Ein sinnlicher Ort zum untertauchen
Das Motel Destino lädt in seine ganz eigene Welt ein

„Heute habe ich es wieder gewagt, mich gegen mein Schicksal zu wehren“. So fasst Heraldo den Tag zusammen, an dem kaum etwas nach Plan verläuft und sich doch alles zu fügen scheint. Der Tag, an dem sein Alltag im Motel Destino völlig durcheinander gerät.
Eigentlich möchte Heraldo vom nordbrasilianischen Bundesstaat Ceará nach São Paulo aufbrechen, um sich dort ein Geschäft aufzubauen und sein von Schicksalsschlägen geprägtes Leben hinter sich lassen. Doch dann muss er aufgrund eines missglückten Raubüberfalls einen Zwischenstopp im Motel Destino einlegen und taucht dort unter. Die meisten Motelgäste bleiben nur für eine Nacht in der abgelegenen Erotikinsel am Straßenrand. Doch Elias, der Besitzer des Motels, und seine Frau Dayana nehmen Heraldo ohne Fragen auf und stellen ihn als Aushilfe ein.
Heraldo verkörpert in seiner Rolle als neue Arbeitskraft eine junge, leicht naive Generation, die vermeintlich alles kann und motiviert ist anzupacken, um etwas zu verändern – sei es im Motel oder im eigenen Leben. Die undurchdringliche Dynamik zwischen den Hauptcharakteren ist gezeichnet von verführerischen Anspielungen und den ständigen Versuchen, das Gegenüber zu verstehen. Die gegenseitige Unterstützung wird mit der Zeit fast schon selbstverständlich, persönliche Grenzen werden dennoch kompromisslos ausgetestet. Sie lernen, sich gegenseitig zu vertrauen und gewöhnen sich so sehr aneinander, dass Heraldos Abreise zeitweise in den Hintergrund rückt und es so wirkt, als könne er sich an einen Alltag im Motel Destino gewöhnen. „Hier bist du sicher. Niemand wird dich hier im Motel suchen“, versichert Dayana.
Doch dann wächst der Druck. Heraldo fühlt sich immer stärker in die Ecke gedrängt und verspürt den Drang aufzubrechen immer mehr. Mit der steigenden Unsicherheit und den sich verdichtenden Intrigen im Motel werden auch die Bilder des Films schriller, schneller und kurioser, so dass er die Züge eines Psychothrillers annimmt. Zwischen den teils harten Szenen erlauben bildliche Eindrücke von bilderbuchschönen, paradiesischen Landschaften eine Pause vom erbarmungslosen Alltag. Die Gegensätze zwischen brutalen Geschehnissen, körperlichem Begehren und ruhiger, ländlicher Szenerie wechseln sich immer wieder ab, bis Heraldo von seiner Vergangenheit eingeholt wird.
Der Wahlberliner Karim Aïnouz schafft in seinem erotischen Tropical Noir, einen Ort, der getrennt von der Außenwelt vor sich hin existiert und dennoch immer wieder von ihr heimgesucht wird. Ein vollständiges Entkommen ist auch dort nicht möglich, so sehr es sich die Charaktere versuchen einzureden. I Motel Destino gerät Heraldo zwischen mal mehr, mal weniger vorhersehbare Liebesaffären, Mordfälle und andere Intrigen, die einen Kontrast zu den schönen Bildern der nordbrasilianischen Küstenlandschaft bilden. Der Wettlauf, der sich im Laufe des Films gegen die Fallen der Außenwelt und die eigene Lebensplanung aufbaut, packt einen schließlich doch und vermittelt am Ende, dass ein Weglaufen vor dem eigenen Schicksal nur bedingt möglich ist.