Literatur | Nummer 548 - Februar 2020

DAS LEBEN IM FLUSS

Bettina Bremme erzählt in Nie derselbe Horizont eine einfühlsame interkulturelle Beziehungsgeschichte

Von Martin Schäfer

Bild: Klak Verlag

Bild: Klak Verlag

Manche Bücher ziehen uns durch Erzählungen von einer unbekannten Welt in den Bann. Nie derselbe Horizont, das Romandebüt von Bettina Bremme, zieht dagegen seinen Reiz auch daraus, dass trotz einer Vielzahl an Perspektiven so viel Vertrautes in den hier erzählten neun Monaten aus dem Leben zweier Menschen steckt.

Die deutsche Fotoreporterin Andrea, lateinamerikabegeisterte Tochter aus wohlbehütetem Haus, ist der Enge der elterlichen Provinz bei erster Gelegenheit entflohen und irgendwann in Berlins linksalternativer und polyglotter Szene gelandet, in Kreisen, in denen „man sich meistens entweder mit dem Fahrrad oder mit dem Flugzeug fortbewegt“ und sich immer irgend jemand im Bekanntenkreis gerade nach Übersee aufmacht – für die neue Beziehung, für ein Projekt, zum Reisen.

Der argentinische Psychologe Daniel, im Buenos Aires der Militärdiktatur mit schwierigen familiären, finanziellen und politischen Verhältnissen aufgewachsen, ist für eine verflossene Beziehung nach Berlin gekommen, was für ihn bedeutete, quasi bei Null anzufangen.

In Nie derselbe Horizont erzählt Bremme die Liebesgeschichte der beiden entlang der Frage: Wo wollen wir zusammen leben? In Berlin, wo zwar die ganze Welt zuhause ist, Daniel aber das Winterwetter und mitunter sprachliche Hindernisse zu schaffen machen? Oder im krisengeschüttelten Buenos Aires (die Handlung spielt während der Finanzkrise von 2001)? Das Buch beginnt mit der Idee, ein Kompromiss sei vielleicht das Beste: Barcelona, die mediterrane Metropole am Meer.

Die Handlung wechselt – oft in Rückblenden – zwischen allen drei Städten hin und her, die Suche nach dem richtigen Ort steht dabei symbolhaft auch für weitere Aspekte der Suche nach einer gemeinsamen Zukunft in einer in mehrfacher Hinsicht interkulturellen Beziehung: Frau und Mann, Deutschland und Argentinien, gehobene und krisengeschüttelte Mittelschicht. Hier treffen verschiedene Sozialisationen, Kommunikationsstile und Temperamente aufeinander. Was einerseits einen großen Reiz ausmacht, kann auch herausfordernd sein bei Fragen, die es in jeder Beziehung zu klären gibt wie: Wie stark kommt man den Bedürfnissen des anderen entgegen? Zu welchen Abstrichen ist man bereit, wenn das Geld knapp wird? Wie bedingungslos hilft man, wenn die (Schwieger-)mutter in Not ist?

Es fällt einem kaum auf, dass sich in manchen Aspekten der Figuren auch das eine oder andere Klischee spiegelt. Vielmehr vermittelt sich mit großer Lebendigkeit und Leichtigkeit ein Lebensgefühl in den drei Metropolen. Das hat vielleicht auch mit autobiografischen Aspekten des Buches zu tun: Bettina Bremme zog selbst Anfang des Jahrtausends – und in ähnlichem Alter wie im Buch Andrea – von Berlin nach Barcelona. Ob optische und atmosphärische Details der Schauplätze, ob Gedanken, Seelennöte oder Lebensfreuden Andreas und Daniels sowie einer ganzen Reihe ihrer für verschiedenste Lebens- und Beziehungsentwürfe stehenden Bezugspersonen – die Autorin, Freund*innen lateinamerikanischer Filme durch ihre Sachbücher zum Thema bekannt, erweist sich stets als unterhaltsame und gleichzeitig feinfühlige, genaue Beobachterin und Erzählerin.


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