Der Streit ums Geld geht weiter
Die zögerliche Haltung des Globalen Nordens dämpft die Erwartungen an verbindliche Finanzierungszusagen und eine faire Lastenverteilung

Die internationale Klimafinanzierung steht schon seit vielen Jahren im Fokus der Debatten bei den UN-Weltklimakonferenzen. Bei diesem Streitthema zwischen Globalem Norden und Süden geht es einerseits um die Finanzierung von Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen sowie zur Anpassung an die Folgen der Klimakrise und andererseits um die Finanzierung von jetzt schon gegebenen wie absehbaren klimabedingten Verlusten und Schäden im Globalen Süden. Und wie schon im Vorjahr, ist dieses Thema auch bei der anstehenden Klima-COP30 in Belém zentral.
Eigentlich sollte das Jahr 2025 eine neue Dekade in der Klimafinanzierung einläuten. Doch die Verhandlungen bei der COP29 2024 in Baku endeten mit einem neuen globalen Finanzierungsziel von 300 Milliarden US-Dollar jährlich bis 2035. Das New Collective Quantified Goal (NCQG) stellt zwar eine Verdreifachung des bisherigen Ziels dar, bleibt jedoch weit hinter dem tatsächlichen Bedarf des Globalen Südens zurück. Von der COP30 im Amazonas erwarten die Länder des Südens nun konkrete Ergebnisse zur Ausgestaltung des neuen Ziels. Für viele arme Länder bedeutet das enorme Schwierigkeiten, denn mit diesem Niveau an Unterstützung wird es nicht möglich sein, die eigene Wirtschaft klimafreundlich umzubauen, notwendige Anpassungsmaßnahmen zu finanzieren oder klimabedingte Schäden und Verluste zu kompensieren.
Auf Druck der Entwicklungsländer wurde im COP29-Abschlusstext immerhin ein zweiter, weit ambitionierterer Zielrahmen für die Klimafinanzierung verankert: mindestens 1,3 Billionen US-Dollar pro Jahr bis 2035, mobilisiert aus „allen verfügbaren Quellen“. Genau diese Summe hatte der Globale Süden als eigentliches Ziel gefordert, jedoch vergeblich. Damit es nicht nur bei der Zahl bleibt, erhielten die COP-Präsidentschaften Aserbaidschan und Brasilien den Auftrag, bis zur COP30 einen Fahrplan auszuarbeiten, wie die Klimafinanzierung auf 1,3 Billionen US-Dollar gesteigert werden soll: die „Baku to Belém Roadmap to 1.3T“. Diese wird in Belém im Zentrum der Debatte stehen.
Doch die Roadmap wird kein verhandelter Text und bleibt damit unverbindlich. Streit ist daher vorprogrammiert: Umweltorganisationen und Entwicklungsländer fordern einen verbindlichen Aktionsplan, der die Schwachstellen der bisherigen Klimafinanzierung angeht. „Fix the money or forget the climate goals“ (Entweder das Geld oder vergiss die Klimaziele), warnte das NGO-Bündnis Climate Action Network. Denn viele Länder knüpfen ihre nationalen Klimaziele (NDC) direkt an verbindliche Finanzierungszusagen des Globalen Nordens. Indien hat bereits angedeutet, dass es weniger ambitionierte Minderungsziele für sein neues NDC bis 2035 festlegen wird.
Schon bei den halbjährlichen Klimaverhandlungen in Bonn zeigte sich, wie verhärtet die Fronten sind. Die Gruppe Like-Minded Developing Countries (LMDC) wollte – mit Unterstützung der G77+China – über klare Zusagen zu mehr öffentlichen Geldern für das NCQG sprechen. Doch die Industriestaaten blockten ab.
In Belém wird es daher nicht nur um die Höhe der Klimafinanzierung gehen, sondern auch um ihre Qualität. Entscheidend ist, wie viel davon aus öffentlichen Mitteln stammt, ob es Zuschüsse oder Kredite sind – und wie der Zugang zu den Geldern, vor allem für lokale Gemeinschaften, erleichtert werden kann.
Ein weiteres Problem des neuen Ziels ist sein realer Wertverlust. Bis 2035 werden die 300 Milliarden US-Dollar durch Inflation deutlich weniger wert sein als heute – nur etwa 170 Milliarden US-Dollar. Zudem soll ein erheblicher Teil aus Beiträgen multilateraler Entwicklungsbanken kommen. Letztlich könnten so am Ende lediglich rund 80 Milliarden an neuen und zusätzlichen öffentlichen Mitteln übrigbleiben.
