiegen.
Mit seiner Initiative machte der Präsident letztlich Werbung in eigener Sache: Er ist dem Papst, den Europäern und den moderaten US-amerikanischen Kreisen entgegengekommen, ohne die Hardliner allzu arg zu brüskieren und steht damit im besten Lichte da. Ein diplomatischer Erfolg, zumal auch Fidel Castro mitspielte, der die Initiative als „hilfreich und nützlich für die Klimaverbesserung zwischen beiden Staaten“ begrüßte.


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