Aktuell | Lateinamerika | Nummer 609 - März 2025

Ein Kontinent
 unter Druck

Die Auswirkungen von Trumps zweiter Amtszeit an sechs Beispielen

Von Zöllen über Massenabschiebungen bis hin zum Einfrieren von USAID – die Rückkehr von Donald Trump an die Macht versetzt die Welt in Schockstarre. In den ersten 24 Stunden seiner Amtszeit hat der US-Präsident eine Reihe von Dekreten erlassen, die unter dem Banner seiner „America First“-Agenda stehen. Wenige Tage später begab sich sein neuer Staatssekretär Marco Rubio auf eine Reise nach Panama, El Salvador, Guatemala, Costa Rica und in die Dominikanische Republik und hinterließ einen ersten Eindruck davon, wie die „verstärkte Zusammenarbeit“ in den nächsten vier Jahren aussehen soll.

Die Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Lateinamerika ist historisch von aggressivem Eigeninteresse geprägt, sei es in Form von „gutartiger Vernachlässigung“ (benign neglect) oder imperialistischer Invasion. Die jüngsten politischen Entwicklungen unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Problemen wie Drogenhandel und Migration sind symptomatisch für das übergeordnete Ziel Washingtons, seine hegemoniale Position in der Hemisphäre gegen die Bedrohung einer Multipolarität zu behaupten. Diese Zusammenstellung von kurzen Texten skizzieren einige Folgen der neuen US-Regierung für Menschen in Lateinamerika und für die Beziehungen zum Kontinent.

Von Erik Ahlhorn, Lya Cuéllar, Bella García, Margot Ravereau, Carlos Escudero-Nuñez, Josefina Lehnen
Grafik: Melissa Medina-Márquez

MEXIKO
Nachbar im Visier

Mit seinem Amtsantritt als 47. Präsident der Vereinigten Staaten schlägt Donald Trump einen schärferen Ton gegenüber Lateinamerika, insbesondere Mexiko, an. Er droht mit Zöllen: 25 Prozent auf Importe aus Mexiko und Kanada sowie 10 Prozent auf Waren aus China, vermeintlich um Drogenhandel und illegale Einwanderung aus Mexiko zu bekämpfen.

Doch das Problem ist komplexer. Der Drogenschmuggel über Kanada hat in den letzten Jahren zugenommen, und viele chemische Vorprodukte für Fentanyl stammen aus China und gelangen über Mexiko in die USA. Raul Bringas Nostti, Experte für mexikanisch-US-amerikanische Beziehungen, hält Trumps Drohungen jedoch für unrealistisch: „Ich glaube nicht, dass Trump die Zölle tatsächlich erlassen wird, da sie die Lieferketten schwächen und besonders den Aluminium- und Stahlexport Mexikos treffen würden. Das würde auch die Preise in den USA steigen lassen”, so Bringas Nostti im Interview mit LN.
Zusätzlich zu wirtschaftlichen Spannungen gibt es diplomatische Signale. Der Golf von Mexiko wurde in Golf von Amerika umbenannt, und die Webseite des Weißen Hauses ist nicht mehr auf Spanisch verfügbar – ein symbolischer Schritt, der als Affront gegen die spanischsprachige Bevölkerung gewertet wird.

„Trumps Ton gegenüber Lateinamerika ist aggressiv“, kritisiert Bringas Nostti. Dennoch sollte Mexiko nicht mit Zöllen antworten. „Seine Strategie ist, andere einzuschüchtern, bis er bekommt, was er will.“ Über Trumps weitere Schritte herrscht Unsicherheit: „Alles ist unsicher mit Donald Trump”, so Bringas Nostti.

// Erik Ahlhorn

EL SALVADOR/GUATEMALA
Mit Mittelamerika gegen mittelamerikanische Migrant*innen

Die außenpolitischen Prioritäten der neuen Trump-Regierung stellte das erste Reiseziel des US-Staatssekretär Marco Rubio klar. Eines der wichtigsten Wahlkampfversprechen der republikanischen Partei war, neben massiven Abschiebungen, die Einreise neuer Migrant*innen, insbesondere aus und durch Mittelamerika, zu verhindern. Rubios erste Mission im Amt war es daher, unter diesen Regierungen neue Komplizen für die restriktive Migrationspolitik zu gewinnen.

El Salvador hatten sie schon auf ihrer Seite: Präsident Nayib Bukele nimmt ohne jeglichen Druck Abschiebungen in Kauf. Dazu machte er Trump ein beispielloses Angebot: in seinem Strafvollzug verurteilte Gefangene – sowohl migrantische, als auch US-amerikanische – in salvadorianischen Gefängnissen gegen Geld unterzubringen.

