Ein Podium für die Hüter*innen der Natur
Die COP16 wertet die Rolle Indigener und lokaler Aktivist*innen auf

Die COP16 ist eine von drei Konferenzen der UN zur Aushandlung internationaler Lösungen zum Schutz von biologischer Vielfalt und Klima. Unter dem Motto „Frieden mit der Natur“ wurden in Gesprächsrunden und Verhandlungen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen aus 197 Ländern verschiedenste Themen zum Naturschutz behandelt. Neben Strategie- und Finanzierungsfragen sowie der notwendigen, engeren Verbindung von Klima- und Naturschutz, stand diesmal auch die Rolle Indigener Völker und lokaler Gemeinschaften (zum Beispiel afrolateinamerikanischer Gruppen) im Vordergrund.
Das Amazonasgebiet ist die biodiverseste Region der Erde und Heimat von rund 400 Indigenen Völkern, die ihre Mutter Natur seit Jahrhunderten mit überliefertem Wissen und traditionellen Praktiken hüten. Die größten Bedrohungen für das Gebiet und seine Bewohnerinnen stellen die Gewinnung fossiler Brennstoffe, die Land- und Viehwirtschaft und der illegale Abbau von Gold und anderen Mineralien dar. Die Akteur*innen des illegalen Bergbaus dringen ohne die Zustimmung der Indigenen Völker in ihre Territorien ein. Und da der Goldabbau die Abholzung von Wäldern und den Gebrauch von Quecksilber erfordert, zerstören sie das für die Anwohner*innen lebenswichtige und kulturell bedeutungsvolle Ökosystem. Laut dem aktuellen Report „Illegaler Goldabbau: Auswirkungen auf Menschenrechte und Artenvielfalt und die biologische Vielfalt im Amazonasgebiet – Sechs Länder berichten” werden Flüsse wie der bolivianische Río Beni jährlich mit rund 4,5 Tonnen Quecksilber verschmutzt. In Brasilien weisen inzwischen 81 Prozent der fleischfressenden Fische von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als unsicher eingestufte Quecksilberwerte auf. Dem Monitoring the Andean Amazon Project (MAAP) zufolge ist die Entwaldung durch den Bergbau im Amazonasgebiet zwischen 2019 und 2023 um mehr als 9.440 Quadratkilometer gestiegen, ein nahezu exponentieller Anstieg im Vergleich zu den Jahren zuvor. Ein Nebeneffekt der Abholzung ist Wasserknappheit, die gemeinsam mit der hohen Quecksilberbelastung gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit der Indigenen Bevölkerung hat. Diese ist auf das schwindende, quecksilberhaltige Wasser und die dadurch kontaminierten Tiere als Nahrungsquelle angewiesen. Der genannte Bericht dokumentiert Fälle von Quecksilbervergiftungen im Amazonasgebiet, die zu zerebralen Lähmungen und Schädigungen des Nervensystems führen. Zudem beeinträchtigt das Metall die reproduktive Gesundheit und erhöht das Risiko von Fehlgeburten und Missbildungen bei Kindern.
Viele Indigene Gruppen sehen sich gezwungen, ihre Territorien zu verlassen. Diejenigen, die sich der Invasion widersetzen, werden bedroht, misshandelt und ermordet. Da der illegale Bergbau in vielen Regionen durch bewaffnete Gruppen finanziert und somit mit Drogen- und Menschenhandel verbunden wird, ist Aktivismus für diese Indigenen Völker ein gefährliches Unterfangen.
Trotzdem haben sich auf der COP16 etliche Indigene Sprecher*innen nationaler und internationaler Aktivist*innengruppen wie der Föderation der indigenen Gemeinschaften des Flusses Corrientes (FECONACO), Amazon Watch oder der Kommission für Menschenrechte Indigener Völker für den Kampf gegen den illegalen Bergbau und die Gewinnung fossiler Brennstoffe in ihren Territorien stark gemacht.
