Nicaragua | Nummer 270 - Dezember 1996

Die Rückkehr des Somozismus?

Der Aufstieg des Arnoldo Alemán

Arnoldo Alemán, der Kandidat der Rechten findet breite Unterstützung in der Bevölkerung. In einem bereits vor der Wahl erschienenen Porträt versuchte die US-Zeitschrift NACLA den Weg des Arnoldo Alemán nachzuzeichnen. Woher kommt der Kandidat der Rechten? Ist er nicht mehr als alter Wein in neuen Schläuchen, ein Somoza der Neunziger? Wohin geht die Reise mit Nicaragua, wenn er sein Amt als neuer antritt?

Mark Caster

19. Juli 1996, der 17. Jahrestag der sandinistischen Revolution. Vor 40.000 ZuhörerInnen beschrieb Daniel Ortega das Szenario für den Wahlsieg Alemáns: “Wenn das passieren sollte, wird der Somoza-Liberale die nicaraguanische Armee auflösen, den campesinos/as ihr Land nehmen und die zur Zeit praktizierte Wirtschaftspolitik der Arbeitslosigkeit fortsetzen.”
Kurz gesagt, ein Sieg Alemáns sei gleichbedeutend mit einem Desaster für alle Sandinistas, sie müßten ihre Hoffnungen begraben, noch etwas von ihren revolutionären Errungenschaften retten und die Qualen von sechs Jahren neoliberaler Politik beenden zu können.
Ortegas Worte waren gleichermaßen an überzeugte Sandinistas wie an die Unentschlossenen gerichtet. Überzeugte allein reichen definitiv nicht, um sich gegen einen wahrscheinlichen Sieg der Liberalen zu stemmen, schließlich verfügt Alemán in Umfragen über einen komfortablen Vorsprung.
MancheR NicaraguanerIn sieht im Sieg Alemáns den Startschuß zur letzten Etappe der Konterrevolution, nach sechs Jahren ergebnisloser “demokratischer ” Transition unter der noch amtierenden Präsidentin Violeta Chamorro. Viele Sandinistas quält eine apokalyptische Vision: Die Somozisten nehmen Managua wieder im Sturm, mit dem Ziel, die Errungenschaften der Revolution wieder umzudrehen, entschlossen, wieder die Diktatur einzuführen. Aber eine weniger leidenschaftlich vorgenommene Analyse legt andere Schlüsse nahe, besonders wenn man berücksichtigt, wie sich Alemáns Koalition zusammensetzt und die realen Machtverhältnisse im Land und außerhalb Nicaraguas sind. Alemán könnte sich aufmachen, das, was vom Sandinismus übrig geblieben ist, nieder zu ringen. Viel wahrscheinlicher aber ist, daß er sich für den in Nicaragua gut ausgetretenen Pfad des Geschäfte-Machens entscheidet. Das wäre in gleichem Maße seiner politischen Karriere und dem in Nicaragua wieder erstarkten wilden Kapitalismus nützlich. Diese Entwikklung, die auch den Weg für eine lange Herrschaft der Liberalen ebnen würde, ist es, was die NicaraguamerInen am meisten fürchten sollten.

