Kuba | Nummer 366 - Dezember 2004

Die Kraft der Freiheit

Der US-Beitrag zur Liberalisierung in Kuba – einschneidende Finanzregulationen

„In allem was vor ihnen liegt, wird das kubanische Volk einen festen Freund in den Vereinigten Staaten von Amerika haben. Kein Tyrann kann auf Dauer gegen die Kraft der Freiheit bestehen – weil die Hoffnung auf Freiheit in jedem Herzen liegt.“ George W. Bush, 10. Oktober 2003

Gerardo González

Ent-Dollarisierung und neue Finanzhoheit sind die Schlagwörter, mit denen seit Ende Oktober die kubanische Bevölkerung auf die Währungsumstellung im Lande vorbereitet wurde. Vom 8. November an sollen in Kuba keine US-Dollar mehr zirkulieren. Fidel Castro hatte diese weitreichende Maßnahme, trotz seines Arm- und Beinbruchs, persönlich auf den kubanischen Fernsehkanälen verkündet. Damit geht eine elf-jährige Periode zu Ende, die den sozialistischen Inselstaat – aus der Not während der Spezialperiode geboren – zur Legalisierung der Währung seines „Hauptfeindes“ gezwungen hatte. Im August 1993, als die ökonomischen Reformen eingeleitet wurden hatte Fidel Castro prophezeit, dass die Dollar-Zirkulation als „vorübergehende Maßnahme“, ein zu akzeptierendes Übel sei. Nun kehren die Gesichter George Washingtons der Insel wieder den Rücken zu und stattdessen werden kubanische Ikonen über die Ladentheke gereicht:: José Martí, Camilo Cienfuegos und Che Guevara. Ihre Portraits sind auf den so genannten Pesos Convertibles, der kubanischen Zweitwährung, gedruckt. Der Tauschwert gleicht dem des Dollars gegenüber der eigentlichen staatlichen Währung, dem kubanischen Peso (zur Zeit liegt der Wechselkurs bei 1:26). Einziger Unterschied: Er ist ausschließlich auf der Insel gültig, wird in Kuba gedruckt und von der dortigen Nationalbank emittiert. Auch Touristen können nicht mehr in US-Dollars zahlen, lediglich einige Hotels und Geschäfte in Varadero und Havanna nehmen auch den Euro als Zahlungsmittel an. Guthaben in der US-Währung bei kubanischen Banken bleiben allerdings uneingeschränkt gültig.
Damit die Umstellung schnell über die Bühne geht, hatte die kubanische Regierung verkündet, nach dem 8. November eine zehnprozentige Gebühr für den Geldwechsel zu kassieren. Der Andrang der kubanischen Bevölkerung auf die Banken und Wechselstuben war daraufhin derart groß, dass die Frist zunächst um eine Woche verlängert werden musste.

