Die Stimmen des Amazonas
Basisbewegungen organisieren sich, um die Klimadiskussion auf die Straße zu bringen

Die Entscheidung, eine Klimakonferenz in Belém, dem Herzen des Amazonasgebiets, auszurichten, ist symbolträchtig. Über die Symbolik hinaus ist es eine Strategie, den Amazonas in die Klimadebatte einzubeziehen und zu zeigen, was er über die globale kollektive Vorstellung hinaus ist. Der Amazonas ist nicht nur Wald, es gibt auch einen urbanen Amazonas, der ebenfalls unter dem Klimawandel leidet.
Von den mehr als 1,3 Millionen Einwohner*innen der Hauptstadt des Bundesstaates Pará leben mindestens 57 % in den Baixadas – Randgebieten wie Favelas (Armutsvierteln), niedrigen und sumpfigen Gebieten in der Nähe von Gewässern. Belém wird vom Brasilianischen Institut für Geografie und Statistik als die Stadt mit der höchsten Anzahl an Favelas und Baixadas in Brasilien angesehen. Die COP nach Belém zu bringen bedeutet, die verschiedenen Formen des Leidens unter dem Klimawandel sichtbar zu machen. Sei es in einer Flussgemeinde, in einem Indigenen Dorf oder in einer Baixada, wo es keine Infrastruktur gibt, um eine Umweltkatastrophe wie eine Überschwemmung zu überstehen. Das Problem ist, dass die COP eine elitäre Konferenz ist, die schwer zugänglich ist und die, obwohl sie im Amazonasgebiet stattfindet, die lokale Bevölkerung nicht wirklich in die Debatte einbezieht. Angesichts dieser paradoxen Distanz organisieren sich lokale, nationale und internationale Organisationen. Sie wollen alternative Veranstaltungen zur offiziellen Konferenz anbieten, die für die Bevölkerung zugänglich sind, die den Klimawandel am eigenen Leib spürt. Die COP das Baixadas rückt seit 2023 die Peripherien des Amazonasgebiets in den Mittelpunkt der Klimadebatte. Die COP do Povo (COP des Volkes) ist eine Koalition von 39 Organisationen aus traditionellen Territorien, Verbänden und sozialen Bewegungen, die mit den „Völkern des Waldes“ verbunden sind und mehr Beteiligung und Mitspracherecht bei klimabezogenen Entscheidungen anstreben. Der Cúpula dos Povos (Gipfel der Völker) ist seit der ersten UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand, der parallele Gipfel der Zivilgesellschaft, dem heute mehr als 1.100 internationale Organisationen angehören. Der Gipfel legt Wert auf die Diversität der Lebensumstände, Haltungen und Perspektiven der Basis. Hier sollen die „durch Ungleichheit zum Schweigen gebrachten Stimmen“ Widerhall finden und diejenigen als Akteure einbezogen werden, „die die Realität leben, die das Land, das Territorium kennen“. Das an sechs inhaltlichen Achsen ausgerichtete Programm des Cúpula kann auf der Website eingesehen werden. Dort heißt es: „Die Klimakrise ist bereits da. Wir werden nicht darauf warten, dass Lösungen von oben kommen. Es sind nicht die Expert*innen, die den Planeten retten!“
Die Klimakonferenz der Vertragsparteien wird seit 1995 von den Vereinten Nationen als eine Veranstaltung durchgeführt, die „der Welt zeigt, dass es notwendig ist, über das Klima zu diskutieren und Klimafragen zu verhandeln“, erklärt Carolina Alves, politische Beraterin des Instituts für sozioökonomische Studien (Inesc), einer der zahlreichen Organisationen, die am Cúpula dos Povos teilnehmen und diesen mit vorbereiten.
Bevor man die Wirksamkeit und Zugänglichkeit der COP in Frage stellt, ist es wichtig, ihre Rolle als Ort der multilateralen Diskussion zu verstehen – also als Ort, an dem Dialoge auf globaler Ebene unter Einbeziehung mehrerer Akteure stattfinden. Das ist notwendig, um ein globales Problem zu diskutieren: den Klimawandel. „Ich halte diesen Prozess bereits für positiv“, erklärt Alves, „denn 195 Länder zu einem Gespräch zusammenzubringen, ist in der aktuellen geopolitischen Lage so schwierig, dass allein dieses Treffen schon ein positiver Punkt ist.“
Dass Belém als Austragungsort für die 30. Konferenz ausgewählt wurde, ist nicht zu unterschätzen. „Die COP nach Belém zu holen bedeutet, die Debatte in den Amazonas zu bringen und den Amazonas in die Debatte zu bringen“, sagt Alves. Dazu gehört auch, die Vielfalt zu zeigen, die in Belém, in Pará, im Amazonasgebiet existiert: tropische Regenwälder, aber auch städtische Zentren, Flussgemeinden und Indigene Völker. Den Amazonas jenseits der Vorstellung ausländischer Beobachter zu zeigen. Und natürlich auch die Abholzung zu thematisieren. Vor allem aber gibt die COP Belém die Möglichkeit, für sich selbst zu sprechen und ihre Bevölkerung in die Debatten einzubeziehen. Zumindest in der Theorie.
