Chile | Film | Nummer 617 - November 2025

Eine Hölle aus Gier und Gewalt

Der Film Bitter Gold erzählt vom Selbstbehauptungswillen einer jungen Frau in der rauen Welt der Minenarbeiter in Nordchile. Eine Rezension

Mauricio Nickel
Bitter Gold Ein Neowestern aus der Atacama-Wüste (Foto: Verleih)

Eine Straße bahnt sich ihren Weg durch die trockenen Weiten der Atacama-Wüste. Mit diesen beeindruckenden und surrealen Landschaftsbildern beginnt Juan Francisco Oleas’ neuer Film_Bitter Gold. Im Zentrum stehen Pacífico und seine sechzehnjährige Tochter Carola, die eine kleine, abgelegene Mine in Nordchile betreiben. Carola kocht für die Tagelöhner und macht die Buchführung, träumt aber davon, dem Minenleben zu entfliehen – vom Meer und einer Schule.


Das Versprechen auf einen Goldfund verheißt den beiden einen vermeintlichen Ausweg. Doch nach einem Todesfall, überschlagen sich die Ereignisse. Von einer Herausforderung zur nächsten folgen wir Carola durch ihre Arbeitstage, die den Rhythmus des Films bestimmen.


An Konfliktpotenzialen mangelt es nicht. Da wäre allem voran das Patriarchat, dem sich Carola als einzige Frau in der Welt der Minenarbeiter stellen muss. Viele kleine und große Herausforderungen, mit denen Carola tagtäglich konfrontiert wird, tragen zu einer ständigen Spannung bei. Bitter Gold zeigt dabei den Archetypen des machistischen Minenarbeiters, ohne dabei ins Klischeehafte abzurutschen. Dazu trägt auch die Färbung durch den chilenischen Dialekt der Originalsprache bei.


Der Film deutet vieles nur an: den landläufigen Aberglauben der Minenarbeiter, dass Frauen Unglück bringen, und die Legenden, wonach der Teufel dort erscheint, wo Gold gefunden wird. Ebenso ist auch die Rolle des Staates nur angedeutet. Er ist abwesend und in der Isolation der Wüste, gilt das Recht des Stärkeren. Dass der Staat weder Freund noch Helfer ist, zeigt sich in einigen wenigen Szenen. So lehnt Pacífico aus Angst vor der Polizei einen notwendigen Krankenhausbesuch ab.


Bitter Gold mischt mehrere Genres und Themen: Neowestern, Thriller, Feminismus, Armut und Extraktivismus. Die Geschichte ist dabei weder plakativ noch moralisierend und irgendwo zwischen Unterhaltungs- und Kunstfilm. Trotz des vergleichsweise niedrigen Budgets überzeugt die handwerkliche Inszenierung: Die Kameraführung bindet die Räume eindrucksvoll in das Narrativ ein. Dunkle Minenschächte und die Isolation Carolas in der endlosen Wüste schaffen eine klaustrophobische Atmosphäre – sie ist weitestgehend auf sich gestellt. Gleichwohl vermitteln die Weite und Schönheit der Wüste unter dem strahlenden Sternenhimmel, beispielsweise in einem kurzen Moment der Ruhe mit dem Vater, Momente von Hoffnung und Freiheit.


Zentral für das Narrativ ist die komplexe Beziehung zwischen Vater und Tochter. Bitter Gold erzählt nicht nur die feministische Geschichte einer jungen Frau, sondern auch die eines Kindes, das gezwungen ist, erwachsen zu werden. Der Film stellt ebenso die Frage, was geschieht, wenn vermeintliche Schutzbefohlene durch Vater und Staat nicht geschützt werden können oder wollen. Gerade unter Bedingungen von Armut, in denen es gilt, sich tagtäglich durch das Leben zu schlagen. Und so haftet auch Carolas emanzipierter Stärke, eindrucksvoll von Katalina Sánchez verkörpert, ein bittersüßer Beigeschmack an, ohne ihr dabei etwas von ihrer Kraft zu nehmen.

Bitter Gold // Chile, Deutschland, Mexiko, Uruguay // 2024 // 83 Minuten // Regie: Juan Francisco Olea // Seit 21. August 2025 in Deutschland im Kino


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