Das große Reinemachen
Nach den FSLN-Gremien ist auch die Barricada auf Linie gebracht
Am 25. Oktober war es soweit: Forschen Schrittes betraten FSLN-Mitbegründer Tomás Bórge und der neu in die Nationalleitung der Sandinistischen Front gewählte Lumberto Campbell die Redaktionsräume der sandinistischen Barricada und verkündeten die Entlassung des langjährigen Direktors und Barricada-Gründungsmitgliedes Carlos Fernando Chamorro. Chamorro zählte innerhalb der Partei zu den ReformerInnen, die beim letzten Parteitag der von Generalsekretär Daniel Ortega geführten “Demokratischen Linken” unterlegen waren (vgl. LN 240).
Noch am selben Tag stellte der Vizedirektor Roberto Fonseca Lopez sein Amt zur Verfügung, ebenso wie die drei Mitglieder des Herausgeberbeirates. Eine Woche später verhandelten bereits sechzehn führende RedakteurInnen über ihr Ausscheiden.
“Die FSLN erobert Barricada zurück” titelten die neuen Schlagzeilen-Macher zwei Tage nach dem Rausschmiß Chamorros, und so will die Parteispitze um Daniel Ortega das auch verstanden wissen: Rund zwei Jahre vor der nächsten Wahl braucht die Leitung der krisengeschüttelten Partei ein Organ – und das kann natürlich nicht ausgerechnet die Führung kritisieren.
Ließ es sich nicht verhindern, daß in den ersten Ausgaben von Barricada nach dem Wechsel DissidentInnen, RedakteurInnen und empörte LeserInnen ihrem Ärger Luft machten, so ist auch das seit dem 5. November vorbei: Auf Beschluß der neuen Macher gibt’s kein Zetern mehr, Artikel über Barricada-Interna auch nicht. Stattdessen reißerische Artikel auf abenteuerlichem Niveau. Da ist zu lesen, die – mit ReformerInnen besetzte – FSLN-Parlamentsfraktion mache bei der von ihr ausgearbeiteten und mitgetragenen Verfassungsreform “gemeinsame Sache mit den Somozisten”, da darf die Basis endlich sagen, daß “es uns reicht” mit der “Gruppe Ramirez” und daß “die endlich abhauen” sollen und ja eh’ “rechtsradikale Politik” betreiben.
Um die Lücken zu füllen wurde auch gleich ein neuer Chefredakteur gefunden, der wohl wie kein anderer Sandinist Erfahrung mit der Verbreitung von Halbwahrheiten, Verleumdungen und persönlichen Tiefschlägen hat: William Grigsbi Vasdo, bisher Macher und Sprachrohr vom seit jeher Ortega-treuen Radio YA, der auch schon mal die Comandante Dora María Tellez vom Reformflügel als “diese Lesbe, die wir nicht wollen” denunzierte.
Tatsächlich: In den letzten vier Jahren war Barricada nicht mehr auf Linie – dies allerdings auf ausdrücklichen Parteitagsbeschluß. Während des ersten ordentlichen Parteikongresses 1991, ein Jahr nach der verheerenden Wahlniederlage, wurde den sandinistischen Medien mehr Autonomie zugesprochen und CFC, wie Carlos Fernando Chamorro auch genannt wird, von der Nationalen Leitung beauftragt, ein neues Zeitungskonzept zu entwerfen und umzusetzen. Vom Jubelblatt für die Frente, die auch dann noch 10.000 TeilnehmerInnen an einer Wahlkampfveranstaltung mit Daniel Ortega gesehen haben wollte, wenn alle wußten, daß es maximal 1000 waren, mauserte sich Barricada in den letzten vier Jahren unter der Leitung von CFC tatsächlich zu einem professionellen, Blatt, das mit dem sonst in Nicaragua üblichen Sensationsjournalismus nichts mehr zu tun hatte. Und auf den Meinungsseiten konnte jedeR nachlesen, was sich die unterschiedlichen Flügel der Partei zu sagen hatten.
Aber wer “neuen Journalismus” verlangt, der wird sich dann auch mal ärgern über seine eigene Zeitung, und so hagelte es von der Parteiführung harte Vorwürfe, unter der Leitung ihres Direktors hätte die Zeitung “die nationalen Interessen verraten”, sie würde sich “zuwenig mit dem Volk und seinen Kämpfen solidarisieren” und zuviel über “bürgerliche Politik berichten”. Vor allem aber hätte die Zeitung in ihrer ausführlichen Berichterstattung über die FSLN-interne Auseinandersetzung für die ReformerInnen Partei ergriffen.
Außerdem, so der Vorwurf, seien die Verkaufszahlen um 16 Prozent gesunken. Daniel Ortega rechnete vor, daß es mit 310.000 eingeschriebenen Mitgliedern der FSLN doch möglich sein müßte 50.000 Exemplare zu verkaufen, um so unabhängiger von den bürgerlichen Anzeigenkunden zu werden. Abgesehen von den zehntausenden Karteileichen schafft solche Auflagen freilich angesichts der nicaraguanischen Verarmung auch keine der beiden anderen, im populären Boulevard-Stil aufgemachten Tageszeitungen, weder das prosandinistische “Nuevo Diario” noch die traditionelle bürgerliche “La Prensa”. Solch eine Auflage wäre nur zu schaffen, wenn die Barricada wie in den Anfangszeiten wieder umsonst verteilt würde. Und so hält sich hartnäckig das Gerücht, Bórges Intimfreund, der scheidende mexikanische Präsident Salinas de Gortari und seine PRI hätten der Barricada finanzielle Unterstützung für das neue Projekt angeboten.