Berlinale | Brasilien

Das Öffentliche ist politisch

Ato noturno lotet im Telenovela-Stil die soziale Akzeptanz einer schwulen Beziehung aus

Von Dominik Zimmer
© Avante Films, Vulcana Cinema

Matias ist sauer. Zusammen mit seinem Mitbewohner Fabio spielt er die Hauptrolle in einem Stück seines Theaterensembles im brasilianischen Porto Alegre. Nun kommt die Produktion einer großen TV-Serie in die Stadt und bietet ausgerechnet Fabio die Chance an, ihn groß herauszubringen: Er soll den Frauenschwarm der Serie spielen. Für den schwulen Matias (Gabriel Faryas) zwar kein zusätzlicher Anreiz. Trotzdem hält er sich für den besseren Schauspieler und wendet sich in der Folge gekränkt seiner Dating-App zu. Dort matcht er den geheimnisvollen Politiker und Bauunternehmer Rafael (Cirillo Luna), der ursprünglich nur auf einen One-Night-Stand aus ist. Doch schon bald wird mehr daraus und als sie beide in der Öffentlichkeit bekannter werden, müssen sie entscheiden, wie und wann sie ihre Beziehung mit ihren Karrieren in Einklang bringen können.

Ato noturno (Night Stage), der neueste Film des queeren Regisseur-Duos Marcio Reolon und Filipe Matzembacher (u.a. Tinta Bruta), bringt satte Farben und eine Handlung im schönsten Telenovela-Stil in die eher spröde Metropole des brasilianischen Südens (wer schon einmal in Porto Alegre war, weiß, dass die Suche nach pittoresken Film-Locations dort nicht einfach ist). Im Zentrum steht dabei die Frage, wie sehr offene Homosexualität für Figuren öffentlichen Interesses – seien es Politiker*innen oder Schauspieler*innen in bestimmten Rollen – auch heute noch mit Tabus belegt ist. Für Rafael und Matias, die eine sehr sexuelle Beziehung führen und die sie zudem gerne an öffentlichen Orten ausleben, wird diese Frage zur Zerreißprobe. Dabei geht es nicht nur darum, im Zeitalter von Social Media durch kompromittierende Fotos und Videos bloßgestellt zu werden, sondern auch um den Verlust von beruflichen und persönlichen Bindungen, die ein Publikmachen ihres Verhältnisses mit sich bringen würde.

Die an und für sich sehr reizvolle Geschichte leidet darunter, dass Reolon und Matzembacher sie etwas arg oberflächlich im Telenovela-Stil inszeniert haben. Den (trotz guter schauspielerischer Leistungen) klischeehaft daherkommenden Figuren hätte angesichts der differenzierten Thematik mehr Nuancierung gut getan. Vor allem der unvermeidliche Bösewicht wirkt, als hätte man die Beta-Version eines KI-Programms mit seiner Charakterisierung beauftragt. Zudem istAto Noturno etwas zu lang geraten – eine Novela-Folge trägt nun mal nicht über zwei Stunden. Und auch das überzogene Ende hilft dem Film nicht wirklich.Wenn man Ato Noturno vor allem als Statement für die Öffentlichkeit queerer Beziehungen sehen möchte und kein Problem mit unterkomplexen Plots und Figurenzeichungen hat, kann man trotzdem durchaus Spaß daran haben. Für Kinogänger*innen mit höheren Ansprüchen an dramaturgische Ambivalenz ist der Film dagegen nur eingeschränkt zu empfehlen.

Ato Noturno, Brasilien 2025, 119 Minuten, Berlinale-Sektion Panorama, Portugiesisch mit englischen Untertiteln, Regie: Marcio Reolon und Filipe Matzembacher

LN-Bewertung: 2 / 5 Lamas

Vorführtermine auf der Berlinale:

  • Freitag, 14.02., 21:00 – Zoo Palast 1
  • Freitag, 14.02., 21:00 – Zoo Palast 2
  • Samstag, 15.02., 10:30 – Haus der Berliner Festspiele
  • Dienstag, 18.02., 13:15 – Cubix 5
  • Freitag, 21.02., 15:30 – Urania
  • Sonntag, 23.02., 18:15 – Cubix 7

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