Diskussion, die Menschen erreicht
Claudelice Silva dos Santos ist eine Frau aus dem Amazonasgebiet, aus dem Südosten des Bundesstaates Pará. Sie ist Mitglied der COP do Povo, einer der Basisorganisationen, die die Umwelt-debatte auf die Straße bringen wollen. Sie gehört einer Familie von Kleinbäuer*innen und Nusssammler*innen an. Als Amazonasbewohnerin gab es für sie keinen „entscheidenden“ Moment, in dem sie beschloss, Aktivistin für den Naturschutz zu werden: „Denn das ist für Menschen, die in diesen Gebieten geboren sind, etwas Selbstverständliches: Der Naturschutz ist untrennbar mit unserer Existenz verbunden.“ Der Kampf für die Umwelt wurde ab 2011 noch notwendiger, als ihr Bruder und ihre Schwägerin ermordet wurden, weil sie die Ausbeutung der Natur angeprangert hatten. Zu Ehren der beiden gründete sie das Instituto Zé Claudio e Maria, das sich für den Umweltschutz einsetzt.
Santos hat eine kritische Sicht auf die COP. Sie sieht keine praktischen Fortschritte, die aus den Diskussionen in den Regionen hervorgehen. „Was wir brauchen, ist, den Klimanotstand zu beenden“, betont sie. „Das machen die Menschen und Gemeinden bereits sehr gut, mit minimalen Mitteln.“ Eines der Probleme der COP sei, dass die Vereinbarungen „in Geld enden, nicht an der Basis ankommen, nicht in der Politik ankommen“. Was sie sieht, sind falsche Lösungen, die auf Kapitalbewegungen basieren – wie im Fall der Kohlenstoffkredite.
Jetzt, da die COP in der Hauptstadt ihres Bundesstaates stattfindet, ist ihre Sichtweise noch kritischer. Die Konferenz ist trotz ihrer geografischen Nähe für die Amazonasvölker, die für den Erhalt des Waldes kämpfen, aufgrund finanzieller und sprachlicher Schwierigkeiten weit entfernt: weil sie auf Englisch abgehalten wird und weil der Veranstaltungsort infrastrukturtechnisch schwer zu erreichen ist. Santos erklärt, dass die Infrastruktur der COP auf der Ausgrenzung der Peripherie und der lokalen Gemeinschaften basiert: „Wenn es sich um ein Treffen handelt, das die lokale Lebensweise nicht respektiert, das die Vielfalt der traditionellen Völker und Gemeinschaften auf dem Planeten nicht respektiert, die diesen Raum zugänglich machen müssen, dann ist es ein Gipfel der Lügen.“ Für Santos und alle anderen Menschen, die „aus dem Umland, vom Feld, aus dem Wald, vom Wasser“ kommen und an dem Gipfel teilnehmen möchten, ist die erste Hürde die Bürokratie der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC), um sich für die Veranstaltung zu akkreditieren. Das Verfahren ist auf Englisch und muss lange im Voraus erfolgen, was es für kleine Gemeinden, die sich für den Umweltschutz einsetzen, schwierig macht, an den Diskussionen teilzunehmen. Große NGOs, Unternehmen und Bergbauunternehmen wie der brasilianische multinationale Vale – für Umweltkatastrophen durch Dammbrüche verantwortlich – erhalten hingegen ihre Akkreditierung und werden vom Staat unterstützt.
Die lokale Bevölkerung ist mit den Auswirkungen der städtisch-ökologischen Infrastruktur und den wirtschaftlichen Auswirkungen auf ihr tägliches Leben konfrontiert – durch steigende Immobilien- und Lebensmittelpreise. Was die Infrastruktur betrifft, gibt es das Problem der Abwasserentsorgung, es wird in Randgebiete mit geringerer wirtschaftlicher Infrastruktur umgeleitet. Es handelt sich um eine vorübergehende Veränderung der städtischen Verteilung, um ein Bild zu vermitteln, das nicht der Realität entspricht. Das heißt, der Müll wird aus den reichen Stadtvierteln, in denen die Konferenz stattfindet, entfernt und in die armen Stadtviertel gebracht.
Auch gibt es zu wenige Unterkünfte. Da es nicht genügend Hotels gibt, wurden Motels, Mietwohnungen (wie Airbnb) und sogar Boote umgebaut, um die Teilnehmenden der COP unterzubringen. Infolge des „freien Marktes“ sind die Kosten für Unterkünfte dadurch erheblich gestiegen – ins Zehnfache. Dies erschwert es ärmeren Ländern, die COP zu besuchen, und wirkt sich auch auf die lokale und regionale Bevölkerung aus, die mit den rasant steigenden Miet- und Immobilienpreisen zu kämpfen hat.
