Ein Tag ohne Migrant*innen
Aktionen und Reaktionen auf Trumps Spektakel des einwanderungsfeindlichen Hasses

Bis zum 12. Februar 2025 hat Donald Trump mehr als 60 Exekutivverordnungen unterzeichnet – ein Rekord in den vergangenen 40 Jahren. Eine Exekutivverordnung ist eine präsidiale Anordnung ohne die Kontrolle anderer Regierungsgewalten. Diese können jedoch vor Gericht angefochten und blockiert werden, was in einigen Fällen bereits geschehen ist. Mehr als die Hälfte der Verordnungen zielen darauf ab, Migration einzuschränken und die Rechte von Migrant*innen sowie Asylsuchenden zu beschneiden.
Sie spiegeln die Kontinuität einer migrationsfeindlichen Politik wider, die auf Kriminalisierung, einer verschärften Sicherheitspolitik und Militarisierung basiert. Irregulär migrierte Personen und Asylsuchende werden als „Bedrohung“ der nationalen Sicherheit dargestellt. Am 20. Januar, Tag Eins seiner Amtszeit, unterzeichnete der Präsident mindestens sechs Exekutivverordnungen im Zusammenhang mit Migration und der sogenannten „Grenzsicherheit“. Er erklärte einen „nationalen Notstand“ an der Grenze zu Mexiko, entsandte 1.500 Polizeikräfte und setzte das Programm Quédate en México („Bleib in Mexiko“), auch bekannt als Migrant Protection Protocols (MPP), wieder in Kraft. Dieses Programm kam bereits 2019 zur Anwendung und wurde Mitte 2022 eingestellt. Es zwingt Asylsuchende, die an der US-Südgrenze ankommen, dazu, in Mexiko zu bleiben, während ihre Fälle vor US-amerikanischen Einwanderungsgerichten verhandelt werden. Trump schaffte außerdem die App CBP One ab, über die Asylsuchende zuvor ein Formular ausfüllen mussten, um einen Termin an den Grenzübergängen zwischen den USA und Mexiko zu erhalten (siehe LN 594). Dadurch wurden Tausende von bereits vereinbarten Terminen storniert, sodass Schutzsuchende an den Grenzübergängen strandeten. Zudem setzte Trump das Resettlement-Programm für Geflüchtete aus und erweiterte die grenzpolizeilichen Operationen innerhalb der USA ohne richterliche Anordnung. Dies führte dazu, dass Tausende von Geflüchteten in Unsicherheit zurückblieben und Abschiebungen ohne rechtsstaatliches Verfahren ermöglicht wurden.
60 Exekutivverordnungen in 3 Wochen
Mit einer weiteren Verordnung hob Trump den Temporary Protected Status (TPS) für Venezolaner*innen auf. Schätzungsweise hatten mindestens 600.000 Personen von diesem temporären Schutzstatus profitiert. Nun sind sie von Abschiebung bedroht sowie arbeitsrechtlicher Unsicherheit und verstärkter Ausbeutung ausgesetzt, da ihre Arbeitserlaubnisse erloschen sind. Zusätzlich drohen ihnen erhebliche Risiken, sollten sie in ein Land zurückkehren müssen, in dem Migration ebenfalls kriminalisiert wird.
Die US-Regierung, die offen feindselig gegenüber migrierten und verarmten Menschen agiert, erhöhte zudem die Mindestquoten für Verhaftungen und Abschiebungen durch die Einwanderungs- und Zollbehörde ICE. Gleichzeitig wurden verschiedene Gruppen zu Terrororganisationen erklärt – darunter mexikanische und venezolanische Kartelle wie Tren de Aragua. Dies dient nicht nur der Rechtfertigung der Aufhebung des TPS, sondern auch der Legitimierung des Einsatzes US-amerikanischer Sicherheitskräfte auf mexikanischem Boden.
Es ist zu beobachten, wie Abschiebungen mit unmenschlichen, erzwungenen Trennungen von Familien die Angst und posttraumatischen Belastungsstörungen innerhalb der transnationalen Migrant*innengemeinschaft verstärken. Berichte über Abschiebeflüge belegen, dass es dabei zu menschenunwürdiger Behandlung kommt. Zudem besteht die Gefahr eines plötzlichen Einbruchs der Rücküberweisungen von Geld, die das Überleben von Familien in Mexiko, Mittel- und Südamerika sowie in der Karibik sichern. Ein weiteres Problem für migrantische Gemeinschaften, die um ihr Überleben und das Recht auf Migration kämpfen, ist die Kürzung der Mittel für die US-Entwicklungsagentur USAID (siehe Seite 30). Paradoxerweise finanzierte diese unter bestimmten Bedingungen humanitäre Projekte, darunter Programme für irregulär migrierte Menschen auf der Durchreise. Zudem versuchte Trump, das Geburtsrecht auf Staatsbürgerschaft abzuschaffen – eine Maßnahme, die aufgrund ihrer Verfassungswidrigkeit umgehend von Bundesgerichten blockiert wurde.
