Kuba | Nummer 612 - Juni 2025

Ein existenzgefährdender Nachbar

In Kuba verschärft Trumps Politik die Krise weiter

Kuba durchlebt derzeit eine beispiellose wirtschaftliche Krise mit dramatischen sozialen Folgen. Strom- und Wasserausfälle nehmen stetig zu und ergänzen eine ohnehin endlose Liste von Versorgungsengpässen. Angesichts dieser Lage und der fehlenden Perspektiven wollen immer mehr Kubaner*innen auswandern, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Laut Angaben der US-Behörden wurden allein in den Jahren 2021 bis 2023 rund 500.000 irreguläre Einreisen kubanischer Staatsbürger*innen in die USA registriert. Doch auch dort droht vielen von ihnen mittlerweile die Abschiebung – im Rahmen der aktuell verschärften Rückführungsoffensive unter Trump. Diese Analyse beleuchtet die aktuellen Auswirkungen von Trumps Politik.  

Edgar Göll
Foto: Margot Raverau

Die kubanische Bevölkerung sieht sich einer brutalen Realität gegenüber, deren Ende nicht absehbar ist. Die Wirtschaft schrumpft weiter, die Inflation liegt im dreistelligen Bereich, die Versorgungslage ist katastrophal, und mehrstündige Stromabschaltungen gehören zum Alltag. Die US-Regierung verweist regelmäßig auf die politische und wirtschaftliche Verantwortung der kubanischen Regierung, um ihre kriseverschärfende Sanktionspolitik zu rechtfertigen. Doch wie so oft in geopolitischen Machtspielen ist es die Zivilbevölkerung, die den höchsten Preis zahlt.
Trumps Haltung und seine außenpolitischen Konzepte verdeutlichen das System, dem Kuba seit Jahrzehnten ausgesetzt ist: ein System der Blockade, Sanktionen und gezielter Einflussnahme. Unter Trump 2.0 haben sich die völkerrechtswidrigen und wirtschaftlich zerstörerischen Maßnahmen gegen Kuba noch einmal intensiviert.
Trumps Kuba-Politik wird maßgeblich beeinflusst von zwei einflussreichen kubano-amerikanischen Politikern: Außenminister Marco Rubio und seinem Berater Mauricio Claver Carone, ehemaliger US-Sonderbeauftragter für Lateinamerika. Beide kündigten eine Verschärfung der Sanktionen an und prognostizierten einen baldigen Regimewechsel in Kuba.

Politik scheitert, Menschen leiden


Ein aktueller Gesetzesvorschlag im US-Kongress sieht sogar vor, die Geldüberweisungen kubanischer Migrantinnen an ihre Familien (remesas) zusätzlich zu besteuern. Diese remesas stellen für Kuba eine zentrale wirtschaftliche Lebensader dar. Der kubanische Staat – insbesondere über den staatlichen Militärkonzern GAESA – hat in der Vergangenheit von diesen Transfers profitiert, unter anderem durch hohe Wechselkursabschöpfungen. Die US-Politik zielt inzwischen darauf ab, den Einfluss von GAESA zu unterbinden. Doch am Ende treffen diese Maßnahmen vor allem die kubanischen Familien, die auf diese Zahlungen angewiesen sind.

Kurz nach seinem Amtsantritt machte Trump außerdem die Entscheidung der Biden Regierung rückgängig und setzte Kuba erneut auf die Liste der „Terrorismus unterstützenden Staaten“ (State Sponsors of Terrorism, SSoT) – trotz fehlender glaubwürdiger Beweise für eine aktuelle Unterstützung des internationalen Terrorismus. Diese Einstufung wird von UN-Expertinnen als völkerrechtswidrig und feindselig kritisiert.
Sie erschwert internationale Finanztransaktionen massiv, verstärkt die wirtschaftlichen Sanktionen und behindert die Entwicklung des Landes erheblich.
So werden lebenswichtige Treibstofflieferungen verhindert oder extrem verteuert, medizinische Kooperationsprojekte blockiert und sowohl Export- als auch Importgeschäfte beeinträchtigt – da viele dieser Transaktionen über den Dollar und US-Banken abgewickelt werden. Zudem ist es US-Bürgerinnen, Unternehmen und Tochterfirmen untersagt, mit kubanischen Institutionen oder dem Staat Handel zu treiben. Reisen von den USA nach Kuba sind nur noch in bestimmten, vom OFAC (Amt für die Kontrolle ausländischer Vermögenswerte) genehmigten Kategorien erlaubt – z. B. Bildungsreisen, Familienbesuche oder journalistische Tätigkeiten. Tourismus im engeren Sinne ist verboten.

