Eingeheizt in Wintertagen
Christian Russau, Redakteur der Lateinamerika Nachrichten, erhielt den Henry Mathews Preis 2012 für Konzernkritik
Christian Russau habe ihnen ordentlich eingeheizt, lobte Dorothea Kerschgens in ihrer Laudatio. In kalten Januartagen stand er mit seinen Begleiter_innen in Bochum vor der Halle, in der ThyssenKrupp (TK) seine Jahreshauptversammlung abhielt. Mit Plakaten wiesen sie die Aktionärinnen und Aktionäre darauf hin, welche Folgen die Aktivitäten von TK für mehr als 8.000 Fischer in Brasilien hatten.
Für ihr Engagement erhielten Christian Russau und das Netzwerk Kooperation Brasilien (KoBra), bei dem er lange im Vorstand mitarbeitete, am 22. September 2012 den Henry Mathews Preis für Konzernkritik, den der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre vergibt. Mit deren Mandat konnte Christian Russau auf der TK-Jahreshauptversammlung vom Rednerpult aus dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Ekkehard Schulz und seinem Nachfolger, Heinrich Hiesinger, Feuer geben. Dreimal, 2010, 2011 und 2012, sprach er vor der TK-Jahreshauptversammlung über die Fischer von der Bucht von Sepetiba, am westlichen Stadtrand von Rio de Janeiro. ThyssenKrupp baute dort ein riesiges Stahlwerk. Seit es existiert, stieg die Belastung durch metallischen Feinstaub in der Region. Durch Baggerarbeiten in der Bucht für den geplanten Hafen wurden die Laichgründe der Fische zerstört und die Fischer_innen und ihre Familien ihrer Lebensgrundlage beraubt. Als sie sich zu wehren begannen und Proteste organisierten, wurden einige von ihnen von bewaffneten Gruppen mit dem Tod bedroht. Der Fischer Luis Carlos Oliveira musste seinen Wohnort verlassen und unter staatlichem Schutz an einen geheimen Ort ziehen, weil er seines Lebens nicht mehr sicher war (vgl. LN 427, 428, 431, 439, 450).
Die Artikel von Christian Russau waren mit die ersten im deutschsprachigen Raum, die sich dem Schicksal der Fischer_innen von Sepetiba annahmen. Und sein Engagement blieb nicht nur bei Berichten. Er lud Luis Carlos Oliveira nach Deutschland ein und brachte ihn zur Hauptversammlung nach Bochum, wo dieser dem Chef von TK symbolisch einen Fisch überreichte. Nicht zuletzt auch wegen dieses Engagements wurde der Bau, bei dem sich TK ohnehin finanziell massiv verkalkuliert hatte, zu einem großen Fehlschlag. Vor allem durch die Hartnäckigkeit von Christian Russau wurde das ganze Ausmaß des Umweltdesasters einer größeren Öffentlichkeit hierzulande bekannt. Er konnte zeigen: Auch kleine Organisationen können große Erfolge haben. David gegen Goliath ist nicht immer bereits vorher entschieden.
Christian Russau ist Politologe, Journalist, Übersetzer und nicht zuletzt langjähriges Mitglied der Redaktion der Lateinamerika Nachrichten. Für unsere Zeitschrift schrieb er seine ersten Artikel über die Fischer von der Bucht von Sepetiba und ihren Kampf gegen TK. Wir freuen uns sehr für unseren Kollegen und Freund und gratulieren ihm zu seinem Preis. Gewidmet hat er ihn den Fischern von Sepetiba.