Kritik an Straßenbau
Was die Infrastrukturarbeiten betrifft, so wurde der Bau der Avenida Liberdade von Aktivist*innen kritisiert, da er eine Quilombo-Gemeinde in einer Nachbarstadt bedroht, die nicht zur Umweltgenehmigung konsultiert wurde. Der Quilombo do Abacatal liegt weniger als zwei Kilometer von der geplanten Straßentrasse entfernt, was den Zugang zur Gemeinde erschwert. Das ursprüngliche Projekt für die Avenida stammt aus dem Jahr 2012, wurde jedoch im März vom Gouverneur von Pará, Helder Barbalho, wieder aufgenommen, um das Problem der mangelnden Infrastruktur in Belém zu lösen und die Stadt auf die COP vorzubereiten. Es handelt sich um ein Projekt, das das „grüne“ Image, das der Gouverneur zu vermitteln versucht, in Frage stellt.
Santos bestreitet nicht, dass es positive Auswirkungen gibt, „aber zu welchem Preis?“ Sie weiß, dass es möglich wäre, weniger Schäden zu verursachen, aber es fehle das Interesse derjenigen, die hinter den Bauvorhaben stehen. „Wir sprechen hier vom Herzen des Amazonasgebiets, wir sollten in Bezug auf Bauvorhaben, Transparenz und die Berücksichtigung der tatsächlichen Bedürfnisse der Bevölkerung weit fortgeschritten sein.“
Carolina Alves erkennt zwar die geopolitische Bedeutung der COP an, sieht darin aber auch einen elitären Raum. „Es ist immer noch ein Raum, zu dem nur diejenigen Zugang haben, die Englisch sprechen und die auch eine Akkreditierung für die COP haben, denn nicht jede Organisation hat die Möglichkeit, eine solche Akkreditierung zu erhalten“, kritisiert sie. Deshalb betont sie die Bedeutung von Prozessen wie dem Cúpula dos Povos, der COP do Povo und der COP das Baixadas: „Diese parallelen Prozesse sind genauso wichtig wie die COP selbst. Sie rücken die Gesellschaft in den Mittelpunkt der Debatte und sagen: Seht her, auch wir führen hier einen Dialog, und zwar über Themen, die wirklich Auswirkungen auf euren Alltag haben, und wir werden alles tun, damit diese Themen auch in die COP einfließen.“
Kampf für echten Wandel
Claudelice Silva dos Santos kritisiert, dass bei der COP über Geld diskutiert wird, „nicht über die Zukunft des Planeten, die Zukunft des Waldes, der Gewässer“. Sie argumentiert, dass, wenn das Thema der Diskussion tatsächlich die Natur wäre, „diese Parteien wirklich für den Erhalt des Waldes, für den Erhalt der Umwelt, für eine echte Verpflichtung zur Reduzierung ihrer Emissionen kämpfen würden, aber was sie wollen, ist eine Kompensation (mit Geld)“, prangert sie an.
Mit ihrer Arbeit bei der COP do Povo hofft sie, „den Kampf und Widerstand für einen echten Wandel“ fortzusetzen. Sie vertritt die Ansicht, dass entweder die UNO die COP zu einem demokratischen Raum macht, „zu dem die Bevölkerung, insbesondere traditionelle Völker und Gemeinschaften, wirklich Zugang hat“, oder dass es eine in sich geschlossene Diskussion für Regierungen ohne Zugang für die Bevölkerung bleibt. „Für uns hat das keine Auswirkungen, denn wenn sie uns nicht zuhören, wenn sie die tatsächlichen Forderungen der Bevölkerung nicht verstehen, verhandeln sie nur auf der Grundlage dessen, was sie denken oder glauben“, kommentiert sie.
Solange diese Veränderung nicht eintritt, werde sie weiterhin auf die Straße gehen, um sich Gehör zu verschaffen: „Das ist der Ort, den wir immer einnehmen, wenn wir (Menschen-)Rechte einfordern und verteidigen müssen. Es ist unsere eigene Organisierung, mit unserer Art und Weise zu sein, mit Mystik, mit Musik, mit Poesie, mit erhobenem Kopf, in dem Verständnis, dass unser Platz in dieser Welt erfordert, dass wir stark sind.“
Karina Tarasiuk ist Journalistin, Dokumentarfilmerin und Schriftstellerin aus Brasilien. Sie studiert Interdisziplinäre Lateinamerikastudien an der Freien Universität Berlin und ist Redaktionsmitglied der Lateinamerika Nachrichten.