Für Brasilien, das sich in diesem Jahr mit gleich drei großen Gipfeln (G20, BRICS und COP30) als globale Führungsmacht positionieren will, ist dies ein Härtetest. Die brasilianische COP-Präsidentschaft muss das Vertrauen zwischen Nord und Süd wiederherstellen, das nach Baku und Bonn gelitten hat. Eine Herausforderung angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen und schrumpfender finanzieller Spielräume der Geberländer. Viele von ihnen kürzen ihre Entwicklungshilfe zugunsten von steigenden Militärausgaben massiv – mit direkten Folgen für die internationale Klimafinanzierung. Auch Deutschland kürzt seine Mittel für internationale Zusammenarbeit und droht, sein selbst gestecktes Ziel von jährlich sechs Milliarden Euro zu verfehlen. Im Koalitionsvertrag hatte sich die neue Regierung noch verpflichtet, den fairen Anteil an der Klimafinanzierung bereitzustellen. Für Brasilien und den Globalen Süden wird sich zeigen, ob die COP30 den Zielrahmen von 1,3 Billionen US-Dollar mit verbindlichen Zusagen füllen kann oder ob sich die Fronten weiter verhärten.
Die Finanzierungslücke ist eine Herausforderung für Gerechtigkeit
Doch während in Belém um den Fahrplan gerungen wird, bleibt die Realität ernüchternd: Die Finanzierungslücke ist riesig und Tricks verwässern den Begriff Klimafinanzierung. Studien gehen davon aus, dass Entwicklungsländer bis 2030 jährlich mindestens 2,4 Billionen US-Dollar benötigen, um ihre Wirtschaft zu dekarbonisieren und sich an die Folgen der Klimakrise anzupassen. Dies entspricht 6,5 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft. Allein für Anpassungsmaßnahmen wird ein dreistelliger Milliardenbetrag veranschlagt, und die Kosten für klimabedingte Verluste und Schäden könnten bis 2030 je nach Region auf bis zu 290 bis580 Milliarden US-Dollar anwachsen. Tatsächlich fließt deutlich weniger. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wurde das 2009 versprochene 100-Milliarden-Ziel für den Zeitraum 2020 bis 2025 erstmals 2022 erreicht (116 Milliarden US-Dollar). Davon stammten 72 Prozent aus öffentlichen Mitteln, der Rest größtenteils aus staatlich gehebelten privaten Investitionen. Das Climate Policy Institute schätzt, dass 2023 weltweit – international wie national – zwar rund 1,9 Billionen US-Dollar für Klimaschutzmaßnahmen mobilisiert wurden, davon aber über 90 % für Minderungsmaßnahmen und nicht mal 4 % für Anpassung. Für besonders verwundbare Staaten wie Tuvalu oder Mosambik bedeutet diese Schieflage eine akute Bedrohung. Was als Klimafinanzierung angerechnet werden kann, ist dabei nicht eindeutig definiert. Die OECD-Länder legen die Kriterien weitgehend selbst fest und schönen so ihre Bilanzen. Entwicklungsprojekte mit begrenztem oder indirektem Klimanutzen werden ebenso angerechnet wie rückzahlbare Kredite. Forderungen nach klaren Regeln, was als „neu und zusätzlich bereitgestelltes Geld“ gezählt werden darf, blockieren die Industriestaaten bislang. Auch die eigens eingerichteten UN-Klimafonds bleiben – mit Ausnahme des Grünen Klimafonds (GCF) – deutlich hinter den Erwartungen zurück. Besonders der Anpassungsfonds (AF) und der globalen Fonds für Schäden und Verluste (Fund for Responding to Loss and Damage, FRLD) sind völlig unterfinanziert. Die COP30-Präsidentschaft will das Thema Anpassung zur Priorität für die Verhandlungen machen. Denn der globale Süden drängt darauf, dass in Belém die Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen bis 2030 mindestens verdreifacht wird, damit die am stärksten betroffenen und oft hochverschuldeten Länder nicht noch weiter destabilisiert werden. Ob die Baku to Belém Roadmap das Thema Schäden und Verluste aufgreift, ist noch offen. Bei der COP29 in Aserbaidschan scheiterte der Versuch, es als Unterziel im NCQG zu verankern. Dieses umfasst nur die Unterstützung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen. Viele Länder und Umweltorganisation verlangen deshalb bei der COP30 ein Unterziel nur für die Finanzierung von Schäden und Verlusten – inklusive verbindlicher Zusagen für den FRLD.
Globale Verantwortung: Industrieländer unter Druck
Trotz ihrer historischen Verantwortung für den Großteil der globalen Treibhausgasemissionen zögern die Industrieländer weiterhin, eine faire Lastenteilung in der internationalen Klimafinanzierung zu akzeptieren. Viele Finanzierungsmodelle basieren auf kreditbasierten Ansätzen zu kommerziellen Konditionen, die die Schuldenlast vieler Empfängerländer zusätzlich erhöhen. Statt mehr öffentliche Mittel bereitzustellen, setzen sie neben Kredite verstärkt auf die Mobilisierung privater Investitionen – vor allem über sogenannte Blended-Finance-Instrumente. Dabei sollen staatliche Gelder Risiken für Investoren und Unternehmen abfedern. Doch die erhofften Hebeleffekte bleiben bisher hinter den Erwartungen zurück.