Die wiederholten Regelverstöße der US-Regierungen gegenüber Kuba sind gut dokumentiert. Seit 1992 fordert die UN-Vollversammlung jährlich mit großer Mehrheit die Aufhebung der völkerrechtswidrigen US-Blockade. Ein internationales Ethiktribunal in Brüssel verurteilte vor anderthalb Jahren die völkerrechtswidrige Blockadepraxis und forderte ihre sofortige Beendigung.

Doch Washington ignoriert diese Forderungen weitgehend. Mehr noch: Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der eigenen Politik werden konsequent der kubanischen Regierung zugeschrieben. Viele westliche Partner tragen zu dieser Doppelmoral bei. Zwar stimmen sie regelmäßig gegen die Blockade, bleiben jedoch jede konkrete Handlung zu seiner Umgehung oder Aufhebung schuldig.

Jeffrey Sachs, Ökonom und Direktor des Zentrums für nachhaltige Entwicklung an der Columbia University, gehört zu den weltweit prominentesten Kritikern der US-Sanktionen gegen Kuba. In einem Interview mit Belly of the Beast betont er die „sehr ernsten Konsequenzen“ der US-Blockade für die kubanische Wirtschaft. Seiner Einschätzung nach liegt das reale Pro-Kopf-Einkommen in Kuba nur bei einem Drittel oder gar einem Viertel dessen, was unter normalen außenwirtschaftlichen Bedingungen möglich wäre. Eine präzise Schätzung sei jedoch mangels vergleichbarer Daten schwierig. Sachs erwähnt allerdings nur am Rande die internen Faktoren, die ebenfalls zur wirtschaftlichen Krise beitragen – etwa institutionelle Ineffizienz, schleppende Reformen oder strukturelle Schwächen des Modells.

Prekäre Situation kubanischer Migrant*innen


Im Bereich Migration haben die US-Behörden den prekären rechtlichen Status von Hunderttausenden kubanischer Migrantinnen bestätigt, die zwischen 2021 und 2023 einreisten. Sie können keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis beantragen, haben keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und müssen jederzeit mit der Abschiebung rechnen – nach Kuba oder in ein Drittland. Die USA verfolgten in dieser Hinsicht lange eine ambivalente Politik gegenüber Kuba: Einerseits trug die Blockade zur Emigration bei, andererseits wurden die Migrantinnen durch besondere Privilegien (schnelle Aufenthaltstitel) angezogen.
Auch der kulturelle Austausch leidet unter diesen Maßnahmen: Im April 2025 untersagte das US-Finanzministerium der Clark College Jazz Band aus Washington überraschend eine Reise nach Kuba, bei der ein Austausch mit Musikstudierenden geplant war. Begründung: Die Reise entspreche nicht der US-Politik. Auch sportliche Austauschformate sind untersagt. Die repressive Innenpolitik der kubanischen Regierung hatte die Öffnung zur Außenwelt bereits eingeschränkt – mit Trumps Rückkehr verschärft sich diese Abschottung nochmals.
US-Außenminister Marco Rubio drohte karibischen Staaten mit Sanktionen, einschließlich der Visumsverweigerung für Regierungsmitglieder, falls sie weiterhin kubanisches medizinisches Personal aufnehmen. Indem das US-Außenministerium das kubanische Ärzteprogramm als „Zwangsarbeit“ diffamiert, trägt es kaum zur Stärkung der kubanischen Bevölkerung bei. Bisher haben sich karibische Regierungen dieser Erpressung widersetzt – für sie sind die kubanischen Fachkräfte unverzichtbar für ihre Gesundheitssysteme.
Die aktuelle US-Politik gegenüber Kuba wiederholt – und verschärft – ein altes Muster: Statt auf diplomatische Annäherung setzt sie auf Druck, willkürliche Sanktionen und Destabilisierungsversuche. Dieses Vorgehen vertieft politische Gräben und macht das Alltagsleben auf der Insel zum geopolitischen Spielball.


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