Film | Nummer 440 - Februar 2011

Der Feind ist jetzt ein anderer

Tropa de Elite 2 vom Regisseur José Padilha ist der erfolgreichste brasilianische Film aller Zeiten

Lars Humbert

Im zweiten Teil des Films Tropa de Elite (2007) machen die Polizisten Roberto Nascimento und André Matias die korrupten Elemente in den eigenen Reihen aus. Sie begeben sich ins Netz des organisierten Verbrechens, das seine Fäden bis zum Gouverneur des Bundesstaats spinnt. Zusammen mit dem Menschenrechtsaktivisten Diogo Fraga recherchieren sie die mafiösen Verbindungen zwischen Politik, Polizei und Medien, was für alle Beteiligten zu einem gefährlichen Unterfangen wird.
Tropa de Elite 2 („Elitetruppe 2“) setzt 15 Jahre nach dem ersten Teil des Films ein. Nascimiento ist inzwischen zum Leiter des Bataillons für spezielle Polizeioperationen (BOPE), einer Spezialeinheit der brasilianischen Militärpolizei, aufgestiegen. Matias wurde bereits im ersten Teil vom damaligen Gruppenführer Nascimiento als dessen Nachfolger seiner BOPE-Einheit auserkoren.
Bei einem Aufstand der Gang Comando Vermelho („Rotes Kommando“) im Gefängnis Bangu 1 stoppt Matias die Aufständischen auf die Art der BOPE – indem er sie erschießt. Obwohl Fraga mit den Aufständischen verhandelt, werden die Rädelsführer hingerichtet. Daraufhin macht er die brutale Vorgehensweise des BOPE publik, wodurch sich die Politik gezwungen sieht, Konsequenzen zu ziehen.
Nascimiento rechnet aufgrund des Vorfalls mit seiner Entlassung. Als er allerdings beim Treffen mit seinen Vorgesetzten in einem noblen Café von den übrigen Besuchern als Held empfangen wird, entschließt sich der Bürgermeister stattdessen kurzerhand, ihm einen Bürojob beim Inlandsgeheimdienst zu verschaffen. Im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen scheint ihm die Beförderung des „Helden“ wahlkampftauglich.
Auch Fraga ist durch den Vorfall bekannt geworden und entschließt sich daraufhin, zur Bürgermeisterwahl anzutreten. Matias wird zum Sündenbock der Aktion gemacht und aus der BOPE entlassen. Er kehrt zur Militärpolizei zurück, wo er auf einen alten Bekannten aus dem ersten Teil trifft. Sein Vorgesetzter dort ist Kapitän Fábio, der aufgrund seiner kriminellen Machenschaften nicht in die BOPE aufgenommen wurde.
Aus nächster Nähe offenbaren sich hier die Praktiken einer Mafia-Miliz, die aus Polizisten besteht, die gemeinsame Sache mit Drogenhändlern machen oder, nach dem die Banden verdrängt sind, deren Geschäft komplett übernehmen.
Nachdem Unbekannte ein Polizeirevier in einem umkämpften Viertel überfallen und Waffen erbeuten, benutzen die Polizisten der Mafia-Miliz dies als Vorwand, um die Besetzung des Viertels vorzubereiten. Ihr Ziel ist es, den Gangs ihr Geschäft abzunehmen und den Schwarzmarkt in diesem Viertel unter ihre Kontrolle bringen. Matias hilft den kriminellen Polizisten bei der Suche nach den Waffen, da er sich durch deren Beziehungen zu führenden PolitikerInnen die Wiederaufnahme beim BOPE verspricht. Nascimiento ist gegen den Einsatz, kann sich jedoch nicht gegen das kriminelle Netzwerk aus Politik und Polizei durchsetzen.
Fragas MitarbeiterInnen haben mittlerweile herausgefunden, dass der Bürgermeister mit den Milizen kooperiert. Bei einem nicht erfolgreichen Mordanschlag auf Fraga wird der Sohn von Nascimiento verletzt und mit den Worten „jetzt ist es persönlich“ startet er seinen Rachefeldzug gegen die führenden Köpfe des Anschlags. Diese bekleiden jedoch die höchsten öffentlichen Ämter Rios und veranlassen seine Entlassung aus dem BOPE. Alleine führt Nascimiento in der Manier eines Actionhelden den Kampf auf den Straßen Rios weiter, während Fraga als Abgeordneter im Senat gegen das organisierte Verbrechen in Reihen der Polizei und Politik kämpft. Die Verhaftung des amtierenden Bürgermeisters krönt die Anstrengungen der beiden. In der letzten Szene fliegt die Kamera über die Hauptstadt Brasilia hinweg, während ein Sprecher erläutert, dass es noch ein weiter Weg bis zur Ausmerzung der Korruption sei und bis dahin noch viele Unschuldige sterben würden.
Wie im ersten Teil des Films kommen Gewalt und Aktion geladene Szenen nicht zu kurz, allerdings hat es José Padilha diesmal geschafft, mehr Gewicht auf sozialkritische Aspekte zu legen. Auch wenn die Charaktere teilweise plakativ dargestellt und Klischees bedient werden, stellt der Film die Situation in Rio de Janeiro realitätsnah dar.
Für die Dreharbeiten wurde unter anderem eine BOPE-Zentrale in Tavares Basto genutzt, die Szenen der Erstürmung der Favela auf der Suche nach den geraubten Polizeiwaffen wurden in der Favela Santa Marta in Botafogo gefilmt. Diese Favela ist zynischerweise durch die Befriedende Polizeieinheit (UPP) besetzt, deren Strategie es ist, durch dauerhafte Präsenz Verbrechen zu unterbinden, anstatt gezielte Tötungen vorzunehmen.
Die Szenen der Erstürmung des Viertels im Film erinnern stark an die Besetzung des Viertels Morro do Alemão durch Polizei und Militär im November 2010, die knapp zwei Monate nach der Premiere in Brasilien erfolgte. Beim Sundance Festival 2010 wurde der Film deshalb zu Recht in der Rubrik Dokumentationen International präsentiert.
Tropa de Elite 2 ist in Brasilien der rentabelste und meistbesuchte brasilianische Film aller Zeiten. Mit über 10,7 Millionen verkauften Eintrittskarten hat er damit Dona Flor e seus dois maridos („Dona Flor und ihre zwei Ehemänner“) aus dem Jahre 1976 von der Spitze der ewigen Bestseller-liste brasilianischer Filme verdrängt.
In der brasilianischen Presse wurde der Charakter Nascimiento kontrovers diskutiert. Während das Magazin Veja ihn zum Helden erhob, dem es erlaubt ist, sich über das Gesetz zu stellen und mit starker Hand gegen das Verbrechen vorzugehen, fragte die eher linksliberale Carta Capital, ob diese Praktiken als repräsentativ angesehen werden können, und warnte vor einer Legitimation der Polizeigewalt. Die internationale Presse sieht sogar die Möglichkeit, dass dieser Film einen Wandel der Politik in Bezug auf die öffentliche Sicherheit und im Umgang mit der Korruption in Brasilien einleitet. Wünschenswert wäre es jedenfalls.

Tropa de Elite 2 („Elitetruppe 2“) // José Padilha // 116 Min. // Brasilien 2010 // Auf der 61. Berlinale zu sehen im Panorama

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