Honduras | Nummer 438 - Dezember 2010

Das ignorierte Volk

Die Forderungen der honduranischen Widerstandsbewegung bestehen weiter – die Regierung gibt nicht nach

Trotz der mehr als 1,3 Millionen gesammelten Unterschriften für eine demokratische Neugründung des Landes, macht die illegitime Regierung keine Zugeständnisse an die Demokratiebewegung. Die Krise verschärft sich weiter.

Marius Zynga

Wieder einmal wurden in Honduras‘ Hauptstadt Tegucigalpa die wichtigsten Straßen blockiert und auch in anderen Teilen des Landes kam es zu Protesten. Am 11. November versammelten sich Tausende von Menschen auf den Straßen von Honduras um unter anderem für die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung und die Anhebung des Mindestlohns zu demonstrieren. Gemeinsam mit Gewerkschaften und Lehrerverbänden will die Nationale Front des Populären Widerstands (FNRP) so ihre Forderungen durchsetzen und den Druck auf die De-Facto-Regierung von Porfirio Lobo erhöhen. Denn die soziale, politische und wirtschaftliche Krise ist längst nicht überwunden.
Seit Monaten warten tausende von Lehrkräften auf die Auszahlung von ausstehenden Löhnen in Höhe von umgerechnet ca. drei Millionen Euro. Auch die Campesin@s der Region des Bajo Aguán im Norden des Landes, haben die zugesicherten Landtitel noch nicht erhalten. Steigende Preise für Grundnahrungsmittel machen es nicht nur ihnen immer schwerer ihr Überleben zu sichern. Zwar überprüft die Regierung derzeit die Möglichkeit die Preise der wichtigsten Produkte einzufrieren. Doch kündigten Industrie und Handel an, dass auch sie dabei ein Wort mitreden werden. Das einfache Volk, das zwischen Politik und Wirtschaft steht, ist frustriert.
Unlängst hat sich dieser Frust der BürgerInnen auch gegen den honduranischen Kardinal Óscar Rodríguez Maradiaga entladen. Bei seinem Besuch einer Kirche in Tegucigalpa bewarfen ihn PutschgegnerInnen mit Eiern. Kurz darauf kam es zu Übergriffen der Polizei, die mehrere Protestierende festnahm und verletzt.e Fortan wird der Kardinal von einer Polizeigarde beschützt. Aufgrund von wiederholten Äußerungen zur Rechtfertigung des Putsches wird das Oberhaupt der honduranischen Kirche und der Hilfsorganisation Caritas weltweit stark kritisiert. Ungeachtet dessen lud die Katholische Akademie Hamburg Maradiaga zu einer Podiumsdiskussion Anfang Dezember ein.
Die von Präsident Lobo ins Leben gerufene Wahrheitskommission zur Aufklärung der Ereignisse um den Putsch hat bisher keine Ergebnisse veröffentlicht. Sie wird von der Widerstandsbewegung, wegen der putschistennahen Kommissionsmitglieder abgelehnt. Doch nicht nur der Wahrheitskommission fehlt es an Akzeptanz. Die nach dem Putsch entlassene und in Berlin mit dem Hans-Litten-Preis ausgezeichnete Richterin Tirza Flores Lanza, sagte im Interview mit den Lateinamerika Nachrichten, Präsident Porfirio Lobo sei derjenige, der am wenigsten im Land zu sagen habe. Er werde nicht einmal von seinen eigenen Leuten unterstützt und sei höchstens deren Marionette.
Unterdessen verschlimmert sich die Menschenrechtslage immer weiter. Honduras ist mit Venezuela und Guatemala eines der gewalttätigsten Länder der Region, mit einem Durchschnitt von 16 Morden pro Tag. Die Gewaltwelle erreichte nach dem Putsch vom Juni 2009 extreme Werte, was die Behörden auf die weit verbreitete Straflosigkeit im Land zurückführen. Anfang November wurden sieben, wegen der Entführung eines Cousins des Präsidenten verdächtigte Personen verhaftet und kurz darauf tot aufgefunden. Seit dem Putsch gab es in Honduras über einhundert politische Morde und rund 10.000 Menschenrechtsverletzungen. Aufgeklärt wurde bisher nur ein einziger Fall.

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