Bernardo Arévalo, Präsident Guatemalas, muss sich weiterhin gut mit der US-Regierung stellen: Die Rückendeckung des vorherigen Präsidenten Joe Biden war unerlässlich, um angesichts der ständigen Angriffe der kooptierten Justiz an der Macht zu bleiben. Beim Treffen vereinbarten er und Rubio Abschiebeflüge von Migrant*innen guatemaltekischer und weiterer Staatsbürgerschaften nach Guatemala um 40 Prozent zu erhöhen.

Honduras und Nicaragua waren nicht im Reiseprogramm vorgesehen. Sie werden nicht direkt erwähnt, aber Rubio droht darin indirekt: Länder, die kooperieren, sollen „enorm profitieren“; Länder, die es nicht tun, sollen „Amerikas erheblichem Druck“ ausgesetzt werden.

// Lya Cuéllar

NICARAGUA
Migrant*innen droht die Abschiebung ins Krisengebiet

Seitdem 2018 in Nicaragua die soziopolitische Krise ausgebrochen ist und Ortegas Regierung zunehmend autoritär und repressiv handelt, verschärft sich die Situation für die Einwohnerinnen immer weiter. Kritikerinnen und Oppositionelle werden inhaftiert oder aus dem Land vertrieben. Die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich und viele Nicaraguanerinnen verlassen das Land angesichts fehlender Perspektiven. Ein großer Teil von ihnen versucht in den USA Arbeit, Sicherheit und Freiheit zu finden.

Donald Trumps harte Migrationspolitik versetzt Hunderttausende nun in Ungewissheit und Angst. Bereits kurz nach seiner Amtseinführung setzt er diverse Einwanderungsprogramme seines Vorgängers aus. Die App CPB One, mit der man vor der Einreise in die USA Asyl beantragen konnte, wurde abgeschaltet. Außerdem wurde das humanitäre Aufnahmeprogramm, auch als Parole-Programm bezeichnet, für Venezuela, Nicaragua, Haiti und Kuba ausgesetzt. Es erlaubte seit Anfang 2023 Menschen aus diesen Krisenländern unter bestimmten Voraussetzungen regulär in die USA einzureisen. Sofern sie nachweisen konnten, dass sie einen Bürgen im Land mit legalem Status hatten, erhielten sie das Aufenthaltsrecht und eine Arbeitserlaubnis für zwei Jahre. Bis einschließlich September 2024 sind auf diese Weise rund 513.000 Menschen eingereist, davon 93.000 aus Nicaragua. Läuft ihr Aufenthaltsstatus aus und sie haben vorab kein Asyl oder eine anderweitige Genehmigung erhalten, droht ihnen bald die Abschiebung, die nach Nicaragua mit besonderen Risiken einhergeht. Laut Angaben des Nicaraguan American Legal Defense and Education Fund haben mehr als 300.000 nicaraguanische Migrant*innen einen unklaren Aufenthaltsstatus und befinden sich somit in einer kritischen Lage.

// Bella García

KUBA
Die diplomatischen Sanktionen kehren zurück

Die Insel, die es einst wagte, sich dem US-amerikanischen Riesen zu widersetzen, zahlt immer noch einen hohen Preis dafür. Die Rückkehr von Donald Trump an die Macht verschlimmert diese Situation um ein Vielfaches. Eine der ersten Maßnahmen der neuen Regierung bestand darin, Kuba wieder auf die Liste terroristischer Staaten zu setzen. Die vorherigen Verhandlungen der Biden-Regierung mit der katholischen Kirche und dem kubanischen Staat waren mit der Ankündigung der Freilassung von 553 politischen Gefangenen durch den kubanischen Staat abgeschlossen. Unter den bereits Freigelassenen sind viele junge Menschen, die zu sehr langen Haftstrafen verurteilt worden waren, insbesondere wegen ihrer Teilnahme an den Anti-Regime-Demonstrationen im Juli 2021. Im Jahr 2024 zählte der World Prison Brief 794 Inhaftierte pro 100.000 Einwohner in Kuba.

Die für Kubanerinnen bereits seit Jahrzehnten krisenhaften Lebensbedingungen und der Verlust jeglicher Hoffnung auf eine glücklichere Zukunft veranlassten 2022 und 2023 fast 425.000 Kubanerinnen zur Auswanderung in die USA. Die Machtübernahme von Trump bedeutet auch für sie die Gefahr, verhaftet und abgeschoben zu werden. Sollte Trump seine Ankündigungen umsetzen, 30.000 illegalisierte Einwandererinnen in Guantánamo in Gewahrsam zu nehmen, könnten bald ausgewanderte Kubanerinnen auf ihrer eigenen Insel von den USA ins Gefängnis gesteckt werden. Das Militärgefängnis auf dem US-amerikanischen Marinestützpunkt in Kuba ist schon lange ein Symbol dafür, wie die USA Menschenrechte mit Füßen treten.