Der Weg in die Politik

Arnoldo Alemán studierte Jura und Finanzwissenschaft. Sein Vater hatte einen Posten in einer der Somoza-Regierungen. 1979, zu dem Zeitpunkt als die Revolution der Sandinisten Somoza besiegte, arbeitete Alemán bei INDESA, einer Gesellschaft für Investment und Entwicklung, die bald darauf von den Sandinistas verstaatlicht wurde. 1980 wurde Alemán im Zuge einer Razzia gegen konterrevolutionäre Verschwörung verhaftet und verbrachte neun Monate im Gefängnis. Dort wuchs – kaum überraschend – seine Antipathie gegen die Sandinistas.
Nach seiner Entlassung begab sich Alemán weder ins Exil, noch ist aus dieser Zeit bekannt, daß er offen gegen die Sandinistas opponierte. Bekannt blieb er dennoch während der gesamten achziger; zuerst als Kopf der Vereinigung der Kaffeepflanzer Managuas, später sogar als der des landesweiten Verbandes UNCAFENIC. Erst ab Juni 1989, im Zuge der Wahlkampagne für die Parlamentswahlen, trat er als lautstarker Vertreter der Opposition gegen die Sandinistas hervor. Er schloß sich anderen Kaffeepflanzern im Protest gegen die Regierungskontrolle von Profiten aus dem Kaffeegeschäft an. Die Regierung behauptete daraufhin, die Kaffeepflanzer betrieben Wirtschaftssabotage und enteigneten drei von ihnen, darunter Alemán.
Nach diesen Ereignissen beschloß Alemán den ernsthaften Einstieg in die Politik und gab 1990 seine Bewerbung als Kandidat für das Amt des Bürgermeisters von Managua bekannt. Als Plattform und Vehikel für seine Ambitionen wählte er die damals unbedeutende Liberale Verfassungspartei (PLC).
Die PLC war eine Splittergruppe der Nationalliberalen Partei, PLN, der Partei von Anastasio Somoza Debayle. Ein paar Jahre nachdem Somoza sich 1967 selbst zum Präsidenten Nicaraguas ernannt hatte, verließ ein ehemaliges Mitglied der Regierung, Ramiro Sacasa, die PLN und gründete die PLC. Zusammen mit anderen Parteien war die PLC eine eher laue Opposition gegen Somoza, bis zu dessen Sturz durch die sandinistische Revolution 1979.
Unter Alemáns Führung schloß sich die PLC dem Bündnis der Nationalen Oppostion UNO an, das Parteienkonglomerat, das die Frente Sandinista in den Wahlen 1990 schlug. Mit Unterstützung aus Miami und der Hilfe der Kommission für freies Unternehmertum COSEP, einem Zusammenschluß bedeutender Geschäftsleute Nicaraguas, sicherte sich Alemán die Unterstützung der UNO für seinen letzlich erfolgreichen Anlauf auf den Bürgermeisterposten Managuas. War die PLC 1990 noch eine unbedeutende Splitterpartei gewesen, wurde sie mit Alemán zu der politischen Gegenkraft zur Frente. Rund 30 Prozent der NicaraguamerInnen sympathisieren nach Umfragen mit der PLC, etwa genauso viel mit der FSLN.
Wie Alemán nach oben schoß hat gleichermaßen viel mit Mauscheleien und Kungeleien, wie mit Gönnerschaft zu tun. Seine Strategie stand auf drei Pfeilern. Pfeiler eins: der Aufbau der PLC durch seine eigenen Bande in der Partei (und wahrscheinlich auch durch die, die das Bürgermeisteramt bot). Pfeiler zwei: das Ausnutzen der Antipathie, die den geschlagenen Sandinistas entgegenschlug, und der Unzufriedenheit, die später dann auch der Regierung Chamorro entgegengebracht wurde. Pfeiler drei: Die Instrumentalisierung öffentlicher Bauvorhaben und anderer populistischer Aktivitäten für die Schaffung einer breiten Unterstützung im Volk. Nur wenigen war bereits 1990 klar, mit welchem Geschick Alemán sein Bürgermeisteramt im Streben nach immer mehr Macht einsetzen würde.

Klientilismus im Rathaus Managuas

Als eine seiner ersten Amtshandlungen hievte Alemán Mitglieder des Stadtrats von Managua in seine Stadtverwaltung, eine Behörde, deren Mitarbeiter mit Schmiergeldern rechnen konnten. Damit köderte er die anderen Parteien des UNO-Bündnisses sich der PLC anzuschließen. Er belebte wieder alte Steuern, sammelte Mittel aus Projekten, die von der US-amerikanischen Entwicklungsorganisation US-AID finanziert wurden, und last but not least erhielt er Zuwendungen von seinen kubanischen Freunden aus dem Rathaus von Miami. Alemán, der einst die Pamphlete der kommunistischen Partei studiert hatte, um etwas über Techniken der Organisation zu lernen, verbrachte seine Wochenenden damit, der PLC auch außerhalb Managuas eine Basis zu verschaffen. Er hatte damit angefangen die PLC von einem Alt-Herren-Verein in eine echte politische Partei zu transformieren.
Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits den Mythos der unbesiegbaren Sandinistas entzaubert, indem er systematisch die Symbole ihrer Zeit zerstörte. Während seines ersten Jahres als Bürgermeister, wurden in der gesammten Stadt praktisch alle revolutionären Wandgemälde, Graffitis und Wahlslogans der FSLN übertüncht, Alemán bestritt jede Verantwortung dafür. Solche Aktionen brachten die Sandinisten in Rage. Dazu begann Alemán die Regierung Chamorro anzugreifen, indem er sie verbal verdrosch, ihr vorwarf, sie fange an, eine Art Co-Regierung mit den Sandinistas zu bilden.
Gleichzeitig mit der Frustration über die Regierung Chamorro wuchs auch die Kritik unter der Bevölkerung an ihrem Verhältnis zu den Sandinistas. Ehemalige Feinde seien zu Bettgenossen geworden und verhinderten die wirtschaftliche Gesundung des Landes, hieß es.