Im Panel „Amazonasgebiet frei von Extraktivismus” gab Juan Montero García, Aktivist und Direktor der FECONACO Perú, unter betretenem Schweigen des Publikums ein eindrucksvolles Statement ab: „Dort, wo wir seit Jahren unseren Wald und unser Territorium schützen, haben Sie uns heute ohne jegliches Recht kontaminiert, uns unser Wasser genommen, uns unseren Wald genommen, uns unsere Tiere genommen. Und die wenigen Tiere, die uns bleiben, sind inzwischen durch Schwermetalle vergiftet und machen uns krank. Krankheiten, die uns noch nicht mal bekannt sind. (…) Doch den Gemeinschaften fehlt grundlegende Infrastruktur. Kein Gesundheitssystem, keine Bildung. (…) Unsere Indigenen Brüder und Schwestern kämpfen heute tagtäglich, um unsere Rechte zu schützen und zu verteidigen. Wir sagen zum Staat: Bis hierhin und nicht weiter!“

Schon zu Beginn der Konferenz lief eine Demonstration von Indigenen Aktivist*innen durch die Straßen Calis, um klare Konsequenzen für umweltschädlichen Monokulturanbau, Bergbau und Waldrodung zu fordern. Auch auf der UN-Weltklimakonferenz (COP29), die zwei Wochen später in Baku, Aserbaidschan, stattfand, riefen Indigene Aktivist*innen zum Schutz des Lebens und der Natur in ihren Territorien auf.
Und zu einem gewissen Grad haben sich die Bemühungen anscheinend gelohnt: Eines der Resultate der Verhandlungen auf der COP16 war die erstmalige Gründung eines Hilfsgremiums Indigener Völker und lokaler Gemeinschaften. Dieses soll stärkere Mitsprache bei globalen Entscheidungen zum Naturschutz und zur gerechten Aufteilung finanzieller Mittel ermöglichen. Ein weiterer Sieg war die Gründung des kolumbianischen Projektes Sembrando vida, desterramos el narcotráfico („Leben säen, den Drogenhandel verbannen“), welches illegalen Drogenanbau durch nachhaltige und legale landwirtschaftliche Praktiken ersetzen und so den Schutz Indigener Völker und Gebiete unterstützen soll. In Kolumbien wurde außerdem ein Abkommen zwischen dem Ministerium für Landwirtschaft und der Indigenen Aktivist*innengruppe Asoarhuaco getroffen. Dieses soll die Indigene Bevölkerung in der Sierra Nevada de Santa Marta durch Rechtstitel auf Landbesitz, Erweiterung kollektiver Gebiete, Agroforstprojekte und der Implementierung traditioneller Indigener Wasserbewirtschaftungspraktiken unterstützen. Darüber hinaus gehen von den rund 100 Millionen Euro an zugesagten Mitteln 20 Millionen Euro aus Norwegen in den Schutz des Amazonasgebiets.
Es braucht Mechanismen, die verhindern, dass Länder Entscheidungen blockieren können
Trotzdem haben die Verhandlungen Kritik ausgelöst. Da die EU, Japan und Kanada die Verhandlungen blockierten, wurde die Entscheidung über die wichtigste Angelegenheit der Naturkonferenz, die Einrichtung eines globalen Biodiversitätsfonds zur Finanzierung des Naturschutzes, verschoben. Angesichts des schnellen Fortschreitens des Klimawandels und der Zerstörung biologischer Vielfalt ist dieser Aufschub ein kritisches Versagen. Die internationale Nuaturschutzorganisation WWF bezeichnet den Verhandlungsausgang als „Blamage“, die „das bereits schwer belastete Vertrauensverhältnis zwischen Industriestaaten und den Ländern im globalen Süden empfindlich trifft“. Auch das Thema des illegalen Bergbaus, das wieder und wieder von Indigenen Konferenzsprecher*innen angesprochen und in der Podiumsdiskussion zum „Weltweiten Engagement für ein internationales Abkommen über die Rückverfolgbarkeit der Mineralienlieferkette” sogar direkt behandelt wurde, wurde letztendlich nicht weiterverfolgt. Ähnliche Probleme zeichneten sich auf der Klimakonferenz in Baku ab. Zwei Gruppen von Verhandlungspartner*innen aus dem globalen Süden verließen aus Frustration die Verhandlungen. Letztendlich wurden dort anstelle der geforderten Billion US-Dollar pro Jahr nur 300 Milliarden US-Dollar an finanzieller Unterstützung zugesagt. Auch wurde die enge Verbindung zwischen Klima- und Naturschutz, deren Wichtigkeit auf der COP16 noch stark betont wurde, im Klimaabkommen der COP29 ignoriert.