// Margot Ravereau

PANAMA
Der Panama-Kanal und Trumps imperialistische Ambitionen

Die aktuelle Politik der USA lässt die interventionistische Knebeldoktrin des sogenannten Big Stick von Theodore Roosevelt vom Anfang des 20. Jahrhunderts wiederaufleben. Das Ziel: die Kontrolle über die lateinamerikanische Region wiedererlangen. Speak softly and carry a big stick, you will go far – „Sprich sanft und trage einen großen Knüppel, dann wirst du weit kommen“, so das Motto dieser Bedrohungspolitik. Panamas Regierung unter José Raúl Mulino ist in diesem Zuge mit einem der größten Angriffe auf die Unabhängigkeit und juristische Sicherheit des Landes in den vergangenen 30 Jahren konfrontiert. Trumps Lügen verkünden, dass der Panama-Kanal derzeit von der chinesischen Regierung betrieben werde und den US-amerikanischen Schiffen zu hohe Gebühren auferlegt würden. Angesichts dieser angeblichen Bedrohung will die Trump-Regierung die Wasserstraße um jeden Preis zurückerobern und gibt verschiedene Warnungen von sich, die in einer militärischen Intervention münden könnten.

Die Betreiber des Panamakanals haben inzwischen die Anwaltskanzleien Vinson & Elkins beauftragt, zu Beginn des Konflikts auch die BGR Group und VantageKnight. Einer der Vertreter*innen der BGR Group, David Urban, scheint jedoch eher Lobbyarbeit für die Trump-Regierung zu leisten als die Regierung Mulino gut zu beraten: In früheren Interviews mit US-Medien deutete er an, dass die USA Neutralität beanspruchen könnten, indem sie die „Just Cause“-Operation wiederholen. Das würde bedeuten, in Panama einzumarschieren oder dem Land „in den Arsch zu treten“, wie sie es bereits 1989 bei der Invasion Panamas getan hatten.

// Carlos Escudero-Nuñez

USAID
Die Problematik der Entwicklungshilfe (und ihrer plötzlichen Abschaffung)

Nach Trumps Dekret vom 20. Januar, Entwicklungshilfeaktivitäten für 90 Tage auszusetzen, fürchten nun viele Menschenrechts- und Medienorganisationen in Lateinamerika, die Unterstützung durch Stiftungen und Programme wie USAID erhielten, sowohl um ihre Existenz als auch um die Leben der Menschen, für die sie arbeiten.

Keine andere Organisation macht die Spannungen und Widersprüche von „Entwicklung“ so deutlich wie die United States Agency for International Development (USAID). Weltweit ist USAID mit einem Budget von 43,4 Milliarden Dollar der größte Geber von Entwicklungsgeldern. Damit betreibt sie zum Beispiel ein System zur Erkennung von Hungersnöten und verschiedene Gesundheitsprogramme, unter anderem zur Behandlung von HIV.

Gleichzeitig ist USAID eines der wichtigsten Instrumente strategischer Einflussnahme der USA. Durch die Lieferung von Nahrungsmitteln aus US-Produktion oder die Bezahlung von US-Vertragspartner*innen schafft sie dauerhafte Abhängigkeitsverhältnisse. Darüber hinaus spielt die „soft power“ von USAID eine wichtige Rolle bei der Unterwanderung nationaler Regierungen, die US-Interessen entgegenstehen. Zu diesem Zweck gibt USAID beispielsweise finanzielle Unterstützung an oppositionelle NGOs. Dies macht sich vor allem in Lateinamerika bemerkbar. Nicht ohne Grund wiesen Regierungen in Venezuela, Ecuador, und Bolivien USAID Anfang der 2000er aus ihren Ländern aus.

Die Entscheidung, USAID quasi über Nacht abzuschaffen, macht eine Aushandlung der heutigen Bedeutung von Entwicklungspolitik nicht einfacher, aber umso notwendiger. Dass es eine andere, solidarische Entwicklungspolitik braucht, ist unbestritten. Wie diese in Zukunft aussehen soll, darf aber nicht Donald Trump oder Elon Musk überlassen werden.

// Josefina Lehnen


Hola!

Wenn Dir gefällt, was du hier liest, dann unterstütze unsere ehrenamtliche Redaktion doch mit einem Abo! Das gibt's schon ab 29,50 Euro im Jahr. Oder lass uns eine Spende da! Egal ob einmalig 5 Euro oder eine monatliche Dauerspende – alles hilft, die LN weiter zu erhalten, Gracias ❤️

Ähnliche Themen

Newsletter abonnieren