Kolumbien | Nummer 430 - April 2010

Ein Sandwich für eine Stimme

Stimmenkauf und Drohungen bei den kolumbianischen Parlamentswahlen

Bei den kolumbianischen Parlamentswahlen hat das rechtsgerichtete Lager von Präsident Uribe seine dominante Stellung festigen können. Zahlreiche Abgeordnetensitze gingen an KandidatInnen, die mit Paramilitärs und dem Drogenhandel in Verbindung stehen. Einen politischen Wandel wird es daher in absehbarer Zeit nicht geben.

Alke Jenss

Die Rechten sind weiter auf dem Vormarsch – das ist das Fazit der Parlamentswahlen vom 14. März. Die Soziale Partei der Nationalen Einheit, kurz „U“ genannt, und die Konservativen gingen mit 25 bzw. 22 Prozent als Sieger hervor. Die „U“, die erst 2005 als Unterstützerpartei für den bislang amtierenden Präsidenten Álvaro Uribe Vélez gegründet worden war, ist die parlamentarische Basis der momentanen Regierungspolitik. Auch die Konservativen unterstützen die Regierung.
Die Parlamentswahlen sind nicht nur für die Verteilung der Abgeordnetensitze in Senat und Kammer entscheidend, sondern auch eine Referenz für die Gewichtung der politischen Kräfte bei den Präsidentschaftswahlen im Mai. Nun konnte das Bündnis um Uribe seine Position noch ausbauen. Damit gilt als relativ wahrscheinlich, dass der ehemalige Verteidigungsminister Uribes, Juan Manuel Santos, bei den Präsidentschaftswahlen auch eine mögliche Stichwahl gewinnt. Uribe selbst darf nach einem Urteil des Verfassungsgerichts von Ende Februar nicht zum dritten Mal in Folge kandidieren (siehe LN 429).
Laut der unabhängigen Wahlbeobachtungskomission gab es in etwa einem Drittel der Wahlbezirke des Landes Vorfälle von Korruption oder Wahlbetrug. WählerInnen wurden unter Druck gesetzt, ihr Kreuz bei den „richtigen“ KandidatInnen zu machen, sonst drohe ihnen beispielsweise der Ausschluss aus der staatlichen Krankenversicherung. Der Regierung zufolge sind es dennoch die friedlichsten Wahlen seit Jahrzehnten gewesen. Die enorm hohe Wahlenthaltung von etwa 60 Prozent spricht eher dafür, dass die Stimmabgabe in Kolumbien mit großen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Besonders für die nahezu fünf Millionen intern Vertriebenen ist es schon aus formalen Gründen nahezu unmöglich, ihre Stimme abzugeben.
Zeitgleich mit den Parlamentswahlen fanden öffentliche Vorwahlen zur Bestimmung der PräsidentschaftskandidatInnen der Konservativen Partei (PC) und der Grünen Partei statt. Für die Grünen tritt nun der ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá, Antanas Mockus, als Kandidat an. Erst eine Woche nach der Wahl stand Noemí Sanín als knappe Siegerin der Konservativen fest. Ihr werden im Mai als Gegenkandidatin zum ehemaligen Verteidigungsminister Santos noch die größten Chancen zugesprochen. Sanín unterscheidet sich in ihrem Programm allerdings kaum von Santos und steht ebenfalls für eine Fortsetzung der militarisierten Politik Uribes: „Wir werden in der Sozialpolitik absolut radikal sein. […] das Soziale und das Militärische müssen Hand in Hand gehen. Wir müssen 100 Prozent des nationalen Territoriums kontrollieren: durch unsere Streitkräfte, aber auch durch unsere Sozialpolitik“, äußerte Sanín, die bis 2009 als Botschafterin für Uribe in Großbritannien tätig war.
Gefeiert wurden die Wahlergebnisse in den Hochsicherheitsgefängnissen des Landes: Die neu registrierte Partei der Nationalen Integration (PIN) bekam 8 Sitze im Senat und wurde viertstärkste Kraft. Sie unterstützt ebenfalls Uribes Politik und ist eine Kopie der Partei Staatsbürgerliche Konvergenz (CC), die wegen „Unregelmäßigkeiten“ nicht an den Wahlen teilnehmen konnte: Ihre Abgeordneten sind wegen Verbindungen zu paramilitärischen Gruppen und Drogenhandel im Gefängnis oder es wird gegen sie ermittelt. So werden sie eben von Verwandten vertreten. Die Schwester von Álvaro García Romero, der wegen der Anordnung eines Massakers an 15 Bauern und Bäuerinnen im Jahr 2000 zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, Teresita García, sitzt nun für die PIN im Senat. Die Wahlbeobachtungsmission hatte bereits im Vorfeld der Wahlen wenigstens 80 KandidatInnen mit ähnlichem Hintergrund registriert, fast alle aus der Regierungskoalition. Aber auch die Liberale Arleth Casado hat die Wahlklientel ihres einsitzenden Ehemannes übernommen. „Kandidaten, die nicht von der Mafia finanziert werden, muss man mit der Lupe suchen“, kommentierte das Magazin Silla Vacía. Gegen 13 der KandidatInnen auf den aktuellen Listen der „U“ und gegen 11 der Konservativen laufen ebenfalls Ermittlungen wegen Verbindungen zu Paramilitärs und Drogenhandel.
Demokratischen Standards hielten die Wahlen in Kolumbien auch diesmal nicht stand. Der Kauf von Wahlstimmen vor und während der Wahlen ist weiterhin üblich. In manchen Wahlbezirken holten sich WählerInnen, die ihr Kreuz an der richtigen Stelle gemacht hatten, nur ein paar Häuserblocks weiter ihr Geld ab. In einigen Regionen des Landes wurden Schulstipendien für eine Wahlstimme vergeben oder Sandwiches verteilt, in deren Verpackung ein 20.000 Pesos-Schein (umgerechnet etwa 8 Euro) steckte. Laut der Politikwissenschaftlerin Claudia López dienen die Übernahme der Mandate von Verurteilten und der massive Stimmenkauf dazu, die Machtstrukturen des Drogenhandels zu legalisieren. „Die Strukturen des Drogenhandels benötigen per se politische Repräsentation, denn dadurch erreichen sie Straflosigkeit, Legitimation und mehr Freiheiten, mit anderen öffentlichen Stellen zu verhandeln“, äußerte López in der kritischen Fernsehsendung Contravía.
Traurige Verliererin der Wahl ist die politische Linke Kolumbiens: Das Linksbündnis Alternativer Demokratischer Pol (PDA) hat Sitze im Kongress verloren, obwohl es in den vergangenen Jahren als einzige ernstzunehmende Gegenoption zu Uribe stetig dazugewonnen, und in den Präsidentschaftswahlen 2006 den erfolgreichsten Oppositionskandidaten gestellt hatte. Inzwischen weist das Linksbündnis allerdings deutliche Risse auf (siehe LN 426). Dabei hatten die Parlamentswahlen für den PDA eine doppelte Bedeutung: Es ging nicht nur darum, die Anzahl der Sitze im Kongress zu halten, sondern auch die Zustimmung für den parteiintern umstrittenen Präsidentschaftskandidaten des PDA, Gustavo Petro, zu bestätigen. Beides ist gescheitert.
Die Botschaft der Wahlen ist deutlich: Einen politischen Wandel im Land über Wahlurnen wird es vorerst nicht geben. Für diejenigen, die einen solchen anstreben, bleibt angesichts einer wahrscheinlichen Stichwahl zwischen Santos und Sanín vermutlich nur die Option, einen leeren Wahlzettel abzugeben.

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