Nummer 420 - Juni 2009 | Panama

„El Loco“ wird Präsident

Der rechte Kandidat Ricardo Martinelli gewinnt Wahlen in Panama

„Wir Verrückten sind mehr!“ Mit diesem Slogan gewann der panamaische Millionär Ricardo Martinelli die Mehrheit bei den Präsidentschaftswahlen am 3. Mai 2009. Damit gelang dem erzkonservativen Eigentümer einer Supermarktkette das Kommunikationskunststück, eine gegen ihn gerichtete Schmutzkampagne in eine Siegesstraße zu verkehren. Im Vorfeld der Wahlen hatten seine GegnerInnen ihm vorgeworfen, dass er sich aufgrund psychischer Probleme im Ausland behandeln lasse. Martinelli beantwortete dies mit der Losung: „Ich bin verrückt! Ich bin verrückt danach, dieses Land zu verändern und mehr für die Armen zu tun.“ Nun warten aber die Herausforderungen: die Erwartungen seiner Wählerschaft und die konkreten Inhalte des Parteiprogramms.

Torge Löding, Laura McQuiddy

Fast 60 Prozent der WählerInnen konnte der Kandidat der von ihm selbst gegründeten Partei Demokratischer Wandel (CD) mit seiner Wahlkampagne überzeugen. Seine Konkurrentin von der regierenden Partei der Demokratischen Revolution (PRD), Balbina Herrera, musste sich mit weniger als 38 Prozent begnügen. Ex-Präsident Guillermo Endara landete abgeschlagen bei kaum mehr als 2 Prozent. Während die konservative Weltpresse dies als „Sieg der Rechten gegen den Linkstrend“ interpretiert, äußert selbst die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung Zweifel an dieser Sicht. Die 1998 gegründete CD passe in kein Schema. Sie verfüge weder über eine Tradition noch eine stabile Struktur, und Martinelli repräsentiere diese Partei nicht nur, er sei sie viel mehr, heißt es in einem aktuellen Länderbericht der konservativen Stiftung. Es könne dem neuen Präsidenten sehr schnell zum Verhängnis werden, dass seine Partei keine eigene Ideologie vertrete. Im Rahmen der Meinungsumfrage Latinobarómetro 2008 wurden die Wählerschaften der unterschiedlichen Parteien Panamas gefragt, wo sie sich politisch selbst verorten. Während die Mehrzahl der AnhängerInnen der CD sich als gemäßigte Linke einstufen, steht Martinelli eindeutig rechts. Ein Konflikt mit Wählerschaft und ParteifreundInnen scheint programmiert. Außenpolitisch steht der Vater dreier Kinder für eine enge Anbindung an Spanien und die USA. Seine GegnerInnen behaupten, Martinelli nutze die Macht seines Wirtschaftsimperiums, dem neben der Supermarktkette 99 mit 35 Filialen auch Fernsehkanäle und Landwirtschaftsbetriebe angehören, dazu, seine Machtbasis konsequent zu erweitern. Seine UnterstützerInnen kritisierten indes, dass der scheidende Präsident Martín Torrijos (PRD) seine Parteifreundin Herrera mit Millionenspenden und gesetzeswidriger Einmischung in den Wahlkampf unterstützt habe. Geholfen hat ihr das nicht.
Seinen Sieg trug Martinelli auch dank einer Wahlallianz davon, die in den Räumen der US-Botschaft mit den Parteien Molirena, Patriotische Union und der traditionsreichen Panamistischen Partei (PA) gezimmert wurde. Insbesondere in ultrakonservativen US-Kreisen gilt Balbina Herrera nämlich als „unsichere Kandidatin“, war sie in ihrer Jugend doch Mitglied einer linken StudentInnengruppe und stand später General Manuel Noriega nahe. Auch heute noch betreibt sie manchmal Verbalschelte des „US-Imperialismus“ und gilt als Parteilinke der PRD. Ihr Wahlprogramm stand indes hinter den sozialen Forderungen von Ricardo Martinelli sogar zurück. Dieser versprach unter anderem niedrigere Lebensmittelpreise und eine monatliche Rente von umgerechnet 75 Euro für über 70-Jährige. Für mehr Bildung und besseren Transport sprachen sich beide aus. Auch Herrera war ein Bündnis eingegangen: mit der christdemokratischen Volkspartei (PP) und den Liberalen. Für letztere endete die Wahl in einem Desaster. Da sie in keiner Region vier Prozent der Stimmen erringen konnte, verliert die Partei nun ihren Status als juristische Person.
