Mexiko | Nummer 371 - Mai 2005

Der schmutzige Krieg geht weiter

Unhaltbare Mordvorwürfe und Inhaftierungen sollen UmweltaktivistInnen lähmen

Im Bundesstaat Guerrero werden Kleinbauern und -bäuerinnen, die sich innerhalb der Umweltgruppe Organización de Campesinos Ecologistas de la Sierra de Petatlán gegen Abholzung und für den Schutz natürlicher Ressourcen einsetzen, des Drogenhandels beschuldigt oder wegen Mordvorwürfen inhaftiert. Es scheint, dass einflussreiche Kaziken und HolzunternehmerInnen erfolgreich ihre Kontakte zur Polizei und zum Militär nutzen, um die Umweltbewegung zu lähmen und einzelne AktivistInnen auszuschalten.

Johannes Plotzki

Auch wenn Präsident Vicente Fox nicht müde wird zu betonen, Mexiko respektiere die Menschenrechte, scheinen die Zeiten des „schmutzigen Krieges“ in Mexiko nicht der Vergangenheit anzugehören. Immer wieder werden Mitglieder sozialer Organisationen grundlos des Mordes, des Drogenhandels oder des Raubes beschuldigt, um so die Bewegung zu lähmen. Im Bundesstaat Guerrero trifft es vor allem Kleinbauern und -bäuerinnen, die sich 1997 zur Umweltschutzguppe Organización de Campesinos Ecologistas de la Sierra de Petatlán (OCESP) zusammengeschlossen hatten.
Insgesamt 14 ehemaligen Mitgliedern der OCESP wird vorgeworfen, 1998 Abel Bautista Guillén, den Sohn eines mächtigen Kaziken und Holzhändlers, erschossen zu haben. Felipe Arreaga Sánchez, einer der heute noch aktiven Gründer von OCESP, sitzt aus diesem Grund seit dem 3. November 2004 im Gefängnis von Zihuatanejo in Guerrero. Von amnesty international als „gewaltfreier politischer Gefangener“ bezeichnet, ist der Kleinbauer den Behörden ein Dorn im Auge, seitdem er sich im Campesino-Protest gegen die Abholzung und Zerstörung natürlicher Ressourcen in der Sierra von Petatlán aktiv einsetzt.
Der gewaltfreie Widerstand gegen die illegale Waldrodung wurde in den 1990er Jahren für die Kleinbauern und -bäuerinnen zur Existenzfrage, weil ihnen durch Erosion, Bodenverarmung und sinkenden Grundwasserspiegel als Folgen des Raubbaus ihre Lebensgrundlagen immer mehr entzogen wurden. Laut Nationaler Biodiversitäts-Kommission wurden in der Region alleine in den acht Jahren zwischen 1992 und 2000 circa 40 Prozent der bewaldeten Flächen gerodet, die ackerwirtschaftlich nun nicht mehr nutzbar sind. Da ihr Protest in den Gängen der korrupten Behörden verhallte, sperrten im Februar 1998 Mitglieder der OCESP für einen Tag sämtliche Straßen in der Sierra von Petatlán, um den Abtransport des Holzes zu blockieren.
Nach dem Abzug des kanadischen Unternehmens Boise Cascade im Jahr 1998 übernahmen einflussreiche Kaziken den Holzhandel , unter ihnen auch Bernardino Bautista Valle, dessen Sohn im gleichen Jahr erschossenen wurde. Er gilt als Hardliner und guter Freund des Kommandierenden des Militärs in Petatlán. Nicht zufällig erfolgte in den darauffolgenden Monaten eine starke Militarisierung der Region. Damit einher gingen willkürliche Festnahmen, Einschüchterungen und Kontrollen, Vergewaltigungen, Folterungen und Hinrichtungen sowie die Einführung einer eigenen Gerichtsbarkeit, bei der die Täter aus den eigenen Reihen stets straffrei bleiben.
Im Jahr 1999 wurden drei aktive Mitglieder der OCESP vom Militär festgenommen. Einer wurde bei diesem Einsatz getötet, die anderen beiden zwang man unter Folter eine Beteiligung an Waffen- und Drogentransporten zu gestehen. Nach zweieinhalb Jahren wurden sie wieder freigelassen und warten bis heute auf eine Entschädigung, die rechtliche Anerkennung ihrer Unschuld sowie darauf, dass die Verantwortlichen für die Inhaftierung und Folterungen zur Rechenschaft gezogen werden.
Heute ist einer der beiden Ex-Häftlinge, Rodolfo Montiel, erneut angeklagt. Als einer der 14 Angeklagten im Mordfall am Sohn des Kaziken Bernardino Bautista Valle.

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