Aufbau einer Basis bei den Armen

Um sich Zustimmung und Unterstützung bei den WählerInnen zu holen, trieb Alemán öffentliche Bauprojekte voran – Straßenreparaturen oder der Bau von Verkehrsinseln und großen Brunnen.
1993 ließ er den palmengesäumten Malecón-Park – entlang des Ufers des Managua-Sees wieder aufbauen, der Park war beim Erdbeben 1972 zerstört worden. Die Armen hatten wieder einen Ort zum Flanieren allerdings an einem See, dessen Gestank und Verschmutzung immer größer wurden. Die sandinistischen Medien lehnten Projekte wie den Malecón als reine Show ab, aber die in der zunehmenden Verarmung gefangenen Menschen, die nach erschwinglichen Freizeitvergnügen suchten, strömten in Massen dorthin. In einer Zeit, in der die Chamorro-Regierung ihre Strukturanpassungspolitik durchführte und eine Vielzahl von NicaraguanerInnen ihre Arbeit verlor, verfügte Alemán über Mittel, in den Barrios Managuas für bescheidene Verbesserungen zu sorgen.
So gelang es Alemán wie zuvor Somoza sich eine Basis im Volk zu schaffen und gleichzeitig seine politische Macht strukturell auszubauen, eine Macht, die den üblen Geruch traditionellen Klientilismus absonderte. Während der ersten Jahre als Bürgermeister glich Alemáns Stil dem von Somoza senior. Korpulent in seiner äußeren Erscheinung, trinkfest und ungehobelt, so bewegte sich Alemán in der Öffentlichkeit, ging auf den Markt und schwatzte mit den Verkäuferinnen, suchte den Kontakt mit den ärmeren Schichten und pflegte so sein Image als volksnaher Politiker. Das, was hinter dem gehegten Image stekkte, war abstoßend: Anschuldigungen wurden laut: er besteche, er mißbrauche Gelder aus der Stadtkasse, eine ganze Reihe von Korruptionsvorwürfen der verschiedensten Art haftete an ihm. Aber in einem Land, in dem Korruption Tradition ist und viele Menschen nichts mehr fürchten als ohne Arbeit dazustehen, wurden Alemán seine Sünden vergeben, denn schließlich, so sahen das zumindest nicht wenige, tat er was für sie. Doña Violeta nicht.
Nachdem die PLC 1994 die Wahlen an der Atlantikküste gewonnen hatte, zeigten landesweite Umfragen einen Ansteig in der Gunst der WählerInnen für Alemán und seine Partei. Mitte 1994 schlug der nicaraguanische Vizepräsident Virgilio Godoy ein Zusammengehen aller Strömungen innerhalb der Liberalen vor. Alemán lehnte den Vorstoß Godoys ab und trat seinerseits in Aktion. Anfang 1995 hatte er das “Liberale Bündnis” notdürftig zusammengeschustert. Es war ein Zusammenschluß aus der PLC, einigen Gruppierungen, deren Substanz auf einen Briefkopf beschränkt blieb, und Überbleibseln der alten Partei der Somozisten, der PLN. Als im Mai 1996 die Frist für die Bildung offiziell anerkannter Wahlkampfbündnisse näher rückte, packte Alemán noch ein paar Splittergruppen der Unabhängigen Liberalen, der Nationalkonservativen und Mitglieder der Wirtschaftspartei, PRN, auf seinen Wahlkampfzug. Alle waren eifrig besorgt, sich mit wenig Aufwand ihren Teil am Kuchen zu sichern.

