Literatur | Nicaragua | Nummer 609 - März 2025

DICHTER, PRIESTER, REVOLUTIONÄR

Ernesto Cardenals Leben, Werk und Beziehung zu Deutschland

Von Kori Mamani Hoppe

„Steht alle auf!
Es gibt so viel Mais zu pflanzen, so viele Kinder zu unterrichten,
So viele Kranke zu heilen, so viel Gesang.
Ich singe ein Land, das bald geboren wird.“

So schließt Ernesto Cardenal seine Nationalhymne für Nicaragua, ein Gedicht, das er der sandinistischen Revolution widmete, das sich aber sicherlich auf alle Revolutionen dieser Welt anwenden lässt. Dichter, Priester, Revolutionär − diese Trilogie an (Selbst-)Zuschreibungen, die ihn überall begleitet, ist nicht voneinander unabhängig. „Die Notwendigkeit zum Kampf für Befreiung und soziale Gerechtigkeit entstand für ihn aus dem Evangelium, er war Revolutionär, weil er Christ war”, schreibt Lutz Kliche in Heimweh nach dem Paradies über ihn. Er und Hermann Schulz, die den Erinnerungsband anlässlich des 100. Geburtstags des nicaraguanischen Dichters herausgaben, pflegten eine lebenslange enge Beziehung mit Cardenal und das liest sich aus den 170 Seiten heraus.

In zwölf Kapiteln werden Eindrücke aus Cardenals Leben, seine Beziehung zu Deutschland (eine Seelenverwandtschaft), zu Gott (eine Liebesbeziehung) und seine Perspektive für die Zukunft („Lasst uns Gott darum bitten, dass seine Revolution geschehe wie im Himmel so auf Erden”) vermittelt. Zwischen den Erzählungen der Herausgeber kommen auch die Gedichte nicht zu kurz und machen Lust auf mehr. Cardenal beweist als Dichter nicht nur, dass er romantische Poesie genauso gut zu schreiben weiß wie politische Verse, sondern auch, dass beides untrennbar miteinander verbunden ist. Nicht ohne Grund bezeichnet er die sandinistische Revolution, die von so vielen Schriftsteller*innen angetrieben wurde, als „die schönste Revolution, die es je gegeben hat”.

Bei beinahe jedem Umblättern stößt man auf eine neue Fotografie, die Cardenal in allen Lebenslagen zeigt: beim Predigen, Schreiben, Essen, Lesen; zu Besuch bei der Guerilla, auf der Frankfurter Buchmesse; Cardenal wie er, trotz allem lächelnd, vom Papst gemaßregelt wird; Cardenal mit Persönlichkeiten wie Günter Grass, Dorothee Sölle oder Heinrich Böll und mit Freunden − auch Hermann Schulz und Lutz Kliche sind ein paar Mal zu sehen.

Beide Herausgeber erzählen mit so viel Nähe und Wärme vom Dichter und von gemeinsamen Erinnerungen, dass es sich so anfühlt, als würde man ein Familienalbum durchblättern. Cardenal wird als Mann mit einem unerschütterlichen Gottvertrauen gezeichnet, das ihm ermöglicht, an das Paradies so sehr wie an die Revolution zu glauben. Klar wird, dass es Menschen wie ihn braucht, um den Kampf für Gerechtigkeit und Freiheit möglich zu machen − zu seinen Zeiten, wie heute. So ist der Band ein Liebesbrief an einen Mann, der das Leben so sehr liebte.

Hermann Schulz und Lutz Kliche (Hg.) // Heimweh nach dem Paradies // Peter Hammer Verlag // 28 Euro // 176 Seiten


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