Verschärfung der
US-Finanzpolitik
Die Ursachen dieser überraschenden Umstellung sind allerdings weniger in Überlegungen zur Wiedererlangung der nationalen Souveränität zu suchen, als vielmehr in der Finanzpolitik der USA gegenüber Kuba. Ein zentraler Teil des im Mai verabschiedeten Berichts unter dem Vorsitz des bisherigen Außenministers Colin Powell mit dem Titel „Commission for Assistance to a Free Cuba“ ist die „Verhinderung von Einnahmen des Castro-Regimes“.
Es wurde ein besonderer Mitarbeiterstab eingesetzt, der sämtliche Handelstransaktionen mit Kuba zurückverfolgen und bestrafen soll, bei denen es um Besitztümer geht, die von US-Staatsbürgern auf Grund von Nationalisierungen auf der Insel nach 1959 reklamiert werden. Erstmalig wird damit Teil III und IV des Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act (abgekürzt LIBERTAD, bekannter unter dem Namen der beiden Hauptautoren, den Senatoren Jesse Helms und Dan Burton) in Kraft gesetzt. Laut dem Bericht soll damit dem Präsidenten die ganze Breite politischer Maßnahmen verfügbar gemacht und ein „detaillierter, rigoroser und kompletter Land-für-Land-Bericht“ erstellt werden, um auf dieser Basis eventuelle Konsequenzen zu ziehen, falls dies „im nationalen Interesse der USA“ liege.
Im Mai dieses Jahres wurde ein internationales Exempel statuiert. Den Finanzdetektiven war aufgefallen, dass die UBS – die größte Schweizer Bank und eine der wenigen, die alte US-Dollars annehmen und gegen neue austauschen darf – Kuba mit neuen Banknoten beliefert und damit gegen US-Gesetz verstößt. Ein Strafgeld in Höhe von 100 Mio. USD – zu zahlen an die US-Notenbank – wurde verhängt. Reaktion des UBS-Geschäftsführers Peter Wuffli: „Wir akzeptieren die Sanktionen, übernehmen volle Verantwortung und möchten unser Bedauern ausdrücken“ (NZZ, 21. 5.04). Die zuständigen Mitarbeiter wurden bereits entlassen.
Kuba wird so der Zugang zum Umtausch von Bargeld unmöglich gemacht. Hinzu kommt das Erschweren von Krediten auf dem internationalen Finanzmarkt und eine weitere, die Finanzlage verschärfende Dimension: Die drastische Einschränkung der direkten Überweisungen aus den USA nach Kuba. Betroffen hiervon ist vor allem die große Gemeinde der Cuban-Americans, die nach wie vor häufig nach Kuba reisen, um ihre Verwandten zu besuchen. Nun dürfen sie anstatt wie bisher jährlich nur noch alle drei Jahre reisen; der genehmigte Tagesgeldsatz für Ausgaben im Land wurde von 158 USD auf 50 USD herabgesetzt. Noch drastischer wirkt sich die Beschränkung der so genannten Remesas, der Überweisungen nach Kuba aus. Die neue Vorschrift besagt, dass nur 300 Dollar pro Quartal transferiert werden dürfen – bislang waren es 3000. Weitere Einschränkung: Das Geld darf nur an Verwandte ersten Grades gehen und an Haushalte, in denen niemand Mitglied der Kommunistischen Partei Kubas ist. Obwohl hierzu keine offiziellen Statistiken vorliegen, wird in der Powell-Kommission geschätzt, dass die Auslandsüberweisungen 400-800 Mio. USD und somit einen bedeutenden Teil der kubanischen Deviseneinnahmen ausmachen (zum Vergleich: Einnahmen aus dem Tourismus werden auf ca. 2 Mrd. USD geschätzt).
Ein weiteres Kennzeichen für die Maßnahmen der Bush-Regierung ist zudem eine striktere Kontrolle beim direkten Finanz- und Personenverkehr zwischen den beiden Staaten. Sämtliche Geschäftsreisende, NGOs sowie der akademisch-kulturelle Austausch werden von nun ab detailliert durch die dem Finanzministerium unterstellte Behörde für Auslandsangelegenheiten (OFAC) überprüft. Leitkriterium ist hierbei erklärtermaßen, ob der Austausch oder die Finanzhilfe den Interessen der US-Außenpolitik dienlich sind. Nur dann werden entsprechende Lizenzen ausgestellt bzw. verlängert. Dies führte Anfang Oktober 2004 beispielsweise dazu, dass auf der weltweit größten wissenschaftlichen Lateinamerika-Konferenz, der Latin American Studies Association (LASA) in Las Vegas, die eingeladenen 60 kubanischen Wissenschaftler wenige Tage vor ihrer Anreise ein Einreiseverbot erhielten. Begründung: da sie eine Ausreisegenehmigung bekommen hätten, sei zu erwarten, dass sie lediglich die offizielle Regierungsmeinung vertreten. Der öffentliche Protest einiger namhafter Wissenschaftler blieb zwecklos. Die Konferenz fand ohne kubanische Delegation statt. Die Internationalisierung des Kuba-Embargos führte nach Angaben des State Departments auch bereits dazu, dass 18 Topmanagern aus verschiedenen Ländern die Einreise in die USA untersagt wurde, bei 28 weiteren sind Verfahren noch anhängig, weil sie Geschäfte mit der Insel machen.