WählerInnen quer durch die Gesellschaft

Nach demografischen Gesichtspunkten findet Alemán überall Unterstützung: bei den Jungen wie den Alten, den Gebildeten wie den Weniger-Gebildeten, bei Menschen aus der Hauptstadt, aus den Provinzstädten und aus den ländlichen Gebieten.
Obwohl er seine vehement antisandinistische Haltung mit dem Beginn des Wahlkampfs ein wenig lockerte, bleibt er der große Absahner unter den Anti-FSLN-WählerInnen. Allem Anschein nach wird der Nicaraguanische Widerstand, so nennen sich Contra und ihre UnterstützerInnen heute euphemistisch, en masse für ihn stimmen. Im Norden Nicaraguas führen Reste der Contras gar einen bewaffneten Wahlkampf für ihn. Aber Alemán hat sich eindeutig über eine ultrarechte, antisandinistische Position hinaus bewegt und Raum in der politischen Mitte eingenommen. Er ist der letzte Politiker, dem sie glauben – ein grobschlächtiger Populist, der stiehlt, aber die Dinge wenigsten anpackt und erledigt, der machtvolle Kreise einfach wegpustet und den Menschen verspricht, sich um sie zu kümmern, wenn sie ihn nur als die Autorität anerkennen. So sieht ihn ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung.
Aber als Alemán sich anschickte, sich auf das Amt des Präsidenten zu bewerben und vorzubereiten, wurde auch deutlich, daß er weder das Vertrauen der oberen Zehntausend Nicaraguas genoß noch – und das war in gewisser Weise überraschend – das eines bedeutenden Teils der ExilantInnen in Miami. Beiden Gruppen war er zu ungehobelt, zu sehr die nicaraguanische Gesellschaft spaltend, zu fragwürdig, was seine Verbindungen betraf, einfach unzuverlässig und damit kein Garant für Investitionen in Gegenwart und Zukunft.
Um sein Image ein wenig zu polieren, ernannte Alemán den früheren Präsidenten der Unternehmerlobby COSEP, Enrique Bolaños zu seinem Kandidaten für die Vizepräsidentschaft und übertrug ihm gleichzeitig die Aufgabe, sich in Nicaragua und in Miami um die Akquise von Wahlkampfspenden zu kümmern. Obwohl Bolaños ähnlich lautstark und aufällig wie Alemán ist, gilt er als rechtschaffen. Seit er auf Alemáns Wahlplattform gesprungen ist, sollen gut 300.000 US-Dollar an Alemán geflossen sein.

Die Miami – Connection

Es sind nicht die ExilnicaraguanerInnen in Miami, sondern die ultrarechten ExilkubanerInnen in Miami unter Jorge Mas Canosa und der Cuban-American Foundation, die Alemán mit Geld aus dem Ausland versorgt haben – was nach dem reformierten nicaraguanischen Wahlrecht illegal ist. Die Cuban-American Foundation unterstützt eine Organisation namens Nicaraguan Foundation for Development and Democracy, NFDD, die sich für Alemán engagiert und ganz offensichtlich eine Quelle seiner Wahlkampfgelder ist. Das quid pro quo ist unbestätigten Informationen nach Alemáns Zusage, KubanerInnen die Errichtung eines Anti-Castro-Radiosenders in Nicaragua zu erlauben. Bei seinen Auftritten vor denen, die ihn mit Geld versorgen, bekundete er seine volle Unterstützung für den Sturz Fidel Castros.
Im Vorstand der NFDD sitzen auch Mitglieder aus dem Bündnis von UnternehmerInnen Miamis, das Lieferaufträge von der Stadtverwaltung Managuas erhält; Geschäfte, die diesen UnternehmerInnen hohe Gewinne einbringen.
Alemáns Mann bei den Geschäften mit Miami ist Byron Jérez, bekannt als “Byron King”, der angeblich Mitglied im somozistischen Todesschwadron Mano Blanca, Weiße Hand, war. Eduardo Sevilla Somoza, ein Neffe des früheren Diktators, sitzt ebenfalls im Vorstand der NFDD. Weitere Schlüsselfiguren aus dem UnterstützerInnenkreis für Alemán: Jaime Morales Carazo, Alemáns Wahlkampfleiter, ein wohlhabender Rechtsanwalt, der in Mexiko lebt und gute Chancen hat, im Falle des Sieges zum Sekretär des Präsidenten ernannt zu werden. Lorenzo Guerrero, Architekt und einst mit einem Posten unter Somoza bekleidet. Enrique Sánchez Herdocia, ehemals Senator unter Somoza, Großgrundbesitzer in León und Bruder des verstorbenen Contra-Führers Aristides Sánchez. Sergio García Quintero, Richter während der Somoza-Diktatur und mit Aussichten darauf, der neue Verteidigungsminister zu werden.
Sie und alle anderen Alemán-Gefolgsleute warten nur darauf, sich wieder ihre alten Besitztümer einverleiben zu können, die Sandinistas zu schikanieren und in vielen Fällen auch einfach nur darauf, stehlen zu können. Hinter ihnen steht eine Phalanx weiterer auf Rückgabe harrender einstiger Besitzer von Grund und Boden. Das erklärt auch, warum Daniel Ortega Alemán mehrmals aufforderte, über einen “Pakt der Regierbarkeit” zu verhandeln. Dabei ging es Ortega vor allem darum, bereits im Vorfeld der Wahlen, Garantien gegen einen Rachefeldzug auszuhandeln. Der Wunsch nach Rache ist zweifelsohne stark, besonders der, hochrangigen Sandinistas die Besitztümer wieder wegzunehmen – oder sie zumindest dafür bezahlen zu lassen -, die sich die Sandinistas während der sogenannten piñata in der Zeit der Machtübergabe an die Regierung Chamorro geholt hatten.