Für den Globalen Süden ist dieses Modell unzureichend und Ausdruck fortgesetzter Klimaungerechtigkeit. Dieser fordert nicht nur verlässliche öffentliche Mittel, sondern auch alternative Ansätze. Dazu gehören Debt-for-Climate-Swaps, also der Tausch von Auslandsschulden gegen Investitionen in Anpassungsmaßnahmen oder Erneuerbare Energien. Kolumbien, Kenia, Frankreich und Deutschland haben dafür 2023 eine unabhängige Expertenkommission initiiert. Diese empfahl in ihrem Abschlussbericht im April, solche Instrumente auszubauen und es wird erwartet, dass das Thema auf der COP30 weiter an Fahrt gewinnen wird.
Parallel wächst der rechtliche Druck auf die Geberländer: In einem Gutachten stellte der Internationale Gerichtshof (IGH) im Juli erstmals klar, dass „entwickelte Länder“ nach Artikel 9.1 des Pariser Abkommens völkerrechtlich verpflichtet sind, Entwicklungsländer mit Klimafinanzierung zu unterstützen. Zwar ist das Gutachten nicht bindend, doch liefert es dem Globalen Süden ein starkes Argument, bei der COP30 verbindlichere Zusagen zum NCQG einzufordern. Zugleich eröffnet es die Möglichkeit, fehlende Unterstützung juristisch einzuklagen. Inselstaaten bezeichneten das Gutachten als „Meilenstein“ für Klimagerechtigkeit.
Schließlich bleibt die Frage der Geberbasis umstritten: Während der Globale Norden eine Ausweitung auf Länder wie China und die Golfstaaten fordert, bestehen diese auf freiwilligen Beiträgen und betonen historische Ungleichgewichte. In ihrer Erklärung zur Klimafinanzierung bekräftigten die BRICS-Staaten beim diesjährigen Gipfel in Rio de Janeiro, dass diese primär eine Aufgabe der entwickelten Länder sei. Zugleich unterstreichen sie damit die wachsende Stimme und koordinierte Handlungsfähigkeit des Globalen Südens in der internationalen Klimapolitik.
Die Auseinandersetzungen zwischen Süd und Nord spiegeln ein tiefer liegendes Problem wider: Die internationale Finanzarchitektur ist bis heute von Machtverhältnissen geprägt und benachteiligt den Globalen Süden durch ungleiche Entscheidungsrechte, hohe Kreditkosten und schwerfällige Zugangsbedingungen zu Finanzierungsmöglichkeiten. Vor diesem Hintergrund will die brasilianische COP30-Präsidentschaft die Reform der Finanzarchitektur vorantreiben – unter anderem über den Circle of Finance Ministers, der die Ausgestaltung der Baku to Belém Roadmap unterstützen soll. Diese sieht gezielte Reformen der multilateralen Entwicklungsbanken vor, innovative Finanzierungsinstrumente wie die Tropical Forest Forever Facility (TFFF) und eine Öffnung der Finanzarchitektur für Entwicklungsländer.
Mit der Austragung der COP30 im Amazonas – der eng mit der Entstehung der internationalen Klimafinanzierung verwoben ist – rückt Brasilien die zentrale Rolle der Wälder für den Klimaschutz in den Vordergrund. In Belém will es mit der TFFF groß auftrumpfen: 25 Milliarden US-Dollar an öffentlichen Geldern sollen weitere über 100 Milliarden US-Dollar von privaten Investoren mobilisieren. Zinserträge in Höhe von 4 Milliarden US-Dollar pro Jahr sollen tropischen Wäldern so eine leistungsbezogene, aber dauerhafte Unterstützung beim Waldschutz bieten. Neben Norwegen und Deutschland haben auch nicht klassische Geberländer wie China und die Vereinigten Arabischen Emirate bereits signalisiert, sich finanziell an der Initiative zu beteiligen.
Für Brasilien ist die TFFF damit mehr als ein Waldschutzfonds – sie ist der Versuch, eine neue Brücke in der globalen Klimafinanzierung zu schlagen. Ob diese Brücke trägt und den Riss zwischen Nord und Süd tatsächlich lindern kann, bleibt die zentrale Bewährungsprobe der COP30.
Jan Marinko ist Ökonom und Autor mit Schwerpunkt auf Nachhaltige Finanzierung. Er schreibt über internationale Klimafinanzierung, Waldschutz, Entwicklungspolitik und Handel.