Große mediale Inszenierung
Angesichts dieser Entwicklungen ist es entscheidend, die Maßnahmen Trumps und der US-amerikanischen Rechten als eine auf Hass und medialer Inszenierung basierende Strategie zu entlarven: Es gibt ein massives Ungleichgewicht zwischen der Verbreitung hasserfüllter Narrative und der tatsächlich umgesetzten Politik. Denn bis heute gibt es keine Klarheit darüber, wie viele der Exekutivverordnungen tatsächlich durchgesetzt werden und welche Auswirkungen sie haben werden. Besonders im Bereich der Abschiebungen verdeutlicht Eileen Truax, Journalistin mit Schwerpunkt Migration, gegenüber LN, wie die mediale Inszenierung die Realität der Zahlen verzerrt: „Im Jahr 2024 wurden 14.000 Menschen nach Kolumbien abgeschoben. Das entspricht 38 Abschiebungen pro Tag, 760 in 20 Tagen – doppelt so viele wie Trump in seinen ersten 20 Amtstagen durchführte“, so Truax.
Migrant*innen reagieren auf unterschiedliche Weise auf diese Situation. Viele Menschen mit einem irregulären Aufenthaltsstatus in den USA sehen ihren Alltag massiv beeinträchtigt: Sie haben Angst, zur Arbeit zu gehen, ihre Kinder zur Schule zu schicken und dort möglicherweise festgenommen zu werden. In betroffenen Haushalten mussten sich diejenigen, die von Abschiebung bedroht sind, organisieren, um notwendige Besorgungen und Erledigungen zu machen, während andere gezwungen sind, in ihren Häusern zu bleiben.
Gleichzeitig mischen sich Angst, Wut und Würde. Historische migrantische Kämpfe gegen anti-migrantische Narrative und Maßnahmen leben wieder auf und entwickeln neue Ausdrucksformen. Vor allem junge Menschen lateinamerikanischer Herkunft und Indigene Gruppen Nordamerikas organisieren sich in ihren Gemeinschaften und über soziale Netzwerke, gehen auf die Straßen und beteiligen sich an Demonstrationen. Sie protestieren und setzen der Entmenschlichung Würde entgegen: „Wir sind hier, und wir sind keine Kriminellen!“ Zudem organisierten sie eine landesweite Mobilisierung unter dem Motto „#EinTagohne- Migrantinnen“. Menschen blieben der Arbeit fern und Geschäfte schlossen, um auf die Bedeutung von Migrantinnen für die Gesellschaft und Wirtschaft aufmerksam zu machen.
Kollektiv zusammenstehen
Es entstehen alternative Narrative, die sich gegen Hass richten, die Vielfalt, Mehrsprachigkeit, Multikulturalität und die Solidarität feiern, die Abya Yala auszeichnen – sichtbar auf Protestplakaten, in Slogans, Worten und Liedern. Organisationen, Kollektive und Einzelpersonen auf der ganzen Welt starten Kampagnen zur Unterstützung, Aufklärung und Bewusstseinsbildung.
Es gibt auch spontane Formen des Widerstands, wie der Fall eines Abschiebeflugs nach Brasilien am 24. Januar zeigt. Aufgrund technischer Probleme musste das Flugzeug zweimal zwischenlanden. Die Migrant*innen an Bord, die ohne Klimaanlage und in Handschellen abgeschoben wurden, rebellierten gegen die US-Behörde in Manaus, die für den Flug verantwortlich war. Dadurch gelang es ihnen, das Flugzeug zu verlassen und die brasilianischen Behörden zum Handeln zu bewegen. Außerdem schafften sie es, für sich selbst zu sprechen – anstatt lediglich als Bilder von gefesselten, mit gesenktem Blick gehenden Menschen in Erinnerung zu bleiben.
Kooperation zulasten von Migrant*innen
Andere wichtige, allerdings gegenläufige Reaktionen beziehen sich auf die internationale Zusammenarbeit einiger lateinamerikanischer Regierungen mit den USA im Bereich Migration, die sich „verpflichtet“ haben, abgeschobene Personen – sowohl Staatsangehörige als auch Nicht-Staatsangehörige – aufzunehmen. Diese Situation stärkt die Sicherheits- und Militarisierungspolitik an den Grenzen. Zentralamerikanische Länder haben eine Kooperation entwickelt, die ihre Interessen daran ausrichtet, Abschiebungsprozesse durchzuführen und Migration an sich aufzuhalten. Diese Kooperation ist „das Ergebnis des ersten Besuchs des US-Außenministers Marco Rubio in Zentralamerika, bei dem er die Region bereiste, um die Allianz zur Umsetzung des migrationsfeindlichen Projekts von Präsident Donald Trump zu garantieren,“ so Cindy Espina im zentralamerikanischen Onlinemedium Hora Cero. Neben den entstandenen Vereinbarungen mit Guatemala und El Salvador (siehe Seite 31) bekräftigte Panamas Regierung ihren Willen, die Grenzkontrollen im Darién-Dschungel zu verstärken und die Abschiebung regionaler und außerkontinentaler Migrant*innen fortzusetzen. Ebenso wurde Guantánamo auf Kuba erneut als extraterritoriales Haftzentrum für Migrant*innen bestätigt, wodurch eine seit 60 Jahren bestehende Politik fortgesetzt wird (siehe Seite 32).