Hintergründe der neuerlichen harten Linie
Anhand der stärker wahrnehmbaren Proteste wird allerdings deutlich, dass die harte Linie nicht von allen befürwortet wird. „Die USA“ sind eben nicht als einheitlicher, monolithischer Block zu betrachten; Sondern es spielen eine Vielzahl unterschiedlicher, teilweise auch widersprüchlicher Interessen zusammen, die je nach politischer Konstellation Einfluss auszuüben vermögen.
Dies zeigt sich zunächst an den unterschiedlichen ökonomischen Interessen. Von der Revolution enteignete Unternehmen wie der einflussreiche Bacardi-Clan widersetzen sich strikt einer Normalisierung der Beziehungen mit Kuba, die den neuen Staus Quo festschreiben würden. Einige Teile der US-Wirtschaft hingegen, vor allem aus dem Agrar- und Pharmabereich, versprechen sich in Kuba einen neuen Absatzmarkt und konnten in der Vergangenheit auch einzelne Erfolge verbuchen.
Die Exil-kubanische Gemeinde ist ebenfalls als gespalten zu beschreiben: Befürworter der neuen Maßnahmen sind diejenigen, die meinen, zunächst müsse Castro und das kommunistische System weg, erst dann solle man wieder verstärkt mit Kuba zusammenarbeiten. Konsequenterweise treten sie für eine Vielzahl von Maßnahmen ein, die diese Transition beschleunigen – das Spektrum reicht hierbei von friedlich-zivilgesellschaftlich bis militärisch. Ein anderer Teil lehnt die neuen Verschärfungen ab, weil sie das unmittelbare Wohlergehen der Menschen, zumeist ihrer direkten Verwandten, im Vordergrund sehen und meinen, dass die harte Linie die Kubaner zumindest ideologisch gegen die Nachbarn aus dem Norden vereint.

Die Mittel zum Zweck
Während Clinton sich am Ende seiner ersten Amtszeit für eine verstärkte Zusammenarbeit und einem „Wandel durch Annäherung“ entschieden hatte, war er es, der im Februar 1996 das erwähnte verschärfende Embargo-Gesetz „LIBERTAD“ unterzeichnete. Der wieder gewählte Präsident George W. Bush ist jedoch der erste, der auch die erwähnten „pro-aktiven“ Teile III und IV des Helms-Burton-Gesetzes anwendet. Jesse Helms lobte daraufhin seine „sehr harte Linie“ gegenüber Kuba.
Ein gesondert zu analysierendes Kapitel wäre die Unterstützung der kubanischen Opposition. Seitdem Jimmy Carter im Mai 2002 in Havanna das Varela-Projekt für mehr Demokratie und freie Marktwirtschaft lobte, erfährt dieses einerseits internationale Aufmerksamkeit und Unterstützung, andererseits sehen es seitdem viele Kubaner sehr kritisch, denn durch die offizielle Würdigung eines ehemaligen US-Präsidenten wird die immer wieder betonte Selbstbestimmung der kubanischen Opposition nicht eben glaubwürdiger. Teil des Powell-Reports ist zudem die Bereitstellung von 59 Mio. USD zur Stärkung der kubanischen Zivilgesellschaft und der Leiter der US-Interessenvertretung in Havanna unterstützt aktiv die kubanische Opposition und Vertreter der „unabhängigen Presse“. Im Frühjahr vergangenen Jahres kam es daraufhin zur Verhaftung und späteren Verurteilung von ca. 75 Personen. Seitdem haben viele, vor allem europäische Staaten ihre Beziehungen zu Kuba reduziert, laden Dissidenten zu den Nationalfeiertagen in ihre Botschaften ein und erwarten die Freilassung der „Gewissensgefangenen“. Erst in den vergangenen Wochen war vor allem die neue spanische Regierung um ein Auftauen der Beziehungen nach Europa bemüht.
Ein weiterer verschärfender Aspekt in der neuen Kuba-Politik ist die Abkehr vom Konsens einer friedlichen Transition. Auch wenn der Vorwurf des kubanischen Außenministers Felipe Perez Roque, der Powell-Bericht habe ein geheimes militärisches Zusatzkapitel, notwendigerweise unbewiesen bleibt, gibt es glaubwürdige Hinweise, dass auch diese Option in den USA berücksichtigt wird. Nicht nur in der Zeitschrift “Foreign Military Study“ wird seit dem Einzug der Neokonservativen ins Weiße Haus offen darüber nachgedacht; auch namhafte liberale Intellektuelle beklagten in einem „Open Letter“ „mit großer Sorge“ vor allem die „Ambivalenz“ des Powell-Reports in Bezug auf den Einsatz der US-Regierung für einen „friedlichen Wandel“. Dementsprechend wird Kuba beim Besuch von Chinas Präsidenten Hu Jintao wohl nicht nur über wirtschaftliche Fragen sprechen, selbst wenn die US-Armee in der nahen Zukunft noch mit dem Irak beschäftigt sein wird.

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