Grenzen seiner Macht

Aber es gibt auch vieles, was dafür spricht, daß sich Alemán und seine Clique zurückhalten werden, wenn sie die Macht übernehmen sollten. Alemán kann die Machtverhältnisse in und außerhalb Nicaraguas nur ignorieren, wenn er es darauf anlegt, mit seinem eigenen Schicksal zu spielen. Es gibt zwar Gerüchte, er habe Ex-Offizieren aus Somozas Nationalgarde versprochen, sie wieder einzustellen, aber er ist tatsächlich nicht in der Position, die stark von den Sandinistas geprägte Armee herauszufordern. Die Armee hat in den letzten Jahren Anerkennung als eine apolitische Kraft in einem kapitalistischen Staat gefunden.
Ein weitere Einschränkung der Möglichkeiten Alemáns ergibt sich durch den Klotz, den führende internationale Finanzorganisationen wie IWF und Weltbank Nicaragua ans wirtschaftliche Bein gehängt haben. Wegen der großen Abhängigkeit des Landes vom Ausland wird der neuen Regierung nichts anderes übrig bleiben, als die Vereinbarungen fortzuführen, die die Regierung Chamorro mit dem IWF geschlossen hat. Mindestens genauso wichtig ist, daß IWF und Weltbank ein stabiles Nicaragua wollen – und eben nicht eines, das von heftigen gesellschaftlichen Konflikten über Besitz und Privateigentum bestimmt wird. Sie wollen auch, daß der unter Chamorro wild wuchernden Korruption Einhalt geboten wird.
Dies alles sind gewichtige Gründe für Alemán sich im in Nicaragua traditionellen Päkte-machen zu üben. In der Tat könnte der Weg des geringsten Widerstandes zum Erfolg führen. Eine ausgepowerte Chamorro-Regierung hat Nicaragua eine wiederbelebte Wirtschaft hinterlassen, deren Exporte sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt haben. Die Schulden sind radikal abgebaut worden und internationale GeberInnen haben massiv Geld ins Land gepumpt. Wenn Alemán nicht selbst für Unruhe sorgt, kann er auf der Schaumkrone einer Welle der wirtschaftlichen Gesundung reiten. Das würde ihm und seinen KumpanInnen letztlich lukrativere Möglichkeiten eröffnen, als wenn er den Sandinistas etwas wegnehmen würde.
Das bedeutet nicht, daß die Sandinistas, viele von ihnen arme Campesinos/as, nichts verlieren werden, aber sie werden es im ungezügelten, freien Markt verlieren.
Wenn sich die wirtschaftliche Gesundung fortsetzen sollte, wird sich auch die persönliche wirtschaftliche Situation vieler Nicaraguanerinnen langsam verbessern. Alemán und seine Liberale Allianz werden die Früchte dieser Entwicklung dann ernten – ob verdient oder unverdient, spielt da keine Rolle mehr. Damit werden sie ihre Macht festigen. Das werden nicht die Rückkehr zum Somozismus oder die Anfänge einer Dynastie sein, aber es ist durchaus möglich, daß sich Alemán und seine Gefolgsleute für sehr lange Zeit dort oben festsetzen werden.

Original: The Return of Somocismo? The Rise of Arnoldo Alemán; in NACLA: Report on the Americas, XXX.

Übersetzung: Martin Ziegele

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