// Das Soziale Medienfeld nicht räumen
Soziale Medien gehören heute zu den wichtigsten Kanälen der Kommunikation. Bei jungen Menschen haben sie sich nicht nur als Mittel zur Kontaktaufnahme etabliert, sondern sind auch zentrale Quelle für politische Informationen. Etwa 73 Prozent der 16- bis 24-Jährigen in Deutschland nutzen laut Statista soziale Medien.
Doch die utopische Hoffnung der frühen Jahre des Internets, dass soziale Netzwerke demokratische und konstruktive Debattenräume sind, steht heute einer Realität gegenüber, in der vor allem die Rechten von den Mechanismen dieser Plattformen profitieren. Mechanismen wie zum Beispiel Algorithmen, die polemische, emotionsgeladene Beiträge favorisieren und die Entstehung von Filterblasen und Echo-Kammern provozieren. Soziale Medien bilden heute ein Umfeld, in dem einfache, polarisierende Botschaften bevorzugt werden. Negative Emotionen wie Angst oder Wut, mit denen rechte Diskurse gekonnt spielen, haben es daher leichter.
In Zeiten des Daten- und Überwachungskapitalismus sind zudem nicht nur die internen Dynamiken und ihre Auswirkungen Objekt der notwendigen Kritik, sondern auch die dahinterstehenden Besitzverhältnisse. Elon Musk & Co scheffeln massenweise Geld mit den Daten der Nutzer*innen und erweitern ihre Möglichkeiten der Einflussnahme. Aber es wäre ein gravierender Fehler, dies festzustellen und dann das Feld jenen zu überlassen, die daraus Vorteile ziehen. Die Skepsis der Linken gegenüber den Dynamiken der sozialen Medien ist zwar fundiert, jedoch nicht konstruktiv, wenn sie an dieser Stelle hängen bleibt. Genauso wie in Bezug auf andere Produkte im Kapitalismus können Boykott oder Ansätze des kritischen Konsums eine Möglichkeit sein, reichen aber als Strategie nicht aus. Vor allem helfen sie nicht dabei, die Linke wieder zu der Massenbewegung zu machen, die sie sein muss, um etwas zu verändern. Ob wir es wollen oder nicht: In der Gesellschaft, wie sie heute ist, sind soziale Medien zentral für politische Arbeit.
Und es gibt durchaus Beispiele dafür, wie diese erfolgreich von linken Gruppen und Organisationen genutzt wurden. Die Transnationalität der heutigen feministischen Bewegung geht zu großen Teilen auf das Nutzen sozialer Medien als Kommunikationskanäle zur Verbreitung von Informationen, Vernetzung und Mobilisieurng zurück. Als 2019 Feminist*innen auf der ganzen Welt die Performance „Un violador en tu camino“ (dt.: Ein Vergewaltiger auf deinem Weg) des chilenischen Kollektivs Las Tesis nachahmten, nachdem diese über Facebook, Youtube und Instagram weltweit Berühmtheit erlangt hatte, wurde dies symbolisch deutlich. Auch die Kampagne #MileiNoSosBienvenido der Asamblea en Solidaridad con Argentina in Berlin und anderen Städten Deutschlands und Europas im vergangenen Monat kann als Positivbeispiel dienen: Mit der Kombination von verschiedenen Straßenaktionen und Publikationen ist es der Asamblea in kurzer Zeit gelungen, Tausende zu mobilisieren und Presseaufmerksamkeit zu generieren – alles mit Social Media als Hauptkommunikationskanal.
Es ist also möglich, linke Präsenz durch soziale Medien zu verstärken, Referenzfiguren und Perspektiven gerade an jüngere Leute heranzutragen. Dabei ist es zentral, das Publikum zu verstehen. Es geht meistens nicht nur um Aufklärung, sondern um Dialog und darum, gemeinsame Aktionsperspektiven zu finden. Die sozialen Medien können eine unterstützende Funktion für Aktivismus haben. Und für diese Funktion muss gekämpft werden. Seit es das Internet gibt, gibt es auch kritische Menschen, die sich die virtuellen Räume aneignen und sich, genau wie auch aus anderen Räumen, nicht vertreiben lassen. Die entsprechende kreative Hackerstrategie können wir uns zueigen machen.