In den fast 30 Tagen seiner Regierung hat Präsident Donald Trump Vereinbarungen getroffen, um die bereits langjährige Politik der praktischen Verschiebung der Südgrenze der USA in der Region zu verstärken. Vor dem Hintergrund des komplexen Zollstreits mit Drohungen von Strafzöllen (siehe Seite 31) ließ sich Mexiko darauf ein, 10.000 zusätzliche Soldat*innen an seiner Nordgrenze zu stationieren und die Praxis zur Eindämmung der Migration fortzusetzen. Gleichzeitig konzentriert sich die mexikanische Regierung ausschließlich auf die Betreuung abgeschobener mexikanischer Staatsbürger*innen. Sie zeigt damit ein mangelndes Interesse, Migrant*innen aus anderen Ländern, die in Mexiko gestrandet sind, zu unterstützen. Zusätzlich zu diesen Maßnahmen ist zu erwarten, dass Trump bilaterale Vereinbarungen mit Guatemala und Mexiko anstrebt, um sogenannte sichere Drittstaaten zu etablieren. Dies bedeutet, dass die USA Asylanträge von Personen ablehnen können, die zuvor durch ein anderes Land gereist sind, das als sicher gilt. Die USA wollen durch dieses Instrument ihrer asylrechtlichen Verantwortung entgehen. Gleichzeitig können sie die beteiligten Länder dazu drängen, Maßnahmen zur Eindämmung von Migration zu ergreifen, um zu verhindern, dass Migrant*innen in ihre Länder und in die USA gelangen. Dieses Verfahren, das auf der Flüchtlingskonvention von 1951 basiert, besagt, dass ein Land einem Menschen, der in seinem Herkunftsland gefährdet ist, das Asyl verweigern und ihn an ein Drittland verweisen kann, das über die nötigen Bedingungen verfügt, um der Person Sicherheit zu bieten.
Kämpfe gegen hasserfüllte Narrative
Während Länder wie El Salvador, Guatemala, Panama und Mexiko bereit sind, für Trump die Migration in die USA zu stoppen, forderten die Präsidenten von Kolumbien und Brasilien einen menschenwürdigen Umgang mit abgeschobenen Staatsangehörigen. In Argentinien und Chile haben die Regierungen ihre eigenen Pläne zur Verstärkung der politischen Grenzkontrollen, zur Erleichterung von Abschiebungen und zur Einschränkung des Zugangs zu öffentlichen Dienstleistungen für bestimmte Migrant*innen geschmiedet, beispielsweise in den Bereichen Gesundheit und Bildung. Im Fall von Chile ist dies mit einem zunehmenden Rassismus und Xenophobie gegen arme und Schwarze Migrant*innen verbunden (siehe LN 608). Die nordamerikanische Erzählung wird übernommen, Migrant*innen in irregulärem Status als Bedrohung darzustellen. In diesen dunklen Zeiten, in denen sich die Rechte in verschiedenen Ländern behauptet und die Kontexte voller Gewalt, Angst und hasserfüllter Narrative sind, müssen wir kollektiv zusammenstehen. Das bedeutet, Kämpfe von Migrant*innen zu unterstützen, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der USA stattfinden. Und, sich den lokalen und internationalen Organisationen anzuschließen, die auf die Gewalt reagieren. Wir fordern eine Migrationspolitik – gemeinsam mit den lateinamerikanischen und karibischen Ländern – die auf dem Prinzip des pro-persona basiert. Dies bedeutet die größtmögliche Achtung, Förderung und den Schutz der Menschenrechte von Migrant*innen und Asylsuchenden. Ebenso schließen wir uns als Kollektiv den Forderungen nach einem Ende der Auslagerung der US-amerikanischen Grenzen an.
Grenzüberschreitendes Kollektiv
Das Encuentro de la Colectiva Narrativas de Fronteras desde los Feminismos (kollektiver Begegnungsraum „Narrative der Grenzen aus feministischer Perspektive“) besteht aus mehr als 100 Forscher*innen, Aktivist*innen und Chronist*innen der Grenzen und Migration aus 17 Ländern, hauptsächlich aus Abya Yala. Dieser Raum wurde geschaffen, um über Kämpfe, Studien, Feldarbeiten, Begleitungen und Projekte im Zusammenhang mit zeitgenössischen Migrationsbewegungen ins Gespräch zu kommen.