Martinelli konnte sich als „Mann des Volkes“ präsentieren und verspricht eine harte Gangart gegen Korruption und staatliche Verschwendung. „Seinen Diskurs hat er teilweise von der sozialen Bewegung kopiert“, sagte Saúl Méndez von der Nationalen Front zur Verteidigung der ökonomischen und sozialen Rechte FRENDASO. In dieser Organisation gruppieren sich die wichtigsten sozialen Bewegungen, unter anderem die Bauarbeitergewerkschaft SUNTRACS. Sie hatten keinen der drei KandidatInnen unterstützt und stattdessen zum Wahlboykott aufgerufen. In Martinelli sehen sie eine Art „panamaischen Fujimori“ und befürchten nun ein hartes Vorgehen gegen jede Opposition unter dem Deckmantel eines „Kampfes gegen Korruption und Gewalt“.
Von Balbina Herrera hätte man indes nicht viel anderes erwartet, denn bereits in ihrem Programm bezog sie sich positiv auf eine „Politik der harten Hand“. Die PRD ist seit langem eine Traditionspartei des panamaischen Establishments, auch wenn sie auf Umwegen aus einer Abspaltung der ehemaligen Kommunistischen Partei hervorging. Für die PRD gewann vor fünf Jahren Martín Torrijos die Wahlen. Er ist der Sohn des im Volk beliebten ehemaligen Generals und Juntachefs Omar Torrijos, der gegen die USA aufbegehrte, mit Jimmy Carter erfolgreich die mittlerweile vollzogene Rückgabe des Pananalkanals verhandelte und 1981 unter mysteriösen Umständen bei einem Flugzeugabsturz starb. Im Jahr 2004 weckte Martín Torrijos leise Hoffnungen auf einen Linksschwenk, zumal er einige Progressive wie den Liedermacher Rubén Blades in sein Kabinett holte. Die Regierungsbilanz ist aus linker Sicht jedoch verheerend. Der Sohn des „Máximo Líder der panamaischen Revolution“ wird den PanamaerInnen als Präsident der Umweltverbrechen, des Ruins des Gesundheitssystems und der Missachtung demokratischer Rechte in Erinnerung bleiben. Mindestens vier führende Mitglieder von SUNTRACS wurden unter seiner Regierung ermordet.
Die Präsidentschaftswahl nutzten unterdessen Vertreter der Naso-Indígenas für einen Protest im Zentrum von Panama-Stadt. Knapp 50 Menschen kampierten dort, um gegen die Vertreibung zahlreicher Naso-Familien von ihrem Land durch einen Rinderzuchtbetrieb zu protestieren, welcher wiederum die Unterstützung von Martín Torrijos genießt. Parallel zu den offiziellen Wahlen entschieden die Nasos in einer alternativen Abstimmung, dass die Vertreibung illegal sei und man ihnen ihr Territorium zurück geben müsse. Aus dem Protest der Naso-Indígenas konnte am Ende sogar Martinelli Kapital schlagen. In den indigenen Territorien trugen zahlreiche Naso sichtbar Martinelli-Kampagnenmaterial. Fraglich ist, ob sich der Wahlsieger künftig überhaupt an diese UnterstützerInnen erinnern wird.
Der Sohn italienischer ImmigrantInnen aus Lucca kann unterdessen auch im Parlament auf eine satte Mehrheit zählen: Seine Allianz für den Wandel verfügt über 37 Sitze in der Nationalversammlung, was gut 52 Prozent der WählerInnenstimmen entspricht. Auffallend ist bei dem Ergebnis nur, dass es Martinellis eigene Partei CD in dem Bündnis auf nur 17 Prozent der Gesamtstimmenzahl (12 Sitze) bringt, während die Panamistische Partei mit 26,8 Prozent (19 Abgeordnete) eindeutig stärker ist. Das Bündnis um die PRD besetzt künftig nur noch 23 der insgesamt 71 Sitze, 22 davon entfallen auf die PRD, ein einziger auf die Volkspartei, welche durch die Abgeordnete Irene Gallego aus einer Indígena-Gemeinde vertreten wird.


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