Für Raphael Hoetmer, Direktor des Westamazonas-Programms von Amazon Watch, einer Nonprofit-Organisation, die Indigene Völker im Amazonasgebiet im Kampf um den Schutz ihres Territoriums und ihrer Kultur unterstützt, sind internationale Verhandlungsräume wie die COP16 ein zweischneidiges Schwert: „Einerseits braucht die Welt einen globalen Rahmen für gezieltes und koordiniertes Handeln, um die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Und obwohl sie immens wichtig ist, wird das nicht nur durch die Mobilisierung von unten passieren. (…) Andererseits gibt es ein grundlegendes Problem mit der Gestaltung dieser Verhandlungsräume. Sie basieren auf Konsens, was diejenigen begünstigt, die Entscheidungen blockieren wollen. Sie sind stark an den Interessen von Unternehmen orientiert. Und sie priorisieren die mächtigsten Länder gegenüber jenen, die am stärksten betroffen sind.“ Auf die Frage, ob die Indigenen Sprecher*innen von Amazon Watch sich durch die Konferenz gehört und unterstützt fühlten, antwortet Hoetmer: „Zum einen kann man sehen, dass die Perspektiven, Vorschläge und Sprache ihrer Bewegungen präsenter sind – das zeichnet sich auch in den Medien ab. Es wird jetzt zum Beispiel mehr darüber gesprochen, dass organisiertes Verbrechen und die kriminelle Wirtschaft eine Bedrohung für das Klima darstellen, und dass wir so schnell wie möglich aus den fossilen Brennstoffen aussteigen müssen. Es wird auch mehr darüber gesprochen, dass die Indigenen Völker im Mittelpunkt dieser Diskussion stehen müssen und dass finanzielle Mittel mehr in die Selbstbestimmung vor Ort fließen müssen, anstatt in alle möglichen marktorientierten Systeme, die nicht wirklich etwas bewirken. Ich glaube also, dass sich die Debatte in eine neue Richtung bewegt. Zum anderen ist die Konferenz klar an konkreten Verpflichtungen und Vereinbarungen gescheitert.“
Während er das neu gegründete Hilfsgremium als „wichtige Anerkennung des Wissens und der Beteiligung Indigener Völker“ sieht, stellt es für ihn nur einen kleinen, unzureichenden Schritt in die richtige Richtung dar. „Die Wissenschaft, das überlieferte Wissen sowie die Perspektiven Indigener Völker müssen eine weitaus zentralere Rolle spielen. Außerdem muss es Mechanismen geben, die eine flexiblere Entscheidungsfindung ermöglichen und verhindern, dass einige Länder ständig Entscheidungen blockieren können.“
Klima- und Naturschutz nach den Empfehlung von Aktivist*innen
Laut Hoetmer sind die nächsten Monate bis zur UN-Klimakonferenz 2025 in Belém, Brasilien, eine Art letzte Möglichkeit, um internationale Verhandlungen zu Klima und Naturschutz mehr nach den Empfehlungen aktivistischer Bewegungen und der Wissenschaft auszurichten. Wenn nicht, fürchtet er, werden diese Konferenzen an Relevanz verlieren. „Wir brauchen einen Prozess von radikaler, transformativer Mobilisierung während des gesamten kommenden Jahres, um Druck auf die internationale Gemeinschaft auszuüben, damit sie in Belém ihre letzte Chance erhält, entscheidende Maßnahmen zu ergreifen. Das wird nur geschehen, wenn aktivistischer Druck stark genug ist. Es wird nur geschehen, wenn die globalen Medien ihre Rolle spielen. Und es wird nur geschehen, wenn wir alle die Verantwortung für unsere gemeinsame Zukunft übernehmen.“
Hoetmer gibt zu, das Thema wenig optimistisch zu sehen. Trotzdem betont er, dass Indigene aktivistische Bewegungen ein wichtiges Vorbild in diesem Kampf sind, der dennoch weitergeführt werden muss. Seit Jahrhunderten trotzen die Indigenen Naturhüter*innen mit ihrem Aktivismus der Gewalt und Marginalisierung – und mit ihrer Standhaftigkeit haben sie es inzwischen in die Konferenzsäle der Vereinten Nationen geschafft.